Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilkündigung eines Chefarztvertrages
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu 5 AZR 509/89
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 242, 611; KSchG 1969 §§ 1-2
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.05.1989; Aktenzeichen 7 Sa 238/88) |
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 26.01.1988; Aktenzeichen 1 Ca 1278/87) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Mai 1989 – 7 Sa 238/88 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Kündbarkeit eines Zusatzvertrages zum Arbeitsvertrag. Der Zusatzvertrag regelt im einzelnen, wie die Kosten zu ermitteln sind, die der Kläger der Beklagten deshalb zu erstatten hat, weil er Leistungen des Krankenhauses bei Tätigkeiten in Anspruch nimmt, für die ihm ein Liquidationsrecht eingeräumt ist.
Der Kläger ist seit 1983 Chefarzt der Inneren Abteilung der Medizinischen Klinik III im Krankenhaus der Beklagten. Dem Dienstverhältnis liegen der Dienstvertrag (DV) vom 30. September 1983 und der Zusatzvertrag (ZV) vom gleichen Tage zugrunde.
§ 3 DV beschreibt die Dienstaufgaben des Klägers. Als Vergütung sieht der Vertrag ein Gehalt nach VergGr. I a BAT vor (§ 5 Abs. 1 a) sowie das Liquidationsrecht für die stationäre Behandlung (§ 5 Abs. 1 b). § 7 Abs. 1 DV erteilt dem Kläger die Befugnis, neben seinen dienstlichen Aufgaben als Nebentätigkeiten unter anderem ambulante Beratung und Behandlung sowie Konsiliartätigkeiten auszuüben. Weiter ist der Kläger ohne Gewähr seitens der Beklagten berechtigt, sich an der kassenärztlichen Versorgung zu beteiligen (§ 7 Abs. 3 DV). Auch für die Ausübung der Nebentätigkeiten steht dem Kläger ein Liquidationsrecht zu (§ 7 Abs. 6 DV). § 8 DV lautet wie folgt:
„Kostenerstattung
Der Fachabteilungsleiter ist grundsätzlich verpflichtet, dem Krankenhausträger alle Kosten in Höhe der Selbstkosten zu erstatten, die für Leistungen entstehen, für die er nach § 5 Abs. 1 und § 7 des Vertrages zu liquidieren berechtigt ist. Er hat dem Krankenhausträger die für die Berechnung der Selbstkosten notwendigen Unterlagen auf Verlangen zur Verfügung zu stellen. Das Nähere wird in einem Zusatzvertrag geregelt.”
Der Zusatzvertrag zählt im einzelnen auf, welche Kosten der Kläger zu erstatten hat. Dazu gehören im stationären Bereich der jeweils gültige Arztabschlag nach § 3 Abs. 2 Satz 2 der Bundespflegesatzverordnung vom 25. April 1973 und bei ambulanten kassenärztlichen Leistungen ein Honoraranteil von 50 %. Für den Nebentätigkeitsbereich sind die Sach- und Personalkosten in §§ 3 und 4 ZV aufgeführt. § 5 ZV legt fest, daß diese Kosten pauschal mit 20 % der Einnahmen abgegolten werden.
Zum Streit der Parteien ist es gekommen über die Auslegung des § 8 ZV, in welchem es heißt:
„Kündigung
- Dieser Vertrag kann von beiden Teilen mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden.
- Dieser Vertrag kann von jedem Teil ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
- Dieser Vertrag endet, ohne daß es einer Kündigung bedarf, wenn der Dienstvertrag vom 30.09.82 endet.”
Mit Schreiben vom 30. Juni 1987 unterrichtete der Oberbürgermeister der Beklagten als Dienstvorgesetzter gemäß § 2 Abs. 3 DV den Kläger von der Absicht der Beklagten, die Abgabepflichten der privat liquidierenden Ärzte zu ändern. Grund hierfür sei die Neufassung des rheinland-pfälzischen Nebentätigkeitsrechts zum 1. Februar 1987 und die Änderung des Landeskrankenhausgesetzes zum 1. Januar 1987. Scheitere die mit allen Fachabteilungsleitern angestrebte einvernehmliche Regelung, sei eine Kündigung des Zusatzvertrages zum Jahresende 1987 beabsichtigt. Nach dem mit diesem Schreiben unterbreiteten Vorschlag der Beklagten sollten künftig im stationären Bereich für die Inanspruchnahme von Personal, Einrichtungen und Material das 1,2-fache des Wahlarztabschlages sowohl für Pflegesätze als auch für Sonderentgelte sowie als Vorteilsausgleich 10 % der um die vorgenannten Kosten verminderten jährlichen Einnahmen aus Eigenliquidation abgeführt werden. Eine entsprechende Regelung war für den ambulanten Bereich vorgesehen.
