Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt des Bestehens der Abschlußprüfung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Auszubildende hat die Abschlußprüfung grundsätzlich erst dann bestanden im Sinne von § 14 Abs 2 BBiG, wenn das Prüfungsverfahren abgeschlossen und das Ergebnis der Prüfung mitgeteilt worden ist (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
2. § 41 BBiG ermächtigt die zuständige Stelle, in der Prüfungsordnung einen anderen Zeitpunkt festzusetzen, zu dem die Abschlußprüfung als bestanden im Sinne des § 14 Abs 2 BBiG anzusehen ist (Bestätigung von BAG Urteil vom 5. April 1984 - 2 AZR 54/83 = EzB BBiG § 14 Abs 2 Nr 18). Dieser Zeitpunkt darf jedoch nicht vor dem der Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung liegen.
3. Bestimmen Prüfungsordnungen, daß in der den Prüflingen auszuhändigenden Bescheinigung "als Termin des Bestehens bzw. Nichtbestehens der Tag der letzten Prüfungsleistung einzusetzen" ist, so ist diese Bestimmung insoweit unwirksam, als dieser Tag vor dem Tag der Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung liegt. Maßgebend ist dann der Tag der Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung.
4. Nach den Lohntarifverträgen für die Arbeiter des Saarbergbaues erhalten Facharbeiter "nach bestandener Abschlußprüfung den vollen Schichtlohn ihrer Lohngruppe". Damit haben die Tarifvertragsparteien auf den nach § 14 Abs 2, § 41 BBiG maßgebenden Zeitpunkt abgestellt. Danach besteht für die Zeit bis zur Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung durch den Prüfungsausschuß kein Anspruch auf den Facharbeiterlohn.
Verfahrensgang
LAG Saarland (Entscheidung vom 17.02.1993; Aktenzeichen 1 Sa 181/92) |
ArbG Saarbrücken (Entscheidung vom 01.10.1992; Aktenzeichen 3 (4) Ca 516/92) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit zwischen der letzten Prüfungsleistung und dem für die eventuelle mündliche Ergänzungsprüfung vorgesehenen Tag den tariflichen Lohn und die tarifliche Weihnachtsgratifikation für Facharbeiter anstatt der Vergütung und der Weihnachtsgratifikation für Auszubildende zu zahlen.
Der Kläger wurde bei der Beklagten aufgrund des Berufsausbildungsvertrages vom 22. Juni 1988 seit dem 29. August 1988 zum Industriemechaniker, Fachrichtung Betriebstechnik, ausgebildet. Das Berufsausbildungsverhältnis sollte nach dem Vertrag am 28. Februar 1992 enden. Beide Parteien sind tarifgebunden. Der Kläger erhielt Ausbildungsvergütung nach den Bestimmungen der Tarifverträge für die Arbeitnehmer des Saarbergbaus.
Mit Schreiben vom 4. November 1991 wurde der Kläger zur Abschlußprüfung zugelassen. Die Prüfungstermine waren darin wie folgt angegeben:
Schrifl. Kenntnisprüfung Donnerstag,
28. November 1991
Mittwoch,
11. Dezember 1991
Praktische Prüfung Dienstag,
10. Dezember 1991
Donnerstag,
12. Dezember 1991
Feststellung des Prüfungs- Freitag,
ergebnisses und evtl. münd- 17. Januar 1992 liche
Ergänzungsprüfung: (Mitteilung des
Gesamtergebnisses)
Der Kläger nahm zunächst den Prüfungstermin vom 28. November 1991 wahr. Ab Dezember 1991 war er im Bergwerk G der Beklagten tätig.
Bereits mit Schreiben vom 8. November 1991 hatte die Beklagte gegenüber dem Kläger ihre Bereitschaft erklärt, ihn "nach bestandener Lehrabschlußprüfung im Untertagebetrieb des Bergwerks G in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen". Diesem Schreiben lag ein Schreiben der Beklagten, Bergwerk G , vom 25. November 1991 bei, in dem es u. a. heißt:
...
wir begrüßen Sie als Mitarbeiter des Bergwerks
G in unserem Betrieb.
