Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der Krankenvergütung. Freischichtenmodell
Leitsatz (redaktionell)
Ein Arbeitnehmer, dessen regelmäßige Arbeitszeit nach § 2 Nr 2 des Manteltarifvertrags Teil 2 für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metallindustrie Schleswig-Holstein vom 11. Juli 1984 in Verbindung mit einer betrieblichen Regelung von Montag bis Freitag acht Stunden beträgt, hat Anspruch darauf, daß ihm die wegen Krankheit ausgefallene Arbeitszeit mit acht Stunden täglich vergütet wird.
Normenkette
TVG § 1; LFZG §§ 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. In dem beim Senat anhängigen Revisionsverfahren geht es um die Berechnung der Krankenvergütung für zwei Tage, an denen der Kläger im September 1985 arbeitsunfähig krank war.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metallindustrie Schleswig-Holsteins (MTV) Anwendung. § 2 A MTV (Teil 2) vom 11. Juli 1984 (in Kraft getreten am 1. April 1985) bestimmt, daß die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen 38,5 Stunden beträgt, die Arbeitszeit im Betrieb nach Maßgabe der näheren tariflichen Bestimmungen durch Betriebsvereinbarung festgelegt wird, dabei die Auslastung der betrieblichen Anlagen aus Anlaß der Neufestlegung der Arbeitszeit nicht vermindert wird und die Differenz zwischen Betriebsmittelnutzungszeit und der Arbeitszeit auch in Form von freien Tagen ausgeglichen werden kann. § 3 MTV besagt folgendes:
"§ 3
Berechnung des Durchschnittsstundenverdienstes
Der in diesem Manteltarifvertrag und anderen
Tarifverträgen genannte Durchschnittsstundenver-
dienst wird für Akkord-, Prämien- und Zeitlohn-
arbeiter errechnet aus dem Durchschnittsverdienst
des letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeit-
raumes (ausschließlich der Zuschläge für Mehr-,
Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit).
Die Berechnung der Entgeltfortzahlung bei
Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit (§ 12 Nr. 1),
die Erstattung des Lohnausfalls an Wochenfeier-
tagen (§ 2 A Ziffer 11) und die Berechnung der
Urlaubsvergütung - einschließlich der zusätzli-
chen Urlaubsvergütung (§ 10 Nr. 10) - richten
sich nach den dort genannten Bestimmungen."
Über die Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle bestimmt § 12 MTV vom 31. März 1979, soweit es hier interessiert, folgendes:
"§ 12
Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle
1. Lohnfortzahlung für gewerbliche Arbeitnehmer
1.1 Die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit
infolge Krankheit richtet sich nach dem
Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsent-
gelts im Krankheitsfalle vom 27.7.1969.
1.2 Abweichend von § 2 Abs. 1 und 2 des Gesetzes
über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im
Krankheitsfalle vom 27.7.1969 wird vereinbart,
daß die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsent-
gelts analog den Bestimmungen über die Berech-
nung der Urlaubsvergütung nach § 10 dieses
Manteltarifvertrages berechnet wird."
Die analog anzuwendenden Bestimmungen über die Berechnung der Urlaubsvergütung lauten wie folgt:
"10. Urlaubsvergütung und zusätzliche Urlaubsvergütung
10.1(1) Für den Urlaub gemäß § 10 Ziffer 2 bzw. § 10
Ziffer 4 bemißt sich die Urlaubsvergütung nach
dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den
der Arbeitnehmer in den letzten abgerechneten
13 Wochen bzw. abgerechneten drei Monaten vor
dem Beginn des Urlaubs erhalten hat.
(2) Mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien kann
ein anderer Bezugszeitraum durch Betriebsver-
einbarung vereinbart werden.
10.2(1) Bei der Berechnung des durchschnittlichen
Arbeitsverdienstes bleiben außer Betracht:
einmalige Sonderzahlungen, wie z. B.
