Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulage für Pflegepersonal bei Pflege von TBC-Kranken
Leitsatz (redaktionell)
Eine Zulage nach Nr 1 Buchst a der tarifvertraglichen Protokollerklärung zu Abschnitt A der Anlage 1b zum BAT erhalten nur diejenigen Personen der Vergütungsgruppe Kr I bis Kr VI, die ständig an Tuberkulose erkrankte Personen pflegen. Das Merkmal "ständig" setzt voraus, daß die Angestellten die betreffenden Pflegeaufgaben fast ausschließlich während ihrer Arbeitszeit wahrnehmen; es genügt nicht, daß die gefährliche Tätigkeit häufig oder regelmäßig anfällt (Bestätigung von BAG Urteil vom 1. Februar 1983 3 AZR 408/80 = AP Nr 5 zu § 33 BAT).
Orientierungssatz
Frage, ob Krankenschwestern bzw Krankenpflegehelferinnen, die im Aufnahme- oder EKG-Dienst beschäftigt werden, einen Anspruch auf Zulage nach Nr 1 Buchstabe a der Protokollerklärung zu Abschnitt A der Anlage 1b zum BAT haben.
Normenkette
BAT § 33; BAT Anlage 1b
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 12.03.1982; Aktenzeichen 10 Sa 59/81) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 24.06.1981; Aktenzeichen 33 Ca 24/81) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Zulage nach Nr. 1 Buchst. a der Protokollerklärung zu Abschn. A der Anlage 1 b zum BAT (Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst).
Die Klägerinnen sind Krankenschwestern bzw. Krankenpflegehelferinnen im Krankenhaus S, und zwar die Klägerinnen zu 1) und 3) im EKG-Dienst, die Klägerin zu 2) im Aufnahmedienst und die Klägerinnen zu 4) und 5) im OP-Dienst. Im Krankenhaus S, gibt es neben einer neurologisch-psychiatrischen Abteilung (NP-Abteilung) mit insgesamt 325 Betten zwei Abteilungen für Lungenkranke mit 251 und 169 Betten, in denen auch bzw. überwiegend an Tuberkulose erkrankte Patienten behandelt werden. Von den lungenkranken Patienten sind nach den Darlegungen der Klägerinnen ca. 52 % an Tuberkulose erkrankt, während dieser Prozentsatz nach den Angaben der Beklagten bei knapp 50 % liegt.
Die Klägerinnen sind tarifgebunden und unterliegen den Bestimmungen des BAT nebst den ergänzenden Tarifverträgen. Sie erhalten eine Vergütung nach einer der sogenannten Kr.-Gruppen, und zwar die Klägerin zu 1) nach Kr. V, die Klägerin zu 2) nach Kr. II, die Klägerin zu 3) nach Kr. I, die Klägerin zu 4) nach Kr. V und die Klägerin zu 5) nach Kr. VI.
Seit dem 1. Juni 1979 hatten die Klägerinnen gemäß der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. a zu Abschn. A der Anlage 1 b zum BAT eine Zulage erhalten, deren Zahlung mit Wirkung vom 31. August 1980 eingestellt worden ist. Diese Protokollnotiz lautet wie folgt:
"Pflegepersonen der VergGr. Kr. I bis Kr. VI,
die ständig
a) an Tuberkulose erkrankte Personen pflegen,
die wegen ihrer Ansteckungsgefahr in be-
sonderen Tuberkuloseabteilungen oder Tu-
berkulosestationen untergebracht sind,
...
erhalten eine monatliche Zulage von 67,-- DM
für die Dauer dieser Tätigkeit."
Der Beklagte hat die Einstellung dieser Zulage in einem Schreiben an die Klägerinnen vom 21. August 1980 damit begründet, daß nach Meinung des "Gruppenausschusses für Kranken- und Pflegeanstalten der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA)" Pflegepersonen, die in der Aufnahme, im Operationssaal und im EKG-Dienst tätig sind, nicht ständig an Tuberkulose erkrankte Personen pflegen.
