Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Wiedereinsetzung
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu – 2 AZR 55/94 –
Normenkette
BGB § 613a; ZPO § 233
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 26.08.1993; Aktenzeichen 9 Sa 239/93) |
ArbG Mainz (Urteil vom 10.12.1992; Aktenzeichen 5 Ca 1583/92) |
Nachgehend
Tenor
1. Den Klägern wird wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt,
2. Auf die Revisionen der Kläger werden die Urteile des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. August 1993 – 9 Sa 281/93 – und – 9 Sa 239/93 – aufgehoben.
3. Die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 10. Dezember 1992 – 5 Ca 1582/92 – und – 5 Ca 1583/92 – werden zurückgewiesen.
4. Die Beklagte hat die Kosten der Berufungs- und Revisionsverfahren zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Wiedereinsetzung: Diese tragen die Kläger.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin und der Kläger waren bei der Firma PAE-GmbH (im folgenden PAE) beschäftigt, die in N. innerhalb eines Kasernengeländes der US-Armee ein Material- und Ersatzteillager („ERF-Main”) betrieb. Ursprünglich hatte die US-Armee das Material selbst verwaltet. Durch einen auf die Zeit, vom 1. Oktober 1987 bis zum 30. September 1992 befristeten Vortrag übernahm die PAE diese Aufgabe. Eine Neuausschreibung hatte zur Folge, daß für den neuen Vertrag ab 1. Oktober 1992 nicht die PAE, die „sich auch beworben hatte, sondern die Beklagte den Zuschlag erhielt. Die Beklagte betreibt seitdem in den gleichen Räumlichkeiten mit weitgehend den gleichen Geräten und dem gleichen Personal dieses Ersatzteillager. Soweit die Beklagte als „Betreiberin des Lagerungs- und Versandbetriebs ERF-Main” mit den Arbeitnehmern der PAE neue Verträge abgeschlossen hat, wurde darin überwiegend der Vorbehalt vereinbart, die Rechte der Arbeitnehmer aus § 613 a BGB blieben unberührt. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte den Betrieb der PAE übernommen hat und damit die zwischen der Klägerin und dem Kläger und der PAE begründeten Arbeitsverhältnisse zwischen den Parteien fortbestehen.
Bei dem Depot handelt es sich um einen abgegrenzten Teil des Kasernengeländes mit zahlreichen Lagerhallen. Dort wird von der US-Armee benötigtes Material – vom Panzermotor über das Kanonenrohr und die Flugzeugtragfläche bis hin zur kleinsten Unterlegscheibe – eingelagert. Die Teile werden von der US-Armee angeliefert. Sie werden untersucht um festzustellen, ob sie ohne weitere Bearbeitung wiederverwendbar oder ob sie reparaturbedürftig sind bzw. verschrottet werden müssen. Teilweise wird das Material entrostet, eingefettet, gestrichen bzw. lackiert. Die erforderlichen Reparaturen erfolgen nicht in dem Depot. Für die anschließende Verpackung der Einzelteile liefert die US-Armee Verpackungsmaterial an. Für größere Teile werden im Depot in einer eigenen Kistenmacherei Kisten hergestellt. Die Einlagerung erfolgt mittels eines Förderbandsystems in vorhandenen Regalen und sonstigen Lagereinrichtungen. Für die Verwaltung des Lagers bestehen Computersysteme. Auf Anforderung der einzelnen US-Dienststellen werden die benötigten Ersatzteile später im Lager gesucht und versandfertig gemacht. Die Räumlichkeiten und die Einrichtung des Depots stehen zum überwiegenden Teil im Eigentum der US-Armee.
