Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereitschaftsdienst. zulässige Kündigung der Nebenabrede
Leitsatz (redaktionell)
Vgl. das Parallelurteil vom 15. Februar 1990 – 6 AZR 386/88 –, zur Veröffentlichung bestimmt.
Normenkette
BAT SR 2c Nr. 8 zu § 17
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 14.12.1987; Aktenzeichen 14 Sa 1774/86) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.07.1986; Aktenzeichen 3 Ca 384/85) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 1987 – 14 Sa 1774/86 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juli 1986 – 3 Ca 384/85 – wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Vergütung der von dem Kläger geleisteten Bereitschaftsdienste.
Der Kläger ist bei der Beklagten in der medizinischen Klinik des Hospitals „H.” als Assistenzarzt beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis finden der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung. Zur Ergänzung des Arbeitsvertrages vom 1. November 1971 schlossen die Parteien eine schriftliche Nebenabrede ab, nach der der geleistete Bereitschaftsdienst gemäß Nr. 8 Abs. 2 a in Verb. mit Abs. 5 SR 2 c BAT der Stufe D zugeordnet wurde.
Die Beklagte führte in der Zeit vom 1. Februar 1984 bis 31. Juli 1984 Aufzeichnungen über den Umfang der Arbeitsleistung während des ärztlichen Bereitschaftsdienstes durch. Der Kläger und die übrigen in der Abteilung beschäftigten Assistenzärzte mußten die geleistete Arbeit auf hierfür zur Verfügung gestellten Erhebungsbögen zeitlich erfassen. Anhand dieser Erhebung errechnete ein von der Beklagten beauftragtes Beratungsbüro Arbeitszeiten im Bereitschaftsdienst von 28,73 % bis 45,81 %, was einem Abteilungsdurchschnitt von 36,42 % Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes entspricht. Für den Kläger wurde eine individuelle Arbeitszeit von 45,81 % ermittelt. Daraufhin kündigte die Beklagte unter Hinweis auf eine mögliche Anpassung der Bereitschaftsdienststufe mit Schreiben vom 7. September 1984 die Nebenabrede zum 31. Dezember 1984 und bot im Dezember 1984 dem Kläger an, durch eine neue Nebenabrede den Bereitschaftsdienst ab 1. Januar 1985 der Stufe C zuzuweisen. Der Kläger nahm dieses Angebot unter dem Vorbehalt der richtigen Einstufung in die Gruppe D an. Mit Schreiben vom 7. Januar 1985 lehnte die Beklagte den Vorbehalt ab und reichte dem Kläger das Angebot zum Abschluß einer neuen Nebenabrede wieder zurück. Die Beklagte vergütet die von dem Kläger geleisteten Bereitschaftsdienste seit Januar 1985 nach der Stufe C; die Einkommensdifferenz zur höheren Stufe D beträgt ca. DM 400,– monatlich.
