Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariflicher Urlaubsabgeltungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Nach § 7 Abs 4 BUrlG, dem § 33 des Tarifvertrages für Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten vom 1. Januar 1982 (Berlin) nachgebildet ist, soll der Arbeitnehmer so gestellt werden, als würde die Arbeitspflicht durch Gewährung des Urlaubs suspendiert werden können. Nur deshalb hat ein Arbeitnehmer den Abgeltungsanspruch. Der Arbeitnehmer erhält trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Abgeltung das ihm bisher zu zahlende Entgelt weiter für eine fiktive Arbeitszeit, die der ihm als Urlaub zu gewährenden Freizeit entspricht.

2. Durch die Zahlung von Arbeitslosengeld nach § 117 Abs 1a AFG kann es zu einem teilweisen Anspruchsübergang nach § 115 SGB 10 auf den Sozialleistungsträger kommen. Der Anspruch geht jedoch nur in Höhe der erbrachten Sozialleistungen über.

 

Normenkette

SGB X § 115; AFG § 117 Abs. 4; BUrlG § 7 Abs. 4; AFG § 117 Abs. 1a; BUrlG § 7 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 07.09.1984; Aktenzeichen 10 Sa 49/84)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 10.04.1984; Aktenzeichen 33 Ca 8/84)

 

Tatbestand

Die Klägerin war bei der Beklagten vom 1. Mai 1982 bis zum 30. September 1983 als Krankenpflegerin in der F-Klinik in Berlin mit einer monatlichen Vergütung von zuletzt 2.200,-- DM beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis war kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Tarifvertrag für Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten vom 1. Januar 1982 (TV) anzuwenden.

§ 33 TV enthält folgende Regelung:

"§ 33

Urlaubsabgeltung

Der Urlaubsanspruch kann nur abgegolten werden,

wenn dem Beschäftigten vom Arbeitgeber gekündigt

worden ist oder der Angestellte das Arbeitsver-

hältnis fristgemäß gekündigt hat und der noch

zustehende Urlaub aber in der Kündigungsfrist

nicht mehr genommen werden kann."

Vom 14. März 1983 bis einschließlich 28. September 1983 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Sie hat seit 1. Oktober 1983 Arbeitslosengeld erhalten. Die Beklagte weigert sich, der Klägerin Urlaubsabgeltung zu gewähren mit Ausnahme von zwei Urlaubstagen, für die sie sich verpflichtet hat, 200,-- DM brutto zu zahlen.

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf die Gewährung einer weiteren Abgeltung für 23 Urlaubstage in Höhe von 2.300,-- DM (brutto) in Anspruch. Über den Umfang des Anspruchs besteht zwischen den Parteien kein Streit.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 2.300,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar 1984 zu verurteilen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsziel weiter. Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung bejaht, aber keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Klägerin mit Rücksicht auf die ihr gewährten Sozialleistungen aus der Arbeitslosenunterstützung dieser Anspruch noch voll oder nur im Umfang gemindert zusteht.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Revision nicht schon deshalb Erfolg haben, weil die Klägerin weder in der Berufungs- noch in der Berufungsbegründungsschrift ausdrücklich einen Berufungsantrag gestellt hat.

Dem Landesarbeitsgericht ist darin beizupflichten, daß es eines förmlichen Berufungsantrags nicht bedarf, wenn wie hier aus der Berufungs- und der Berufungsbegründungsschrift mit Sicherheit zu entnehmen ist, daß das Urteil erster Instanz in vollem Umfang angegriffen und der ursprüngliche Klagantrag weiterverfolgt wird (vgl. z. B. Zöller/Schneider, ZPO, 14. Aufl., § 519 Rz 32, mit Nachweisen). Mit der Begründung ihrer Berufung hat die Klägerin deutlich gemacht, daß sie einen dem Arbeitsgericht entgegengesetzten Rechtsstandpunkt vertritt, der zum Erfolg der Klage führen muß.

2. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Klägerin nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis der für sie im Jahre 1983 bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehende Urlaubsanspruch nunmehr als Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht.

