Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung eines Arztes wegen eines Loyalitätsverstoßes
Orientierungssatz
1. Ordentliche Kündigung eines in einem katholischen Krankenhaus beschäftigten Arztes wegen einer öffentlichen Stellungnahme zum Schwangerschaftsabbruch.
2. Siehe auch das vorangegangene Urteil des Zweiten Senats vom 21.10.1982 2 AZR 591/80 = AP Nr 14 zu Art 140 GG, das auf Grund Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 4.6.1985 2 BvR 1718/83 = BB 1985, 1600 aufgehoben und an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen wurde.
Normenkette
GG Art. 140, 5 Abs. 1; WRV Art. 137 Abs. 3; KSchG § 1 Abs. 2 Fassung 1969-08-25
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 08.09.1980; Aktenzeichen 21 Sa 582/80) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 15.04.1980; Aktenzeichen 6 Ca 594/80) |
Tatbestand
Der im Jahre 1950 geborene Kläger war seit dem 1. Februar 1979 in dem St. Elisabeth-Krankenhaus in Essen, dessen Rechtsträger die Beklagte, eine kirchliche Stiftung, ist, als Assistenzarzt mit dem Ziel beschäftigt, sich zum Facharzt auszubilden. Er war zuletzt in der Unfall-Chirurgie gegen ein Monatsgehalt von 4.500,-- DM brutto eingesetzt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV).
Der von den Parteien unter dem 30. August 1978 abgeschlossene schriftliche Dienstvertrag bestimmte in § 2, daß für das Dienstverhältnis die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden sollten. § 1 Abs. 1 AVR lautet:
"Die Pflichten der Dienstgemeinschaft sind durch
den Auftrag bestimmt, den die Caritas als Lebens-
und Wesensäußerung der Christen und der Kirche
hat. Die Mitarbeiter haben den ihnen anvertrauten
Dienst in Treue zu leisten. Ihr gesamtes Verhalten
in und außer dem Dienst muß der Verantwortung ent-
sprechen, die sie als Mitarbeiter im Dienste der
Caritas übernommen haben. Es wird vorausgesetzt,
daß sie den christlichen Grundsätzen bei der Er-
füllung ihrer dienstlichen Pflichten Rechnung
tragen."
Ferner ist in § 16 Abs. 1 AVR bestimmt:
"Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S. von
§ 626 BGB kann das Dienstverhältnis von beiden
Vertragsparteien ohne Einhaltung einer Kündi-
gungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund
liegt insbesondere vor bei Vertrauensbrüchen oder
groben Achtungsverletzungen gegenüber Angehörigen
der Dienstgemeinschaft, leitenden Personen oder
wesentlichen Einrichtungen der katholischen Kirche,
bei schweren Vergehen gegen die Sittengesetze der
Kirche oder die staatliche Rechtsordnung oder bei
sonstigen groben Verletzungen der sich aus diesen
Richtlinien ergebenden Dienstpflichten."
Im Oktober 1979 wurde in der Wochenzeitschrift "Stern" Nr. 41/1979 unter dem von der Redaktion der Zeitschrift gewählten Titel "Ärzte gegen Ärztefunktionäre" ein Leserbrief veröffentlicht, der von etwa 50 Personen, darunter dem Kläger und dem ebenfalls im Krankenhaus der Beklagten beschäftigten Assistenzarzt B, unterzeichnet wurde. Der Brief lautet:
"Wir wehren uns mit diesem Aufruf besonders gegen
die Angriffe, die von klerikal-konservativer und
standesärztlicher Seite gegen die Praxis des der-
zeitigen Paragraphen 218 geführt werden. So ver-
glich Dr. Holzgartner, CSU-Funktionär und Vor-
standsmitglied der bayrischen Ärztekammer, den
legalen Schwangerschaftsabbruch mit den Massen-
morden der Nazis in Auschwitz. Dr. Karsten Vilmar,
Präsident der Bundesärztekammer, wollte sogar be-
streiten, daß es in einem so reichen Staat wie
der BRD eine Notwendigkeit zum Schwangerschafts-
abbruch aus sozialer Notlage geben könne. Wir
sehen unsere Position zum Abtreibungsparagraphen
218 nicht durch die inhumanen Äußerungen des
Präsidenten der Bundesärztekammer vertreten und
distanzieren uns von diesen und ähnlichen Ver-
suchen, eine notwendige und sinnvolle Entwick-
lung zu hemmen. Wir kennen aus eigener beruflicher
Praxis die zum Teil unlösbaren Schwierigkeiten
von Frauen in unserem Land, die ungewollt schwanger
geworden sind."
