Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehrarbeitsvergütung bei Entsendung ins Ausland

 

Orientierungssatz

1. Arbeitsvertragsparteien können bei einem Arbeitsverhältnis mit Auslandsberührung nach dem Grundsatz der Parteiautonomie die anwendbare Rechtsordnung frei wählen. Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

2. Zur Frage der Mehrarbeitsvergütung für einen ins Ausland (hier: Saudi Arabien) entsandten Sekretär und Übersetzer bei Vorliegen einer pauschalen Abgeltungsvereinbarung.

 

Normenkette

BGB § 157; AZO §§ 3, 5, 4; BGB §§ 133-134, 138; AZO § 15

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 16.08.1983; Aktenzeichen 8 Sa 63/83)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 08.03.1983; Aktenzeichen 16 Ca 10/83)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni 1980 bis September 1982 Mehrarbeitsvergütung und Mehrarbeitszuschläge zu zahlen.

Der Kläger war in der Zeit vom 1. Juni 1980 bis 13. Oktober 1982 bei der Beklagten als Sekretär und Übersetzer auf einer Baustelle in Saudi Arabien (Al Kharj) auf der Grundlage des Dienstvertrages vom 8. Mai 1980 und des Entsendungsvertrages vom 8. Mai 1980 beschäftigt.

In § 6 des Dienstvertrages ist folgendes vereinbart:

"2. Es gilt das Recht der Bundesrepublik

Deutschland.

3. Gerichtsstand ist Berlin (West)."

§ 3 Abs. 3 des Dienstvertrages lautet wie folgt:

"Die Arbeitszeit des Mitarbeiters beträgt

56 Stunden pro Woche. Der Mitarbeiter ist

jedoch verpflichtet, je nach Notwendigkeit

in angemessenem Umfange ohne besondere Ver-

gütung Mehrstunden zu leisten. Bei Einsatz

im Ausland sind die Dienstzeiten der Orga-

nisation maßgebend, bei der der Mitarbeiter

tätig ist."

§ 4 des Entsendungsvertrages hat folgenden Wortlaut:

"Arbeitszeit, Bereitschaft, Feiertage

4.1 Die Arbeitszeit auf der Baustelle richtet

sich nach den Erfordernissen des Bau-

stellenbetriebes und nach den Gesetzen

des Entsendungslandes. Beginn und Ende

der täglichen Arbeitszeit sowie ggf. er-

forderlich werdende Bereitschaftsdienste

(auch an gesetzlichen Feiertagen) werden

vom Chief Commercial Manager festgelegt.

4.2 Als Feiertage gelten nur die am Entsen-

dungsort gültigen Feiertage."

Nach § 3 Nr. 1 des Dienstvertrages betrug das monatliche Gehalt 2.500,-- DM brutto. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1981 wurde das Gehalt auf 2.600,-- DM brutto erhöht. Nach § 7 des Entsendungsvertrages erhielt der Kläger als "zusätzliches Entgelt für die Entsendung" folgende zusätzliche Vergütungen: Eine Baustellenzulage von monatlich 1.750,-- DM brutto, die nicht Bestandteil des Gehalts sein sollte, sowie eine Auslösung in saudiarabischer Landeswährung von S.R. 1.950,--, was einem Gegenwert von ca. 1.100,-- bis 1.250,-- DM entspricht. Nach § 7 Nr. 7 des Entsendungsvertrages waren über diese Zahlungen hinaus keine weiteren Vergütungen vorgesehen.

Die Verträge waren ursprünglich befristet bis zum 31. Dezember 1980 und wurden dann mehrfach verlängert. Das Arbeitsverhältnis endete am 13. Oktober 1982.

Der Kläger arbeitete in der Zeit vom 1. Juni 1980 bis zum 30. September 1982 mindestens 56 Stunden pro Woche. Er nahm mehrfach Heimaturlaub und sprach dabei jeweils in den Berliner Büroräumen der Beklagten vor.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger von der Beklagten die Bezahlung der über 50 Stunden pro Woche hinausgehenden Arbeitszeit begehrt. Er hat behauptet, er habe über die zumindest geleisteten 56 Stunden pro Woche hinaus in den Monaten Juni 1980 bis September 1982 weitere Überstunden geleistet. Insgesamt habe er in der Zeit vom 1. Juni 1980 bis 30. September 1981 über eine wöchentliche Arbeitszeit von 50 Stunden hinaus 363,75 Stunden gearbeitet und in der Zeit vom 30. September 1981 bis 29. September 1982 322,5 Stunden. Auf der Basis eines monatlichen Gesamtverdienstes von 4.250,-- DM bis zum 30. September 1981 und von 4.350,-- DM ab 1. Oktober 1981 und 50 Arbeitsstunden pro Woche ergäben sich Stundensätze von 24,13 DM bzw. 24,71 DM und insgesamt eine Forderung von zunächst 16.746,25 DM.

