Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitszeit eines Musikschullehrers. Ferienüberhang
Leitsatz (redaktionell)
Vgl. zur Arbeitszeit eines Musikschullehrers auch heutiges Urteil des Senats in der Sache – 6 AZR 170/96 – n.v.
Normenkette
BAT §§ 15, 2; BAT SR 2 l II Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Januar 1996 – 4 Sa 1306/95 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob bei der Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit innerhalb des in § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT geregelten Zeitraumes unterrichtsfreie Zeiten während der Schulferien berücksichtigt werden dürfen.
Die Klägerin ist seit Februar 1975 bei der Beklagten als Musikschullehrerin beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin beträgt 30 Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten. Durch Dienstanweisung legte die Beklagte fest, daß der Unterricht an der Musikschule während der allgemeinen Schulferien ruht. Die Klägerin hat einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Kalenderjahr, der nur während der unterrichtsfreien Zeit genommen werden darf.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 1994 verlangte die Beklagte von der Klägerin, außerhalb der Schulferien im ersten Kalenderhalbjahr zusätzlich 3,3 und im zweiten Kalenderhalbjahr zusätzlich 3,47 Unterrichtsstunden in der Woche zu leisten. Sie begründete dies damit, daß die Schulferien länger seien als der der Klägerin zustehende Erholungsurlaub. Die durch diesen sog. Ferienüberhang entfallenden Unterrichtsstunden seien auf die Zeiträume zu verteilen, in denen die Klägerin zur Ableistung des Unterrichts verpflichtet sei. Zur Berechnung des Ferienüberhangs und damit der Festlegung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit seien Ausgleichszeiträume von jeweils 26 Wochen und damit die beiden Kalenderhalbjahre eines Jahres zugrunde zu legen. Im ersten Ausgleichszeitraum eines Jahres seien sieben Tage Urlaub und ein Arbeitszeitverkürzungstag, im zweiten 23 Tage Urlaub und ein Arbeitszeitverkürzungstag zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Berücksichtigung des Ferienüberhangs in der nicht unterrichtsfreien Zeit sei tarifwidrig. Das Direktionsrecht berechtige nicht zu der von der Beklagten angestrebten Umverteilung ihrer Arbeitsverpflichtung.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß ihre durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit außerhalb der Schulferien 30 Unterrichtsstunden (je 45 Minuten) beträgt und sie nicht verpflichtet ist, ohne zusätzliche Vergütung ab dem 2. Januar 1995 im ersten Kalenderhalbjahr zusätzlich 3,3 Wochenstunden und im zweiten Kalenderhalbjahr zusätzlich 3,47 Wochenstunden Unterricht zu erteilen.
Hilfsweise für den Fall, daß die Klägerin verpflichtet sein sollte, mehr als 30 Unterrichtsstunden außerhalb der Schulferien zu leisten:
- Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, Zeiten der ihr angezeigten, in die Schulferien fallende Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gesondert zu vergüten, wenn und soweit die Klägerin in der Zeit außerhalb der Schulferien mehr als 30 Unterrichtsstunden leistet.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, sie sei aufgrund ihres Direktionsrechts berechtigt, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin um den Ferienüberhang zu erhöhen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen.
I. Für die begehrten Feststellungen fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin bestimmt sich nach § 15 Abs. 1 BAT, wobei eine Musikschullehrerin vollbeschäftigt ist, wenn die arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 30 Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten beträgt (Nr. 2 Abs. 1 SR 2 1 II BAT). Für die Berechnung des Durchschnitts darf die Beklagte den in § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT geregelten Ausgleichszeitraum zugrunde legen und dabei auch die unterrichtsfreie Zeit während der Schulferien, für die kein Urlaub erteilt ist, den sogenannten Ferienüberhang, mitberücksichtigen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG Urteil vom 15. Oktober 1987 – 6 AZR 530/85 – EzBAT § 15 Nr. 12 = ZTR 1988, 300; BAG Urteil vom 13. Februar 1992 – 6 AZR 149/90 – BAGE 69, 348 = AP Nr. 21 zu § 15 BAT; BAG Urteil vom 23. Februar 1995 – 6 AZR 586/94 – AP Nr. 38 zu § 15 BAT; BAG Urteil vom 26. Januar 1995 – 2 AZR 371/94 – BAGE 79, 159 = AP Nr. 36 zu § 2 KSchG 1969), zu deren Änderung der vorliegende Fall keinen Anlaß gibt.