Der Kläger hat gemeint, der von ihm zu leistende Bereitschaftsdienst sei der Stufe D zuzuordnen, da er während seiner Bereitschaftsdienste durchschnittlich mehr als 40 % Arbeitsleistungen zu erbringen habe. Allein die Auswertung seiner Selbstaufzeichnung ergebe schon einen Arbeitsaufwand von 45,81 %. Darüber hinaus sei die von der Beklagten durchgeführte Erhebung aus mehreren Gründen fehlerhaft. Die Assistenzärzte seien über die zu fertigenden Selbstaufzeichnungen unrichtig instruiert worden. Deshalb sei die Erhebung nicht vollständig. Insbesondere seien Wege- und Wartezeiten nicht als Arbeitsleistung berücksichtigt worden. Im Rahmen der Auswertung sei zudem fälschlicherweise bei fortlaufenden Behandlungen eine Trennminute als Ruhezeit gerechnet worden. Aufgrund der nachgebesserten Erhebung für drei Monate ergebe sich bereits für diesen Zeitraum eine durchschnittliche Arbeitsbelastung von 40,07 % während der Bereitschaftsdienste. Die angeordnete Untersuchung könne darüber hinaus auch nicht als repräsentativ bewertet werden, da über zwei Monate lang zehn Betten wegen Umbaumaßnahmen nicht belegt gewesen seien. Während der Erhebungszeit seien drei Assistenzärzte ausgeschieden und drei neue eingestellt worden. Daher könne davon ausgegangen werden, daß diese Ärztegruppe die geringsten Belastungen notiert hätte.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
das beklagte Krankenhaus wird verpflichtet, dem Kläger die seit dem 1. Januar 1985 in der medizinischen Klinik des H.-Krankenhauses, …, geleisteten Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste mit 55 % der Arbeitszeit zu bewerten, ihn in die dafür vorgesehene (und für bewilligte) Stufe D aus der Sonderregelung 2 c BAT zuzuordnen und ihm unter Anrechnung der bereits gezahlten Beträge für diese Dienste die noch offenstehenden Restbeträge auszuzahlen;
hilfsweise
es wird festgestellt, daß das beklagte Krankenhaus verpflichtet ist, die vom Kläger seit dem 1. Januar 1985 in der medizinischen Klinik des H.-Krankenhauses, …, geleisteten Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste mit 55 % der Arbeitszeit zu bewerten, diese Dienste in die dafür vorgesehene Gruppe D der Anlage 2 c zum BAT einzuordnen, und unter Anrechnung der bereits gezahlter Beträge den offenen Rest auszugleichen;
höchst hilfsweise
- das beklagte Krankenhaus wird verurteilt, mit dem Kläger für seine Tätigkeit in der medizinischen Klinik des H.-Krankenhauses für die Zeit ab dem 1. Januar 1985 für die geleisteten Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste eine Nebenabrede abzuschließen, nach der der geleistete Bereitschaftsdienst der Stufe D der Anlage 2 c des BAT zugewiesen wird; außerdem wird die Beklagte verurteilt, unter Anrechnung der bisher geleisteten Vergütung für diese Dienste den offenen Rest für die Zeit ab 1. Januar 1985 auszuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich nicht auf die Unvollständigkeit der von ihm selbst gefertigten Aufzeichnungen berufen, da ein solches Verhalten widersprüchlich sei. Ihm sei der Zweck der Erhebung mitgeteilt worden, und er habe hierzu auch schriftliche, durch mündliche Hinweise nicht eingeschränkte Anweisungen erhalten. Auch unter Berücksichtigung der nachgebesserten Einzelaufzeichnungen des Klägers ergebe sich, daß die 40 %-Grenze nur knapp überschritten werde. Die nachgebesserten Aufzeichnungen seien jedoch widersprüchlich und damit nicht verwertbar. Darüber hinaus sei der Belegungsdurchschnitt durch die zeitweise Verminderung der Bettenzahl nicht reduziert worden. Außerdem sei nicht zu erkennen, warum sich die Arbeitsleistung eines Bereitschaftsdienstleistenden deshalb verändere, weil er neu eingestellt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers dem zu 2) gestellten Hilfsantrag stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiter, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger hat jedenfalls zur Zeit keinen Anspruch auf Bewertung und Vergütung der Bereitschaftsdienste nach der Stufe D der Nr. 8 SR 2 c BAT. Da der Kläger gegen die Abweisung des Hauptantrages und des Hilfsantrages zu 3) kein Rechtsmittel eingelegt hat, war nur noch über den Hilfsantrag zu 2) zu entscheiden.
