Entscheidungsstichwort (Thema)

Abwicklung nach Einigungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

  • Sektionen einer Hochschule in der ehemaligen DDR waren Teileinrichtungen der Hochschule im Sinne von Art. 13 EV. Sie konnten selbständig überführt oder abgewickelt werden.
  • Mit der wesentlichen inhaltlichen Veränderung von Forschung und Lehre an einer Sektion (hier im Fach Journalistik) fiel deren wesentliche Aufgabenstellung weg.
 

Normenkette

Einigungsvertrag Art. 13, 20, 38; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2; Verordnung über die Aufgaben der Universitäten, wissenschaftlichen Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen mit Hochschulcharakter vom 25. Februar 1970 (GBl. DDR II S. 189) § 20 ff.; GG Art. 5

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 10.11.1992; Aktenzeichen Sa 66/92 L.)

KreisG Leipzig-Stadt (Urteil vom 09.03.1992; Aktenzeichen 14 Ca 5812/91 (39))

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 10. November 1992 – Sa 66/92 L. – aufgehoben.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Kreisgerichts Leipzig-Stadt vom 9. März 1992 – 14 Ca 5812/91 (39) – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß Art. 20 Abs. 1 Einigungsvertrag in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 und 5 (im folgenden: Nr. 1 Abs. 2 EV) geruht und mit Ablauf des 30. Juni 1991 geendet hat.

Der im Jahre 1945 geborene Kläger war seit dem 1. Mai 1972 Lehrer im Hochschuldienst an der Sektion Journalistik der Universität Leipzig. Am 11. Dezember 1990 beschloß die Sächsische Landesregierung “erste Maßnahmen zur Neustrukturierung des Hochschulbereichs” durch Abwicklung von Teileinrichtungen. An der Universität Leipzig sollte die Sektion Journalistik, “deren bisherige Aufgabenstellungen hinfällig geworden” seien, abgewickelt werden. Ein Studienprogramm “Publizistik und Medienkunde” sollte die laufende studentische Ausbildung fortführen, um den Studenten einen akademischen Abschluß zu ermöglichen. In dem Beschluß vom 11. Dezember 1990 heißt es weiter, es sei vorgesehen, neue Fakultäten, Fachbereiche und Institute zu gründen. Im notwendigen Umfang würden befristete, in begründeten Einzelfällen unbefristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Für die Studienprogramme würden kommissarische Direktoren und für die neuen Fakultäten Gründungsdekane eingesetzt.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 1990 teilte der Rektor der Universität dem Kläger unter Hinweis auf die Abwicklungsentscheidung der Landesregierung mit, daß sein Arbeitsverhältnis ab 1. Januar 1991 ruhe und nach Ablauf von sechs Monaten ende, wenn keine Weiterbeschäftigung erfolge. Im Januar 1991 vereinbarten die Parteien die Weiterbeschäftigung des Klägers ab 1. Januar 1991 bis zum 31. März 1991 “unter Aussetzung des Ruhens des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses”. Als Aufgabenstellung war die Aufrechterhaltung des für das Wintersemester vorgesehenen Lehrbetriebes, ggf. Vorbereitung von Studienprogrammen und anderweitig erforderlichen Aufgaben festgelegt. Der Kläger unterschrieb den befristeten Vertrag unter Vorbehalt der Rechtmäßigkeit des Abwicklungsbeschlusses und der Versetzung in den Wartestand.

Der Kläger hat geltend gemacht, sein Arbeitsverhältnis habe nicht geruht und nicht geendet. Die Unterrichtung über die Abwicklungsentscheidung hätte bis zum 3. Oktober 1990 erfolgen müssen. Die Sektion Journalistik sei tatsächlich nicht abgewickelt worden. Sie werde mit teilweise- geänderter Aufgabenstellung und mit gegenüber dem Jahr 1990 nur geringfügig geänderten Lehrinhalten als organisatorische Einheit fortgeführt. Die Ausbildung der Studenten sei nie ausgesetzt oder unterbrochen worden. Neue Studenten seien nach dem 1. Januar 1991 immatrikuliert worden. Die bisherigen Studiengänge würden weitgehend mit denselben Lehrkräften fortgeführt. Das technische Personal sei vollständig, das wissenschaftliche Personal zum Teil übernommen worden. Die Besetzung weiterer akademischer Stellen sei vorgesehen. Der in der Kabinettssitzung vom 11. Dezember 1990 erarbeitete Vorschlag für die Regelung des laufenden Studiums (Umimmatrikulation für die ersten drei Studienjahre, einjährige Studienverlängerung für das vierte und Zusatzveranstaltungen für das fünfte Studienjahr) sei auf vielfältigen politischen Druck noch im Dezember 1990 zurückgenommen worden. Da das Arbeitsverhältnis als aktives fortbestehe, schulde der Beklagte die Differenz zwischen Gehalt und gezahltem Wartegeld und ab 1. Juli 1991 die volle Gehaltszahlung.

