Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung zum Abbau von Überstunden
Normenkette
KSchG §§ 1-2; BMT-G § 17
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17. Januar 1996 – 7 Sa 738/95 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15. November 1982 seit dem 18. November 1982 im Grünflächenamt der Beklagten als Gartenarbeiter beschäftigt. In den letzten Jahren hatte er zudem ein Kraftfahrzeug zu führen und gemäß einer Dienstanweisung vom 26. Juni 1979 auch zu warten und zu pflegen. Auf das Arbeitsverhältnis finden der BMT-G sowie die ihn ergänzenden Tarifverträge Anwendung.
Die Pflege- und Wartungsarbeiten an dem Kfz führte der Kläger jeweils eine halbe Stunde vor Beginn und eine halbe Stunde nach dem Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit durch. Er erhielt insoweit eine Überstunde vergütet.
Am 8. Februar 1994 beschloß eine Verwaltungskonferenz bei der Beklagten, zum Abbau von Überstunden sollten die Pflege- und Wartungsarbeiten künftig während der Dienstzeiten durchgeführt werden, sofern rechtlich zulässig seien entsprechende betriebsbedingte Änderungskündigungen auszusprechen.
Dem Kläger wurde von der Beklagten unter dem 4. Januar 1995 zum 31. Januar 1995 gekündigt. Mit der Kündigung war das Angebot einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen verbunden, nämlich unter Durchführung der Pflege- und Wartungsarbeiten während der üblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, d.h. ohne Ableistung und Vergütung der bisher zugebilligten Überstunden. Der Kläger nahm dieses Angebot unter dem Vorbehalt gerichtlicher Nachprüfung an.
Mit seiner am 25. Januar 1995 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat er geltend gemacht, die Verwaltungskonferenz, bestehend aus dem Oberstadtdirektor und den Beigeordneten, sei kein Organ im Sinne der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung (im folgenden: GO); ihre Entscheidung verstoße gegen § 28 lit. f GO, wonach die Regelung der allgemeinen Grundsätze für die Bezüge und Vergütungen der Arbeiter und Angestellten eine ausschließliche Ratsangelegenheit sei. Die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt; daß sie durch ein dringendes betriebliches Bedürfnis bedingt sei und wie die Änderung tatsächlich umgesetzt werde, habe die Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Die Beklagte habe ihm die Übernahme der Kraftfahrertätigkeit mit dem Versprechen angedient, er dürfe die Arbeiten gemäß Dienstanweisung mittels einer arbeitstäglichen bezahlten Überstunde ausführen. Diese verläßliche, dauerhaft angelegte zusätzliche Verdienstmöglichkeit habe bis zu 400,– DM brutto im Monat und bis zu ca. 10 % seines Gesamtbruttoeinkommens ausgemacht. Eine entsprechende Absenkung des vertraglichen Regellohnes wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn ohne sie der Betrieb oder einzelne Arbeitsplätze gefährdet wären.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen in Verbindung mit der Änderungskündigung vom 4. Januar 1995 rechtsunwirksam ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Änderungskündigung beruhe auf einer Unternehmerentscheidung, welche nicht unter § 28 Abs. 1 Buchst. f GO gefallen sei. Die Finanzlage der Beklagten sei äußerst angespannt. 1995 habe der gesetzlich vorgeschriebene Haushaltsausgleich nur dadurch erreicht werden können, daß die Beklagte sich von Vermögenswerten getrennt habe. Für 1996 werde ein jahresbezogener Fehlbetrag von 157 Mill. DM erwartet. Neben dem Abbau von Personal, einem Einstellungsstop und der Schließung von Einrichtungen (Bädern, Büchereien) hätten alle Einsparmöglichkeiten geprüft werden müssen. Dies habe insbesondere den Abbau von Überstunden geboten. Im übrigen habe der Pflegebedarf der modernen Fahrzeuge erheblich nachgelassen. Es reiche grundsätzlich aus, den Reifendruck optisch zu prüfen und gelegentlich den Ölstand zu kontrollieren. Der Ansatz von einer Pflegestunde pro Tag sei völlig überzogen. Eine regelmäßige Anordnung von Überstunden sei gemäß den Regelungen des BMT-G rechtswidrig und damit nichtig. Die Aufgabe der Pflege hätte sie dem Kläger kraft ihres Direktionsrechts aus betrieblichen Gründen entziehen können.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter und begehrt die Zurückweisung der Berufung der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die streitige Änderung der Arbeitsbedingungen ist nicht sozial ungerechtfertigt, sondern durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG).