I. Das Landesarbeitsgericht hat nur dem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag zu 2) entsprochen. Es hat die Auffassung vertreten, die von der Beklagten ausgesprochene Kündigungserklärung vom 7. September 1984 sei unwirksam. Die tarifliche Regelung in Nr. 8 Abs. 5 SR 2 c BAT enthalte eine Berechtigung zur Teilkündigung der Nebenabrede über die Bereitschaftsdienstzuweisung, wobei es sich unabhängig von der gewählten Bezeichnung rechtlich um einen Widerrufsvorbehalt handele. Die Ausübung eines vereinbarten Widerrufs dürfe aber gemäß § 315 BGB nur nach billigem Ermessen erfolgen. Dieses billige Ermessen sei gerichtlich nachprüfbar, wobei der Widerrufende die Darlegungs- und Beweislast für die rechtmäßige Ausübung des Widerrufsvorbehalts trage. Die Beklagte habe aber den Nachweis für die Richtigkeit der Einstufung des Bereitschaftsdienstes in die Stufe C nicht führen können. Die in der Zeit vom 1. Februar 1984 bis 31. Juli 1984 durchgeführte Erhebung über die Arbeitsbelastung der Assistenzärzte während der Bereitschaftsdienste wiesen nämlich inhaltliche Mängel auf. Es sei bereits zweifelhaft, ob der Erhebungszeitraum als repräsentativ angesehen werden könne. Auch könne aufgrund der verminderten Bettenzahl während der Dauer von zwei Monaten eine Reduzierung der Arbeitsbelastung im Bereitschaftsdienst nicht ausgeschlossen werden. Die Beklagte habe nämlich nur pauschal behauptet, das Fehlen der Betten habe den Belegungsdurchschnitt nicht verändert. Des weiteren stehe aufgrund der Erklärung der Beklagten vom 23. Januar 1986 fest, daß die in den Aufzeichnungen der Ärzte enthaltene eine Minute Differenz zwischen den einzelnen Behandlungsfällen als Pause gewertet worden sei. Dies sei tariflich unrichtig, da die aufgewendete Zeit zwischen fortlaufenden Behandlungsfällen als Arbeitszeit anzusehen sei. Im übrigen habe die Beklagte selbst eingeräumt, die Zeit zwischen den Behandlungsfällen von Assistenzärzten nicht gleichartig erfaßt zu haben. Auch diese Umstände seien geeignet, das Ergebnis der Untersuchung zu verfälschen. Als entscheidender Gesichtspunkt falle aber ins Gewicht, daß die Studie eine erhebliche Schwankung der Arbeitsbelastung im Bereitschaftsdienst dar einzelnen Assistenzärzte ermittelt habe, obwohl die Dienstpläne der Assistenzärzte keine Besonderheiten aufwiesen, die die Annahme spezieller oder unterschiedlicher Belastungen rechtfertigen könnten. Aufgrund der erheblichen Differenz zwischen 28,73 % und 45,81 % Arbeitsbelastung während der Bereitschaftsdienste – für die eine Begründung fehle – könne nur der Schluß gezogen werden, daß die Erhebung über die einzelnen Tätigkeiten mangelhaft gewesen sei. Anhaltspunkte für von dem Kläger vorsätzlich falsch vorgenommene Aufzeichnungen seien nicht festzustellen.
II. Der allein noch in Streit befindliche Feststellungsantrag zu 2) ist zulässig.
1. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der von ihm hilfsweise begehrten Feststellung (§ 256 ZPO), obwohl die Klage nicht auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung der Nebenabrede vom 7. September 1984 abzielt, sondern auf Bewertung und Vergütung des Bereitschaftsdienstes nach den bisherigen Bedingungen und der Kläger deshalb insoweit eine Leistungsklage hätte erheben können. Zwar ist das rechtliche Interesse an der Erhebung einer Feststellungsklage in der Regel zu verneinen, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Nach ständiger Rechtsprechung besteht jedoch gleichwohl ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, wenn das angestrebte Urteil mit seiner lediglich ideellen, der Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen. Dies gilt jedoch nicht, wenn nur ein Teilaspekt eines Gesamtstreits zwischen zwei Prozeßparteien gelöst und ein weiterer Prozeß nicht vermieden wird. Vielmehr muß die erhobene Feststellungsklage geeignet sein, weitere Prozesse durch einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu verhindern (BGH NJW 1986, 1815, 1816; BGH NJW 1984, 1118, mit weiteren Nachweisen; Senatsurteil vom 20. April 1989 – 6 AZR 448/87 – nicht veröffentlicht).