Der Kläger hat beantragt,

  • festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet worden sei, sondern über den 1. Januar 1991 hinaus unbefristet fortbestehe,
  • den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger für die Monate April, Mai und Juni 1991 jeweils 350,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Monatsbeginn und für Juli 1991 bis zum 9. März 1992 monatlich 1.700,00 DM brutto zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die Sektion Journalistik sei tatsächlich abgewickelt worden. Deren Struktur sei aufgelöst, deren Aufgabenstellung weggefallen. Die aus Gründen des Vertrauensschutzes erforderliche Fortführung der studentischen Ausbildung zu einem akademischen Abschluß stehe dem ebensowenig entgegen wie die Gründung einer neuen Struktur mit wesentlich veränderten inhaltlichen Zielsetzungen. Die Investitionen im Jahre 1991 seien im Vorgriff auf den neu zu gründenden, bisher noch nicht eingerichteten Bereich “Publizistik und Medienkunde” erfolgt. Die befristete Beschäftigung des Klägers habe Abwicklungsarbeiten gedient.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Zwar sei die Ruhensfolge dem Kläger rechtzeitig noch im Dezember 1990 mitgeteilt worden. Die Sektion Journalistik sei aber nicht abgewickelt worden, sondern solle als Einrichtung eines Studienprogramms Publizistik und Medienkunde fortgeführt werden. Die eingeschriebenen Studenten könnten den Abschluß eines Diplom-Journalisten ebenso weiterhin erreichen wie die im Studienjahr 1991/92 neu immatrikulierten mehr als 100 Studenten. Der Beklagte gehe daher selbst von einer vorläufigen Fortführung der Ausbildung aus und bestreite nicht, daß parallel zur Abwicklung mit der Gründung einer neuen Struktureinheit begonnen worden sei. Zwar liege eine Abwicklung auch dann vor, wenn die bisherige Aufgabenstellung, die der Einrichtung das maßgebliche Gepräge gegeben habe, beseitigt werde. Die Aufgabenstellung der Sektion Journalistik, nämlich Forschung und Lehre der Disziplin Medienwissenschaft, bleibe aber erhalten. Das Ziel der neu zu findenden Struktur bestehe im wesentlichen in einer Änderung der bisherigen Lehrinhalte, soweit diese durch die ideoligischen Grundlagen der früheren DDR geprägt gewesen seien, hin zu einer davon unabhängigen breiter angelegten Forschung und Lehre. Der Absolvent des Studienganges solle sich anders als früher nicht mehr als “politischer Funktionär” verstehen, ohne daß dadurch die Grundlage journalistischer Methodik aufgegeben werde. Diese Veränderungen und die damit einhergehende personelle Erneuerung genügten für die Annahme einer Abwicklung nicht.

B. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

I. Der Senat hat die Voraussetzungen des Ruhens und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen nach Nr. 1 Abs. 2 EV wie folgt konkretisiert:

1. Wurde bis zu dem nach dem Einigungsvertrag vorgesehenen letztmöglichen Zeitpunkt keine positive, ggf. auch konkludente Überführungsentscheidung getroffen, trat kraft Gesetzes die Auflösung der Einrichtung oder der nicht überführten Teile ein. Wurde ein überführungsfähiger Teil überführt, erfaßte die Abwicklung den Rest der früheren Gesamteinrichtung. Die Abwicklung diente der Umsetzung dieser Auflösung und war auf die Liquidation der Einrichtung oder der nicht überführten Teile gerichtet. Mit dem Eintritt der Abwicklung war kraft Gesetzes das Ruhen der Arbeitsverhältnisse gem. Nr. 1 Abs. 2 EV verbunden. Der Übergang eines aktiven Arbeitsverhältnisses konnte nur als gesetzliche Folge der Überführung der Beschäftigungseinrichtung eintreten (BAG Urteil vom 3. September 1992 – 8 AZR 45/92 – AP Nr. 1 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Die Überführung einer Einrichtung oder Teileinrichtung gem. Art. 13 EV bedurfte einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle. Die Überführungsentscheidung war mangels außenwirksamer Regelung kein Verwaltungsakt (BAG, aaO; BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992 – 7 C 5/92 – ZIP 1992, 1275). Eine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde im Sinne von Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die (Teil-)Einrichtung unverändert fortführte oder er sie unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Überführung erforderte nicht nur die vorübergehende, sondern eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit. Wurde die (Teil-)Einrichtung nur vorläufig mit dem Ziele der Auflösung fortgeführt, lag hierin keine Überführung im Sinne von Art. 13 EV (BAG Urteil vom 28. Januar 1993, aaO).

2. Eine Teileinrichtung setzte eine organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit mit eigener Aufgabenstellung und der Fähigkeit zu einer aufgabenbezogenen Eigensteuerung voraus. Bei der Feststellung einer organisatorischen Abgrenzbarkeit der Teileinrichtung ist nicht abzustellen auf die für jede öffentliche Einrichtung typischen internen Untergliederungen wie Abteilung, Referat oder Dezernat, die lediglich zu Zwecken der Geschäftsverteilung gebildet werden. Entscheidend ist vielmehr, daß der betroffene Teil als organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit auch nach außen mit einem gewissen Grad an Selbständigkeit erscheint, ohne daß ihm damit zugleich eine eigene Rechtspersönlichkeit oder ein Behördencharakter zukommen müßte (vgl. BVerfGE 84, 133, 151). Auf eine organisatorische Eigenständigkeit lassen eine eigene interne Geschäftsverteilung sowie eine zumindest teilweise selbständige Wahrnehmung von Dienst- und Organisationsangelegenheiten innerhalb des der betroffenen Einheit zugewiesenen Aufgabenbereichs schließen (BAG Urteil vom 3. September 1992, aaO, zu I 2 der Gründe).

3. Die ruhenden Arbeitsverhältnisse endeten kraft Gesetzes nach Ablauf von sechs bzw. neun Monaten Wartezeit, wenn nicht der einzelne Arbeitnehmer weiterverwendet wurde. Macht ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR geltend, sein Arbeitsverhältnis sei gem. Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 EV auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen und bestehe als aktives fort, hat er die Überführung seiner Beschäftigungs(teil-)einrichtung darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG Urteil vom 15. Oktober 1992 – 8 AZR 145/92 – AP Nr. 2 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

II. Art. 38 Abs. 1 EV bewirkte nicht die gesetzliche Überführung aller Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung. Diese Bestimmung ist nicht die speziellere Regelung gegenüber Art. 13 EV. Beide Normen stehen vielmehr selbständig nebeneinander. Art. 13 Abs. 3 EV bezieht Einrichtungen der Bildung und Wissenschaft in die Regelung der Überführung oder Abwicklung ausdrücklich mit ein. Der besondere Zweck von Art. 13 EV besteht darin, überflüssig gewordene (Teil-)Einrichtungen vereinfacht zu liquidieren. Art. 38 EV, der eine Erneuerung der gesamten Wissenschaft und Forschung ermöglichen will, ist hiervon unabhängig.

III. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat gem. Art. 20 Abs. 1 EV in Verbindung mit Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 und 5 EV ab dem 1. Januar 1991 – soweit es nicht aktualisiert worden ist – geruht und nach Ablauf von sechs Monaten geendet. Der Kläger gehörte zu den übrigen Arbeitnehmern der öffentlichen Verwaltung der DDR im Sinne von Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 EV, deren Arbeitsverhältnisse wegen unterbliebener Überführung ihrer Beschäftigungsteileinrichtung kraft Gesetzes ruhten und endeten.