Sie werden bei uns im Untertagebetrieb einge-
setzt. Ihre Einstufung erfolgt in die Lohngruppe
08.
Näheres über Ihren künftigen Einsatzort, sowie
die Anfahrtszeit erfahren Sie von Herrn Ausbil-
dungsabteilungssteiger C B .
Maßgebend für die Gestaltung des Arbeitsverhält-
nisses sind die Bestimmungen und Vereinbarungen
des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des
Saarbergbaus in der jeweils gültigen Fassung.
Am 10., 11. und 12. Dezember 1991 nahm der Kläger die weiteren für die schriftliche Kenntnisprüfung und die praktische Prüfung vorgesehenen Termine wahr. Er bestand die Prüfung. Dies wurde ihm am 17. Januar 1992 mitgeteilt. Eine mündliche Prüfung hatte nicht stattgefunden.
Die "Bescheinigung (gem. § 21 Abs. 5 der Prüfungsordnung)" hat folgenden Wortlaut:
"Der Prüfungsteilnehmer hat die
Kenntnisprüfung mit 54 Punkten bestanden
Fertigungsprüfung mit 86 Punkten bestanden
12.12.91 Tag der letzten Prüfungsleistung
17.01.92 Datum der Feststellung des
Prüfungsergebnis".
In dem "Prüfungszeugnis nach § 34 Berufsbildungsgesetz", wonach der Kläger "die Abschlußprüfung im Ausbildungsberuf Industriemechaniker Fachrichtung: Betriebstechnik bestanden" hat, heißt es am Ende ohne nähere Angaben: "Saarbrücken, 17. Januar 1992".
Die Prüfungsordnung für die Durchführung von Abschlußprüfungen der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes vom 3.4.1973 enthält u.a folgende Regelungen:
§ 13 Gliederung der Prüfung
(1) Soweit die Ausbildungsordnung nichts ande-
res bestimmt, soll sich die Prüfung in eine Fer-
tigkeits- und eine Kenntnisprüfung (Prüfungstei-
le) gliedern. Die Kenntnisprüfung kann in Prü-
fungsfächer, diese können in Prüfungsgebiete ge-
gliedert werden: die Fertigkeitsprüfung kann aus
Arbeitsproben und Prüfungsstück bestehen.
(2) Die Kenntnisprüfung ist schriftlich durch-
zuführen. Sie ist durch eine mündliche Prüfung zu
ergänzen, soweit die Ausbildungsordnung dies vor-
schreibt.
(3) Falls die Ausbildungsordnung keine Bestim-
mung zur mündlichen Prüfung enthält, kann der
Prüfungsausschuß die Durchführung einer mündli-
chen Prüfung beschließen,
a) wenn die Art des Ausbildungsberufes dies
erfordert,
b) wenn dies im Einzelfall für die Feststel-
lung eines für den Prüfungsteilnehmer gün-
stigeren Ergebnisses von wesentlicher Be-
deutung ist und wenn die an der Berufsschu-
le oder im Betrieb gezeigten Leistungen in
erheblichen Widerspruch zum bisherigen Prü-
fungsergebnis stehen.
...
§ 21 Feststellung des Prüfungsergebnisses
(1) Der Prüfungsausschuß stellt gemeinsam die
Ergebnisse der einzelnen Prüfungsleistungen sowie
das Gesamtergebnis der Prüfung fest.
(4) Über den Verlauf der Prüfung einschließlich
der Feststellung der einzelnen Prüfungsergebnisse
ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie ist von
den Mitgliedern des Prüfungsausschusses zu unter-
zeichnen.
(5) Der Prüfungsausschuß soll dem Prüfungsteil-
nehmer am letzten Prüfungstag mitteilen, ob er
die Prüfung "bestanden" oder "nicht bestanden"
hat. Hierüber ist dem Prüfungsteilnehmer unver-
züglich eine vom Vorsitzenden zu unterzeichnende
Bescheinigung auszuhändigen. Dabei ist als Termin
des Bestehens bzw. Nichtbestehens der Tag der
letzten Prüfungsleistung einzusetzen.