Die Unterzeichnung dieses Briefes nahm die Beklagte zum Anlaß, dem Kläger mit Schreiben vom 13. Februar 1980 fristgemäß zum 31. März 1980 zu kündigen.
Am 11. März 1980 wurde im dritten Fernsehprogramm des Westdeutschen Rundfunks ein Interview mit dem Kläger und seinem Kollegen B ausgestrahlt. Wegen Äußerungen des Klägers in diesem Interview sprach ihm die Beklagte mit Schreiben vom 20. März 1980 eine außerordentliche Kündigung zum 31. März 1980 und vorsorglich eine fristgemäße Kündigung zum 30. Juni 1980 aus. Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage ist Gegenstand eines weiteren Rechtsstreits, den der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts durch ein am 21. Oktober 1982 verkündetes Urteil - 2 AZR 628/80 - entschieden hat. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte mit Erfolg Verfassungsbeschwerde eingelegt (BVerfG Beschluß vom 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 -).
Mit der vorliegenden Klage wendet sich der Kläger gegen die ordentliche Kündigung vom 13. Februar 1980. Er hat beantragt festzustellen, daß diese Kündigung rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbesteht. Zur Begründung hat er vorgetragen:
Er habe sich keiner Vertragspflichtverletzung schuldig gemacht. Er sei zwar Mitglied der katholischen Kirche. Im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz dürfe ihm das aber nicht zum Nachteil gereichen, da die Beklagte auch nicht der katholischen Kirche angehörende Ärzte beschäftige. Überdies erfülle die Beklagte gesetzliche Verpflichtungen der Krankenversorgung und erhalte öffentliche Zuschüsse. Sie könne daher keinen Tendenzschutz in Anspruch nehmen. Auch sei ein Arzt kein Tendenzträger, da er nicht an der Glaubensverkündigung teilnehme. Er habe sich nie für den Schwangerschaftsabbruch ausgesprochen, sondern dessen Straffreiheit unter den in § 218 a StGB bestimmten Voraussetzungen begrüßt und sich gegen die Diffamierung dieser gesetzlichen Regelung sowie die Gleichsetzung ihrer Befürworter mit NS-Massenmördern gewandt.
Die Kündigung sei aber auch deshalb rechtsunwirksam, weil sie in Wahrheit wegen seiner Mitgliedschaft in der ÖTV und somit unter Verstoß gegen das Grundrecht der Koalitionsfreiheit und der Meinungsfreiheit ausgesprochen worden sei und die Beklagte nicht für die Errichtung einer Mitarbeitervertretung Sorge getragen habe, die dann vor der Kündigung hätte angehört werden müssen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Hilfsweise hat sie beantragt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Sie hat vorgetragen, der Kläger habe mit der Unterzeichnung des Leserbriefs einen verhaltens- und möglicherweise auch einen personenbedingten Kündigungsgrund gesetzt. Der Verkündigungsauftrag der Kirche umfasse auch die Krankenfürsorge. In einem Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft übe der Kläger als Arzt seinen Dienst in Bindung an diesen Verkündigungsauftrag aus. Als Mitglied einer kirchlichen Dienstgemeinschaft habe er deshalb die in seinen Dienstvertrag eingegangenen Loyalitätspflichten zu erfüllen. Hiergegen habe er mit der Unterzeichnung des Leserbriefs verstoßen, weil er öffentlich und gezielt gegen die ihm bekannte Haltung der katholischen Kirche zum Schwangerschaftsabbruch Stellung genommen habe, die zum Kern ihrer sittlich-ethischen und religiösen Grundsätze gehöre. Der Leserbrief befasse sich keineswegs nur mit den Äußerungen der Ärztefunktionäre, sondern enthalte eine eindeutige Befürwortung des Schwangerschaftsabbruchs. Diese Einstellung habe der Kläger dann später in dem Fernsehinterview noch verdeutlicht. Dies sei mit dem vom Staat zu respektierenden Selbstverständnis der Kirche nicht zu vereinbaren. Dem stehe nicht entgegen, daß in dem Krankenhaus auch Ärzte anderer Konfessionen beschäftigt und vom Staat Zuschüsse gewährt würden. Der Kläger könne sich auch nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen, da dieses durch die im kirchlichen Dienst bestehenden Loyalitätspflichten eingeschränkt sei.