Zu Unrecht meint die Beklagte, daß für die Klägerin nur ein Abgeltungsanspruch für so viele Tage entstanden sei, wie sie vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch arbeitsfähig und arbeitsbereit gewesen ist.

Für eine solche Betrachtungsweise fehlt jeder Anhaltspunkt. Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinen Entscheidungen vom 28. Juni 1984 (BAG 46, 224, 227 = AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu 2 der Gründe), vom 7. März 1985 (BAG 48, 186) und vom 7. November 1985 (- 6 AZR 628/84 -, AP Nr. 25 zu § 7 BUrlG Abgeltung) ausgeführt, daß die Abgeltungspflicht des Arbeitgebers für den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG allein an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpft. Von diesem Zeitpunkt an können nicht mehr wie während des Arbeitsverhältnisses Arbeitspflichten durch den Urlaubsanspruch suspendiert werden. Dennoch soll nach § 7 Abs. 4 BUrlG, dem § 33 TV nachgebildet ist, der Arbeitnehmer so gestellt werden, als würde die Arbeitspflicht durch Gewährung des Urlaubs suspendiert werden können. Nur deswegen hat ein Arbeitnehmer den Abgeltungsanspruch. Der Arbeitnehmer erhält trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Abgeltung das ihm bisher zu zahlende Entgelt weiter für eine fiktive Arbeitszeit, die der ihm als Urlaub zu gewährenden Freizeit entspricht. Der Abgeltungsanspruch besteht demnach nur in der Bindung an die als fortbestehend behandelte Arbeitspflicht. Für die Beurteilung des Abgeltungsanspruchs bestehen damit insoweit gegenüber dem Urlaubsanspruch keine Besonderheiten. Wie dieser endet auch der Urlaubsabgeltungsanspruch, wenn er nicht zuvor erfüllt wird, mit dem 31. März des folgenden Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG). Ob der Abgeltungsanspruch erfüllbar ist, hängt ebenso wie beim Urlaubsanspruch von der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers ab. Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat mit Urteil vom 14. Mai 1986 (- 8 AZR 604/84 -, zur Veröffentlichung bestimmt) angeschlossen.

Aus § 33 TV ergibt sich für den vorliegenden Rechtsstreit nichts anderes. Auch die Revision geht davon aus, daß der Inhalt von § 33 TV mit § 7 Abs. 4 BUrlG übereinstimmt.

Die Klägerin war nach ihrem von der Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis arbeitsfähig, so daß die Beklagte den Urlaubsabgeltungsanspruch hätte erfüllen können. Da der Urlaubsanspruch grundsätzlich erst mit dem Ende des Kalenderjahres bzw. dem Ende des Übertragungszeitraums erlischt, ist auch der Abgeltungsanspruch bis zu diesem Beendigungszeitpunkt zu erfüllen.

3. Die Klägerin hat nach ihrem Vortrag ab 1. Oktober 1983 in unmittelbarem Anschluß an ihr Arbeitsverhältnis Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten. Durch diese Zahlungen nach § 117 Abs. 4 in Verb. mit § 117 Abs. 1 a AFG kann es zu einem jedenfalls teilweisen Anspruchsübergang nach § 115 SGB X auf den Sozialleistungsträger gekommen sein. Dieser Anspruch kann nur in Höhe der erbrachten Sozialleistungen (§ 115 Abs. 1 SGB X) übergehen, so daß die Klägerin hinsichtlich des überschießenden Teils der Urlaubsabgeltung weiterhin sachlegitimiert ist.

Feststellungen hierzu, in welcher Höhe mit Rücksicht auf § 117 Abs. 1 a AFG die Klägerin nicht mehr Inhaberin der Forderung ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen, so daß eine Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung erforderlich ist, um diese Feststellungen nachzuholen.

4. Soweit die Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz geltend macht, sie sei nicht die Arbeitgeberin der Klägerin, ist dies für die Entscheidung des Rechtsstreits unbeachtlich (§ 561 ZPO). Außerdem hat die Beklagte selbst sich als die richtige Anspruchsgegnerin bezeichnet (vgl. Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 10. April 1984).

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer

Rheinberger Sperl

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441672

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge