Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsentgelt. pauschalierte Aufwandsentschädigung
Leitsatz (amtlich)
Die nach den Lehrentschädigungsrichtlinien der Deutschen Bundespost gewährte Lehrentschädigung gehört zu dem Arbeitsentgelt, das den Personalratsmitgliedern nach § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG fortzuzahlen ist.
Normenkette
BPersVG § 46 Abs. 2 S. 1, § 8; BetrVG § 37 Abs. 2; BGB § 242; GG Art. 3 Abs. 1; BBesG § 2; ZPO § 256 Abs. 1, § 259
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 25.09.1991; Aktenzeichen 3 Sa 57/91) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 13.03.1991; Aktenzeichen 21 Ca 6752/90) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 25. September 1991 – 3 Sa 57/91 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13. März 1991 – 21 Ca 6752/90 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Monate November 1989 bis Januar 1991 Lehrentschädigung in Höhe von 1.875,-- DM zu zahlen.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeit seiner Freistellung für Personalratsaufgaben, beginnend mit dem Monat Februar 1991, die Lehrentschädigung zu zahlen, die sie nach Maßgabe der Lehrentschädigungsrichtlinie an die hauptamtlichen Lehrkräfte leistet.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger als freigestelltem Personalratsmitglied eine als Lehrentschädigung bezeichnete Leistung weiterhin zu gewähren.
Der Kläger, auf dessen Arbeitsverhältnis kraft Tarifbindung der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost Anwendung findet, ist seit Ende 1967 als Fernmeldehandwerker bei der Beklagten beschäftigt. Seit 1. März 1971 wurde er ausschließlich als Ausbilder für den Beruf des Fernmeldehandwerkers eingesetzt. Für diese Ausbildertätigkeit erhielt er eine monatliche Lehrentschädigung in Höhe von zuletzt 125,-- DM. Seit 1. Juli 1976 ist er als Mitglied des örtlichen Personalrats des Fernmeldeamtes G… von seiner dienstlichen Tätigkeit ganz freigestellt. Die Lehrentschädigung wurde ihm zunächst weiterbezahlt. Die Beklagte erbrachte diese Leistung aufgrund der Richtlinien für die Zahlung einer Lehrentschädigung (Aufwandsentschädigung) an hauptamtliche Lehrkräfte der Deutschen Bundespost (LehrentschRichtl). Nach Nr. 1 LehrentschRichtl erhalten die Lehrkräfte “zur Abgeltung der durch die Lehrtätigkeit entstehenden Mehraufwendungen eine widerrufliche Lehrentschädigung (Aufwandsentschädigung)”. Nr. 5 Abs. 1 Buchst. f LehrentschRichtl sah ursprünglich vor, daß die Lehrentschädigung bei einer völligen Freistellung der Lehrkraft für Personalratsaufgaben weiterbezahlt werde. Dementsprechend bestimmte Nr. 5 Abs. 4 LehrentschRichtl, daß die für Personalratsaufgaben freigestellten Lehrkräfte die Lehrentschädigung solange erhielten, wie sie ohne ihre Freistellung Anspruch auf diese Entschädigung gehabt hätten.