Die Mitgliedschaft des Klägers in der ÖTV sei für die Kündigung ohne Einfluß geblieben. Aus dem Fehlen einer Mitarbeitervertretung könnten ihr keine Rechtsnachteile erwachsen.
Zur Begründung ihres hilfsweise gestellten Auflösungsantrages hat sie vorgetragen, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr nicht zumutbar, nachdem dieser durch seine Leserzuschrift an den Stern deutlich gemacht habe, daß er in einer zentralen Glaubensfrage "diametral" entgegengesetzt zur Auffassung der katholischen Kirche stehe. Es sei zwar zutreffend, daß sie - die Beklagte - einige Assistenzärzte anderer Konfessionen beschäftige. Das ändere aber nichts an der Loyalitätspflicht dieser Mitarbeiter, sich gegenüber einer breiten Öffentlichkeit nicht in Gegensatz zu Positionen der katholischen Kirche zu setzen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und den auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Hilfsantrag der Beklagten zurückgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Den Auflösungsantrag hat sie in der Berufungsinstanz nicht mehr gestellt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Revision eingelegt, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt hat.
Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat durch Urteil vom 21. Oktober 1982 - 2 AZR 591/80 - (AP Nr. 14 zu Art. 140 GG) die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Er hat die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. Februar 1980 für sozialwidrig erachtet.
Gegen dieses Revisionsurteil hat die Beklagte mit Erfolg Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluß vom 4. Juni 1985 (2 BvR 1718/83) das genannte Urteil des Bundesarbeitsgerichts wegen Verstoßes gegen Art. 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung aufgehoben und die Sache an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Die Beklagte verfolgt im erneuten Revisionsverfahren ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 4. Juni 1985 - 2 BvR 1718/83 - zur Auslegung des Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung - WRV - aufgestellten Grundsätze ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die von der Beklagten mit Schreiben vom 13. Februar 1980 zum 31. März 1980 erklärte ordentliche Kündigung ist aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. Februar 1980 für sozialwidrig erachtet und dies im wesentlichen wie folgt begründet:
Der Kläger unterliege als weltlicher Arbeitnehmer im sozialkaritativen Bereich der katholischen Kirche auch dem Kündigungsschutzgesetz. Die verfassungsrechtlich geschützte Kirchenautonomie führe jedoch dazu, bei der Beurteilung einer Kündigung wegen tendenzwidrigen Verhaltens auch im außerdienstlichen Bereich die im Rahmen dieser Autonomie geschaffenen Regeln für die Beschäftigung im Dienst der Kirchen zu berücksichtigen. Deshalb könne auch ein nach der staatlichen Rechtsordnung erlaubtes Verhalten einen zur Kündigung berechtigenden Loyalitätsverstoß darstellen. Die Beklagte müsse auf die Erhaltung eines der besonderen Zielsetzung ihres Betriebes entsprechenden Ansehens bedacht sein. Hieraus ergäben sich gesteigerte Anforderungen hinsichtlich des außerdienstlichen Verhaltens selbst an Mitarbeiter, die nicht zu den sogenannten Tendenzträgern zählten. Die kirchlich betriebene Krankenpflege sei als karitative Einrichtung der Religionsgemeinschaft einzuordnen, die in Ausübung der religiösen Betätigung betrieben werde. Die karitative Zielsetzung entfalle nicht dadurch, daß für den Betrieb staatliche Finanzmittel in Anspruch genommen würden. Auch wenn man wohl richtigerweise annehme, daß der Kläger als Arzt kein Tendenzträger sei, treffe ihn eine Tendenzbeachtungspflicht, da seine Tätigkeit eine gewisse Repräsentanz für die Beklagte nach außen habe. Die Kirche könne deshalb für ihre in verantwortlicher Position tätigen Bediensteten auch die Loyalität gegenüber den Grundwerten der kirchlichen Glaubensüberzeugung verlangen. Dies gelte unabhängig von der Konfession der betroffenen Mitarbeiter. Es sei lediglich die Bedeutung der Tätigkeit des Arbeitnehmers für den Betrieb und damit der Grad seiner Tendenznähe zu berücksichtigen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze sei der Inhalt der öffentlichen Äußerung des Klägers im "Stern" teilweise als Verstoß gegen seine arbeitsvertragliche Loyalitätspflicht gegenüber der Beklagten zu qualifizieren, weil eine Unvereinbarkeit mit den Kernsätzen der katholischen Glaubenslehre bestehe. Unbeschadet seiner persönlichen Überzeugung habe es ihm die vertragliche Treuepflicht geboten, in seiner Stellung als Arzt sich nicht mit öffentlichen Äußerungen uneingeschränkt und öffentlich zu identifizieren, die einen Angriff auf wesentliche Wertvorstellungen der katholischen Kirche enthielten. Der Leserbrief enthalte auch die sinngemäße Erklärung, es könne eine Notwendigkeit zum Schwangerschaftsabbruch aus sozialer Notlage geben und es sei inhuman, dies zu leugnen. Damit habe der Kläger eindeutig öffentlich gegen die Auffassung der katholischen Kirche von der Unantastbarkeit des werdenden menschlichen Lebens Stellung genommen. Dies sei ihm auch bewußt gewesen, wie er in der Berufungsverhandlung unmißverständlich bekundet habe. Der Kläger habe somit einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund im Sinne des § 1 KSchG gesetzt.