Jubiläumsgeld, Weihnachtssonderzahlungen usw.,
Trennungsgelder, Fahrtkosten, Fernauslösungen,
Nahauslösungen nur, soweit sie nicht als
Einkommen zu versteuern sind,
vermögenswirksame Leistungen und dergleichen,
sowie bereits im Bezugszeitraum gezahlte
Urlaubsvergütungen und Lohnfortzahlung im
Krankheitsfalle.
(2) Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorüberge-
hender Natur, die vor Urlaubsbeginn eintreten,
ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen.
Treten diese während des Urlaubs ein, so sind
sie vom Zeitpunkt der Erhöhung an zu berück-
sichtigen.
(3) Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum
infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder
unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten,
bleiben für die Berechnung der Urlaubsvergütung
außer Betracht.
(4) Ändert sich die vertragliche Arbeitszeit des
Arbeitnehmers während des Bezugszeitraumes oder
während des Urlaubs, so bemißt sich die
Urlaubsvergütung nach dem durchschnittlichen
Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer im
Bezugszeitraum, bezogen auf die neue vertrag-
liche Arbeitszeit, erzielt hätte.
(5) Durch Betriebsvereinbarung kann festgelegt
werden, daß die Berechnung der Durchschnitts-
zahlen nicht für jeden einzelnen Arbeitnehmer,
sondern für bestimmte Gruppen einheitlich
durchgeführt werden kann."
Über die Arbeitszeit hat die Beklagte mit ihrem Betriebsrat eine Vereinbarung vom 21. März 1985 getroffen, die folgendes, hier Wesentliches, vorsieht:
"Betriebsvereinbarung
--------------------
.....
1. Individuelle regelmäßige Arbeitszeit
------------------------------------
Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit aller
vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter beträgt 38,5 Stunden wöchentlich.
2. Betriebsmittelnutzungszeit
--------------------------
Aus Anlaß der Neufestlegung der Arbeitszeit wird
die Auslastung der betrieblichen Anlagen und
Einrichtungen nicht vermindert. Bei einer Diffe-
renz zwischen Betriebsmittelnutzungszeit und der
Arbeitszeit für die einzelnen Arbeitnehmer kann
der Zeitausgleich auch in Form von freien Tagen
erfolgen. Dabei muß zur Vermeidung von Störungen
im Betriebsablauf eine möglichst gleichmäßige
Anwesenheit der Arbeitnehmer gewährleistet sein.
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt von Mo - Fr.
8 Stunden.
.....
3. Freie Tage
----------
Die Inanspruchnahme von Freischichten erfolgt
individuell. Der Arbeitnehmer kann die Freistel-
lung im Rahmen der durch Tarifvertrag definierten
Zeiträume für einen von ihm gewünschten Tag
verlangen, und zwar vorzugsweise Montags und
Freitags.
.....
Jeder Mitarbeiter, der in der Zeit vom 1.4. bis
31.12.85 im Unternehmen beschäftigt ist, erhält
7 freie Tage. Für alle nach dem 1.4.85 Einge-
stellten und vor dem 31.12.85 Ausscheidenden
erfolgt die Berechnung entsprechend anteilig.
.....
6. Bezahlung
---------
Die Bezahlung der Arbeitstage bei gewerblichen
Mitarbeitern erfolgt auf einer Basis von 40 Stunden
bei Vollzeitbeschäftigten. Für die freien Tage
erfolgt keine Bezahlung.
....."