Durch Schreiben vom 22. August 1980 haben die Klägerinnen dem beklagten Land mitgeteilt, daß sie ihre Ansprüche auf Zahlung der Zulage aufrechterhalten. Mit ihrer am 13. März 1981 eingereichten Klage nehmen sie das beklagte Land für die Zeit vom 1. September 1980 bis zum 31. März 1981 und damit für sieben Monate auf Zahlung von monatlich 67,-- DM (insgesamt je 469,-- DM brutto) in Anspruch. Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, daß die von ihnen zu verrichtenden Tätigkeiten die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Weiterzahlung der bisherigen monatlichen Zulage von 67,-- DM brutto erfüllen. Entgegen der Ansicht des beklagten Landes sei der Begriff "ständig" nicht mit "ununterbrochen" oder "fast ununterbrochen" gleichzusetzen. Entscheidend sei, daß sie überwiegend an Tuberkulose erkrankte Personen betreuen. Die Klägerinnen haben beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an jede
der Klägerinnen zu 1) bis 5) DM 469,--
brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich dar-
aus ergebenden Nettobetrag seit dem
1. April 1981 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerinnen erfüllten die Anspruchsvoraussetzungen nicht. Es fehle an einer "ständigen" Pflege tuberkuloseerkrankter Patienten. "Ständig" sei gleichbedeutend mit "fast ununterbrochen", jedenfalls erheblich mehr als nur "überwiegend".
Durch Teilurteil vom 24. Juni 1981 hat das Arbeitsgericht das beklagte Land verurteilt, an die Klägerinnen zu 1) bis 3) je 469,-- DM brutto nebst Zinsen zu zahlen. Es hat im wesentlichen ausgeführt, der Begriff "ständig" sei zeitlich zu verstehen und könne schon aus diesem Grund nicht mit Begriffen wie "in nicht unerheblichem Umfang" und "überwiegend" in Beziehung gebracht werden, die den quantitativen Umfang der zu erbringenden Tätigkeit beträfen.
Der Begriff "ständig" stehe den Begriffen "zeitweilig" oder "vorübergehend" gegenüber. Die tatsächlichen Voraussetzungen dieser "Gefahrenzulage" seien bereits dann erfüllt, wenn die mit einer besonderen Gefahr verbundenen Tätigkeiten "in einem nicht unerheblichen Umfang" geleistet würden. Da die Klägerinnen zu 1) bis 3) unstreitig zu mehr als 25 % mit tuberkulosekranken Patienten zu tun hätten, seien diese Voraussetzungen gegeben.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerinnen beantragen die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Auf die Berufung des beklagten Landes ist das Teilurteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage der Klägerinnen zu 1) bis 3) abzuweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, den Klägerinnen zu 1) bis 3) stehe ein tarifvertraglicher Anspruch auf die Zahlung der betreffenden Zulage zu. Die Klägerinnen zu 1) bis 3) seien als "Pflegepersonen" im Sinne der Nr. 1 der Protokollerklärung zu Abschn. A der Anlage 1 b zum BAT anzusehen. Sie pflegten auch "ständig" an Tuberkulose erkrankte Patienten. Der Begriff "ständig" enthalte in erster Linie kein quantitatives, sondern ein zeitliches Element in dem Sinne, daß die jeweiligen Arbeitnehmer bei der Ausübung der ihnen übertragenen Tätigkeit nicht nur ab und zu oder gelegentlich, sondern regelmäßig bzw. laufend in einem nicht unerheblichen Umfang mit der Pflege an Tuberkulose erkrankter Patienten befaßt seien. Eine derartige Auslegung ergebe sich zwangsläufig daraus, daß es sich bei der Zulage nach der Protokollerklärung Nr. 1 Buchst. a zu Abschn. A der Anlage 1 b zum BAT um eine Gefahrenzulage handele und eine dementsprechende besondere Gefahr immer dann gegeben sei, wenn bei der Ausübung der arbeitsvertraglichen Tätigkeit in einem nicht unerheblichen Umfang ein Kontakt zu an Tuberkulose erkrankten Personen gegeben sei. Diese Voraussetzungen seien aber unabhängig davon gegeben, ob in den beiden Lungenabteilungen ca. 52 % oder etwas weniger als 50 % an Tuberkulose erkrankte Patienten untergebracht seien.