Mit Verfügung vom 17. August 1989 erteilte der Bundesminister für Post- und Telekommunikation die Anweisung, die Lehrentschädigung an freigestellte Mitarbeiter von Personalvertretungen nicht mehr zu zahlen, weil die tatsächlichen Aufwendungen, für die sie gewährt werde, bei diesen Mitarbeitern nicht anfielen. Die Lehrentschädigungsrichtlinien wurden durch Verfügung vom 4. September 1989 entsprechend geändert. Nr. 5 Abs. 1 Buchst. f und Nr. 5 Abs. 4 LehrentschRichtl wurden gestrichen. Daraufhin teilte das Fernmeldeamt G… dem Kläger mit Schreiben vom 25. September 1989 mit, daß er ab 1. November 1989 die Lehrentschädigung nicht mehr erhalte.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auch als freigestelltem Personalratsmitglied stehe ihm die Lehrentschädigung zu. Bei dieser Leistung handle es sich um keinen Aufwendungsersatz, sondern um Arbeitsentgelt. Da der Kläger überwiegend fachpraktischen Unterricht erteilt habe, seien ihm keine zusätzlichen Aufwendungen entstanden. Die erforderliche Literatur und Kleidung seien ihm von der Beklagten kostenlos gestellt worden. Mehraufwendungen für ein Arbeitszimmer seien nicht angefallen, weil er seine gesamte Arbeitszeit in der Schule verbracht habe.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate November 1989 bis Januar 1991 Lehrentschädigung in Höhe von 1.875,-- DM zu bezahlen,
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger, beginnend mit der Lehrentschädigung für Februar 1991, fällig am 25. März 1991, eine monatliche Lehrentschädigung von 125,-- DM brutto zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, bei der Lehrentschädigung handele es sich nicht um Arbeitsentgelt, sondern um eine aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung pauschalierte, steuerfrei gezahlte Aufwandsentschädigung für Mehraufwendungen, die den freigestellten Personalratsmitgliedern nicht entstünden. Es gehöre zum Wesen einer pauschalierten Aufwandsentschädigung, daß nicht in jedem Einzelfall ein entsprechender Mehraufwand anfallen müsse und ein Einzelnachweis entbehrlich sei. Die abgegoltenen Mehraufwendungen ergäben sich aus der Bereitstellung von Arbeitsräumen für die Vorbereitungs- und Korrekturarbeiten, aus den Kosten für Zimmerbeleuchtung, Heizung und Erfrischungen, aus dem Bezug von Zeitungen und Fachliteratur sowie aus der Anschaffung einer den herausgehobenen Aufgaben entsprechenden Kleidung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts steht dem Kläger nach § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Lehrentschädigung zu.
A. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage für zulässig erachtet.
1. Der Klageantrag zu 2 ist mißverständlich formuliert. Aus dem bei der Auslegung des Klageantrags zu berücksichtigenden Klagevorbringen ergibt sich, daß der Kläger nicht die Feststellung begehrt, die Beklagte müsse ihm zeitlich unbegrenzt eine monatliche Lehrentschädigung von 125,-- DM brutto zahlen. Er stützt seine Klageforderung darauf, daß ihm als freigestelltem Personalratsmitglied die den hauptamtlichen Lehrkräften gewährte, widerrufliche Lehrentschädigung nicht vorenthalten werden dürfe. Demnach will er festgestellt haben, daß die Zahlungsverpflichtung der Beklagten solange besteht, wie er für seine Personalratsaufgaben freigestellt ist und die Beklagte nach Maßgabe der Richtlinien an die hauptamtlichen Lehrkräfte die Lehrentschädigung leistet.
2. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese Feststellungsklage zulässig. Der Kläger hat mit seiner Leistungsklage die Lehrentschädigung für die Monate November 1989 bis einschließlich Januar 1991 und mit der Feststellungsklage die Lehrentschädigung für die Zeit danach geltend gemacht. Die Feststellungsklage bereinigt den Streit der Parteien, ob dem Kläger als freigestelltem Personalratsmitglied die Lehrentschädigung zusteht, auch für die Zukunft. Die Möglichkeit, eine Klage auf künftige Leistungen nach § 259 ZPO zu erheben, läßt das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO nicht entfallen (BAGE 12, 294, 296 = AP Nr. 31 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II der Gründe; BAG Urteil vom 13. November 1987 – 7 AZR 550/86 – AP Nr. 61 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe; RGZ 113, 410, 412; BGH Urteil vom 7. Februar 1986 – V ZR 201/84 – NJW 1986, 2507). Soweit inzwischen die Lehrentschädigung für weitere Monate fällig geworden ist, hat der Kläger nicht zu einer Leistungsklage übergehen müssen (BAG Urteil vom 11. Oktober 1988 – 3 AZR 639/86 – AP Nr. 1 zu § 5 VRG, zu I der Gründe; BGH Urteil vom 10. Januar 1978 – VI ZR 113/75 – WM 1978, 470).