§ 22 Prüfungszeugnis
(1) Über die Prüfung erhält der Prüfungsteil-
nehmer von der zuständigen Stelle ein Zeugnis.
(2) Das Prüfungszeugnis enthält
- die Bezeichnung "Prüfungszeugnis nach § 34
Berufsbildungsgesetz"
- das Datum des Bestehens der Prüfung
In der Verordnung über die Berufsausbildung in den industriellen Metallberufen (Industrielle Metall-Ausbildungsverordnung - IndMetAusbV) vom 15. Januar 1987 (BGBl. I, S. 274) heißt es u.a.:
§ 14
Abschlußprüfung für den Ausbildungsberuf
Industriemechaniker/Industriemechanikerin
(2) Der Prüfling soll in insgesamt höchstens
14 Stunden :
...
2. in der Fachrichtung Betriebstechnik:
in je insgesamt höchstens sieben Stunden zwei Ar-
beitsproben durchführen und zwei Prüfungsstücke
anfertigen.
(3) Der Prüfling soll in den Prüfungsfächern
Technologie, Arbeitsplanung, Technische Mathema-
tik sowie Wirtschafts- und Sozialkunde schrift-
lich geprüft werden.
(6) Die schriftliche Prüfung ist auf Antrag des
Prüflings oder nach Ermessen des Prüfungsaus-
schusses in einzelnen Fächern durch eine mündli-
che Prüfung zu ergänzen, wenn diese für das Be-
stehen der Prüfung den Ausschlag geben kann. Die
schriftliche Prüfung hat gegenüber der mündlichen
das doppelte Gewicht.
Der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des Saarbergbaues vom 2. August 1990 (ANMTV) enthält u.a. folgende Regelungen:
§ 32
(1) Die Arbeitnehmer werden entsprechend der
tatsächlich ausgeübten Tätigkeit in Lohn- und Ge-
haltsgruppen (Tarifgruppen) eingruppiert, wenn
sie gleichzeitig alle die in den Lohn- und Ge-
haltsgruppen geforderten Tätigkeitsmerkmale er-
füllen. ...
(4) Facharbeiter sind Arbeiter, die einen Fach-
arbeiterbrief besitzen. ...
Im Lohntarifvertrag für die Arbeiter des Saarbergbaues, gültig ab 1. Februar 1991, heißt es in der Lohntafel:
Facharbeiter erhalten nach bestandener Abschluß-
prüfung den vollen Schichtlohn ihrer Lohngruppe.
Der Kläger beansprucht für die Zeit vom 13. Dezember 1991 bis zum 17. Januar 1992 die Differenz zwischen dem Facharbeiterlohn und dem Weihnachtsgeld für Facharbeiter und der Ausbildungsvergütung und dem tariflichen Weihnachtsgeld für Auszubildende. Er hat vorgetragen: Das Ausbildungsverhältnis sei am Tag der letzten Prüfungsleistung, also dem 12. Dezember 1991, beendet worden. Für die Zeit danach sei ein Arbeitsvertrag zustande gekommen, weil er, der Kläger, das Angebot in den Schreiben vom 8. und 25. November 1991 angenommen habe. Bei abweichender Auffassung ergebe sich dasselbe Ergebnis aus § 17 BBiG, der keine Kenntnis des Arbeitgebers vom Bestehen der Prüfung erfordere. Er habe in dieser Zeit Facharbeiten ausgeführt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt, an ihn
1. 1.713,48 DM nebst 4 % Zinsen seit dem
31. Januar 1992
2. ein tarifliches Restweihnachtsgeld in Höhe von
2.339,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem
31. Dezember 1991