Die Klägerin und der Kläger haben geltend gemacht, die Beklagte habe von der PAE einen funktionsfähigen Betrieb übernommen. Dabei handele es sich im wesentlichen um einen Produktionsbetrieb, dessen Aufgabe es sei, aus nur bedingt gebrauchsfähigen Einzelteilen wiederverwendbares Material herzustellen. Die materiellen und immateriellen Betriebsmittel, insbesondere auch die von der PAE entwickelten Computersoftwaresysteme, mit denen die PAE ihren Betrieb geführt habe, seien im wesentlichen auf die Beklagte übergegangen. Ohne die Übernahme dieser Betriebsmittel wäre der Beklagten eine Weiterführung des Betriebes nicht möglich gewesen.
Die Klägerin und der Kläger haben beantragt
festzustellen, daß zwischen ihnen und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht auf der Grundlage des jeweiligen Arbeitsvertrages mit der Firma PAE-GmbH.
Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, sie führe einen reinen Dienstleistungsbetrieb. Von der PAE unmittelbar habe sie keinerlei Betriebsmittel übernommen, sie erbringe ihre Leistungen auf der Grundlage des neu abgeschlossenen Dienstleistungsvertrages mit der US-Armee. Lediglich ein geringer Teil des angelieferten Materials müsse konserviert 1 und in Kisten verpackt werden. Nur wenige Arbeitnehmer seien mit diesen Arbeiten beschäftigt. Ca 60 % des angelieferten Materials könne direkt eingelagert und 10 % als Schrott sofort ausgemustert werden, sodaß lediglich 30 % der Teile unterschiedlichen Reparaturprogrammen zugeführt werden müßten. Zahlreiche Betriebsmittel habe sie auch selbst in den Betrieb eingebracht. Die von der Rechtsprechung für Produktionsbetriebe entwickelten Grundsätze seien auf das Depot nicht anwendbar.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Urteile abgeändert und die Klagen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin und des Klägers in den erst vom Senat verbundenen Verfahren.
Die Revision ist jeweils am 28. Januar 1994 beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Mit Schriftsätzen vom 25. Februar 1994 hat der Prozeßbevollmächtigte der Revisionskläger wegen Arbeitsüberlastung Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist beantragt. Diese Anträge sind erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist, und zwar am 2. März 1994 beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Nach einem entsprechenden Hinweis des Senats hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger jeweils mit einem am 14. März 1994 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz die Revision begründet und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist beantragt.
Die Kläger haben zur Begründung ihrer Wiedereinsetzungsanträge unter Vorlage einer anwaltlichen Versicherung ihres Prozeß bevollmächtigten und einer eidesstattlichen Versicherung einer Mitarbeiterin des Büros des Prozeßbevollmächtigten sowie einer Kopie des Postausgangsbuchs des Prozeßbevollmächtigten vorgetragen:
Die Frist zur Revisionsbegründung sei nebst einer Vorfrist ordnungsgemäß im Wiedervorlagekalender, im „Chefterminer” und in der Handakte notiert gewesen. Die Handakte sei dem Prozeßbevollmächtigten am 21. Februar 1994 vorgelegt worden. Am 22. Februar 1994 sei dessen Großmutter gestorben, die Beerdigung habe am 25. Februar 1994 stattgefunden. Am 25. Februar 1994 sei ein Antrag auf Fristverlängerung zur Begründung der Revision gefertigt und von dem Prozeßbevollmächtigten unterschrieben worden. Dieser habe am 25. Februar 1994 gegen 11.00 Uhr eine Bürokraft angewiesen, den Schriftsatz postfertig zu machen und noch am gleichen Tage zur Post zu bringen. Auf die Dringlichkeit der Frist habe er dabei ausdrücklich hingewiesen, bevor er zu der Beerdigung gefahren sei. Diese zuverlässige Bürokraft, bei der es sich um eine ausgebildete Rechtsanwaltsgehilfin handele, die sogar das erste juristische Staatsexamen abgelegt habe, habe den Schriftsatz zwar postfertig gemacht, die Absendung aber vergessen. Eine andere Bürokraft habe dann am darauffolgenden Montag den Schriftsatz als liegengebliebene Post vor 9.00 Uhr zur Postdienststelle gebracht. Als der Prozeßbevollmächtigte an diesem Tag ins Büro gekommen sei, habe ihm dieses Versehen nicht auffallen können.