B. Die Klage ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Beklagte zur Zahlung der geforderten Lehrentschädigung verpflichtet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, dem Kläger stehe als freigestelltem Personalratsmitglied kein Anspruch auf Lehrentschädigung zu, im wesentlichen wie folgt begründet:
§ 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG sei keine anspruchsbegründende, sondern eine anspruchsbewahrende Norm. Sie halte lediglich die vertraglichen, tariflichen und gesetzlichen Ansprüche aufrecht, die dem Kläger zustünden, wenn er nicht als Personalratsmitglied von der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung freigestellt wäre. Die Richtlinie der Beklagten stelle als bloße innerdienstliche Handlungsanweisung der öffentlichen Verwaltung keine Anspruchsgrundlage dar. Eine stillschweigende einzelvertragliche Vereinbarung des Inhalts der Richtlinie sei gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig, weil die Vereinbarung einer Lehrentschädigung eine Nebenabrede sei, die nach § 3 Abs. 2 des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost der Schriftform bedürfe. Wegen dieses Formmangels scheide auch eine betriebliche Übung aus. Selbst wenn die Richtlinien Vertragsinhalt geworden wären, habe der Kläger keinen Anspruch auf die Lehrentschädigung, weil sie als Aufwandsentschädigung anzusehen sei. Die Zweckbestimmung der Leistung ergebe sich aus Nr. 1 LehrentschRichtl. In dieser Regelung werde die Lehrentschädigung als Aufwandsentschädigung bezeichnet und bestimmt, daß die durch die Lehrtätigkeit entstehenden Mehraufwendungen abgegolten würden. Die in der Richtlinie beschriebenen Lehrtätigkeiten brächten typischerweise Mehraufwendungen mit sich, etwa die Anschaffung fachwissenschaftlicher oder pädagogischer Literatur, technischer Hilfsmittel und der Lehrtätigkeit entsprechender Kleidung. Zudem seien Lehrkräfte häufig gezwungen, sich z. B. an einer Lehrgangskasse oder an Veranstaltungen der Gruppe außerhalb des Unterrichts zu beteiligen. Ob gerade dem Kläger Mehraufwendungen entstanden seien, sei nicht erheblich. Die generalisierende Regelung durch die Richtlinie diene der Verwaltungsvereinfachung und ermögliche es der Lehrkraft, eigenverantwortlich zu entscheiden, welche den Anforderungen der Tätigkeit entsprechenden Anschaffungen sie mit den zur Verfügung gestellten Mitteln tätige. Die Mehraufwendungen seien an die Funktion der Lehrtätigkeit gebunden, die durch vorübergehende Unterbrechungen wie Semesterferien oder krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht entfielen. Da der Kläger als freigestelltes Personalratsmitglied keine Lehrfunktion mehr ausübe, habe er keinen Anspruch auf diese Aufwandsentschädigung.
II. Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Anspruchsgrundlage ist § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG, der das allgemeine Begünstigungs- und Benachteiligungsverbot des § 8 BPersVG konkretisiert und insoweit § 37 Abs. 2 BetrVG entspricht. Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG hat die Versäumnis von Arbeitszeit, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Personalrats erforderlich ist, keine Minderung des Arbeitsentgelts zur Folge.
2. Nach ständiger Rechtsprechung, an der der Senat festhält, gehören zum fortlaufenden Arbeitsentgelt im Sinne von § 37 Abs. 2 BetrVG, § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG nicht Aufwandsentschädigungen, die solche Aufwendungen abgelten sollen, die dem Betriebs- oder Personalratsmitglied infolge seiner Befreiung von der Arbeitspflicht nicht entstehen (vgl. BAGE 58, 1, 5 = AP Nr. 64 zu § 37 BetrVG 1972, zu III der Gründe; BAG Urteil vom 28. August 1991 – 7 AZR 137/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 18. September 1991 – 7 AZR 41/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu III 1 der Gründe).
3. In § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG ist abschließend geregelt, inwieweit Personalratsmitglieder ihre Bezüge während ihrer Befreiung von der Arbeitspflicht fortgezahlt erhalten. Deshalb ist es nicht entscheidend, ob der Arbeitgeber einen bestimmten Bestandteil der Bezüge in den maßgeblichen Zahlungsrichtlinien als “Aufwendungsersatz” oder als “Arbeitsentgelt” bezeichnet hat. Vielmehr kommt es auf die inhaltliche Ausgestaltung und den objektiven Zweck an. Die gewährte Leistung muß der Sache nach als Aufwendungsersatz anzusehen sein. Dies setzt voraus, daß in den Fällen, für die eine als Aufwendungsersatz gedachte Leistung vorgesehen ist, im Vergleich zu den Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung nicht erfüllt sind, typischerweise besondere Aufwendungen anfallen, die jedenfalls in der Regel den Umfang des gewährten Aufwendungsersatzes erreichen. Nicht erforderlich ist hingegen, daß diese Aufwendungen bei jedem Arbeitnehmer anfallen, der die Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt. Denn eine Pauschalierung des typischen Mehraufwandes ist zulässig (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 43, 87, 92 = AP Nr. 12 zu § 2 LohnFG, zu II 2b der Gründe; BAG Urteil vom 28. August 1991 – 7 AZR 137/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 18. September 1991 – 7 AZR 41/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu III 2 der Gründe). Sinn der Pauschalierung ist es gerade, vom Nachweis des tatsächlich entstandenen Aufwands im Einzelfall abzusehen und stattdessen die Gewährung der Pauschalleistung an leicht feststellbare objektive Umstände zu knüpfen, bei deren Vorliegen nach der Lebenserfahrung eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Entstehen derartiger Aufwendungen gegeben ist (vgl. BAG Urteil vom 18. September 1991 – 7 AZR 41/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu III 2 und 3 der Gründe; BAG Urteil vom 28. August 1991 – 7 AZR 137/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 3 der Gründe).