2. Wegen der besonderen Umstände des vorliegenden Rechtsstreits ist das Feststellungsinteresse des Klägers zu bejahen. Der Kläger hatte im Verfahren vor dem Arbeitsgericht auf Leistung, nämlich auf Abschluß einer neuen Nebenabrede zu den bisherigen Bedingungen geklagt. Es entstanden aber im Berufungsverfahren Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigung. Das Landesarbeitsgericht hat aus diesem Grund den Kläger veranlaßt, hilfsweise die aufgeführten Feststellungsanträge zu stellen. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Feststellungsinteresse des Klägers schon zu bejahen ist, wenn Zweifel an der Zulässigkeit der Leistungsklage bestehen. Hat jedoch das Prozeßgericht selbst Bedenken, ob ein Anspruch auf Leistung besteht, und veranlaßt es aus diesem Grund den Kläger, seinen bisher allein gestellten Leistungsantrag um hilfsweise zu bescheidende Feststellungsanträge zu ergänzen (BGH Urteil vom 14. Juli 1958 – VII ZR 99/57 – BGHZ 28, 123, 126, für den Fall der Antragsumstellung; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 256 Anm. 5, Stichwort „Leistungsklage”), so ist das Feststellungsinteresse zu bejahen. In einem solchen Fall erscheint es nämlich nicht angängig, das Feststellungsinteresse des Klägers deshalb zu verneinen, weil sich die Auffassung des Prozeßgerichts nachträglich als unrichtig herausstellt.
III. Sachlich halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts der revisionsrechtlichen Überprüfung jedoch nicht stand.
1. Nach Nr. 8 Abs. 5 SR 2 c BAT erfolgt die Zuweisung zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes durch eine nach § 4 Abs. 2 BAT einzelvertraglich abzuschließende konstitutive Nebenabrede (BAG Urteil vom 9. August 1978 – 4 AZR 77/77 – AP Nr. 5 zu § 17 BAT, Urteil vom 27. Februar 1985 – 7 AZR 552/82 – AP Nr. 12 zu § 17 BAT; Urteil vom 4. Dezember 1986 – 6 AZR 123/84 – EzBAT Nr. 1 zu SR 2 c BAT Bereitschaftsdienst; Urteil vom 26. Februar 1987 – 6 AZR 426/83 – EzBAT Nr. 2 zu SR 2 c BAT Bereitschaftsdienst). Nach Satz 2 dieser Regelung hat jede Arbeitsvertragspartei das Recht, mit einer Frist von drei Monaten jeweils zum Ende eines Kalenderhalbjahres die Nebenabrede zu kündigen. Die Beklagte hat die zwischen den Parteien abgeschlossene Nebenabrede über die Zuordnung der Bereitschaftsdienste zu der Stufe D rechtswirksam gekündigt, denn nach Nr. 8 Abs. 5 Satz 2 SR 2 c BAT ist die Kündigung einer bestehenden Nebenabrede zulässig, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die bisherige Einstufung unzutreffend ist. Dies folgt aus der Auslegung der tariflichen Bestimmung.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Es ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarif Vertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien die die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, ggf. auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteile vom 24. März 1988 – 6 AZR 787/85 – AP Nr. 1 zu § 27 MTL II; vom 24. März 1988 – 6 AZR 525/84 – AP Nr. 10 zu § 47 BAT; vom 17. März 1988 – 6 AZR 634/86 – BAGE 58, 31 = AP Nr. 1 zu § 2 TV RatAng = EzA § 111 BetrVG 1972 Nr. 22; vom 4. Februar 1988 – 6 AZR 203/85 – AP Nr. 17 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; vom 21. Januar 1988 – 6 AZR 560/87 – AP Nr. 7 zu § 29 BAT).