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, § 28 Abs. 1 Buchst. f GO in der damals geltenden Fassung habe kein gesetzliches Kündigungsverbot im Sinne von § 134 BGB begründet. Die Änderungskündigung sei auch nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Insoweit könne unterstellt werden, daß die Leistung der Überstunden einer vertraglichen Bindung der Beklagten unterlegen habe, also die angestrebte Änderung nicht schon durch Ausübung des Direktionsrechts der Beklagten habe vorgenommen werden können. Kosteneinsparung sei jedoch stets ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Der Beschluß der Verwaltungskonferenz sei gegenüber dem Kläger, schon weil er bei der Beklagten als solcher gehandhabt, akzeptiert und spätestens durch die Änderungskündigungen auch umgesetzt worden sei, ein Beschluß seines Arbeitgebers, auf dessen Zweckmäßigkeit es nicht ankomme. Durch den Beschluß sei das Bedürfnis für die Überstunden des Klägers entfallen, weshalb die streitige Kündigung durch das Erfordernis der Kosteneinsparung auch „bedingt” gewesen sei.
II. Dem folgt der Senat wenn auch nicht in allen Teilen der Begründung, so doch im Ergebnis.
1. Mit § 28 Abs. 1 Buchst. f GO (bis 16. Oktober 1994 geltende Fassung) läßt sich die vom Kläger angenommene Unwirksamkeit der streitigen Änderung der Arbeitsbedingungen nicht begründen. Zum einen sah diese Vorschrift die nicht übertragbare Zuständigkeit des Rates für allgemeine Grundsätze der Vergütungen nur insoweit vor, als die Rechtsverhältnisse nicht durch Tarifrecht geregelt waren; auf das Arbeitsverhältnis des Klägers waren und sind jedoch der BMT-G und die ihn ergänzenden Tarifverträge anwendbar. Zum anderen erschöpft sich die streitige Änderung der Arbeitsbedingungen nicht in einer Vergütungsregelung, vielmehr geht es in erster Linie um eine Regelung der zeitlichen Lage der dem Kläger obliegenden Pflege- und Wartungsarbeiten und der für ihn geltenden Arbeitszeit. Wegen der Zeitabhängigkeit der Vergütung ist dann zwar eine Lohnminderung für den Kläger eine Folge dieser Regelung, die Vergütungsreduzierung beruht damit aber gerade auf nicht veränderten allgemeinen Vergütungsgrundsätzen. § 28 Abs. 1 Buchst. f GO hinderte die Verwaltung der Beklagten deshalb nicht, gemäß dem Beschluß der Verwaltungskonferenz vom 8. Februar 1994 (vgl. § 52 GO a.F.) die notwendigen Maßnahmen zum Abbau der Überstunden durchzuführen; eines Ratsbeschlusses bedurfte es insoweit nicht.
2. Auch wenn die Beklagte den Abbau der Überstunden und die Durchführung der Wartungs- und Pflegearbeiten innerhalb der üblichen regelmäßigen Arbeitszeit im Fall des Klägers bereits durch Ausübung ihres Direktionsrechts erreichen konnte, scheitert die Wirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen nicht schon am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Da der Kläger das mit der Kündigung verbundende Änderungsangebot unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen hat, geht es nur noch um den Inhalt des Arbeitsvertrages. Die mit dem Änderungsangebot verbundene Kündigung ist gegenstandslos, ihre etwaige Unverhältnismäßigkeit braucht nicht mehr geprüft zu werden (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1995 – 2 AZR 371/94 – AP Nr. 36 zu § 2 KSchG 1969, zu B II 3 der Gründe, m.w.N., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; a.A. Boewer, BB 1996, 2618, 2620 f., der allerdings entgegen der ständigen Rechtsprechung des BAG und der h.M. davon ausgeht, der Prüfungsmaßstab sei mit dem bei der Beendigungskündigung identisch; unklar Enderlein, Gemeinsame Anmerkung zu AP Nr. 36 und Nr. 37 zu § 2 KSchG 1969, II 2). Dies bedeutet kein Abweichen von dem Grundsatz, für die Prüfung der Sozialwidrigkeit sei auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Änderungskündigung abzustellen. Die spätere Annahme unter Vorbehalt bestimmt nur die Rechtsfolge (Änderung der Arbeitsbedingungen statt Kündigung), deren Eintritt geprüft werden soll, nicht dagegen den Tatbestand, der die soziale Rechtfertigung eventuell begründet. Der Arbeitnehmer hat es selbst in der Hand, durch die Vorbehaltsannahme die zu prüfende Rechtsfolge auf die Änderung der Arbeitsbedingungen zu beschränken und damit auf die Ebene zu ziehen, in der ggf. schon die Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers Rechtswirkungen entfalten kann.