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Sektion Journalistik der Universität Leipzig eine überführungsfähige Teileinrichtung der öffentlichen Verwaltung nach Art. 13 EV war, die auch als solche abgewickelt werden konnte. Die organisatorische Abgrenzbarkeit, die eigene Aufgabenstellung und die Fähigkeit zu einer aufgabenbezogenen Eigensteuerung ergeben sich insbesondere aus den §§ 20 ff. der Verordnung über die Aufgaben der Universitäten, wissenschaftlichen Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen mit Hochschulcharakter vom 25. Februar 1970 (GBl. DDR II S. 189) und aus der “Richtlinie zur Leitung der Sektionen” des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen vom 28. September 1976. Danach waren Erziehung, Ausbildung, Weiterbildung und Forschung der Sektion als Dienstaufgabe verantwortlich zugewiesen. Die Sektion hatte eine rationelle Zusammenfassung und Nutzung der wissenschaftlichen, materiellen und finanziellen Kapazitäten zu garantieren. Dem Charakter als Teileinrichtung steht nicht entgegen, daß die Hochschule als ganze durch den Rektor geleitet wurde und der Direktor der Sektion in seinem Leitungsbereich für die Erfüllung der übertragenen Aufgaben rechenschaftspflichtig war. Dementsprechend hat der Senat die Sektion Philosophie der Universität Leipzig als überführungsfähige Teileinrichtung gem. Art. 13 EV angesehen und sie mit einer Fakultät nach bundesdeutschem Muster, zumindest einem selbständig arbeitenden Hochschulinstitut verglichen (Urteil vom 4. August 1994 – 8 AZR 641/92 – n.v., zu B II 1 der Gründe; entsprechend Senatsurteile vom 15. Dezember 1994 – 8 AZR 51/93 – und – 8 AZR 895/93 – jeweils zu B III 1 der Gründe).

2. Der Beklagte hat die Sektion Journalistik weder durch ausdrückliche noch durch konkludente Organisationsentscheidung überführt.

a) Der Beklagte hat eine ausdrückliche Abwicklungsentscheidung getroffen. Anhaltspunkte dafür, die Entscheidung habe gegen Vorschriften des Einigungsvertrags verstoßen oder sei willkürlich gewesen, bestehen nicht. Der “Vorschlag für die Regelung des laufenden Studiums” in der Kabinettssitzung vom 11. Dezember 1990 betraf die Art und Weise der Abwicklung. Es stellt keine Rücknahme der Abwicklungsentscheidung dar, wenn dieser Vorschlag nicht verwirklicht worden ist. Vielmehr sollte es bei der Abwicklungsentscheidung unter Fortführung des laufenden Studiums auf anderer Grundlage verbleiben.

b) Die Sektion Journalistik wurde in Vollzug des Kabinettsbeschlusses vom 11. Dezember 1990 aufgelöst und abgewickelt. Ihre wesentliche Aufgabenstellung ist vollständig weggefallen. Das hat das Landesarbeitsgericht nicht richtig gewürdigt. Zwar werden Räume und ein Teil der Arbeitsmittel weiterverwendet. Entscheidend ist jedoch, daß die bisherigen Aufgaben und Strukturen nicht fortbestehen. Daher liegt eine konkludente Überführungsentscheidung nicht vor.

aa) Nach dem verbindlichen Studienplan für die Grundstudienrichtung Journalistik zur Ausbildung an der Karl-Marx-Universität Leipzig, in Kraft ab 1. September 1988, war das Studium der Journalistik an der Sektion Journalistik darauf gerichtet, Absolventen heranzubilden, die bereit und in der Lage waren, die Politik der Partei der Arbeiterklasse und des sozialistischen Staates jederzeit und unter allen Bedingungen offensiv zu vertreten. Es war der verpflichtende Auftrag für jeden Absolventen, als politischer Funktionär in der Presse, im Rundfunk, im Fernsehen, in einer Nachrichtenagentur, in einem staatlichen Organ, einer gesellschaftlichen Organisation oder in der Volkswirtschaft die stabilen strategischen Linien der Politik der Partei der Arbeiterklasse unter den wechselnden Bedingungen des Tages mit journalistischen Mitteln durchzusetzen. Der Absolvent mußte fähig sein, die aktive Verbreitung der sozialistischen Ideologie, die innen- und außenpolitische Orientierung, die geistig-kulturelle Bereicherung und Unterhaltung als eine einheitliche Aufgabe zu verstehen und zu verwirklichen. Die Aufgabenstellung der Sektion bestand danach nur vordergründig in Forschung und Lehre der Disziplin Medienwissenschaft; das eigentliche Ziel war die Heranbildung parteiischer politischer Funktionäre zur offensiven Verbreitung der Ideologie des Sozialismus. Das Berufungsgericht greift daher zu kurz, wenn es das Ziel der neu zu findenden Struktur im wesentlichen in einer Änderung der Lehrinhalte hin zu einer breiter angelegten, von den ideologischen Grundlagen der früheren DDR unabhängigen Forschung und Lehre sieht.