Dagegen macht die Revision geltend, von einer "Pflegeperson" die "pflegt", könne nur dann gesprochen werden, wenn ein unmittelbarer persönlicher Kontakt zum Patienten bestehe. Die Revision rügt weiterhin, der Begriff "ständig" sei von den Vorinstanzen verkannt worden, er müsse mit "ununterbrochen", "immer" oder "dauernd" gleichgesetzt werden. Gehe man von einer derartigen "Begriffsumschreibung" aus, dann erfüllten die drei Klägerinnen nicht die Anforderungen der Protokollnotiz; in diesem Sinne seien sie nicht ständig mit an Tuberkulose erkrankten Patienten befaßt.
II. Der Auffassung des Berufungsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Die Klägerinnen zu 1) bis 3) haben keinen Anspruch auf Gewährung der betreffenden Zulage, da sie nicht "ständig" die in der Protokollerklärung Nr. 1 Buchst. a zu Abschn. A der Anlage 1 b zum BAT näher bezeichneten Pflegeaufgaben wahrnehmen. Darüber hinaus fehlt es auch an einer schlüssigen Darlegung, daß die Klägerinnen zu 1) bis 3) die näher bezeichneten Pflegearbeiten in einer "besonderen Tuberkuloseabteilung" oder in einer "Tuberkulosestation" verrichten.
1. Die Gewährung der betreffenden Zulage ist von folgenden Voraussetzungen abhängig: Die Angestellten müssen Pflegepersonen der VergGr. Kr. I bis Kr. VI sein. Die in der Protokollerklärung Nr. 1 Buchst. a zu Abschn. A der Anlage 1 b zum BAT näher bezeichneten Pflegeaufgaben müssen sie "ständig" wahrnehmen. Die von ihnen gepflegten Personen müssen wegen ihrer Ansteckungsgefahr in besonderen Tuberkuloseabteilungen oder Tuberkulosestationen untergebracht sein.
a) Die Klägerinnen zu 1) bis 3) sind in die Vergütungsgruppen Kr. I, Kr. II und Kr. V eingruppiert. Sie gehören daher zu den Pflegepersonen der Vergütungsgruppen Kr. I bis Kr. VI und damit zum anspruchsberechtigten Personenkreis.
b) Die Pflegepersonen der VergGr. Kr. I bis Kr. VI erhalten die betreffende Zulage aber nur dann, wenn sie "ständig" die in den Buchstaben a) bis e) näher bezeichneten belastenden oder gefährlichen Arbeiten verrichten.
Bei der Auslegung eines tariflichen Rechtsbegriffs ist vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Der allgemeine Sprachgebrauch des Merkmals "ständig" ist nicht eindeutig. "Ständig" wird gleichbedeutend mit "sehr häufig", "regelmäßig oder (fast) ununterbrochen wiederkehrend", "andauernd", "dauernd", "immer", "ununterbrochen" und "unaufhörlich" verwandt (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 6, 1981; Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 5, 1983). Der allgemeine Sprachgebrauch läßt danach nicht den Schluß zu, ob der tarifvertragliche Rechtsbegriff sich auf die regelmäßige Arbeitszeit bezieht und somit im Sinne von "dauernd" bzw. "ausschließlich" zu verstehen ist oder ob die Tarifvertragsparteien die Wiederholung der bezeichneten Tätigkeit tatbestandsmäßig erfassen wollten, also die nicht bloß gelegentliche und nicht nur vorübergehende Betreuung bestimmter Personen gemeint haben. "Ständig" hätte dann die Bedeutung von "regelmäßig". Beide Auslegungen sind nach dem allgemeinen Sprachgebrauch möglich.
aa) Eine Begriffsbestimmung des Tatbestandsmerkmals "ständig" läßt sich aber aus dem tarifvertraglichen Gesamtzusammenhang herleiten. Die tarifvertragliche Protokollerklärung Nr. 1 zu Abschn. A der Anlage 1 b zum BAT lautet vollständig:
"Pflegepersonen der VergGr. Kr. I bis Kr. VI,
die ständig
a) an Tuberkulose erkrankte Personen pflegen,
die wegen ihrer Ansteckungsgefahr in be-
sonderen Tuberkuloseabteilungen oder Tu-
berkulosestationen untergebracht sind,
b) Kranke in geschlossenen oder halbge-
schlossenen (Open-door-system) psychia-
trischen Abteilungen oder Stationen
pflegen,
c) Kranke in geriatrischen Abteilungen oder
Stationen pflegen,
d) in Abteilungen, Stationen oder Räumen Arbeit
leisten, in denen ausschließlich Patienten
untergebracht sind, die mit radioaktiven
Stoffen behandelt werden,
e) Kranke in Abteilungen oder Stationen für
Patienten mit multipler Sklerose pflegen,
erhalten eine monatliche Zulage von 67,-- DM
für die Dauer dieser Tätigkeit."