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat folgendes ausgeführt: Im Interesse der Rechtssicherheit könne nur der Tag der Bekanntmachung des Prüfungsergebnisses maßgebend sein. Als Anspruchsgrundlage komme nur die Lohntafel für den Saarbergbau in Betracht. Der Kläger sei aber vor dem 17. Januar 1992 noch nicht Facharbeiter gewesen, da ihm das Abschlußzeugnis erst an diesem Tag ausgehändigt worden sei. Außerdem habe die Industrie- und Handelskammer den 17. Januar 1992 als letzten Prüfungstag bezeichnet. An diesem Tage hätte auch noch eine mündliche Prüfung für den Kläger stattfinden können. Ein etwaiger Verstoß des Prüfungsausschusses gegen § 21 Abs. 5 der Prüfungsordnung könne ihr als Zwangsmitglied der IHK nicht angelastet werden. Im übrigen sei der Kläger nicht als Facharbeiter eingesetzt worden, sondern seine fachpraktische Ausbildung sei fortgesetzt worden. Ein Einsatz als Facharbeiter vor dem 17. Januar 1992 sei auch deshalb nicht zulässig gewesen, weil das Oberbergamt für die bergmännische Ausbildung unter Tage besondere Sicherheitsregeln aufgestellt habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat für die Zeit vom 13. Dezember 1991 bis zum 17. Januar 1992 keinen Anspruch auf Zahlung des Tariflohns und der tariflichen Weihnachtsgratifikation für Facharbeiter. Das folgt schon daraus, daß das Berufsausbildungsverhältnis entgegen der Annahme der Vorinstanzen und entgegen der Auffassung des Klägers erst am 17. Januar 1992 geendet hat und ein tariflicher oder vertraglicher Anspruch auf die volle Vergütung vor diesem Zeitpunkt nicht besteht.
I.1. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 ANMTV werden die Arbeitnehmer "entsprechend der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit in die Lohn- und Gehaltsgruppen (Tarifgruppen) eingruppiert, wenn sie gleichzeitig alle in den Lohn- und Gehaltsgruppen geforderten Tätigkeitsmerkmale erfüllen". § 32 Abs. 4 Satz 1 ANMTV definiert Facharbeiter als "Arbeiter, die einen Facharbeiterbrief besitzen". In der Lohntafel heißt es, daß Facharbeiter "nach bestandener Abschlußprüfung den vollen Schichtlohn ihrer Lohngruppe" erhalten.
2. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist dann zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Dabei ist jedoch der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der in den tariflichen Normen zum Ausdruck kommende wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG Urteil vom 23. September 1992 - 4 AZR 66/92 - AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I 2 a der Gründe, m.w.N.). Weiter ist folgender Auslegungsgrundsatz zu beachten: Wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff verwenden, der in der Rechtsterminologie einen festen Inhalt hat, ist im Zweifel davon auszugehen, daß sie ihn in demselben Sinn verstanden wissen wollen (BAG in ständiger Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 28. Januar 1977 - 5 AZR 145/76 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Ziegelindustrie; BAGE 46, 61, 66 = AP Nr. 3 zu § 9 TVG 1969).
3. In der Lohntafel ist zwar nicht wie in § 14 Abs. 2 BBiG vom "Bestehen der Abschlußprüfung" die Rede, sondern von der "bestandenen Abschlußprüfung". Gleichwohl ist anzunehmen, daß die Tarifvertragsparteien dasselbe meinten. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien einen anderen als den nach § 14 Abs. 2 BBiG maßgebenden Zeitpunkt festlegen wollten.