Bei Zugrundelegung einer 40-Stunden-Woche habe er in der Zeit vom 1. Juni 1980 bis 30. September 1981 631,75 Überstunden und in der Zeit vom 1. Oktober 1981 bis 30. September 1982 478,50 Überstunden geleistet. Es ergäben sich dann Stundensätze von 30,18 DM und 30,89 DM. Bei einem Zuschlag von 25 v. H. belaufe sich seine Forderung auf 33.847,07 DM brutto.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

33.847,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen

seit dem 30. Dezember 1982 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Arbeitszeitordnung sei nicht anwendbar. Selbst bei einer zugunsten des Klägers unterstellten Geltung des § 15 AZO sei die Mehrarbeit durch die Baustellenzulage abgegolten. Nach § 15 AZO sei keine quotenmäßige Aufteilung von Gehalt für die Normalarbeitszeit und Zusatzvergütung für die darüber hinausgehende Arbeitszeit erforderlich. Im übrigen sei der Stundensatz auf der Basis des Gehalts von 2.500,-- DM bzw. 2.600,-- DM zu berechnen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Beide Parteien haben sich gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das Landesarbeitsgericht hat die auf Zahlung von Mehrarbeitsvergütung sowie Mehrarbeitszuschläge von insgesamt 33.847,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 30. Dezember 1982 gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die Vorinstanzen sind ohne Begründung davon ausgegangen, daß im vorliegenden Rechtsstreit die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte gegeben ist. Das Revisionsgericht hat bei einem Sachverhalt mit Auslandsberührung unabhängig vom Vorliegen einer besonderen Verfahrensrüge zu prüfen, ob die internationale Zuständigkeit gegeben ist (vgl. BAG 27, 99 = AP Nr. 12 Internat. Privatrecht Arbeitsrecht, zu I der Gründe; BAG 24, 411 = AP Nr. 159 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu A I der Gründe; BGH LM Nr. 8 zu § 38 ZPO = AP Nr. 1 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit).

Die internationale Zuständigkeit richtet sich mangels besonderer Regelungen im wesentlichen nach der örtlichen Zuständigkeit. Ist ein deutsches Gericht örtlich zuständig im Sinne der §§ 12 ff. ZPO, ist damit im Regelfall auch die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben (BGHZ 44, 46, 47 = AP Nr. 3 zu § 512 a ZPO, zu 2 der Gründe).

Im Streitfall ist Berlin der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten. Dies ergibt sich aus der in § 17 ZPO enthaltenen Regelung, nach der bei juristischen Personen der allgemeine Gerichtsstand durch ihren Sitz bestimmt wird. Der Sitz der Beklagten ist Berlin. Es kann offenbleiben, ob sich die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Berlin darüber hinaus auch aus der in § 6 Abs. 3 des Dienstvertrages enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung ergibt (vgl. zur Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen bei Arbeitstatbeständen mit Auslandsberührung BAG 24, 411 = AP Nr. 159 zu § 242 BGB Ruhegehalt). Die im Streitfall gemäß § 17 ZPO gegebene örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Berlin begründet zugleich die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte. Daß hier einer der seltenen Ausnahmefälle gegeben wäre, ist nicht ersichtlich (vgl. dazu Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., § 20 III, S. 97).

II. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts (§ 543 Abs. 1 ZPO) im Ergebnis zu Recht angenommen, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sei deutsches Arbeitsrecht anzuwenden.

1. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Arbeitsvertragsparteien bei einem Arbeitsverhältnis mit Auslandsberührung nach dem Grundsatz der Parteiautonomie die anwendbare Rechtsordnung frei wählen können. Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa BAG 16, 215 und BAG 27, 99 = AP Nr. 9 und 12 Internat. Privatrecht Arbeitsrecht sowie Urteil vom 20. Juli 1967 - 2 AZR 372/66 - AP Nr. 10 Internat. Privatrecht Arbeitsrecht). Die Arbeitsvertragsparteien können das maßgebliche Recht selbst bestimmen, wobei sich diese Wahlfreiheit nicht auf das nachgiebige Recht beschränkt, sondern sogar eine kollisionsrechtliche Verweisung gestattet. Eine von den Arbeitsvertragsparteien getroffene Rechtswahlbestimmung ist wirksam, sofern sie durch ein sachliches Interesse gerechtfertigt ist.

2. Das Arbeitsgericht hat ohne nähere Begründung ausgeführt, "die Parteien hätten das Arbeitsverhältnis deutschem Recht unterstellt". Diese Auffassung, gegen die auch die Revision keine Einwendungen erhoben hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

In § 6 Abs. 2 des Dienstvertrages ist bestimmt, daß "das Recht der Bundesrepublik Deutschland gilt". Durch diese Regelung, die Bestandteil eines vom Revisionsgericht voll überprüfbaren Formulararbeitsvertrages ist (vgl. BAG Urteil vom 5. Mai 1955 - 2 AZR 356/54 - AP Nr. 1 zu § 549 ZPO; BAG 6, 280, 285 = AP Nr. 17 zu § 64 ArbGG 1953; BAG 8, 91, 96 = AP Nr. 1 zu § 305 BGB, zu III der Gründe), haben die Arbeitsvertragsparteien eine ausdrückliche Rechtswahlbestimmung i.S. der Anwendbarkeit des deutschen Arbeitsrechts getroffen. Die Beklagte ist ein deutsches Unternehmen mit dem Sitz in Berlin; der Kläger besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Wegen des starken Inlandsbezuges ist die von den Arbeitsvertragsparteien getroffene Rechtswahlbestimmung nicht zu beanstanden.

3. Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, daß sich die in § 6 Abs. 2 des Dienstvertrages enthaltene Rechtswahlbestimmung nur auf die privatrechtlichen Normen des deutschen Arbeitsrechts - einschließlich des Arbeitszeitrechts - bezieht. Die Anwendbarkeit des § 15 AZO hat es unter Hinweis auf den privatrechtlichen Charakter der Vorschrift gerechtfertigt. Dagegen hat es nicht ausdrücklich geprüft, welche Bedeutung der in § 4.1 des Entsendungsvertrages enthaltenen Regelung für die Rechtswahlbestimmung zukommt. In der zuletzt erwähnten Bestimmung ist geregelt, daß "sich die Arbeitszeit auf der Baustelle nach den Erfordernissen des Baustellenbetriebes und nach den Gesetzen des Entsendungslandes richtet". Diese Klausel, die Bestandteil eines voll überprüfbaren Formularvertrages ist, bezieht sich auf das öffentliche Arbeitszeitrecht des "Entsendungslandes". Wie sich aus anderen Regelungen des Entsendungsvertrages (z.B. § 4.2; § 7.2.2; § 12 1; § 13.1) ergibt, verstehen die Arbeitsvertragsparteien unter "Entsendungsland" im Streitfall das Land des Arbeitseinsatzes (hier: Saudi-Arabien). Die in § 4.1 des Entsendungsvertrages enthaltene Regelung hat insofern nur klarstellende Funktion, als in ihr zum Ausdruck gebracht wird, daß für "die Arbeitszeit auf der Baustelle" das am Arbeitsort maßgebliche öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht gelten soll. Nach dem Territorialitätsprinzip gelangen die am ausländischen Arbeitsort geltenden öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitvorschriften unabhängig von der jeweiligen Rechtswahlbestimmung zur Anwendung (vgl. Denecke/Neumann, Arbeitszeitordnung, 9. Aufl., § 1 Rz 2 m.w.N.). Für eine anderweitige Auslegung der in § 4.1 des Entsendungsvertrages enthaltenen Regelung etwa in dem Sinne eines arbeitszeitrechtlichen Sonderstatuts bieten weder der übrige Inhalt des Entsendungsvertrages noch der Regelungsgehalt des Dienstvertrages irgendwelche Anhaltspunkte. Auch die Revision hält die privatrechtlichen Vorschriften des deutschen Arbeitszeitrechts aufgrund der in § 6 Abs. 2 des Dienstvertrages enthaltenen Rechtswahlbestimmung für anwendbar.

III. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis - auch insoweit unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts (§ 543 Abs. 1 ZPO) - zutreffend angenommen, dem Kläger stehe aufgrund der in § 3 des Dienstvertrages enthaltenen Pauschalierungsvereinbarung kein Anspruch auf Zahlung der mit der Klage geltend gemachten Mehrarbeitsvergütung bzw. -zuschläge zu.

1. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, § 15 AZO sei wegen des privatrechtlichen Charakters der Vorschrift im Streitfall aufgrund der in § 6 Abs. 2 des Dienstvertrages enthaltenen Rechtswahlbestimmung mit der Maßgabe anwendbar, daß die über 48 Stunden pro Woche hinausgehende Arbeitszeit zu entlohnen sei (zum privatrechtlichen Charakter des § 15 AZO vgl. Denecke/Neumann, aaO, § 15 Rz 1 und Rz 41; Meisel/Hiersemann, AZO, 2. Aufl., § 15 Rz 2; Zmarzlik, AZO, 1967, § 15 Rz 3; Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht, 1959, S. 271; BayObLG AP Nr. 3 zu § 15 AZO). Die Arbeitsvertragsparteien könnten aber Mehrarbeitslohn und -zuschlag pauschalieren, und zwar auch in der Form, daß ein bestimmtes Gehalt die Gegenleistung für sämtliche Arbeitsstunden einschließlich der Mehrarbeitsstunden darstellen solle. Voraussetzung sei nur, daß dem Arbeitnehmer hinreichend deutlich sei, daß der zugesagte Lohn sowohl Mehrarbeitslohn als auch -zuschlag mit abgelten solle. Eine quotenmäßige Aufteilung sei entbehrlich. § 3 des Dienstvertrages sei klar und eindeutig gefaßt. Daraus ergebe sich, daß das Gehalt die Gegenleistung für 56 Arbeitsstunden pro Woche und etwaige Überstunden in angemessenem Umfang sein sollte. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß das Gehalt etwa nur die Gegenleistung für 40, 48 oder 50 Wochenarbeitsstunden sein sollte. Es könne offenbleiben, ob eine pauschale Abgeltung auch unerlaubte Mehrarbeit i.S. der AZO erfasse. Diese Frage stelle sich hier jedoch nicht, da es i.S. der AZO unerlaubte Mehrarbeit wegen des für das öffentliche Recht geltende Territorialitätsprinzip am Entsendungsort (Saudi-Arabien) nicht geben könne.

2. Trotz des privatrechtlichen Charakters des § 15 AZO ist es im Streitfall zweifelhaft, ob diese Bestimmung als Anspruchsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachten Zahlungen für Mehrarbeit in Betracht kommt. Unter Mehrarbeit i.S. des § 15 AZO ist die über die gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen der §§ 3, 4 und 5 AZO hinausgehende Arbeitszeit zu verstehen. Aufgrund des Territorialitätsprinzips gelangen die öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitgrenzen der §§ 3, 4 und 5 AZO bei der Beschäftigung eines deutschen Arbeitnehmers im Ausland selbst dann nicht zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber in Deutschland wohnt oder sein Unternehmen im Inland den Sitz hat und auf das Arbeitsverhältnis nach dem Willen der Parteien deutsches Recht Anwendung finden soll (vgl. Denecke/Neumann, aaO, § 1 Rz 2). Die Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung kommt nach § 15 AZO nur in den folgenden vier inländischen Fallkonstellationen in Betracht:

1. bei Arbeitszeitverlängerungen durch den Arbeit-

geber an dreißig Tagen im Jahr gemäß § 6 AZO;

2. bei Arbeitszeitverlängerungen durch Tarifver-

trag gemäß § 7 AZO;

3. bei Arbeitszeitverlängerungen durch das Ge-

werbeaufsichtsamt gemäß § 8 AZO;

4. bei Arbeitszeitverlängerungen in Notfällen

und in außergewöhnlichen Fällen gemäß § 14 AZO.