Das Tatbestandsmerkmal "ständig" bezieht sich auf sämtliche Alternativen der Regelung; dies spricht auch für eine einheitliche Auslegung des Merkmals. Unter den Buchst. a) und d) sind Zulagen geregelt, die für eine besonders gefährliche Tätigkeit geleistet werden (Ansteckungsgefahr bzw. Gefahr der Strahlenbelastung). Es handelt sich deshalb um Gefahrenzulagen. In den Fällen der Buchst. c) und e) wird die Zulage für eine besonders beschwerliche Tätigkeit geleistet (Erschwerniszulage). Bei den unter Buchst. b) geregelten Fällen liegen die Elemente der besonderen Gefährlichkeit der Kranken (psychisch Kranke in geschlossenen Abteilungen) und der Zulage für eine besonders beschwerliche Tätigkeit kumulativ vor.
Der Begriff "ständig" wird auch heute noch in anderen Ergänzungsregelungen zum BAT gebraucht, z.B. in dem Tarifvertrag über die Gewährung von Zulagen gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT vom 11. Januar 1962 (vgl. § 1 Abs. 1 Ziff. 5 und 13 dieses Tarifvertrages). In diesem Tarifvertrag lassen sich - wie bereits der Dritte Senat zutreffend ausgeführt hat (Urteil vom 1. Februar 1983 - 3 AZR 408/80 - AP Nr. 5 zu § 33 BAT) - drei abgestufte unbestimmte Zeitbegriffe unterscheiden: "Regelmäßig und nicht nur in unerheblichem Umfange" (vgl. § 1 Abs. 2; dieses Merkmal ist auch in § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT enthalten), "überwiegend" (vgl. § 1 Abs. 1 Ziff. 5 Unterabs. 4) und "ständig" (vgl. § 1 Abs. 1 Ziff. 5 Unterabsätze 2, 3, 5; § 1 Abs. 1 Ziff. 13). In der Literatur wird ausgeführt, eine Arbeit falle regelmäßig und nicht nur in unerheblichem Umfange an, wenn sie etwa 25 v.H. der Gesamtarbeiten ausmache (vgl. Böhm/Spiertz, BAT, 2. Aufl., Stand März 1982, § 33 Anm. 6). Nach der Auffassung des Dritten Senats (Urteil vom 1. Februar 1983 - 3 AZR 408/80 - AP Nr. 5 zu § 33 BAT, unter II 2 b der Gründe; ebenso BAG Urteil vom 6. Dezember 1978 - 4 AZR 321/77 - AP Nr. 11 zu § 22, 23 BAT 1975) ist unter dem Merkmal "regelmäßig" ein sich wiederholendes Vorkommen ohne Rücksicht auf den Rhythmus der Wiederholung zu verstehen. Der Begriff "überwiegend" wird verstanden im Sinne von "mehr als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit" (BAG Urteil vom 8. August 1978 - 6 AZR 251/77 - AP Nr. 1 zu § 49 BAT; BAG Urteil vom 1. Februar 1983 - 3 AZR 408/80 - AP Nr. 5 zu § 33 BAT, unter II 2 b der Gründe). An das Merkmal "ständig" sind wesentlich strengere Anforderungen zu stellen als an das Merkmal "überwiegend"; "ständig" setzt demnach voraus, daß der Angestellte die näher bezeichnete Tätigkeit fast ausschließlich während seiner Arbeitszeit verrichtet (so BAG Urteil vom 1. Februar 1983 - 3 AZR 408/80 - AP Nr. 5 zu § 33 BAT, unter II 2 b der Gründe; vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Bd. III, Teil V Gefahrenzulagen Anm. 10; Breier/Kiefer/Uttlinger, BAT, 5. Aufl., Bd. I, S. 168.9 und 168.10).