b) Der Wortlaut der Nr. 8 Abs. 5 Satz 2 SR 2 c BAT enthält keine materielle Einschränkung des Kündigungsrechts (vgl. das rechtskräftige Urteil des LAG Niedersachsen vom 22. April 1982 – 8 Sa 1/82 –, abgedr. in Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Januar 1990, SR 2 c Nr. 8 Erl. 2 c; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, BAT, Stand Januar 1990, SR 2 c BAT Nr. 8 Erl. 6 e). Die tarifvertragliche Regelung in Satz 2 nennt lediglich die Kündigungsmöglichkeit der Bereitschaftsdienststufenvereinbarung in der Form der Nebenabrede und die Kündigungsfrist von drei Monaten jeweils zum Ende eines Kalenderhalbjahres. Nur jeweils zum Halbjahr soll eine Änderung in der Bewertung des Bereitschaftsdienstes eintreten, wenn sich nach Abschluß der Abrede herausstellt, daß die vereinbarte Zuweisung zu einer bestimmten Bereitschaftsdienststufe den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr gerecht wird. Die Arbeitsvertragsparteien sollen sich mindestens bis zum Ablauf des jeweiligen Kalenderhalbjahres auf die vereinbarte Vergütung einstellen können (vgl. die Niederschrift über die Sitzung der Arbeitgebervertreter in der BAT-Kommission vom 15. Oktober 1972, abgedr. in Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, a.a.O.). Darüber hinaus sind in Nr. 8 SR 2 c BAT keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, daß die Tarif Vertragsparteien zusätzlich ein materielles Kündigungserfordernis im Zeitpunkt des Zuganges gewollt hätten.
c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts finden sich auch sonst in den tarifvertraglichen Regelungen keine Hinweise für einen durch § 315 BGB eingeschränkten Widerrufvorbehalt. Aus der Systematik der Nr. 8 SR 2 c BAT ergibt sich vielmehr, daß Abs. 5 im Zusammenhang und in Ergänzung zu Abs. 2 a zu sehen und anzuwenden ist (BAG Urteil vom 9. August 1978 – 4 AZR 77/77 –, a.a.O.). Die Bereitschaftsdienststufenzuweisung in der Form der Nebenabrede hat demnach den Sinn, zur Vermeidung künftiger Meinungsverschiedenheiten festzulegen, in welche Stufe der Arzt nach übereinstimmender Auffassung beider Arbeitsvertragsparteien entsprechend dem Maße der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistung einzugruppieren ist (Crisolli/Ramdohr, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Stand Februar 1990, SR 2 c Erl. 22). Dabei sind die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen der zeitlichen Belastung maßgebend, nicht deren weitere Entwicklung nach der Festsetzung (BAG Urteil vom 27. Februar 1985 – 7 AZR 552/82 –, a.a.O.; Urteil vom 26. Februar 1987 – 6 AZR 426/83 –, a.a.O.). Ergeben sich nachträglich Anhaltspunkte dafür, daß die Prognose unrichtig war und die tatsächliche Inanspruchnahme eine höhere Bereitschaftsdienststufe gerechtfertigt hätte, entsteht nicht automatisch ein Anspruch auf höhere Bezahlung der zurückliegenden Dienste. Vielmehr hat jede Arbeitsvertragspartei das Recht bei Unstimmigkeiten über den tatsächlichen Arbeitsanfall nach Abschluß der Nebenabrede diese zu kündigen (BAG Urteil vom 26. Februar 1987 – 6 AZR 426/83 –, a.a.O.). Dabei besteht für die Wirksamkeit der Kündigung kein Begründungszwang in irgendeiner Form; die Kündigung ist für beide Arbeitsvertragsparteien lediglich fristgebunden, aber grundlos möglich. Die Kündigung darf nur nicht willkürlich erfolgen (vgl. zur grundsätzlichen