4. Die von der Beklagten gewährte Lehrentschädigung erfüllt nicht diese Voraussetzungen einer echten Aufwandsentschädigung, sondern fällt unter den Arbeitsentgeltbegriff des § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG.
a) Das Bundesverwaltungsgericht, das sich im Urteil vom 13. September 1984 (– BVerwG 2 C 68.81 – BVerwGE 70, 106, 109) mit der Einordnung einer Lehrzulage zu befassen hatte, wies bereits darauf hin, daß durch die Lehrtätigkeit (Unterrichtserteilung an einer Landespolizeischule im Rahmen der fachlichen Ausbildung des Polizeibeamtennachwuchses) keine nennenswerten Aufwendungen entstünden. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte in ihren Richtlinien die Aufwendungen, die durch die Lehrentschädigung abgegolten werden sollen, nicht genannt. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren hat sie zwar Mehraufwendungen der Lehrkräfte angegeben (Bereitstellung eines Arbeitszimmers, Kosten für Beleuchtung, Heizung und Erfrischungen, Bezug von Fachzeitschriften und Literatur, Anschaffung einer der Lehrtätigkeit entsprechenden Kleidung). Die Lehrentschädigung wird jedoch unabhängig davon gezahlt, ob und in welchem Umfang der Lehrkraft tatsächlich derartige Mehraufwendungen entstanden sind. Es kann auch nicht gesagt werden, daß die Lehrtätigkeit in aller Regel Aufwendungen in Höhe der Lehrentschädigung mit sich bringt. Die Richtlinien der Beklagten gehen von Aufwendungen aus, die entstehen können, aber nicht grundsätzlich entstehen müssen. Es mag Fälle geben, in denen tatsächlich Mehraufwendungen in Höhe der Lehrentschädigung anfallen. Zumindest nicht selten liegt indessen die Möglichkeit nahe, daß die Lehrentschädigung nicht für Mehraufwendungen ausgegeben, sondern zur Verbesserung des Lebensstandards verwendet wird und damit als Arbeitsentgelt zu behandeln ist (vgl. BAG Urteil vom 8. November 1962 – 1 AZR 109/62 – AP Nr. 15 zu § 2 ArbKrankhG; BAG Urteil vom 24. September 1986 – 4 AZR 543/85 – AP Nr. 50 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; BAGE 58, 1, 5 ff. = AP Nr. 64 zu § 37 BetrVG 1972, zu III der Gründe). Die Verwendung der Lehrentschädigung steht im freien Belieben der Arbeitnehmer. Sie sind weder rechtlich verpflichtet noch faktisch darauf angewiesen, entsprechende Mehraufwendungen zu tätigen. Damit fehlt der für einen echten Aufwendungsersatz erforderliche enge Zusammenhang mit wirklichen Mehraufwendungen, so daß die Lehrentschädigung ein zusätzliches Arbeitsentgelt ist, das nicht wegen einer Personalratstätigkeit gemindert werden darf und auch in die Krankenvergütung einzubeziehen ist. § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG beruht ebenso wie § 2 Abs. 1 LohnFG auf dem Lohnausfallprinzip. Bei einer Erkrankung wird auch nach Nr. 5 Abs. 1 Buchst. e LehrentschRichtl die Lehrentschädigung weitergezahlt. Bei einer völligen Freistellung der Lehrkraft für Personalratsaufgaben kann nicht anders verfahren werden.
b) Gegen einen Aufwendungsersatzcharakter der Lehrentschädigung spricht außerdem, daß die in den Richtlinien geregelten Voraussetzungen für die Gewährung nicht auf die Aufwendungen abgestimmt sind, die nach der Behauptung der Beklagten abgegolten werden sollen.