1. Die Ausübung des Direktionsrechts durch die Beklagte entspricht billigem Ermessen (§ 315 BGB).
Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß die Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gehindert war, die Ausgleichszeiträume von jeweils 26 Wochen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BAT in der Fassung des § 1 Nr. 2 des 69. Änderungs-TV vom 25.4.1994) auf die beiden Kalenderhalbjahre zu legen. Dadurch wird eine sachgerechte Verteilung der Arbeitszeit erreicht, die die Interessen beider Arbeitsvertragsparteien wahrt.
Die Schließung der Musikschule während der allgemeinen Schulferien ist nicht zu beanstanden. Davon geht auch Nr. 3 SR 21 II BAT aus. Auch das Angebot eines gleichmäßigen Unterrichts außerhalb der Schulferien ist sachlich gerechtfertigt, weil wechselnde Unterrichtszeiten den Musikschülern und der Beklagten selbst das Disponieren erschweren würden.
Die Änderung der Arbeitszeit muß die Klägerin hinnehmen. Sie wird durch diese Regelung nicht unbillig belastet, zumal die Beklagte durch Ausübung ihres Direktionsrechts eine vom Umfang her annähernd gleiche Inanspruchnahme der Klägerin während der nicht unterrichtsfreien Zeit erreicht hat.
2. Der Einwand der Klägerin, der Ferienüberhang sei falsch berechnet worden, weil die von ihr zu leistenden Nebenaufgaben nicht genügend berücksichtigt worden seien, ist unzutreffend. Diese Nebenaufgaben sind bereits tarifvertraglich bei Festlegung der Zahl der von einem vollbeschäftigten Musikschullehrer zu leistenden Unterrichtsstunden berücksichtigt worden.
3. Der Anspruch der Klägerin auf Beibehaltung der bisherigen Regelung ergibt sich nicht aus betrieblicher Übung. Im Bereich des öffentlichen Dienstes kann der Arbeitgeber auch eine langjährig gewährte übertarifliche oder außertarifliche Leistung wieder einstellen, wenn er sie unter Beachtung von Vorschriften erbracht hat, die einen solchen Anspruch nicht vorsehen (BAG Urteil vom 3. August 1982 – 3 AZR 503/79 – AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Der Arbeitgeber kann auf die Weitergewährung nur dann vertrauen, wenn er dafür besondere Anhaltspunkte hat. Im Zweifel will der öffentliche Arbeitgeber sich jedoch nur normgemäß verhalten und keine über- oder außertariflichen Leistungen erbringen (BAG Urteile vom 3. August 1982 – 3 AZR 503/79 –, vom 10. April 1985 – 7 AZR 36/83 – und vom 13. November 1986 – 6 AZR 567/83 – AP Nr. 12, 19 und 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Die Beklagte ist somit dadurch, daß sie in den vergangenen Kalenderjahren bis einschließlich 1994 nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Arbeitszeit der Musikschullehrer wegen des Ferienüberhangs in der nicht unterrichtsfreien Zeit zu verlängern, nicht gehindert, ab dem Kalenderjahr 1995 anders, nämlich tarifgemäß, zu verfahren (vgl. auch BAG Urteil vom 23. Juni 1992 – 1 AZR 57/92 – AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitszeit).
4. Es ist nicht gleichheitswidrig, daß einige Musikschullehrer von der beanstandeten Neuregelung nicht erfaßt werden. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist verletzt, wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage sachwidrig schlechter stellt. Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muß diese Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen (vgl. BAG Urteil vom 28. März 1996 – 6 AZR 501/95 – AP Nr. 49 zu § 2 BeschFG 1985, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Die Nichtheranziehung der anderen Musikschullehrer zu der um den Ferienüberhang verlängerten Arbeitszeit beruht nach den von der Klägerin nicht bestrittenen Behauptungen der Beklagten allein darauf, daß insoweit kein Bedarf besteht. Die sich daraus ergebende Begünstigung dieser Lehrer stellt keine sachwidrige Benachteiligung der Klägerin dar, von der allein die ihr vertraglich obliegende Leistung verlangt wird.
II. Auch für den Hilfsantrag der Klägerin fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Die Beklagte verlangt von der Klägerin die tariflich von dieser geschuldete Arbeitsleistung. Die tariflichen Ansprüche der Klägerin auf Vergütung ändern sich durch die Umverteilung der Arbeitszeit nicht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, H. Schmidt, Bruse
Fundstellen