Jedoch ergebe die auch hier gebotene Interessenabwägung, daß das Verhalten des Klägers nicht ausreiche, die Kündigung sozial zu rechtfertigen. Dem Interesse der Beklagten an der Erhaltung der Glaubwürdigkeit ihrer Einrichtung stünden als schutzwürdige Belange des Klägers sein Interesse an der Erhaltung des Arbeitsplatzes und die Beendigung seiner Ausbildung gegenüber. Ihm sei zugute zu halten, daß er die Unterzeichnung des Leserbriefes in entschuldbarer Weise als außerdienstliche private Meinungsäußerung eingestuft habe, die nach seiner Ansicht als Laie und auch nach Meinung von Juristen von der Beklagten nicht habe beanstandet werden können. Zudem habe die Verlautbarung in erster Linie darauf abgezielt, sich von Äußerungen zweier Standesvertreter zu distanzieren. Es sei dem Kläger lediglich vorzuwerfen, in seinem Bemühen nach Verdeutlichung der eigenen Position das rechte Maß überschritten zu haben. Auch habe er sich einer vorformulierten Erklärung angeschlossen. Schließlich dürfte sich auch die Auswirkung der Veröffentlichung auf den Kreis derer beschränkt haben, denen der Kläger und sein Arbeitgeber bekannt gewesen seien. In Anbetracht dieser Umstände habe die Beklagte auch angesichts ihrer besonderen Situation Toleranz gegenüber der einmaligen Verfehlung des Klägers üben können; der Kündigungsgrund sei im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht absolut zwingend gewesen.
II. Diesen Ausführungen ist der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in dem in der vorliegenden Sache ergangenen Revisionsurteil vom 21. Oktober 1982 - 2 AZR 591/80 - (AP Nr. 14 zu Art. 140 GG) im wesentlichen gefolgt und hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
1. Demgegenüber hat das von der Beklagten mit der Verfassungsbeschwerde angerufene Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 4. Juni 1985 - 2 BvR 1718/83 - die vom Bundesarbeitsgericht gebilligte Würdigung des Landesarbeitsgerichts als Verstoß gegen Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung gewertet und dies im wesentlichen wie folgt begründet:
Die in Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV enthaltene Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie erstrecke sich nicht nur auf die verfaßten Kirchen und deren rechtlich selbständigen Teile, sondern beziehe sich auf alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen seien, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (vgl. BVerfGE 46, 73, 85 f.; 53, 366, 391; 57, 220, 242 jeweils m.w. N.). Zu diesen Einrichtungen gehöre, wie auch das Bundesarbeitsgericht in dem oben erwähnten Urteil vom 21. Oktober 1982 (aaO) nicht verkannt habe, die Beklagte. Nach dem Selbstverständnis der katholischen Kirche umfasse die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit in der Welt, wie es ihrer religiösen Aufgabe entspreche. Hierzu gehöre insbesondere das karitative Wirken. Die tätige Nächstenliebe sei eine wesentliche Aufgabe für den Christen und werde von den christlichen Kirchen seit jeher als Grundfunktion verstanden. Sie umfasse nicht nur die kirchlich getragene Krankenpflege, sondern allgemein die an den religiösen Grundanforderungen ausgerichtete Fürsorge für hilfsbedürftige Menschen einschließlich ihrer Erziehung und Ausbildung (vgl. BVerfGE 57, 220, 243). An der Erfüllung der zuerst genannten Aufgabe habe die Beklagte aufgrund ihrer bekenntnismäßigen und organisatorischen Verbundenheit mit der katholischen Kirche Anteil; dies äußere sich bei der Beklagten in ihrer Satzung. Die Beklagte sei der katholischen Kirche zugeordnet, denn sie habe unmittelbar teil an der Verwirklichung eines wesentlichen kirchlichen Auftrags, der hier mit der Führung des "katholischen Krankenhauses" erfüllt werden solle. Damit gehöre sie zur Kirche, wie sie Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV verstehe. Das beziehe sich aber nicht nur auf die Beklagte als Trägerin einer kirchlichen Einrichtung, sondern auch auf die Einrichtung selbst, die Funktionseinheit, durch die der kirchliche Auftrag seine Wirkung entfalten solle (vgl. BVerfGE 53, 366, 398 f.; 57, 220, 243). Die Zugehörigkeit der Beklagten zur Kirche werde nicht dadurch aufgehoben oder gelockert, daß sie sich bei der Erfüllung ihres Auftrags der Organisationsformen des staatlichen Rechts bediene und daß bei ihrer Verwaltung oder in sonstigen Bereichen Laien mitwirkten (vgl. BVerfGE 53, 366, 392; 57, 220, 243).