Entscheidungsgründe
Die Revision hatte in beiden Verfahren Erfolg.
A. Die Revisionen sind zulässig.
I. Die Kläger haben zwar die einmonatige Revisionsbegründungsfrist versäumt, die am 28. Februar 1994 ablief. Die Revisionsbegründungsschriften sind erst am 14. März 1994, also verspätet beim Bundesarbeitsgericht eingegangen.
II. Gemäß § 233 ZPO war jedoch den Klägern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil die Revisionsbegründungsfrist ohne ein ihnen nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten versäumt worden ist.
Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen verlangt zuverlässige Vorkehrungen zur Sicherstellung des rechtzeitigen Ausgangs der fristwahrenden Schriftsätze. Er hat durch entsprechende Organisation seines Büros für die Beachtung der Fristen zu sorgen (vgl. dazu im einzelnen den Senatsbeschluß vom 8. April 1993 – 2 AZR 716/92 – AP Nr. 10 zu § 85 ZPO, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Kläger zur Begründung ihrer Wiedereinsetzungsanträge ist ihr Prozeßbevollmächtigter diesen Sorgfaltspflichten nachgekommen und lediglich eine unverschuldete Verzögerung hat zum verspäteten Eingang der Schriftsätze beim Bundesarbeitsgericht geführt. Dabei kommt es nicht darauf an, daß die Schriftsätze vom 25. Februar 1994 lediglich Anträge auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist enthielten. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch dann gerechtfertigt, wenn ein erfolgversprechendes Fristverlängerungsgesuch unverschuldet erst verspätet beim Rechtsmittelgericht eingegangen ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 18. Aufl., § 233 Rz 23 unter „Fristenbehandlung”, m.w.N.). Der Prozeßbevollmächtigte hat durch eine Einzelweisung unter Hinweis auf die Dringlichkeit der Angelegenheit aus seiner Sicht alles Erforderliche veranlaßt, um den rechtzeitigen Eingang der Schriftsätze beim Bundesarbeitsgericht sicherzustellen. Eine solche Einzelweisung muß unter den gegebenen Umständen ausreichen, ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten auszuschließen, will man nicht dessen Sorgfaltspflicht überspannen. Ein Verschulden der Mitarbeiter des Rechtsanwalts kann den Klägern nicht zugerechnet werden, da insbesondere die Mitarbeiterin, der das Versehen unterlaufen ist, hinreichend erfahren war und zudem von dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger eine konkrete Einzelfallweisung erhalten hatte.
B. Die Revisionen sind auch begründet. Die Urteile des Landesarbeitsgerichts waren aufzuheben und die Urteile des Arbeitsgerichts wiederherzustellen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es unterliege zwar keinem Zweifel, daß die Beklagte auf dem Kasernengelände einen Betrieb i.S.d. § 613 a BGB unterhalte. Die Beklagte gehe auch in dem gleichen Bereich mit überwiegend den gleichen Geräten und dem gleichen Personal dem Betriebsziel nach, das bis 30. September 1992 die PAE verfolgt habe. Es sei auch nicht zu verkennen, daß zur Herstellung der Wiederverwendbarkeit der eingelieferten und einzulagernden und auf Bedarf zu verwendenden Gegenstände eine gewisse Produktionstätigkeit entfaltet werde. Entscheidend sei 1 jedoch, daß die Beklagte nicht in den zwischen der PAE und der US-Armee geschlossenen Vertrag eingetreten, sondern bei der Neuausschreibung den Zuschlag für das Betreiben des Lagers erhalten habe. Dieser neue Vertrag mit der US-Armee stelle die Grundlage dar, auf der der Betrieb der Beklagten, das Betreiben des US-Depots in der Kaserne N., stattfinde. Irgendwelche sächlichen und immateriellen Betriebsmittel habe die Beklagte von der PAE nicht übernommen. Durch die entsprechende Vertragsgestaltung der US-Armee, die Aufgabe jeweils auf fünf Jahre befristet zu vergeben, seien die Arbeitnehmer auch hinreichend geschützt.
II. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Urteile des Landesarbeitsgerichts beruhen auf einer rechts fehlerhaften Anwendung des § 613 a BGB. Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt liegt ein Betriebsübergang vor.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa BAGE 35, 104, 106 = AP Nr. 24 zu § 613 a BGB, zu 1 der Gründe; BAGE 47, 13, 20 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB, zu B II 2 b der Gründe) gehören zu einem Betrieb i.S.v. § 613 a Abs. 1 BGB nur die sächlichen und immateriellen Betriebsmittel, nicht auch die Arbeitnehmer. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses ist Rechtsfolge, nicht Tatbestandsvoraussetzung. Die sächlichen und immateriellen Betriebsmittel machen einen Betrieb dann aus, wenn der neue Inhaber mit ihnen und mit Hilfe der Arbeitnehmer bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann. Dabei ist es nicht erforderlich, daß alle Wirtschaftsgüter, die bisher zu dem Betrieb des alten Inhabers gehörten, auf den neuen Betriebsinhaber übergehen. Unwesentliche Bestandteile des Betriebsvermögens bleiben außer Betracht. Die eingerichteten und bestehenden Arbeitsplätze sollen im Interesse und unter Aufrechterhaltung des vorhandenen Betriebes erhalten bleiben, wenn ein anderer das Betriebssubstrat erwirbt.
Für die Frage, welche Betriebsmittel für die Erfüllung der arbeitstechnischen Zwecke wesentlich sind, ist auf die Eigenart des Betriebes abzustellen. Bei Produktionsbetrieben wird regelmäßig die Übernahme der sächlichen Betriebsmittel entscheidend sein. Bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben werden demgegenüber meist die immateriellen Betriebsmittel wie Kundenstamm. Kundenlisten, die Geschäftsbeziehungen zu Dritten, das „know how” und der „good will”, ebenso die Einführung des Unternehmens auf dem Markt im Vordergrund stehen (BAGE 49, 102, 105 f. = AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG, zu I 1 b der Gründe; Senatsurteil vom 29. September 1988 – 2 AZR 107/88 – AP Nr. 76 zu § 613 a BGB, zu A II 1 b der Gründe; Urteil vom 18. Oktober 1990 – 2 AZR 172/90 – AP Nr. 88 zu § 613 a BGB, zu B II 2 b aa der Gründe). Die Arbeitnehmer selbst gehören zwar nicht zum Betrieb i.S.v. § 613 a BGB, wohl können aber im Einzelfall Fachkenntnisse eingearbeiteter Mitarbeiter in ihrer Bedeutung für die Fortführung des alten Betriebes von Bedeutung seien (BAGE 49, 102, 105 f. = AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG, zu I 1 b der Gründe; Senatsurteil vom 9. Februar 1994 – 2 AZR 781/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die von der Rechtsprechung vorgenommene Unterscheidung in Produktions- und Handels- bzw. Dienstleistungsbetriebe bedeutet allerdings nicht, daß rein schematisch bei Produktionsbetrieben allein auf die materiellen und bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben nur auf die immateriellen Betriebsmittel abzustellen ist. Bei der Beurteilung, ob ein Betriebsteil übergegangen ist, ist stets eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen, zu denen die Art des Unternehmens gehört, die Übertragung oder Nichtübertragung von Vermögensgegenständen, der Belegschaft, des Kundenstamms, sowie die Vergleichbarkeit der unternehmerischen Aktivität vor und nach dem Übergang (vgl. die Rechtsprechung des EuGH Urteil vom 12. November 1992 – Rs C 209/91 – Tätigkeiten Nr. 29/92, S. 9; vgl. auch EuGH Urteil vom 19. Mai 1992 – Rs C 29/91 – NZA 1994, 207). Bei reinen Dienstleistungsbetrieben ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung nur dann allein auf die immateriellen Betriebsmittel abzustellen, wenn etwa übertragene materielle Betriebsmittel vom Betriebszweck her gesehen als unwesentlich anzusehen sind. Besteht z.B. bei einem Reinigungsbetrieb das Betriebssubstrat im wesentlichen aus dem Auftrag eines Großkunden und werden bei der Neuvergabe des Auftrags von dem neuen Auftragnehmer die erforderlichen Reinigungsgeräte neu angeschafft, so ist es für die Abgrenzung, ob ein Betriebsübergang vorliegt, völlig unbedeutend, ob der neue Auftragnehmer von dem bisherigen Auftragnehmer gebrauchte Arbeitskleidung übernommen und einen Rest von angebrochenen Reinigungsmitteln noch verbraucht hat. Werden im Dienstleistungsbereich wesentliche materielle Betriebsmittel, die die Ausübung des betreffenden Gewerbes im speziellen Fall notwendig ermöglichen, durch Rechtsgeschäft übernommen, so sind sie bei der erforderlichen Gesamtabwägung jedenfalls zu berücksichtigen (vgl. Teilurteil des Senats vom 27. März 1991 – 2 AZR 353/90 (A) –, n.v.).