Da die Parteien keine Einigung erzielten, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 29. September 1987 den Zusatzvertrag.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er hat geltend gemacht, die als Teilkündigung zu wertende Maßnahme der Beklagten sei rechtsunwirksam. Arbeitsvertrag und Zusatzvertrag bildeten eine untrennbare Einheit. Die Kostenerstattung wirke sich unmittelbar auf seine Einkünfte aus, die er regelmäßig überwiegend durch Privatliquidationen erziele. Durch die von der Beklagen beabsichtigte Regelung erhöhe sich seine Kostenbelastung um ca. 20.000,– DM jährlich. Für eine so weitreichende Umgestaltung der Rechtsbeziehungen der Parteien hätte die Beklagte eine Änderungskündigung aus sprechen müssen.
Der Kläger hat daher beantragt
festzustellen, daß die in der Kündigung der Beklagten vom 29. September 1987 liegende Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat ausgeführt, ihr Schreiben ziele auf eine Anpassung des Dienstvertrages, und diese sei wegen der Änderung des Nebentätigkeitsrechts erforderlich. Allerdings sei der Kläger kein Beamter, doch das Privatliquidationsrecht der angestellten Chefärzte sei stets an der Gesetzeslage ausgerichtet worden. Bei Vertragsabschluß seien sich die Parteien darüber einig gewesen, daß der Zusatzvertrag immer wieder an die gesetzlichen Regelungen anzupassen sei. Im übrigen werde die erhöhte Kostenerstattung an die Beklagte durch eine Verringerung der an den Pool der ärztlichen Mitarbeiter zu leistenden Abgaben ausgeglichen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Beklagte konnte den Zusatzvertrag zum Dienstvertrag vom 30. September 1983 ohne Verletzung kündigungsrechtlicher Schutzbestimmungen einseitig beendigen. Der Zusatzvertrag stellt innerhalb der Rechtsbeziehungen der Parteien lediglich eine unselbständige Ausgestaltung der in § 8 des Dienstvertrages geregelten grundsätzlichen Kostenerstattungspflicht des Klägers dar; die Kündigung des Zusatzvertrages bedeutet keinen Eingriff in das Äquivalenz- und Ordnungsgefüge des Dienstvertrages, weil sie die Rechte und Pflichten des Klägers daraus im wesentlichen unangetastet läßt.
I. Das Landesarbeitsgericht hat das Schreiben der Beklagten vom 29. September 1987 als zulässige Teilkündigung angesehen. Der Zusatzvertrag lege nur die Berechnungsweise für die vom Kläger zu erstattenden Kosten fest. Die Regelung über Grund und Höhe der Kostenerstattung in § 8 DV bleibe durch den Fortfall des Zusatzvertrages ebenso unberührt wie das Liquidationsrecht des Klägers als solches. Daher stelle die Kündigung des Zusatzvertrages keine unzulässige Aushöhlung des Anstellungsvertrages dar. Die Frage, welche Kosten als Selbstkosten im Sinne von § 8 DV zu bewerten seien, müsse nach Fortfall der Zusatzvereinbarung bei fehlender Einigung der Parteien durch Sachverständigengutachten geklärt werden. Eine unzulässige Teilkündigung liege daher schon mangels eines Eingriffs in den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht vor.
Dem ist beizupflichten.
II.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist entscheidendes Merkmal einer Teilkündigung die einseitige Änderung von Vertragsbedingungen gegen den Willen der anderen Vertragspartei. Während die Kündigung, auch die Änderungskündigung, das Arbeitsverhältnis in seinem ganzen Bestand erfaßt, ist die Teilkündigung dadurch gekennzeichnet, daß sie nur einzelne Rechte oder Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis lösen, den Arbeitsvertrag selbst aber aufrechterhalten will (vgl. nur BAGE 57, 344, 361 = AP Nr. 18 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag, zu A III 3 c aa der Gründe, m.w.N.).