Mit der Feststellung, daß die Beklagte und die von ihr getragene karitative Einrichtung zur Kirche gehören, sei gleichzeitig entschieden, daß diese Einrichtung eine "Angelegenheit" der Kirche sei, deren Ordnung und Verwaltung innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze ihr von Verfassungs wegen garantiert sei (vgl. BVerfGE 46, 73, 94; 53, 366, 399; 57, 220, 243). Dieses Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht umfasse alle Maßnahmen, die in Verfolgung der vom kirchlichen Grundauftrag her bestimmten karitativ-diakonischen Aufgaben zu treffen seien, z.B. Vorgaben struktureller Art, aber auch die Personalauswahl und die mit all diesen Entscheidungen untrennbar verbundene Vorsorge zur Sicherstellung der "religiösen Dimension" des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses (vgl. BVerfGE 24, 236, 249; 53, 366, 399; 57, 220, 243). Die Garantie freier Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten erweise sich auch hier als notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirche die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unerläßliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufüge (vgl. BVerfGE 53, 366, 401; 57, 220, 244; 66, 1, 20).
Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gewährleiste den Kirchen, darüber zu befinden, welche Dienste es in ihren Einrichtungen geben solle und in welchen Rechtsformen sie wahrzunehmen seien. Bedienten sich die Kirchen wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen, so gelange auf diese das staatliche Arbeitsrecht zur Anwendung. Das sei die schlichte Folge einer Rechtswahl. Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebe indessen deren Zugehörigkeit zu den "eigenen Angelegenheiten" der Kirche nicht auf (vgl. BVerfGE 53, 366, 392). Sie dürfe deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes, das spezifisch Kirchliche, das kirchliche Proprium, nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibe für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich. Auch im Wege des Vertragsschlusses könnten daher einem kirchlichen Arbeitnehmer besondere Obliegenheiten einer kirchlichen Lebensführung auferlegt werden. Würden solche Loyalitätspflichten in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nehme der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch; er mache zugleich von seinem verfassungskräftigen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch. Beides zusammen ermögliche es den Kirchen erst, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer zu umschreiben und verbindlich zu machen. Das schließe ein, daß die Kirchen der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regelten, das besondere Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft aller ihrer Mitarbeiter zugrunde legen könnten (vgl. BVerfGE 53, 366, 403 f.). Dazu gehöre weiter die Befugnis der Kirche, den ihr angehörenden Arbeitnehmern die Beachtung jedenfalls der tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre aufzuerlegen und deren Beachtung zu verlangen. Denn für die Kirchen könne ihre Glaubwürdigkeit davon abhängen, daß ihre Mitglieder, die sich in einem Arbeitsverhältnis mit ihnen befänden, die kirchliche Ordnung - auch in ihrer Lebensführung - respektierten. Durch all das werde die Rechtsstellung des kirchlichen Arbeitnehmers keineswegs "klerikalisiert". Es gehe vielmehr ausschließlich um den Inhalt und Umfang seiner vertraglich begründeten Loyalitätsobliegenheiten. Dies führe nicht dazu, daß aus dem bürgerlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis eine Art kirchliches Statusverhältnis werde, das die Person total ergreife und auch ihre private Lebensführung voll umfasse. Arbeitsverhältnisse kirchlicher Arbeitnehmer könnten keine säkulare Ersatzform für kirchliche Ordensgemeinschaften und Gesellschaften des apostolischen Lebens sein (vgl. CIC can. 573, § 1; can. 731), die auf einer besonderen geistlichen Ausrichtung der Person und ihres Lebens beruhten.
Welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein könnten, richte sich nach den von der verfaßten Kirche anerkannten Maßstäben. Dagegen komme es weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedensten Motiven beeinflußt sein könne, noch auf diejenige breiter Kreise unter den Kirchengliedern oder etwa gar einzelner bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an.
Die Gestaltungsfreiheit des kirchlichen Arbeitgebers nach Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV für die auf Vertragsebene begründeten Arbeitsverhältnisse stehe unter dem Vorbehalt des für alle geltenden Gesetzes. Zu diesem gehörten auch die kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften § 1 KSchG, § 626 BGB. Damit sei jedoch nicht gesagt, daß diese staatlichen Regelungen in jedem Fall dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht vorgingen (vgl. BVerfGE 53, 366, 400; 66, 1, 22). Die inkorporierten Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung bildeten mit dem Grundgesetz ein organisches Ganzes (BVerfGE aaO). Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gewährleiste mit Rücksicht auf das zwingende Erfordernis des friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirche (vgl. BVerfGE 42, 312, 330 ff., 340) sowohl das selbständige Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten durch die Kirchen als auch den staatlichen Schutz anderer für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter. Dieser Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Schrankenzweck sei durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen. Dabei sei dem Selbstverständnis der Kirchen ein besonderes Gewicht beizumessen (vgl. BVerfGE 53, 366, 401; 66, 1, 22). Dies sei auch bei der Interpretation des Individualarbeitsrechts zu beachten. Daraus folge: Gewährleiste die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, daß die Kirchen bei der arbeitsvertraglichen Gestaltung des kirchlichen Dienstes das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft zugrunde legen und die Verbindlichkeit kirchlicher Grundpflichten bestimmen könnten, so sei diese Gewährleistung bei der Anwendung des Kündigungsschutzrechts auf Kündigungen von Arbeitsverhältnissen wegen der Verletzung der sich daraus für die Arbeitnehmer ergebenden Loyalitätsobliegenheiten aus verfassungsrechtlichen Gründen zu berücksichtigen und ihre Tragweite festzustellen. Eine Rechtsanwendung, bei der die vom kirchlichen Selbstverständnis her gebotene Verpflichtung der kirchlichen Arbeitnehmer auf grundlegende Maximen kirchlichen Lebens arbeitsrechtlich ohne Bedeutung bliebe, widerspräche dem verfassungsverbürgten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.
Daraus ergebe sich: Im Streitfall hätten die Arbeitsgerichte die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirchen anerkenne, hierüber selbst zu befinden. Es bleibe danach grundsätzlich den verfaßten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was "die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordere", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" seien, was "Nähe" zu ihnen bedeute, welches die "wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" seien und was als - gegebenenfalls schwerer - Verstoß gegen diese anzusehen sei. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine "Abstufung" der Loyalitätspflichten eingreifen solle, sei grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit.
Soweit diese kirchlichen Vorgaben den anerkannten Maßstäben der verfaßten Kirchen Rechnung trügen, seien die Arbeitsgerichte an sie gebunden, es sei denn, die Gerichte begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der "guten Sitten" (§ 138 Abs. 1 BGB) und des ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden hätten. Es bleibe in diesem Bereich somit Aufgabe der staatlichen Gerichtsbarkeit sicherzustellen, daß die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen - insoweit möglicherweise entgegen den Grundsätzen der eigenen Kirche und der daraus folgenden Fürsorgepflicht (vgl. § 1 Nr. 2 AVR) - an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellten. Im übrigen obliege es den Arbeitsgerichten, den Sachverhalt festzustellen und unter die kirchlicherseits vorgegebenen, arbeitsrechtlich abgesicherten Loyalitätsobliegenheiten zu subsumieren. Kämen sie hierbei zur Annahme einer Verletzung solcher Loyalitätsobliegenheiten, so sei die weitere Frage, ob diese Verletzung eine Kündigung des kirchlichen Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertige, nach den kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften § 1 KSchG, § 626 BGB zu beantworten. Diese unterlägen als für alle geltendes Gesetz im Sinne des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfassender arbeitsgerichtlicher Anwendungskompetenz.