3. Die Entscheidung der Beklagten, die Wartungs- und Pflegearbeiten künftig während der üblichen regelmäßigen Arbeitszeit durchführen zu lassen, beinhaltet zugleich die Entscheidung über die Priorität dieser Arbeitsaufgaben des Klägers vor den von ihm zu verrichtenden Gartenarbeiten. Dabei handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung, für die die Absicht der Lohnsenkung nur Anlaß und Motiv war.
Die Beklagte hat dazu vorgetragen, der Pflegebedarf der modernen Fahrzeuge habe erheblich nachgelassen, es reiche grundsätzlich aus, den Reifendruck optisch zu prüfen und gelegentlich den Ölstand zu kontrollieren. Dies hat der Kläger nicht substantiiert bestritten. Danach liegt es auf der Hand, daß die Verlagerung der verbliebenen Wartungs- und Pflegearbeiten in die reguläre Arbeitszeit keine merkliche Beeinträchtigung der Gartenarbeiten der Arbeitskolonne zur Folge hatte. Unter diesen Umständen bedurfte es keines weitergehenden Vortrags der Beklagten zur organisatorischen Umsetzung ihrer grundlegenden Entscheidung (vgl. dazu Tenczer/Stahlhacke in Anm. zu EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 16). Es geht nämlich nicht um eine nennenswerte „Verdichtung” der Arbeitsmenge (siehe dazu etwa Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rz 251; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1364), sondern es sind fast alle Wartungsarbeiten überflüssig geworden und weggefallen. Auch der Kläger, der bis zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts fast ein Jahr unter den geänderten Bedingungen gearbeitet hat, hat nicht behauptet, die organisatorische Änderung habe zu Problemen geführt, welche die Beklagte bereits bei Ausspruch der Änderungskündigung hätte vorhersehen und mittels genereller Regelungen einer Lösung hätte zuführen müssen.
4. Anders als die streitige Änderungskündigung selbst (vgl. dazu BAG Urteil vom 20. Februar 1986 – 2 AZR 212/85 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969) ist die genannte unternehmerische Organisationsentscheidung der Beklagten von den Arbeitsgerichten grundsätzlich hinzunehmen. Sie kann nicht auf Zweckmäßigkeit, sondern nur darauf überprüft werden, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1995 – 2 AZR 371/94 –, a.a.O., zu B II 4 b der Gründe, m.w.N.). Dafür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte, und auch der Kläger, bei dem insoweit die Darlegungs- und Beweislast liegt (vgl. BAG Urteil vom 17. Oktober 1980 – 7 AZR 675/78 – AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, zu III 1 der Gründe, m.w.N.), hat solches nicht vorgetragen. Die Organisationsentscheidung der Beklagten war im Gegenteil schon deshalb sachlich gerechtfertigt, weil die Anordnung bzw. Vereinbarung regelmäßig abzuleistender Überstunden gegen § 17 BMT-G verstößt und dem im Bereich des öffentlichen Dienstes zu beachtenden Gebot eines wirtschaftlichen und sparsamen Umgangs mit Haushaltsmitteln (vgl. § 62 Abs. 2 GO a.F.) widerspricht. Zudem indiziert auch die offenbar komplikationslose Durchführung der Entscheidung, daß diese auf sachlichen Gründen beruht (vgl. Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 657).
5. Ausgehend von der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten besteht für eine zusätzliche Arbeitsleistung des Klägers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeiten nicht nur kein Bedürfnis mehr, sondern die streitige Änderung der Arbeitsbedingungen ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Wie der Senat bereits in anderem Zusammenhang entschieden hat, vermag im öffentlichen Dienst das Gebot zu sparsamer Haushaltsführung und Kostensenkung eine Änderungskündigung zu rechtfertigen (vgl. u.a. Senatsurteile vom 15. März 1991 – 2 AZR 582/90 – AP Nr. 28 zu § 2 KSchG 1969, zu B III 3 b der Gründe und vom 26. Januar 1995 – 2 AZR 371/94 – AP Nr. 36, a.a.O., zu B II 4 a der Gründe; vgl. zum Ganzen auch KR-Rost, 4. Aufl., § 2 KSchG Rz 107 a ff.; Stahlhacke/Preis, a.a.O., Rz 779). Die Beklagte war vorliegend gehalten, den für 1996 erwarteten Fehlbetrag von 157 Mill. DM abzubauen. Die Hinnahme der Änderung war dem Kläger auch zuzumuten. Wie dargelegt, ist die Anordnung bzw. Vereinbarung regelmäßig abzuleistender Überstunden tarifvertragswidrig. Das Vertrauen eines Arbeitnehmers auf Beibehaltung rechtswidriger Überstunden und deren Vergütung ist nicht schutzwürdig.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Nielebock, Engelmann
Fundstellen