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall mangels Anwendbarkeit der nur für eine Inlandsbeschäftigung geltenden öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitgrenzen der §§ 3, 4 und 5 AZO nicht vor. Trotz des privatrechtlichen Charakters des § 15 AZO hat der Senat bereits grundsätzliche Bedenken, diese - an öffentlich- rechtliche Arbeitszeitgrenzen des deutschen Arbeitszeitrechts anknüpfende - Vorschrift in Fällen der vorliegenden Art anzuwenden. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage ist aber im Streitfall entbehrlich, da die Klage selbst dann als unbegründet abzuweisen ist, wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, daß § 15 AZO auch dann zur Anwendung gelangt, wenn ein im Ausland beschäftigter Arbeitnehmer mit deutschem Arbeitsvertragsstatut nach den am Arbeitsort geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften Mehrarbeit leistet. Der Kläger hat nicht dargelegt, daß in Saudi-Arabien öffentlich-rechtliche Arbeitszeitgrenzen bestehen. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, daß während seiner Beschäftigung am ausländischen Arbeitsort (hier: Al Kharj in Saudi-Arabien) vergleichbare öffentlich-rechtliche Arbeitszeitgrenzen i.S. der §§ 3, 4 und 5 AZO gegolten haben sollten, erweist sich das Zahlungsbegehren des Klägers jedenfalls deshalb als unbegründet, weil etwaige Mehrarbeit des Klägers (über 48 Stunden pro Woche hinaus) durch das sich auf 56 Wochenstunden beziehende Gehalt zuzüglich der Baustellenzulage pauschal abgegolten ist. Soweit der Kläger Mehrarbeitsvergütung und -zuschlag über die arbeitsvertraglich festgelegte regelmäßige Wochenarbeitszeit von 56 Stunden hinaus begehrt, fehlt es bereits an einem schlüssigen Sachvortrag. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die in § 3 Abs. 3 Satz 2 des Dienstvertrages enthaltene Regelung, nach der der Mitarbeiter über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 56 Stunden hinaus verpflichtet ist, "je nach Notwendigkeit in angemessenem Umfange ohne besondere Vergütung Mehrstunden zu leisten", wirksam ist.

3. Selbst bei einer zugunsten des Klägers unterstellten Anwendbarkeit des § 15 AZO haben die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die Beklagte eine über 48 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit des Klägers bis zu dem arbeitsvertraglich festgelegten Umfang von 56 Stunden pro Woche pauschal abgegolten hat.

a) Bei der Vergütung von Mehrarbeit ist zu unterscheiden zwischen der Grundvergütung und dem Zuschlag, der allein in § 15 AZO geregelt ist (vgl. BAG 17, 41 = AP Nr. 1 zu § 1 AZO; BAG 22, 144 = AP Nr. 12 zu § 15 AZO, zu III 1 der Gründe). Die Grundvergütung gleicht im allgemeinen dem Lohn oder dem auf die entsprechende Zeiteinheit umgerechneten Gehaltsteil, wie er dem Arbeitnehmer für die normale Arbeitszeit zusteht. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages für Mehrarbeit überhaupt keine Grundvergütung zu zahlen ist (vgl. BAG 9, 79 = AP Nr. 11 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte). Hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Grundvergütung, dann steht ihm auch kein Mehrarbeitszuschlag zu (BAG 9, 79, 84 f., aaO, Blatt 3).

§ 15 AZO stellt hinsichtlich der Mehrarbeitsvergütung nur den Grundsatz auf, daß für eine über die Grenzen der gesetzlichen Arbeitszeit hinausgehende Mehrarbeit ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung besteht, überläßt aber die Bemessung der Vergütung grundsätzlich der Regelung durch die Beteiligten selbst. Nur wenn eine solche Regelung nicht zustande kommt, ist gemäß § 15 Abs. 2 AZO ein Zuschlag von 25 v.H. zu zahlen. Aus einer Gehaltsvereinbarung kann nicht ohne weiteres auf eine pauschale Abgeltung von Mehrarbeit oder Überstunden geschlossen werden. Es müssen vielmehr besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, daß das Gehalt auch eine etwaige Mehrarbeit abgelten soll. Es ist jedoch nicht erforderlich, daß ein bestimmter Teil des Gehalts ausdrücklich als Abgeltung für die Mehrarbeit bezeichnet wird (BAG 2, 277 = AP Nr. 1 zu § 15 AZO; BAG Urteil vom 16. November 1961 - 5 AZR 483/60 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung; BAG 25, 426 = AP Nr. 2 zu § 19 MTB II; Denecke/Neumann, aaO, § 15 Rz 23; Meisel/Hiersemann, aaO, § 15 Rz 70). Ihre Grenze findet die Vereinbarung einer pauschalen Abgeltung von Mehrarbeit in § 138 BGB. Ist die Pauschalvergütung im Verhältnis zu der erbrachten Mehrarbeit derart niedrig, daß ein krasses Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, verstößt die Vereinbarung gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) und ist nichtig (BAG 2, 77 = AP Nr. 1 zu § 15 AZO; Denecke/Neumann, aaO, § 15 Rz 23; Meisel/Hiersemann, aaO, § 15 Rz 72).