2. An diese verfassungsrechtlichen Grundsätze ist der Senat bei der erneuten revisionsrechtlichen Prüfung des angefochtenen Urteils gebunden.
a) Gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Diese Bindungswirkung bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß die sich aus dem Tenor und den tragenden Gründen der Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Gerichten und Behörden in allen künftigen Fällen beachtet werden müssen (BVerfGE 19, 377, 391, 392 = AP Nr. 3 zu § 90 BVerfGG, zu VI 2 der Gründe). Die tragenden Gründe der Entscheidung, also diejenigen Teile der Entscheidungsbegründung, die aus der Deduktion des Gerichts nicht hinwegzudenken sind, ohne daß sich das im Tenor formulierte Ergebnis ändert, nehmen an der Bindungswirkung teil (Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, BVerfGG, § 31 Rz 16). Der Senat muß daher bei seiner Entscheidung die tragenden verfassungsrechtlichen Ausführungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 (aaO) zugrunde legen. Hierzu gehören auch die auf einer verfassungsrechtlichen Auslegung des Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV beruhenden einzelfallbezogenen Ausführungen.
b) Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluß vom 4. Juni 1985 (aaO) zur verfassungsrechtlichen Bewertung der hier streitigen ordentlichen Kündigung folgende Erwägungen angestellt: Das Bundesarbeitsgericht sei in dem Urteil vom 21. Oktober 1982 (aaO) bei seiner revisionsrechtlichen Prüfung davon ausgegangen, daß der Kläger verpflichtet gewesen sei, nicht öffentlich gegen das von der katholischen Kirche vertretene absolute Verbot des Schwangerschaftsabbruchs Stellung zu nehmen; hiergegen habe er sowohl durch die Mitunterzeichnung des "Leserbriefs" im "Stern" als auch durch seine anschließenden Äußerungen in dem Fernsehinterview verstoßen. Dieser normative Ausgangspunkt entspreche im Ergebnis dem zugrundezulegenden verfassungsrechtlichen Maßstab. Die vom Bundesarbeitsgericht in dem Urteil vom 21. Oktober 1982 (aaO) bei seiner Interessenabwägung im Rahmen der Anwendung des § 1 KSchG vorgenommene Gewichtung der Obliegenheitsverletzungen genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Sie trage dem in Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht der Beklagten nicht in dem gebotenen Umfang Rechnung. Im Streitfall habe das Bundesarbeitsgericht (aaO) die Schwere und Tragweite des festgestellten Loyalitätsverstoßes zu gering eingeschätzt. Der Kläger habe sich nicht nur in dem Aufruf im "Stern", sondern später erneut in dem Fernsehinterview, zu einer Zeit, als ihm bereits gekündigt worden war, zu der von der katholischen Kirche abgelehnten Regelung des § 218 StGB bekannt und, wie das Bundesarbeitsgericht (aaO) ausgeführt habe, gegen das von ihr "vertretene absolute Verbot des Schwangerschaftsabbruchs Stellung genommen". Nach kirchlichem Recht sei die Tötung eines Ungeborenen als Tötung eines unschuldigen Menschen anzusehen; sie stelle ein schweres Verbrechen dar, für das der von selbst eintretende Kirchenbann, d. h. die Ausstoßung eines Kirchengliedes aus der Gemeinschaft der Gläubigen angedroht sei (CIC can. 2257 § 1; can. 2350 § 1). Es handele sich um eine Lehre, die seit den ersten Jahrhunderten der Kirche bestehe und die das Zweite Vatikanische Konzil bis in die Gegenwart dadurch bekräftigt habe, daß es die Abtreibung als verabscheuungswürdiges Verbrechen bewertet habe. Verfassungsrechtlich sei dieses Verständnis der Kirche die maßgebliche Richtschnur für die Beurteilung des gerichtlich festgestellten Loyalitätsverstoßes des Klägers. Aus dieser Sicht folge, daß die Beklagte ihren karitativen Aufgaben nicht mehr nachkommen zu können glaube, wenn sie einen Arzt weiterbeschäftigen müßte, der öffentlich derart fundamentale Grundsätze kirchlicher Lehre in Frage gestellt habe. Die Eigenart des Dienstes in einem katholischen Krankenhaus bestehe nach kirchlichem Selbstverständnis darin, daß er