Die systematische Auslegung führt deshalb zu dem Ergebnis, daß das Merkmal "ständig" sich auf die regelmäßige Arbeitszeit bezieht und deshalb den Inhalt von "dauernd" oder "fast ausschließlich" hat.
bb) Eine Berücksichtigung der Tarifgeschichte bestätigt die Richtigkeit der aus dem systematischen Gesamtzusammenhang hergeleiteten Begriffsbestimmung des Merkmals "ständig".
Die Zulagen nach § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT sind durch den "Tarifvertrag über die Gewährung von Zulagen gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT" vom 11. Januar 1962 geregelt worden. Durch diese Regelungen wurde der Auftrag des § 33 Abs. 6 BAT erfüllt (Böhm/Spiertz, BAT, Stand Februar 1983, § 33 Anm. 11).
Ursprünglich sah § 33 Abs. 4 a.F. BAT eine nicht durch Geldabfindung abzugeltende Zusatzverpflegung an Angestellte vor, die infolge ihrer dienstlichen Tätigkeit ständig mit Infektions- oder Tuberkulosekranken oder mit infektiösem Material in Berührung kommen. In diesem Zusammenhang war das Merkmal "ständig" bereits in § 33 BAT selbst enthalten. Die Regelung des § 33 Abs. 4 BAT ist durch § 3 des Tarifvertrags zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT vom 5. August 1971 mit Wirkung vom 1. Juli 1971 unter Beibehaltung der Absatzziffer gestrichen worden (vgl. zum Vorstehenden: Breier/Kiefer/Uttlinger, aaO, § 33 Anm. 1; Böhm/Spiertz, aaO, § 33 Anm. 9; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, Bundes-Angestelltentarifvertrag, Stand März 1981, § 33 Anm. 7). § 33 Abs. 4 a.F. BAT hatte folgenden Wortlaut:
"Angestellte, die infolge ihrer dienstlichen
Tätigkeit ständig mit Infektions- oder Tu-
berkuloseerkrankungen in Verbindung oder
mit infektiösem Material in Berührung kommen,
erhalten eine Zusatzverpflegung, die auf der
Grundlage eines Gegenwertes von 15,-- DM mo-
natlich bei Inkrafttreten dieses Tarifver-
trages festgelegt wird. Die Zusatzverpflegung
entfällt, wenn der Gefährdung bereits durch
Gewährung der entsprechenden Krankenverpfle-
gung Rechnung getragen ist. Sie entfällt auch
für Zeiten, in denen der Angestellte von der
Arbeitsleistung befreit ist (z.B. bei Urlaub
oder Krankheit). Eine Geldentschädigung wird
nicht gewährt."
Unter Berücksichtigung der Tarifgeschichte kann daher das in § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT enthaltene Merkmal "regelmäßig und nicht nur in unerheblichem Umfang" nicht zur Auslegung des früher in § 33 Abs. 4 BAT enthaltenen Begriffs "ständig" herangezogen werden.
cc) Aufgrund einer teleologischen Auslegung gelangt das Landesarbeitsgericht demgegenüber zu Unrecht zu dem Ergebnis, daß der Begriff "ständig" den Inhalt von "regelmäßig" bzw. "laufend" habe. Eine derartige Auslegung ergebe sich zwangsläufig daraus, daß es sich bei der Zulage um eine Gefahrenzulage handele und eine dementsprechende besondere Gefahr immer dann gegeben sei, wenn bei der Ausübung der tarifvertraglichen Tätigkeit in einem nicht unerheblichen Umfange ein Kontakt zu an Tuberkulose erkrankten Personen gegeben sei.
Gegen eine derartige Auslegung spricht der Umstand, daß die Tarifvertragsparteien die Art der gefährlichen Arbeiten unter Verwendung des Merkmals "pflegen", dagegen nicht z.B. mit "Umgang haben" oder "in Berührung kommen" charakterisiert haben. Das Landesarbeitsgericht verkennt, daß auch solche Personen, die nicht mit der Pflege, sondern mit anderen Arbeiten (z.B. Reinigungs- und Reparaturarbeiten) in besonderen Tuberkuloseabteilungen oder Tuberkulosestationen betraut sind, ähnlichen gesundheitlichen Gefahren wie die Pflegepersonen ausgesetzt sind. Wenn die Tarifvertragsparteien gleichwohl nur solche Angestellte für anspruchsberechtigt halten, die ständig "pflegen", so ist es nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, den Anwendungsbereich der Zulagenregelung auf ähnlich gefährdete Arbeitnehmer zu erweitern.