Die Beklagte hat für die Urlaubsvergütung des Klägers und für die beiden Krankheitstage im September 1985 als Stundenverdienst einen Betrag von 17,69 DM zugrunde gelegt, für jeden Urlaubs- oder Krankheitstag aber die Vergütung nur für 7,7 Stunden berechnet und bezahlt. Der Kläger hat demgegenüber die Ansicht vertreten, die Beklagte müsse entsprechend der für ihn ausgefallenen tatsächlichen Arbeitszeit für jeden dieser Tage acht Stunden vergüten. Soweit die Urlaubsvergütung in Frage steht, hat darüber der Achte Senat in dem Verfahren 8 AZR 473/86 am 7. Juli 1988 entschieden. Der Achte Senat hat die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, weil nicht geklärt war, ob etwaige Ansprüche des Klägers auf höhere Urlaubsvergütung infolge Versäumnis einer tariflichen Ausschlußfrist verfallen waren. Hinsichtlich der vom Kläger begehrten höheren Krankenvergütung für zwei Tage mit einem Betrag von 10,62 DM hat der Achte Senat die Sache zuständigkeitshalber an den Fünften Senat abgegeben. Insoweit begehrt der Kläger, das angefochtene Urteil aufrechtzuerhalten, während die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts die Klage für unbegründet und abweisungsreif hält. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger könne die Bezahlung der Krankheitstage nur mit 7,7 Stunden verlangen, weil seine individuelle persönliche Arbeitszeit 38,5 Stunden wöchentlich, mithin 7,7 Stunden täglich, betrage. Daß er tatsächlich im Rahmen der Betriebsnutzungszeit 8 Stunden gearbeitet habe und auch an den Krankheitstagen hätte arbeiten müssen, könne für die Vergütung nicht berücksichtigt werden. Andernfalls würde der Kläger eine Besserstellung gegenüber solchen Arbeitnehmern erlangen, die tatsächlich entsprechend der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit auch nur 7,7 Stunden täglich beschäftigt werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist insoweit unbegründet, wie die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger für zwei Krankheitstage im September 1985 weitere 10,62 DM nebst Zinsen zu zahlen.
1. Nach § 3 Abs. 2 MTV vom 11. Juli 1984 in Verb. mit § 12 Nr. 1.2 und § 10 Nr. 10.1 Abs. 1 MTV vom 31. März 1979 berechnet sich die Krankenvergütung nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten abgerechneten 13 Wochen bzw. abgerechneten drei Monaten vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit erhalten hat. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, daß für die Berechnung der Krankenvergütung von einem Stundenlohn von 17,69 DM auszugehen ist. Der Rechtsstreit wird über die Frage geführt, welche Anzahl von Arbeitsstunden für die Krankheitstage als zu vergüten anzusetzen sind. Diese Frage ist in den tariflichen Bestimmungen über die Berechnung der Urlaubs- bzw. Krankenvergütung nicht geregelt. Für die Höhe der Krankenvergütung sind im Bereich der gewerblichen Arbeitnehmer zwei Faktoren bestimmend, nämlich zum einen der Stundenlohn, zum anderen die Frage der an den Krankheitstagen zu vergütenden Arbeitsstunden. Daher spricht § 2 Abs. 1 LFZG auch davon, daß dem Arbeiter das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist. Entsprechend wird auch in Tarifverträgen festgelegt, wie die beiden Faktoren zu bestimmen sind. Zu verweisen ist etwa auf den Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der niedersächsischen Metallindustrie vom 18. Juli 1984. Dort ist in § 7 Abschnitt I (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) in Abs. 1 geregelt, wie das fortzuzahlende Arbeitsentgelt zu errechnen ist, in Abs. 2 ist dann gesagt, daß bei regelmäßiger Arbeitszeit für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit die Stundenzahl zugrunde zu legen ist, die der Arbeitnehmer bei Arbeitsfähigkeit hätte arbeiten müssen. Ähnlich lautet die Regelung in § 8 Nr. 8 in Verb. mit § 15 Nr. 1 Buchst. a des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980 unter Berücksichtigung des Änderungs-TV vom 3. Juli 1984. Als Krankenvergütung ist der regelmäßige Arbeitsverdienst zu zahlen. Für diesen ist in § 15 für die gewerblichen Arbeitnehmer bestimmt, daß die Lohnhöhe sich nach einem näher bestimmten Durchschnittsverdienst richtet und hinsichtlich der Anzahl der Arbeitsstunden je Tag, der zu vergüten ist, der Bruchteil maßgebend ist, der sich aus der Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage nach dem Durchschnitt der letzten drei abgerechneten Monate ergibt.