aa) Nach Nr. 3 Abs. 4 LehrentschRichtl wird die Lehrentschädigung den Lehrkräften gewährt, die mindestens zu 50 % mit Lehraufgaben beansprucht sind. Die übrigen Lehrkräfte erhalten nach Nr. 3 Abs. 6 LehrentschRichtl überhaupt keine Lehrentschädigung, obwohl nicht ersichtlich ist, daß bei Beschäftigten, deren Tätigkeit zu weniger als 50 % aus Lehraufgaben besteht, die von der Beklagten behaupteten Mehraufwendungen überhaupt nicht oder nicht in nennenswertem Umfang anfallen.
bb) Andererseits wird die Lehrentschädigung für unterschiedlichste Lehrtätigkeiten in derselben Höhe gewährt. Nach Nr. 3 Abs. 3 LehrentschRichtl ist unter Lehrtätigkeit im Sinne dieser Richtlinie zu verstehen:
- “
- Erteilen von fachtheoretischem Unterricht in Arbeitskreisen und Lehrgängen,
- Anlernen und Unterweisen in Werkstätten und an Übungsplätzen,
- Mitwirken bei der Abnahme von Prüfungen, Eignungsfeststellungen oder Befähigungsnachweisen,
- Durchsehen und Bewerten von Hausarbeiten,
- Durchführen oder Beaufsichtigen von Übungen, die durch Ausbildungsordnungen oder sonstige Dienstvorschriften vorgeschrieben sind, und die Unterweisung Verwaltungsfremder (z. B. Betriebspraktikanten, Informanden, Stipendiaten),
- Unterweisung von Ausbildern und Ausbildenden durch Ausbildungsberater im Sinne der Vfg 314a 8644-0 vom 04.08.72, 331-5 8645-1 vom 28.02.74 und 331-2 A 6652-1 vom 05.11.79.”
Danach spielt es für die Lehrentschädigung u. a. keine Rolle, ob die Lehrtätigkeit aus praktischer Unterweisung oder theoretischem Unterricht besteht. Zumindest bei der in Nr. 3 Abs. 3 Buchst. b LehrentschRichtl angesprochenen Tätigkeit (Anlernen und Unterweisen in Werkstätten und an Übungsplätzen) ist nicht mehr erkennbar, welche nennenswerten Mehraufwendungen der Lehrkraft entstehen sollen. Diese Tätigkeit erfordert weder die Bereitstellung eines häuslichen Arbeitszimmers noch besondere, von der Lehrkraft selbst zu finanzierende Fachliteratur noch im Vergleich zu den übrigen in der Werkstätte tätigen Arbeitnehmern höhere Kleidungskosten. Dabei handelt es sich auch nicht um eine für die Pauschalierung unerhebliche, einzelfallbezogene Ausnahmeerscheinung, sondern um eine notwendige, allgemeine Folge der Leistungsvoraussetzungen.
cc) Auch die Regelung der “Weiterzahlung in besonderen Fällen” (Nr. 5 LehrentschRichtl) deutet daraufhin, daß die Lehrentschädigung nicht dem Ersatz typischerweise entstehender tatsächlicher Mehraufwendungen dient. Nr. 5 Abs. 1 LehrentschRichtl enthält folgende Regelung:
Wird, wenn auch nur vorübergehend, die Lehrtätigkeit nicht ausgeübt, so entfällt zumindest ein Großteil der von der Beklagten und vom Landesarbeitsgericht unterstellten Mehraufwendungen. Nach Nr. 5 Abs. 3 LehrentschRichtl erhalten sogar Lehrkräfte, die erkrankt sind und aus gesundheitlichen Gründen die Lehrtätigkeit überhaupt nicht wieder aufnehmen können, die Lehrentschädigung bis zum letzten Tag ihrer Erkrankung.