4. Nach § 14 Abs. 1 BBiG endet das Berufsausbildungsverhältnis mit dem Ablauf der Ausbildungszeit. Besteht der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlußprüfung, so endet das Berufsausbildungsverhältnis nach § 14 Abs. 2 BBiG "bereits mit Bestehen der Abschlußprüfung". Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Abschlußprüfung erst dann bestanden, wenn das Prüfungsverfahren abgeschlossen und das Ergebnis der Prüfung mitgeteilt worden ist (BAG Urteil vom 7. Oktober 1971 - 5 AZR 265/71 - AP Nr. 1 zu § 14 BBiG; Urteil vom 31. Oktober 1985 - 6 AZR 557/84 - BAGE 50, 79 = AP Nr. 15 zu § 78 a BetrVG 1972). Diese Voraussetzung ist in der Regel dann erfüllt, wenn der Prüfungsausschuß über das Ergebnis der Prüfung einen Beschluß gefaßt und diesen bekannt gegeben hat. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die gemäß § 41 BBiG von der zuständigen Stelle erlassene Prüfungsordnung einen anderen Zeitpunkt festlegt, zu dem die Abschlußprüfung als "bestanden" anzusehen ist (BAG Urteil vom 5. April 1984 - 2 AZR 54/83 - EzB BBiG § 14 Abs. 2 Nr. 18). Im Hinblick auf eine gleichlautende Formulierung wie § 21 Abs. 5 Satz 3 der Prüfungsordnung der IHK des Saarlandes vom 3. April 1973 hat der Zweite Senat in seinem Urteil vom 5. April 1984 (aaO) ausgeführt, diese Regel sei "klar und eindeutig" in dem Sinne, daß "für den Zeitpunkt des Bestehens der Abschlußprüfung allein der Tag der letzten Prüfungsleistung maßgebend (ist) und nicht das Datum der schriftlichen Bescheinigung oder deren Aushändigung". Danach ergäbe sich im Streitfall, daß der Kläger seine Abschlußprüfung bereits am 12. Dezember 1991 bestanden hätte und damit das Berufsausbildungsverhältnis beendet wäre.
5. Dabei bliebe jedoch unberücksichtigt, daß der Tag der letzten Prüfungsleistung im Streitfall - anders als in dem der Entscheidung vom 5. April 1984 (aaO) zugrundeliegenden Sachverhalt - vor dem Tag der Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung liegt. § 41 BBiG ermächtigt die zuständigen Stellen nicht dazu, den Zeitpunkt des Bestehens der Prüfung auf einen Tag vor Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung festzulegen.
a) Die Frage, wann die Abschlußprüfung bestanden ist, hat erhebliche praktische Bedeutung. Auszubildende und Ausbildende haben andere Rechte und Pflichten als Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die Pflichten des Ausbildenden ergeben sich insbesondere aus §§ 6 f. BBiG. Nach § 6 Abs. 2 BBiG dürfen "dem Auszubildenden ... nur Verrichtungen übertragen werden, die dem Ausbildungszweck dienen und seinen körperlichen Kräften angemessen sind". Nach § 7 BBiG hat der Ausbildende den Auszubildenden für die Teilnahme am Berufsschulunterricht und an Prüfungen freizustellen. Die Pflichten des Auszubildenden ergeben sich aus § 9 BBiG. Er ist insbesondere auch verpflichtet, am Berufsschulunterricht teilzunehmen.
Weiter ist die Frage, wann die Prüfung bestanden ist, auch für die Begründung eines sich daran anschließenden Arbeitsverhältnisses und u.U. die Höhe der Vergütung maßgebend. Gesetzliche Vorschriften wie § 17 BBiG, tarifvertragliche wie die hier in Rede stehende der Lohntafel des Saarbergbaus und individual-rechtliche Abreden wie die vom Kläger behauptete knüpfen häufig an die Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses an.
b) Für das Bestehen der Abschlußprüfung kommen verschiedene Zeitpunkte in Betracht: die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, die Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung oder die Erbringung oder die Bewertung der letzten Prüfungsleistung. Bei der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses könnte unterschieden werden nach der mündlichen oder schriftlichen Bekanntgabe oder nach dem Adressaten der Bekanntgabe, dem Auszubildenden oder dem Ausbilder. Schließlich könnten dafür auch noch Formerfordernisse aufgestellt werden.
Die praktische Bedeutung des Zeitpunktes, zu dem die Abschlußprüfung bestanden ist, ist je nach Prüfungsart unterschiedlich. Früher schloß die Abschlußprüfung regelmäßig mit einer mündlichen Prüfung ab; das Ergebnis wurde in aller Regel am selben Tag zumindest mündlich mitgeteilt. Regelmäßig fielen also die letzte Prüfungsleistung, die Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung und die Bekanntmachung auf einen Tag. Unter Umständen folgte nur die schriftliche Mitteilung (an den Arbeitgeber) später. Die Bedeutung der Frage, wann die Abschlußprüfung als bestanden gilt, war also relativ gering.