Der vorliegende Tarifvertrag für die Metallindustrie in Schleswig-Holstein verhält sich nur über die Berechnung der Vergütung, läßt jedoch offen, für welche Arbeitszeit diese bei Krankheit zu gewähren ist (ebenso für die Berechnung der Urlaubsvergütung BAG Urteil vom 7. Juli 1988 - 8 AZR 472/86 - AP Nr. 22 zu § 11 BUrlG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
2. Die tarifvertraglich fehlende Festlegung der zu vergütenden Arbeitsstunden muß aus der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 LFZG entnommen werden. Zu vergüten sind für die Krankheitstage die Arbeitsstunden, die entsprechend der regelmäßigen Arbeitszeit ausgefallen sind. Hierzu steht fest, daß der Kläger im September an den Krankheitstagen entsprechend der festgelegten Betriebsnutzungszeit jeweils hätte 8 Stunden arbeiten müssen. Für diese 8 Stunden steht ihm daher die Vergütung zu, und die Beklagte hat für die bisher nicht vergüteten 0,3 Stunden je Krankheitstag die mit der Klage begehrte Zahlung zu leisten.
3. Die Beklagte kann für ihre Auffassung, die Krankheitstage seien nur mit 7,7 Stunden je Tag zu vergüten, nichts aus § 10 Nr. 10.2 Abs. 4 MTV herleiten. In dieser tarifvertraglichen Bestimmung heißt es, wenn sich die vertragliche Arbeitszeit während des Bezugszeitraumes oder während des Urlaubs ändere, so bemesse sich die Urlaubsvergütung nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum, bezogen auf die neue vertragliche Arbeitszeit, erzielt hätte. Hieraus will die Beklagte herleiten, für die Bezahlung der Urlaubs- bzw. Krankheitstage sei nicht nur bei der Berechnung der Vergütung, sondern auch bei Ermittlung der ausfallenden Arbeitszeit auf die vertragliche Arbeitszeit abzustellen. Die vertragliche Arbeitszeit aber betrage bei dem Kläger nur 7,7 Stunden je Arbeitstag.
Die vorgenannte tarifliche Regelung bezieht sich nur auf die hier nicht gegebene Sachlage, daß sich die Arbeitszeit während des Bezugszeitraums oder während des Lohnfortzahlungszeitraums ändert. Schon deshalb ist zweifelhaft, ob aus ihr für die hier anzustellende Betrachtung etwas gewonnen werden kann. Im übrigen aber stellt die von dem Kläger abzuleistende tägliche Arbeitszeit von acht Stunden die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung dar. Richtig ist zwar, daß die Betriebsvereinbarung die individuelle regelmäßige Arbeitszeit aller vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit 38,5 Stunden wöchentlich bezeichnet. Zugleich sieht die Betriebsvereinbarung aber vor, daß die Auslastung der betrieblichen Anlagen und Einrichtungen nicht vermindert wird und die Differenz zur individuellen regelmäßigen Arbeitszeit ausgeglichen wird; zugleich legt die Betriebsvereinbarung in diesem Zusammenhang fest, daß die regelmäßige Arbeitszeit von Montag bis Freitag 8 Stunden beträgt. Die so bestimmte Arbeitszeit war diejenige Arbeitszeit, die der Kläger auch vertraglich schuldete, weil die Betriebsvereinbarung zulässigerweise die Arbeitszeit so festlegen konnte und festgelegt hat.