2. Nach diesen Grundsätzen stellt die Übernahme des Ersatzteildepots der US-Armee durch die Beklagte einen Betriebsübergang i.S.v. § 613 a BGB dar. In dem vergleichbaren Fall des Auslieferungslagers, eines Produktionsbetriebes hat der Senat im übrigen bereits festgestellt, daß die Übernahme eines solchen Lagers grundsätzlich die Übernahme eines Teilbetriebs darstellen kann, wenn ein solches Lager eine räumlich abgrenzbare Einrichtung ist, die mit den dazugehörenden Gegenständen ausgerüstet ist, die Ware so versandfertig zu machen, daß sie nur noch verladen werden muß (Senatsurteil vom 9. Februar 1989 – 2 AZR 405/88 –, n.v.).
a) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte auf dem Kasernengelände in N. – wie zuvor schon die PAE – einen Betrieb unterhält. Auf einem abgegrenzten Teil dieses Kasernengeländes wird in zahlreichen Hallen mittels sächlicher (Regale, Gabelstapler, Förderbänder etc.) und immaterieller (z.B. Computersoftware) Betriebsmittel von ca, 200 bis 300 Arbeitnehmern der arbeitstechnische Zweck verfolgt, die angelieferten Teile zu ordnen, aufzubereiten, zu lagern und auf Anforderung der Wiederverwendung zuzuführen. Kein anderes Ergebnis ergäbe sich, würde man die gesamte Kaserne als Betrieb und das Ersatzteildepot lediglich als selbständigen Betriebsteil in diesem Betrieb ansehen.
b) Wie die Vorinstanzen, insbesondere das Arbeitsgericht zutreffend herausgestellt haben, handelt es sich bei dem Ersatzteildepot jedenfalls nicht um einen reinen Dienstleistungsbetrieb. Man kann schon erwägen, ob nicht die Sichtweise der betroffenen Arbeitnehmer zutrifft, der Betrieb sei überwiegend als Produktionsbetrieb anzusehen, der aus nicht mehr gebrauchsfähigen Teilen wiederverwendbares Material herstelle. Jedenfalls handelt es sich aber um einen Mischbetrieb. So werden z.B. in dem „Box-Shop” aus angeliefertem Holz Versandkisten hergestellt und in der Konservierungsabteilung werden die entsprechenden Teile so weiterbearbeitet, daß sie eine längere Lagerung überstehen. Auch soweit das Landesarbeitsgericht von einem reinen Dienstleistungscharakter der in dem Betrieb erbrachten Arbeiten ausgeht (Sortieren, Einlagern und Versandfertigmachen der Teile), handelt es sich dabei jedenfalls nicht um Arbeitszwecke, die praktisch ohne oder mit beliebig austauschbaren sächlichen Betriebsmitteln erbracht werden können (z.B. Bewachungs- und Reinigungsaufgaben). Die Lagerhaltung ist nur in Räumlichkeiten erheblichen Ausmaßes mit entsprechenden Regalen, Förderbändern, Gabelstaplern, Computern zur Lagerverwaltung etc. nach detaillierten Vorgaben der US-Armee möglich.