b) Eine Anwendung dieser Grundsätze führt im Streitfall zu dem Ergebnis, daß die Vorinstanzen zutreffend das Vorliegen einer pauschalen Abgeltungsvereinbarung hinsichtlich der über 48 Wochenstunden hinausgehenden regelmäßigen Wochenarbeitszeit des Klägers angenommen haben. Das Arbeitsgericht hat die in § 3 des Dienstvertrages enthaltene Vergütungs- und Arbeitszeitregelung ohne Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze sowie ohne Verletzung von gesetzlichen und allgemein anerkannten Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) i.S. einer pauschalen Abgeltungsvereinbarung ausgelegt. Diese Auslegung ist zutreffend, denn es ist in § 3 des formularmäßigen Dienstvertrages mit der erforderlichen Eindeutigkeit zum Ausdruck gebracht worden, daß das monatliche Gehalt von 2.500,-- DM brutto eine etwaige Mehrarbeit des Klägers bis zu 56 Wochenstunden abgelten soll.

aa) Soweit die Revision hiergegen einwendet, gegen eine Pauschalierungsvereinbarung spreche der Umstand, daß die Vorgänger des Klägers bei gleicher Gehaltshöhe nur eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden zu erbringen gehabt hätten, vermag dies nicht zu überzeugen. Maßgeblich für die Auslegung des mit dem Kläger geschlossenen Dienstvertrages können nur solche Begleitumstände sein, von denen der Kläger bei Abschluß des Dienstvertrages Kenntnis hatte (BAG Urteil vom 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - AP Nr. 36 zu § 133 BGB, zu 3 b der Gründe). Den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen läßt sich nicht entnehmen, daß der Kläger bereits bei Abschluß seines Dienstvertrages vom Inhalt der mit seinen Vorgängern abgeschlossenen Dienstverträge Kenntnis hatte. Daß das Landesarbeitsgericht unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften (§§ 139, 286 ZPO) entsprechendes tatsächliches Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt hat, hätte die Revision im Wege einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge beanstanden müssen. Dies ist nicht geschehen.

bb) Die Revision beruft sich zur Begründung ihrer Auffassung, die über 40 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit des Klägers sei von der Beklagten deshalb zu vergüten, weil sie mit den Vorgängern des Klägers eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vereinbart gehabt habe, zu Unrecht auf die Entscheidung des Reichsarbeitsgerichts vom 21. September 1938 (ARS 34, 27). In diesem Urteil ist entschieden worden, daß der Arbeitgeber "nicht nachträglich einseitig den über den Tariflohn hinausgehenden Betrag als Überstundenzuschlag erklären kann". Im Streitfall handelt es sich nicht um eine nachträgliche einseitige Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber, sondern um die nach der zutreffenden Ansicht des Arbeitsgerichts klar und eindeutig in § 3 des Dienstvertrages zum Ausdruck gekommene pauschale Abgeltungsregelung.

cc) Die an eine 56-stündige Wochenarbeitszeit anknüpfende Pauschalierungsvereinbarung verstößt mangels Geltung der im deutschen Arbeitszeitrecht enthaltenen öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitgrenzen nicht gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB). Die Revision verkennt, daß die einschlägigen Vorschriften der AZO (§§ 3, 4 und 5) nach dem Territorialitätsprinzip für die vom Kläger im Ausland ausgeübte Beschäftigung keine Anwendung finden. Der Kläger hat sich nicht darauf berufen, das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht in Saudi-Arabien habe in dem fraglichen Zeitraum (Juni 1980 bis September 1982) Höchstgrenzen der Arbeitszeit enthalten, nach denen die Vereinbarung einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 56 Stunden unwirksam sei.

dd) Die in § 3 des Dienstvertrages geregelte pauschalierte Vergütung von etwaiger Mehrarbeit des Klägers bis zu einer wöchentlichen Höchstgrenze von 56 Stunden verstößt auch nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB).