Die Tarifsystematik sowie die Tarifgeschichte sprechen dafür, daß es sich bei der Protokollerklärung Nr. 1 zu Abschn. A der Anlage 1 b zum BAT um eine Ausnahmeregelung handelt, deren Anwendungsbereich nicht aufgrund einer teleologischen Auslegung ausgedehnt werden kann; ihr Anwendungsbereich ist vielmehr an enge tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft.
dd) Die Klägerinnen zu 1) bis 3) erfüllen diese tatbestandlichen Voraussetzungen bereits deshalb nicht, weil sie nicht "ständig", d.h. fast ausschließlich während ihrer Arbeitszeit an Tuberkulose erkrankte Patienten pflegen. Nach ihrem eigenen Vortrag sind in den beiden Lungenabteilungen nur ca. 52 v.H. der Patienten an Tuberkulose erkrankt. Hieraus ergibt sich, daß sie während ihrer Arbeitszeit nicht "fast ausschließlich" an Tuberkulose erkrankte Patienten pflegen.
c) Die Klage ist im übrigen auch deshalb unbegründet, weil die insoweit darlegungspflichtigen Klägerinnen zu 1) bis 3) nicht schlüssig die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen von "besonderen Tuberkuloseabteilungen oder Tuberkulosestationen" dargetan haben.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß bei einem Anteil von ca. 52 v.H. bzw. von etwas weniger als 50 v.H. an TBC erkrankten Patienten die beiden Lungenabteilungen als "Tuberkulose- Abteilungen" anzusehen seien. Hierbei könne es dahingestellt bleiben, ob innerhalb der beiden Lungenabteilungen für die an Tuberkulose erkrankten Patienten besondere Stationen eingerichtet seien oder nicht.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts müssen nach dem Wortlaut der Zulagenregelung "besondere" Tuberkuloseabteilungen oder -stationen eingerichtet sein, in denen Patienten im Hinblick auf die bestehende Ansteckungsgefahr untergebracht werden. Das Tatbestandsmerkmal der besonderen Tuberkuloseabteilung liegt nicht vor, wenn lediglich allgemeine Lungenabteilungen eingerichtet worden sind, in denen auch (oder zu einem erheblichen Teil) an Tuberkulose erkrankte Personen untergebracht sind.
d) Da die Klage bereits aus den dargelegten Gründen abzuweisen ist, kann es dahingestellt bleiben, ob die im Aufnahme- und EKG- Dienst beschäftigten Klägerinnen zu 1) bis 3) an Tuberkulose erkrankte Patienten "pflegen". Der Senat hat insbesondere bei der im Aufnahmedienst tätigen Klägerin zu 2) erhebliche Zweifel, ob die auf die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben ausgerichtete Tätigkeit von dem tariflichen Merkmal "pflegen" erfaßt wird.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Urteil des Arbeitsgerichts um ein Teilurteil handelt. Gelangt ein Teilurteil in einen höheren Rechtszug, so ist es dort grundsätzlich nicht anders zu behandeln als ein Vollendurteil; denn für die Rechtsmittelinstanzen ist ein geschlossener Streitgegenstand angefallen (Schneider, Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl., § 30 IX, S. 255). Ist der Rechtsmittelangriff gegen das Teilurteil erfolgreich, so hat das Rechtsmittelgericht über die Kosten der Rechtsmittelinstanz (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1970, 334 f.) nach § 91 ZPO zu entscheiden. Hingegen darf im Hinblick auf die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils über die Teilkosten der ersten Instanz nicht durch Teilkostenentscheidung entschieden werden (vgl. Schneider, aaO, S. 255); insoweit bleibt die Kostenentscheidung dem Schlußurteil vorbehalten.
Dr. Seidensticker Dr. Steckhan Dr. Becker
Neuroth Breier
Fundstellen