c) Dementsprechend hat die Beklagte nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt in ganz erheblichem Umfang sächliche Betriebsmittel übernommen, ohne die der arbeitstechnische Zweck des Betriebes nicht sinnvoll hätte weiterverfolgt werden können. Bei dem Ersatzteildepot handelt es sich um eine organisatorische Einheit, die im wesentlichen erhalten bleiben mußte, damit die Beklagte den bisherigen Betriebszweck fortführen konnte. Ob die Beklagte einzelne sächliche Betriebsmittel neu angeschafft hat und z.B. teilweise über die Gabelstapler neue Leasingverträge abgeschlossen hat, ist unerheblich. Die wesentlichen sächlichen Betriebsmittel, die zuvor der PAE zur Verwirklichung des Betriebszwecks gedient hatten, werden nach dem Neuabschluß des Vertrages von der Beklagten weiter benutzt.
d) Die Beklagte hat auch immaterielle Betriebsmittel übernommen. Die Verwaltung eines Lagers mit einem derart weit verzweigten Sortiment ist ohne entsprechende Datenverarbeitung kaum denkbar. Es ist deshalb von entscheidendem Gewicht, daß die Beklagte unstreitig die beiden Computerprogramme weiter benutzt, wobei es unerheblich ist, ob diese Programme überwiegend von der US-Armee oder von der PAE für die Zwecke der Ersatzteilverwaltung des Depots entwickelt worden sind. Des „know-how”, das in diesen Computerprogrammen verkörpert wird, hat sich die Beklagte jedenfalls versichert.
Ob die Beklagte darüber hinaus nicht auch das „know-how” übernommen hat, das in dem eingespielten Team von Arbeitnehmern verkörpert wurde, kann dahinstehen. Dafür spricht immerhin, daß die Ersatzteile in dem Depot nach detaillierten Vorschriften der US-Armee so aufbereitet werden mußten, daß sie dem Zweck einer Wiederverwendung, notfalls bei einem Kriegseinsatz genügten. Es ist kaum vorstellbar, wie ein Unternehmer, der sich der US-Armee gegenüber in dem komplizierten Bereich der Wehrtechnik zu einem entsprechenden Qualitätsstandard verpflichtet hat, von einem Tag auf den anderen ein solches Ersatzteildepot weiterführen soll, ohne auf die Erfahrungen der in Schlüsselpositionen beschäftigten bisherigen Arbeitskräfte zurückzugreifen. Wenn die Beklagte mit Schreiben vom 4. September 1992 an alle Arbeitnehmer der PAE zum Ausdruck gebracht hat, sie beabsichtige, so viele der gegenwärtigen PAE-Arbeitnehmer wie möglich einzustellen, um das im Vertrag mit der US-Armee verlangte qualifizierte Personal zu bekommen, und dann tatsächlich den überwiegenden Teil der Arbeitnehmer der PAE übernommen hat, so ist dies jedenfalls ein zusätzliches Indiz für das Vorliegen eines Betriebsübergangs.