Der neue Ausbildungsinhalt unterscheidet sich hiervon grundlegend. Das an Art. 5 GG orientierte Berufsbild des Journalisten in einer freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung steht in unvereinbarem Gegensatz zu der bisher geforderten Tätigkeit als politischer Funktionär. Die journalistische Methodik in beiden Systemen unterscheidet sich nicht lediglich in Einzelheiten, sondern im Grundsatz. Entsprechendes gilt für die Ausbildung. Schon das spricht dafür, nicht lediglich eine (teilweise) Änderung der Lehrinhalte in einer weiterhin bestehenden Einrichtung anzunehmen. Eine wissenschaftliche Einrichtung erhält nämlich das maßgebende Gepräge durch den Inhalt ihrer Forschung und Lehre. Die Sektion wurde durch die genannten Aufgaben entscheidend geprägt. Deren Wegfall läßt die Verwaltungstätigkeit insgesamt als eine andere erscheinen.

bb) Demgegenüber hat der darlegungs- und beweisbelastete Kläger die Voraussetzungen einer Überführung nicht dargelegt. Ein schlüssiger Vortrag hätte die substantiierte Darstellung der bisherigen Strukturen, Einzelaufgaben und wesentlichen sächlichen Mittel der Organisationseinheit vorausgesetzt. Darüber hinaus wären die fortgeführten Aufgaben und übernommenen Strukturen und Sachmittel anzugeben gewesen (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 1993 – 8 AZR 369/92 – n.v., zu 2a der Gründe). Der Vortrag des Klägers wird dem nicht gerecht.

Der Abwicklung steht insbesondere nicht entgegen, daß ein Teil der Hochschullehrer und Mitarbeiter (befristet) weiterbeschäftigt wurde. Der Beklagte ist damit nur seiner gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen, die Arbeitnehmer nach Möglichkeit wiedereinzugliedern. Die Fortführung von Aufgaben oder Übernahme von bestehenden Strukturen ist damit nicht notwendig verbunden. Der Beklagte mußte sich nicht auf die Kündigung einzelner fachlich nicht ausreichend qualifizierter, persönlich ungeeigneter oder wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbarer Arbeitnehmer beschränken. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn lediglich Teilaufgaben und einzelne Strukturen weggefallen oder verändert worden wären.

Die Fortführung der studentischen Ausbildung besagt nichts für eine Überführung. Sie lag entweder im Rahmen der Abwicklung (vgl. Senatsurteil vom 4. August 1994, aaO, zu B II 2 der Gründe, m.w.N.) oder erfolgte schon innerhalb der neu gebildeten Einrichtung der Hochschule. Die Neuimmatrikulation von Studenten geschah auf der Grundlage der gänzlich anderen, an der Wissenschaftsfreiheit orientierten Zielsetzung. Der Studiengang ist allenfalls dem Namen nach gleich geblieben. Die Sachinvestitionen des Jahres 1991 dienten gerade einer ordnungsgemäßen Forschung und Lehre der neuen Teileinrichtung der Universität.