4. Soweit die Beklagte die beim Freischichtenmodell üblichen Einwendungen gegen die Bezahlung der Krankheitstage mit 8 Stunden erhoben hat, hat der Senat sich mit diesen bereits in vorangegangenen Verfahren befaßt. Insoweit ist nur folgendes zu wiederholen:
a) Die Beklagte hat geltend gemacht, ein Arbeiter, der entsprechend der festgelegten individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden tatsächlich nur 7,7 Stunden je Tag arbeite, erhalte für Krankheitstage ebenfalls nur die Bezahlung für 7,7 Stunden. Bei einer Betrachtung der Jahresarbeitszeit könne der in der Betriebsnutzungszeit beschäftigte Arbeitnehmer, dem Krankenvergütung für 8 Stunden je Tag zufließe, eine vergütungsmäßige Besserstellung erlangen. Hierzu gilt folgendes: Die Besserstellung kann unter Umständen eintreten. Diese unterschiedliche Behandlung beruht jedoch auf der jeweiligen betrieblichen Entscheidung für die nach dem Manteltarifvertrag möglichen und zulässigen Arbeitsverteilungsregelungen. Die unterschiedliche Vergütung der Krankheitstage ist deshalb verknüpft mit der unterschiedlichen Regelung über die Arbeitszeit und im Verhältnis der Arbeitnehmergruppen zueinander nicht als sachfremd oder willkürlich anzusehen. Soweit der Arbeitgeber dadurch betroffen wird, daß er für die im Freischichtenmodell tätigen Arbeitnehmer mehr an Krankenvergütung aufbringen muß als für Arbeitnehmer, die entsprechend der individuellen Arbeitszeit arbeitstäglich 7,7 Stunden beschäftigt sind, kann auch dies nicht als sachwidrig angesehen werden. Denn den entsprechenden betrieblichen Arbeitszeitregelungen braucht ein Arbeitgeber nur zuzustimmen, soweit die Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt sind (vgl. BAG Urteil vom 14. Dezember 1988 - 5 AZR 692/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
b) Ergänzend ist auf folgendes hinzuweisen: Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LFZG hat der Arbeiter, der durch Krankheit arbeitsunfähig ist, einen unabdingbaren Anspruch auf Fortzahlung seines Lohnes für die Dauer von sechs Wochen. Dadurch soll der Arbeiter wirtschaftlich abgesichert werden. Sein bisheriger, aus der Berufstätigkeit herrührender Lebensstandard soll nicht beeinträchtigt werden. Zweck der gesetzlichen Regelung ist es, den kranken Arbeiter wirtschaftlich so zu stellen wie den gesunden Arbeiter, der im fraglichen Zeitraum tatsächlich gearbeitet hat (vgl. BAGE 39, 67 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie). Die Arbeitstage, die bei Arbeitsunfähigkeit nur mit 7,7 Stunden vergütet würden, könnten in bezug auf die Differenz zu der Vergütung für 8 Stunden nur ausgeglichen werden, wenn hierfür Freischichttage ganz oder teilweise in Anspruch genommen werden. Das würde aber dazu führen, daß dem Arbeitnehmer die wirtschaftliche Sicherung an den Tagen, an denen er arbeitsunfähig ist, nicht in vollem Umfange zukommt. Er könnte seinen Verdienst nur aufrechterhalten, wenn er von den ihm zustehenden Freischichten Teile zur Arbeit benutzt. Das widerspräche den Grundsätzen über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle und ist daher nicht angängig.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Dr. Krems Arntzen
Fundstellen
BB 1989, 1978-1979 (LT1) |
DB 1989, 2233-2234 (LT1) |
DOK 1990, 339-340 (KT) |
EEK, I/976 (ST1) |
NZA 1990, 278-280 (LT1) |
RdA 1989, 380 |
USK, 8945 (ST1) |
WzS 1990, 182 (K) |
AP § 2 LohnFG (LT1), Nr 18 |
AR-Blattei, ES 1000.3.1 Nr 152 (LT1) |
AR-Blattei, Krankheit IIIA Entsch 152 (LT1) |
EzA § 1 LohnFG, Nr 106 (LT1) |