e) Da die Beklagte die zur Fortführung des Betriebes wesentlichen materiellen und immateriellen Betriebsmittel übernommen hat, scheitert eine Betriebsübernahme nicht, wie das Landesarbeitsgericht meint, an der Tatsache der Neuausschreibung des Vertrages durch die US-Armee. Vor allem in den Fällen, in denen die Vertragsbeziehung zu einem Kunden das wesentliche Betriebsmittel war, hat das Bundesarbeitsgericht bislang eine Betriebsschließung und eine anschließende Neueröffnung des Betriebes angenommen, wenn dieses Betriebsmittel dem bisherigen Betriebsinhaber durch eine Beendigung des Vertrages mit dem Kunden verlorenging und der neue Betriebsinhaber aufgrund einer Neuausschreibung einen neuen Vertrag über die entsprechende Dienstleistung mit dem Kunden abschloß (Senatsurteile vom 29. September 1988 – 2 AZR 107/88 – AP Nr. 76 zu § 613 a BGB (Bewachungsvertrag); vom 27. März 1991 – 2 AZR 353/90 (A) –, n.v. (Flughafenreinigung) und vom 18. Oktober 1990 – 2 AZR 172/90 – AP Nr. 88 zu § 613 a BGB (nach Arbeitsstunden abgerechnete Arbeiten in der Spülküche eines Krankenhauses)). Diese Rechtsprechung geht davon aus, ein derartiger reiner Dienstleistungsbetrieb ohne wesentliche sächliche Betriebsmittel werde durch Wegfall des einzigen Kundenauftrags quasi betriebsmittellos und der neue Vertragspartner des Kunden könne deshalb einen Betrieb nur neu gründen. Ob an dieser Rechtsprechung angesichts des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 14. April 1994 (– Rs C 392/92 – in Sachen Christel Schmidt ./. Spar- und Leihkasse der früheren Ämter Bordesholm, Kiel und Cronshagen, NZA 1994, 545) überhaupt uneingeschränkt festgehalten werden kann, kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall kann nach dem oben Gesagten keine Rede davon sein, daß der Vertrag mit der US-Armee das wesentliche Betriebsmittel war, das früher der PAE und jetzt der Beklagten die Durchführung des Betriebszwecks des Ersatzteildepots ermöglichte. Es handelt sich nicht um eine einfache Reinigungs- bzw. Bewachungstätigkeit in einem sonst auf einen anderen Betriebszweck gerichteten Betrieb. In dem von der PAE geführten Betrieb waren vielmehr zahlreiche Arbeitsplätze eingerichtet, um den ganz speziellen Betriebszweck eines Material- und Ersatzteillagers nach den detaillierten wehrtechnischen Leistungsanforderungen der US-Armee zu verwirklichen. Ohne Übernahme des Betriebssubstrats hätte die Beklagte das Lager nicht weiterführen können. Sie mußte das restliche eingelagerte Material, die Räumlichkeiten, die Lagereinrichtungen übernehmen und selbst die Arbeitsabläufe konnten nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt nicht ohne weiteres von einem Tag auf den anderen ausgetauscht werden. Die Vorstellung des Landesarbeitsgerichts, die PAE habe per 30. September 1992 ihren Betrieb endgültig stillgelegt und die Beklagte habe an gleicher Stelle ohne Übernahme wesentlicher Betriebsmittel einen völlig neuen Betrieb eingerichtet, wird dem von ihm festgestellten Sachverhalt nicht gerecht.
f) Eine Betriebsübernahme scheitert auch nicht, wie das Landesarbeitsgericht annimmt, daran, daß der Betriebszweck lediglich auf die Belange der US-Armee zugeschnitten ist und die Beklagte ebenso wie die PAE nicht werbend auf dem freien Markt tätig wird, um etwa in dem Lager die Ersatzteile anderer Kunden einzulagern. Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 9. Februar 1994 – 2 AZR 666/93 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen), ist es für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht erforderlich, daß der Übernehmer in dem Betrieb oder Betriebsteil die Aufträge mehrerer Kunden erledigt und werbend auf dem freien Markt auftritt.
g) Die Übernahme ist auch durch Rechtsgeschäft erfolgt. Es ist dazu kein Rechtsgeschäft mit dem früheren Betriebsinhaber erforderlich. Der mit der US-Armee geschlossene Vertrag reicht aus. Wie in den Fällen des Pächterwechsels (BAG Urteil vom 25. Februar 1981 – 5 AZR 991/78 – BAGE 35, 104 = AP Nr. 24 zu § 613 a BGB) kommt es hier nicht darauf an, daß die Beklagte nicht in den zwischen der US-Armee und der PAE abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag eingetreten ist, sondern aufgrund einer Neuausschreibung einen neuen Vertrag mit der US-Armee abgeschlossen hat. Auch der etwas unterschiedliche Leistungsumfang in beiden Verträgen ist unerheblich.