Für die Annahme einer sittenwidrigen Pauschalierungsvereinbarung fehlt es bereits an dem erforderlichen Sachvortrag seitens des hierfür darlegungspflichtigen Klägers. Um einen Verstoß gegen § 138 BGB feststellen zu können, hätte der Kläger im einzelnen dartun müssen, welche Arbeitsaufgaben er bei seinem Auslandseinsatz wahrgenommen hat. Mangels Darlegung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten kann nicht angenommen werden, daß die Vereinbarung eines Grundgehaltes von 2.500,-- DM bzw. 2.600,-- DM brutto für 56 Arbeitsstunden pro Woche eine sittenwidrige Ausbeutung der Arbeitskraft des Klägers darstellt. Im übrigen hat das Arbeitsgericht zu Recht berücksichtigt, daß der Kläger neben dem auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 56 Stunden bezogenen Gehalt noch eine Baustellenzulage von 1.750,-- DM brutto erhalten hat. Mangels anderweitiger Vertragsabreden bezieht sich die Baustellenzulage ebenfalls auf eine Arbeitszeit von 56 Stunden pro Woche. Die Gesamtvergütung des Klägers für eine Arbeitszeit von 56 Wochenstunden belief sich somit auf 4.250,-- DM brutto bzw. ab 1. Oktober 1981 auf 4.350,-- DM brutto zuzüglich einer Auslösung von ca. 1.100,-- bis 1.250,-- DM. Da bei der Bemessung des gesetzlichen Mehrarbeitszuschlages von 25 v.H. (§ 15 Abs. 2 AZO) ebenfalls nicht nur das Grundgehalt, sondern auch Leistungs- und Sozialzulagen zu berücksichtigen sind (vgl. BAG 23, 424 = AP Nr. 15 zu § 611 BGB Bergbau; Denecke/Neumann, aaO, § 15 Rz 26; Meisel/Hiersemann, aaO, § 15 Rz 62; Zmarzlik, aaO, § 15 Rz 27), ist es gerechtfertigt, bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer pauschalierten Mehrarbeitsvergütung die gleichen Maßstäbe zugrunde zu legen.

4. Die Klage ist auch insoweit unbegründet, als der Kläger über den arbeitsvertraglich vereinbarten Umfang von 56 Wochenarbeitsstunden hinaus die Zahlung von Mehrarbeitsvergütung bzw. -zuschlag begehrt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die in § 3 Abs. 3 Satz 2 des Dienstvertrages enthaltene Regelung, nach der der Kläger verpflichtet ist, je nach Notwendigkeit in angemessenem Umfang ohne besondere Vergütung Mehrstunden zu leisten, wirksam ist. Selbst bei einer zugunsten des Klägers unterstellten Unwirksamkeit dieser Klausel fehlt es an einem schlüssigen Sachvortrag des Klägers für die von ihm in dem fraglichen Zeitraum (Juni 1980 bis September 1982) angeblich über die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleisteten 89,75 Stunden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muß der Arbeitnehmer in einem Zahlungsrechtsstreit der vorliegenden Art im einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist. Er muß ferner eindeutig vortragen, ob die Mehrarbeit zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeitsaufgaben notwendig gewesen ist. Dies gilt um so mehr, wenn zwischen der Geltendmachung und der behaupteten Leistung ein längerer Zeitraum liegt. Nur durch eine genaue Darlegung dieser Umstände ist es dem Arbeitgeber auch nach längerer Zeit noch möglich, die Behauptungen des Arbeitnehmers im einzelnen nachzuprüfen und zu der Nachforderung im einzelnen Stellung zu nehmen (vgl. BAG Urteil vom 15. Juni 1961 - 2 AZR 436/60 - AP Nr. 7 zu § 253 ZPO; BAG 19, 126, 130 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Leitende Angestellte; BAG Urteil vom 10. Dezember 1973 - 3 AZR 318/73 - AP Nr. 7 zu § 196 BGB, zu II 2 der Gründe; Meisel/Hiersemann, aaO, § 15 Rz 79).

Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers nicht. Er hat lediglich in Form einer Aufstellung (vgl. Bl. 8 - 11 VA) die Tage angegeben, an denen er die von ihm dem Umfang nach bezeichnete Mehrarbeit geleistet haben will. Dieser Vortrag genügt nicht den Anforderungen, die an eine schlüssige Darlegung von geleisteter Mehrarbeit anzulegen sind.

Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Dr. Seidensticker Dr. Steckhan Dr. Becker

Neuroth Breier

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441331

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