Der Rahmen des zulässigen einseitigen Eingriffs in das wechselseitige Geflecht von Rechten und Pflichten eines Arbeitsvertrages wird weitgehend durch die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes bestimmt. Danach ist der Bestand des Arbeitsverhältnisses durch § 1 KSchG, der Inhalt des Vereinbarten durch § 2 KSchG geschützt (vgl. Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 2 Rz 1). Die einseitige Änderung einzelner Vertragsbedingungen durch Teilkündigung ist, da sie das vereinbarte Ordnungs- und Äquivalenzgefüge eines Vertrages stört, grundsätzlich unzulässig. Ausnahmsweise ist sie dann zulässig, wenn einem Vertragspartner das Recht hierzu durch Vertrag vorbehalten oder durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag eingeräumt ist (Widerrufsvorbehalt, vgl. BAGE 57, 344, 362 = AP Nr. 18, a.a.O.; BAGE 40, 199, 207 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung, zu III 1 b der Gründe). Allerdings darf sie nicht zu einer Umgehung von zwingenden Kündigungsvorschriften führen (BAGE 47, 314 = AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969; BAGE 55, 275, 280 = AP Nr. 4 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle, zu II 2 der Gründe; Gumpert, BB 1969, 409, 411; vgl. weiter KR-Wolf, 3. Aufl., Grunds. Rz 149; Wank in: Hromadka, Änderung von Arbeitsbedingungen, 1. Aufl., S. 35, 49). Statthaft ist die einseitige Änderung von Arbeitsbedingungen grundsätzlich insbesondere dann, wenn ein Gesamtvertragsverhältnis sich aus mehreren Teilverträgen zusammensetzt und diese Teilverträge selbst nach dem Gesamtbild des Vertrages jeweils für sich als nach dem Vertrag selbständig lösbar angesprochen sind und von vornherein eindeutig als selbständig lösbar aufgefaßt werden müssen (BAGE 5, 44, 50 f. = AP Nr. 2 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II der Gründe).
2. Die entscheidende Frage des Rechtsstreits ist daher, ob die in dem Zusatzvertrag enthaltenen Regelungen in der Weise mit der Kostenerstattungsklausel des § 8 DV verbunden sind, daß die zugelassene einseitige Gestaltungsmöglichkeit einen wesentlichen Eingriff in das Ordnungs- und Äquivalenzgefüge des gesamten Arbeitsverhältnisses bedeutet. Diese Frage ist zu verneinen. Denn der Zusatzvertrag stellt einen abtrennbaren Vertragsbestandteil im Sinne eines eigenständigen Vertrages dar. § 8 DV trifft nämlich die maßgeblichen Regelungen darüber, für welche Kosten der Kläger in welcher Höhe aufkommen muß. Daneben enthält der Zusatzvertrag nur einen ausgestaltenden Berechnungsmodus.
a) Nach § 8 DV soll der Kläger alle Kosten erstatten, die für Leistungen entstehen, für die er nach dem Dienstvertrag liquidationsberechtigt ist. Damit ist der Leistungsgegenstand eindeutig festgelegt auf den Anteil an Personal. Einrichtungen oder Mitteln, deren sich der Kläger bei Ausübung seiner liquidationsberechtigten Tätigkeiten bedient.
Der in der Vertragsklausel verwandte Begriff „Selbstkosten” umfaßt nach allgemeinem Sprachgebrauch alle in Geld ausdrückbaren Aufwendungen, die für den Hersteller bei der Fertigung einer Ware oder beim Erbringen einer Leistung anfallen (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 5, Stichwort: Selbstkosten). Für den Bereich des Krankenhauswesens sind für den Begriff der Selbstkosten die Art der Dienstleistung des Krankenhauses und deren Berechnung maßgeblich.
Bei Vertragsabschluß haben die Parteien die Schwierigkeit erkannt, die bei einer zur Liquidation berechtigenden Tätigkeit anfallenden Selbstkosten in der Praxis zu ermitteln. Der Einfachheit halber bestimmt § 5 ZV, die Kostenerstattung im Nebentätigkeitsbereich zu pauschalieren. Dies rechtfertigt die auch vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung, wonach der Zusatzvertrag lediglich einen Berechnungsmodus als eigenständigen Vertragsteil enthält. Dann erweist sich jedoch das vereinbarte Kündigungsrecht als sinnvoll. Das einseitige Recht, sich vom Inhalt des Zusatzvertrages zu lösen, wurde auch nicht etwa zur Anpassung an gestiegene Kosten vereinbart. Denn bereits § 8 DV regelt, daß die Kosten, die auf den Anteil liquidationsberechtigter Tätigkeiten entfallen, erstattet werden sollen. Damit steht auch fest, welche Kosten im einzelnen erfaßt sind, so daß eine Anpassungsklausel insoweit keinen Sinn ergäbe. Daneben enthalten § 4 Abs. 2 Satz 2 ZV und § 5 Satz 2 ZV eine Anpassungsklausel ausdrücklich für gestiegene Kosten.
b) Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat. Die Ausübung des Kündigungsrechts führt nur zum Wegfall des Zusatzvertrages, ohne zugleich einseitig das Ordnungs- und Äquivalenzgefüge des Dienstvertrages zu verändern oder einen vertragslosen Zustand hinsichtlich der Kostenerstattung herbeizuführen.
Es ist nunmehr Sache der Parteien, eine neue Vereinbarung über den Berechnungsmodus abzuschließen. Gelingt das nicht, muß die Beklagte die ihr entstandenen Kosten im Einzelfall nachweisen.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Kähler, Dr. Müller
Fundstellen