Wenn der Senat bisher z.B. beim Pächterwechsel (vgl. Urteil vom 29. September 1988, a.a.O., zu A III 4 c bb der Gründe) einen rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang nur angenommen hat, wenn der neue Pächter die Betriebsmittel aufgrund eines Vertrages mit dem Verpächter im Einvernehmen mit dem alten Pächter übernommen hat, so steht auch diese Rechtsprechung der Annahme eines Betriebsübergangs durch Rechtsgeschäft von der PAE auf die Beklagte nicht entgegen. Bei der Neuverpachtung etwa einer Gaststätte kann die Übernahme wesentlicher immaterieller Betriebsmittel (z.B. Kundenbeziehungen) an dem fehlenden Einverständnis des bisherigen Pächters scheitern. Im vorliegenden Fall hat die US-Armee den Betrieb von der PAE mit allen sächlichen und immateriellen Betriebsmitteln zurückgenommen und konnte ihn in der bisherigen Form entweder selbst fortführen oder durch einen neuen Vertrag wieder auf die PAE oder einen dritten Anbieter übertragen. Als die Beklagte den Zuschlag erhielt, hatte die PAE keine Möglichkeit, einzelne immaterielle Betriebsmittel zurückzuhalten und durch ihr fehlendes Einverständnis zu verhindern, daß die Beklagte den Betrieb im bisherigen Umfang fortführte. Ihr Einverständnis mit der möglichen Überlassung der Betriebsmittel auf einen Dritten hat die PAE schon vorab durch befristeten Abschluß des Vertrages mit der US-Armee erteilt. Daß die PAE selbst sich erfolglos um den neuen Auftrag bemüht hat, ist dabei unerheblich.
3. Die Arbeitsverhältnisse der Klägerin und des Klägers haben auch nicht vor der Betriebsübernahme geendet. Insbesondere sind sie nicht durch die Kündigungen der PAE wirksam beendet worden.
a) Die Wirksamkeit dieser Kündigungen ist im Prozeß gegen den Betriebserwerber als Vortrage zu prüfen. Der Entscheidung steht nicht entgegen, daß über die Wirksamkeit dieser Kündigungen noch ein Prozeß mit dem bisherigen Betriebsinhaber anhängig ist (vgl. BAG Urteil vom 4. März 1993 – 2 AZR 507/92 – AP Nr. 101 zu § 613 a BGB). § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO greift mangels Identität des Streitgegenstandes nicht ein. Es besteht auch zweifellos ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin und des Klägers i.S. des § 256 ZPO, denn im Prozeß mit dem Betriebserwerber kann am einfachsten und umfassendsten geklärt werden, ob und ggf. zu welchen Bedingungen das Arbeitsverhältnis fortbesteht.
b) Die für die Wirksamkeit der Kündigungen im vorliegenden Prozeß allein darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat nichts vorgebracht, was für eine Wirksamkeit der Kündigungen der PAE sprechen könnte. Liegt nach dem oben Gesagten keine Betriebsstillegung, sondern ein Betriebsübergang vor, so hat die PAE nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksame Kündigungen wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen. Andere Kündigungsgründe hat die Beklagte nicht vorgetragen.
4. Bestanden danach im Zeitpunkt des Betriebsübergangs die Arbeitsverhältnisse mit der PAE fort, so ist die Beklagte nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eingetreten.
C. Die Kosten der Wiedereinsetzung tragen die Klägerin und der Kläger (§ 238 Abs. 4 ZPO). Die Kosten der Berufung und die übrigen Kosten der Revision trägt die Beklagte (§ 91 ZPO).
Unterschriften
Bitter, Bröhl, Dr. Fischermeier, Piper, Dr. Bächle
Fundstellen