cc) Die Überführungsentscheidung betrifft die (Teil-)Einrichtung in ihrer aktuellen Gestalt. Etwaige Änderungen der Aufgabenstellung und der Organisation bis zum Beitrittszeitpunkt, insbesondere im Verlaufe des Jahres 1990, sind daher zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 27. Oktober 1994 – 8 AZR 247/93 – n.v., zu III 2b der Gründe). Der Kläger hat allerdings keine derart grundlegenden Änderungen vorgetragen, daß sich die Entscheidung der Landesregierung vom 11. Dezember 1990 und ihre Umsetzung in Wahrheit nur noch als Übernahme einer schon vorher errichteten neuen Einrichtung darstellen würde. Die “Entideologisierung” und inhaltliche Erweiterung der Lehre ab dem Wintersemester 1989/90, die Öffnung der Einrichtung unter Bereinigung von wissenschaftsfeindlichen Positionen, rechtfertigt nicht die Annahme eines völligen Neuaufbaus in bezug auf Aufgabenstellung und Struktur. Die eigenständige Herausgabe von Studienprogrammen durch die Sektion im Laufe des Jahres 1990 bedeutete noch keine Verwirklichung einer grundlegenden Aufgaben- und Strukturänderung. Auch wenn nach dem Vortrag des Klägers der kommissarische Direktor des Studienprogramms “Publizistik und Medienkunde” im Jahre 1991 die bereits 1990 durch die Sektion entwickelten Konzepte in wesentlichen Punkten übernommen hat, so handelte es sich doch um Konzepte, nicht um endgültig umgesetzte Reformen. Der Kläger hat nicht dargelegt, die Zustimmung des zuständigen Ministers habe schon 1990 vorgelegen; in der Anweisung, an der Hochschule erarbeitete Konzeptionen zu beachten, liegt keine rückwirkende Änderung von Aufgaben und Strukturen.

3. Die Rüge des Klägers, er sei über die Abwicklungsentscheidung nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden, bleibt erfolglos. Die kraft Gesetzes eingetretene Abwicklung einer (Teil-)Einrichtung mit der Folge des Ruhens der Arbeitsverhältnisse bedurfte zu ihrer Wirksamkeit keiner Bekanntgabe. Doch konnte sich der neue Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses erst ab Bekanntgabe der gesetzlichen Ruhensfolge berufen (Senatsurteile vom 3. September 1992 – 8 AZR 45/92 – und vom 15. Oktober 1992 – 8 AZR 145/92 – AP Nr. 1 und 2 zu Art. 13 Einigungsvertrag, beide zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, jeweils zu III der Gründe). Der Kläger ist nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bereits im Dezember 1990 über die Ruhensfolge unterrichtet worden. Damit war auch die für ihn maßgebende Kündigungsfrist eingehalten (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 268/92 – AP Nr. 4 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2d der Gründe). Die Entscheidung über das Hinausschieben einer Entscheidung nach Art. 13 Abs. 2 EV gemäß Fußnote 2 zu Nr. 1 Abs. 2 Satz EV mußte ihm nicht mitgeteilt werden.

4. Die einvernehmliche Aktualisierung des Arbeitsverhältnisses von Januar bis März 1991 stellt keine Weiterverwendung im Sinne von Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 EV dar. Denn das Arbeitsverhältnis wurde nicht über den gesetzlichen Beendigungszeitpunkt hinaus (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1993, aaO, zu II 2a der Gründe) und zudem befristet (vgl. Senatsurteile vom 21. Juli 1994 – 8 AZR 293/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen – und vom 4. August 1994 – 8 AZR 641/92 – n.v., zu B II 3 der Gründe) fortgesetzt. Die befristete Aktualisierung war wirksam. Sie bedurfte keines sachlich rechtfertigenden Grundes. Durch die befristete Beschäftigung eines “übrigen Arbeitnehmers” im Sinne von Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 EV während der Dauer des gesetzlichen Ruhens seines Arbeitsverhältnisses konnte keine Bestimmung des Kündigungsschutzrechts umgangen werden, weil das Arbeitsverhältnis in jedem Falle mit Ablauf des gesetzlichen Ruhenszeitraumes endete (Senatsurteil vom 14. Oktober 1993 – 8 AZR 306/92 – AP Nr. 6 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu D der Gründe).

IV. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien demnach vom 1. April bis 30. Juni 1991 geruht und dann geendet hat, stehen dem Kläger die geltend gemachten Vergütungsansprüche nicht zu.

C. Der Kläger hat als unterliegende Partei gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Unterschriften

Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Dr. Pühler, Hennecke

 

Fundstellen

Haufe-Index 857060

BAGE, 57

NZA 1996, 206

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