Kündigungsdogmatik: KR-Wolf, 3. Aufl., Grunds. Rz 96 f., 110). Kommt es im Falle einer Kündigung der Nebenabrede nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht zu einer Einigung über eine neue Nebenabrede, so kann jede Partei den Anspruch auf Abschluß einer neuen Nebenabrede im Klagewege verfolgen (Crisolli/Ramdohr, a.a.O.). Nr. 8 Abs. 5 Satz 2 SR 2 c BAT enthält damit eine tarifvertraglich besonders ausgestaltete Teilkündigungsmöglichkeit, nach der sich letztlich keine Vertragspartei einseitig und auf Dauer von einzelnen Rechten und Pflichten durch Ausübung des Kündigungsrechts lösen kann. Das vereinbarte Äquivalenz- und Ordnungsgefüge des Arbeitsverhältnisses wird hierdurch nicht gestört. Deshalb bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Regelung (vgl. zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der Teilkündigung: BAGE 40, 199 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung; BAG Urteil vom 4. Dezember 1986 – 2 AZR 776/85 – nicht veröffentlicht; KR-Wolf, a.a.O., Rz 143 f.), zumal bis zum Abschluß einer neuen Nebenabrede geleistete Bereitschaftsdienste konkret nach den allgemeinen Regelungen des BAT abzurechnen sind oder diese mit rückwirkender Kraft ab Ablauf der Kündigungsfrist vereinbart werden kann.
d) Vorliegend hat die Beklagte die Kündigung der Nebenabrede nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf der Grundlage der Auswertungen von Aufzeichnungen des Klägers und der übrigen Assistenzärzte über ihre Arbeitsbelastung während der Bereitschaftsdienste durch das Büro G. ausgesprochen. Diese wiesen für den Kläger und seine Kollegen Arbeitsbelastungen durchschnittlich innerhalb der Stufe C aus. Damit hatte die Beklagte aber der Kündigung nicht willkürlich ausgesprochen, sondern es lagen Anhaltspunkte für eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor. Ob diese Auswertung zutreffend ist, kann jedenfalls im Rahmen des noch anhängigen Rechtsstreits nicht geklärt werden nachdem der Kläger gegen die Abweisung seines Hauptklageantrages durch das Landesarbeitsgericht kein Rechtsmittel eingelegt hat und ein evtl. Anspruch auf Abschluß einer neuen Nebenabrede mit der Stufe D damit rechtskräftig abgewiesen worden ist.
2. Die Kündigung der Nebenabrede vom 7. September 1984 zum 31. Dezember 1984 durch die Beklagte war wirksam; zwischen den Parteien bestand ab 1. Januar 1985 keine Vereinbarung über die Zuweisung der zu leistenden Bereitschaftsdienste zur Stufe D. Der Kläger hat ab diesem Zeitpunkt daher auch keinen nach Stufe D zu bewertenden und abzurechnenden Anspruch meiner Bereitschaftsdienste. Denn ein solcher Anspruch ergibt sich nicht unmittelbar aus Abs. 2 der Nr. 8 SR 2 c BAT, vielmehr kommt der nach Abs. 5 der Vorschrift abzuschließenden Nebenabrede anspruchsbegründende Bedeutung zu. Durch ihren Hinweis auf § 4 Abs. 2 RAT haben die Tarifvertragsparteien nämlich unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die Entstehung des Anspruchs vom Abschluß einer solchen Nebenabrede abhängig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG Urteil vom 19. Juni 1985 – 5 AZR 57/84 – AP Nr. 11 zu § 4 BAT, zu B II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 9. August 1978 – 4 AZR 77/77 – AP Nr. 5 zu § 17 BAT, m.w.M.).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Röhsler, Dörner, Schneider, Fürbeth, Dr. Gehrunger
Fundstellen