c) Nr. 1 der LehrentschRichtl, die nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Beamte gelten, nimmt zwar auf § 17 BBesG Bezug. Die bloße Bezeichnung der Leistungen in den Richtlinien ist jedoch unerheblich. Entscheidend ist, ob nach objektiven Kriterien ein Aufwendungsersatz vorliegt. Nach § 17 BBesG dürfen Aufwandsentschädigungen nur dann gewährt werden, wenn aus dienstlicher Veranlassung Aufwendungen entstehen, deren Übernahme dem Beamten nicht zumutbar ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die den hauptamtlichen Lehrkräften gewährte und als Aufwandsentschädigung bezeichnete Lehrentschädigung dient nicht vorwiegend der Abgeltung eines wirklichen Mehraufwands, sondern der Honorierung einer besonders qualifizierten Dienstleistung und der Gewährung eines Belastungsausgleichs. Im Schriftsatz vom 10. Dezember 1990 hat die Beklagte selbst vorgetragen, daß auch die körperliche und nervliche Beanspruchung abgegolten werden solle. Erschwerniszulagen gehören indessen zum Arbeitsentgelt im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG. Wie bereits ausgeführt, knüpft die Lehrentschädigung nicht an typischerweise anfallende Mehraufwendungen an. Die Richtlinien der Beklagten sehen ebenso wie § 44 BBesG eine Zahlung an die Beschäftigten vor, die mindestens zur Hälfte im Rahmen der Ausbildung und Fortbildung als Lehrkräfte tätig sind. § 44 BBesG trägt jedoch dem Umstand Rechnung, daß Aufwendungen in Höhe der gewährten Leistung weder erforderlich sind noch unterstellt werden können, und spricht dementsprechend nicht von einer Aufwandsentschädigung, sondern von einer Stellenzulage für hauptamtliche Lehrkräfte. Die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und der Parteivortrag enthalten keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die von der Beklagten gewährte Lehrentschädigung nicht als Stellenzulage im Sinne des § 44 BBesG, sondern als echter Aufwendungsersatz im Sinne des § 17 BBesG angesehen werden kann.
d) Auch wenn die Lehrentschädigung mit Billigung der Finanzbehörden nach § 3 Nr. 12 EStG in Verbindung mit Abschn. 13 LStR 1990 steuerfrei ausbezahlt wurde, ist dies für die arbeitsrechtliche Einordnung dieser Arbeitgeberleistung unerheblich. Die Festsetzung steuerfreier Pauschbeträge durch die als sachkundig anzusehende Finanzverwaltung kann zwar als Indiz bei der Beantwortung der Frage herangezogen werden, ob typischerweise derartige Mehraufwendungen anfallen (vgl. BAG Urteil vom 28. August 1991 – 7 AZR 137/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 4 der Gründe). Für die vorliegende Lehrentschädigung fehlen jedoch entsprechende Pauschbeträge.
5. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger das geschuldete Arbeitsentgelt, zu dem die Lehrentschädigung zählt, trotz Nichterbringung der Arbeitsleistung für die Dauer der Personalratstätigkeit weiterzuzahlen. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Vereinbarung über die von der Beklagten gewährte Lehrentschädigung eine Nebenabrede darstellt, die nach § 3 Abs. 2 des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost der Schriftform bedarf. Solange die Beklagte den übrigen hauptamtlichen Lehrkräften die unter Widerrufsvorbehalt stehende Leistung freiwillig gewährt, ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf diese Zahlung zumindest aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte darf nicht ohne sachlichen Grund einer Gruppe von Arbeitnehmern diese Leistung vorenthalten. § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG verbietet es, allen für Personalratsaufgaben freigestellten Lehrkräften die als Arbeitsentgelt anzusehende Lehrentschädigung zu versagen.
6. Für den Anspruch des Klägers ist es unerheblich, ob die Lehrentschädigung nur den Arbeitnehmern, nicht aber den Beamten zusteht. Eine derartige Ungleichbehandlung verstößt schon deshalb nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil der unterschiedliche Rechtsstatus der Beamten und Arbeitnehmer einen ausreichenden Differenzierungsgrund abgibt. Für die Beamtenverhältnisse gilt nach § 2 BBesG der Grundsatz der Gesetzesbindung der Besoldung. Nur die im Gesetz geregelte Besoldung darf den Beamten gezahlt und vom Beamten gefordert werden (BVerwGE 70, 106, 107, m. w. N.). Dagegen wird der Inhalt der privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse nicht abschließend durch Gesetz geregelt, sondern unterliegt der Tarif- und Privatautonomie. Im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnis kann der Inhalt des Arbeitsverhältnisses einschließlich der Art und Höhe der vom Arbeitgeber zu erbringenden Leistungen von den Arbeitsvertragsparteien gestaltet werden, ohne daß es hierzu einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Schliemann, Kremhelmer, Stappert, Jubelgas
Fundstellen
Haufe-Index 846773 |
NZA 1993, 661 |