sich zwar wie in jedem Krankenhaus der bestmöglichen ärztlich-medizinischen Behandlung der Kranken widme, dabei aber immer das spezifisch Religiöse karitativer Tätigkeit im Auge behalte, das die Behandlung der Kranken durchdringe und sich im Geiste des Hauses sowie in der Rücksicht auf die im Patienten angelegten religiös-sittlichen Verantwortungen und Bedürfnisse niederschlage (vgl. BVerfGE 46, 73, 95 f.; 53, 366, 403). In diesem besonderen Dienst stünden alle im Krankenhaus Arbeitenden (vgl. BVerfGE 46, 73, 95). Für die Beklagte erscheine das Verhalten des Klägers daher nicht nur aus Gründen ihrer Glaubwürdigkeit als kirchliche Einrichtung, auf die das Bundesarbeitsgericht (aaO) allein abgestellt habe, als unannehmbar. Aus dem Vortrag der Beklagten gehe hervor, daß auch die Vertrauensbasis der Mitarbeiter im Rahmen der Dienstgemeinschaft in Gefahr sei, deren Wahrung die alsbaldige Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe dienen sollen. Auch der Umstand, daß die dem Kläger zuzurechnenden Äußerungen in der Öffentlichkeit auch eine Reaktion auf Erklärungen von dritter Seite gewesen seien, vermöge dem Loyalitätsverstoß des Klägers nichts von seinem Gewicht zu nehmen. Bedeutsam bleibe, daß der Kläger gegen Grundpositionen des kirchlichen Verständnisses von der Unantastbarkeit menschlichen Lebens Stellung bezogen habe und sich, gemessen an kirchlichen Normen, außerhalb der kirchlichen Gemeinschaft gestellt habe. Er könne sich dabei - wie das Bundesarbeitsgericht (aaO) insoweit zutreffend dargelegt habe - nicht mit Erfolg auf grundrechtlichen Schutz, etwa aus Art. 5 GG, berufen, zumal seine Stellungnahme hier nicht als solche im "wechselseitigen Meinungskampf" zur Beurteilung stehe.
c) Eine nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts notwendige erneute Interessenabwägung, die der Senat wegen des feststehenden Sachverhalts selbst vornehmen kann, führt unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bewertungskriterien zu dem Ergebnis, daß die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. Februar 1980 aus verhaltensbedingten Gründen i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.
Bei der individuellen Interessenabwägung ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, daß es sich bei der Unterzeichnung des Leserbriefs in der Wochenzeitschrift "Stern" um einen schweren Loyalitätsverstoß handelt, der sich nicht nur auf die Glaubwürdigkeit der Beklagten als Trägerin einer kirchlichen Einrichtung, sondern auch auf die Vertrauensbasis der Mitarbeiter im Rahmen der kirchlichen Dienstgemeinschaft negativ ausgewirkt hat. Die Schwere des dem Kläger vorzuwerfenden Loyalitätsverstoßes wird auch nicht dadurch gemildert, daß er mit der Unterzeichnung des Leserbriefs auf Erklärungen von dritter Seite reagieren wollte. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) ist ebenfalls nicht dazu geeignet, den Loyalitätsverstoß des Klägers zu rechtfertigen oder zu mildern. Schließlich begründen auch die persönlichen Verhältnisse des Klägers keine besondere soziale Schutzbedürftigkeit. Der Kläger war zum Zeitpunkt der hier streitigen ordentlichen Kündigung vom 13. Februar 1980 ca. 30 Jahre alt. Seine Betriebszugehörigkeit betrug zu diesem Zeitpunkt etwa ein Jahr.
Die Gesamtabwägung aller für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung maßgeblichen Umstände führt zu dem Ergebnis, daß bei verständiger Würdigung der kirchlichen Belange der Beklagten das Bestandsschutzinteresse des Klägers geringer zu bewerten ist. Die von der Beklagten mit Schreiben vom 13. Februar 1980 erklärte ordentliche Kündigung ist daher auch unter Berücksichtigung der einzelfallbezogenen Interessen beider Vertragsparteien als sozial gerechtfertigt i.S. des § 1 Abs. 2 KSchG anzusehen. Die klagestattgebenden Urteile der Vorinstanzen waren deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Dr. Seidensticker Dr. Steckhan Dr. Becker
Dr. Johannsen Jubelgas
Fundstellen