Heute dagegen ist die mündliche Prüfung nicht mehr die Regel. Neuere Ausbildungsordnungen wie die hier einschlägige Verordnung über die Berufsausbildung in den industriellen Metallberufen (Industrielle Metall-Ausbildungsverordnung - IndMetAusbV) vom 15. Januar 1987 (BGBl. I S. 274) sehen sie nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen vor. Aber auch außerhalb des Anwendungsbereichs derartiger Bestimmungen wird heute auf die Durchführung mündlicher Prüfungen verzichtet. Werden die Prüfungsleistungen nicht sofort bewertet und wird darüber, ob eine mündliche Prüfung stattfindet, erst an dem Tag entschieden, an dem sie durchgeführt werden sollte, und an dem das Gesamtergebnis der Prüfung festgestellt wird, können der Tag der letzten Prüfungsleistung und der Tag der Feststellung des Prüfungsergebnisses und der seiner Mitteilung erheblich auseinanderfallen. Damit ist die praktische Bedeutung der Frage, wann die Abschlußprüfung bestanden ist, heute erheblich größer als früher.
c) Liegt der Tag der letzten Prüfungsleistung vor dem der Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung (und dem der ersten Bekanntmachung) und wäre ersterer gleichwohl für das Bestehen der Prüfung maßgebend, so ergäbe sich das Problem, daß für den dazwischen liegenden Zeitraum erst im Nachhinein feststünde, ob es sich noch um ein Ausbildungs- oder schon um ein Arbeitsverhältnis handelte. Wird keine mündliche (Ergänzungs)Prüfung durchgeführt, könnte ein Arbeitsverhältnis vorliegen; fände eine mündliche Prüfung statt, würde es sich (weiterhin) um ein Ausbildungsverhältnis handeln. Im Vorhinein stünde nicht fest, wie das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien zu qualifizieren ist. Die Parteien wären sich über ihre Rechte und Pflichten nicht im klaren und könnten es vor Feststellung des Prüfungsergebnisses auch nicht sein. Die Rückabwicklung eines durchgeführten Vertragsverhältnisses ist aber allenfalls hinsichtlich der finanziellen Folgerungen möglich.
d) Der Gesetzgeber hat die zuständigen Stellen in § 41 BBiG nicht ausdrücklich ermächtigt, den Zeitpunkt des Bestehens der Prüfung im Sinne des § 14 Abs. 2 BBiG festzulegen. Dies gehört nicht zu den Gegenständen, die die nach § 41 BBiG zu erlassende Prüfungsordnung regeln muß. Die Ermächtigung dazu, einen anderen als den sich aus § 14 Abs. 2 BBiG ergebenden Zeitpunkt festzulegen, zu dem die Abschlußprüfung als bestanden anzusehen ist, ist aber mit dem Urteil des Zweiten Senats vom 5. April 1984 (- 2 AZR 54/83 - EzB BBiG § 14 Abs. 2 Nr. 18) im Grundsatz zu bejahen. Diese Ermächtigung ist jedoch begrenzt. Es kann dahinstehen, ob der Gesetzgeber die zuständigen Stellen (Kammern) ermächtigen könnte, als Zeitpunkt des Bestehens der Prüfung den Tag der letzten Prüfungsleistung auch für den Fall festzusetzen, daß dieser vor dem Tag der Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung liegt. Denn es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber den Kammern eine derartige Ermächtigung hat erteilen wollen. Eine so weit reichende Ermächtigung könnte - wenn überhaupt - nur ausdrücklich erteilt werden. Daran fehlt es hier.
§ 41 BBiG ist demnach so auszulegen, daß die zuständigen Stellen ermächtigt sind, den Zeitpunkt des Bestehens der Prüfung auf einen Zeitpunkt vor der Mitteilung des Prüfungsergebnisses festzusetzen, dieser aber nicht vor dem Tag der Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung liegen darf.
§ 21 Abs. 5 Satz 3 PrüfO ist also insoweit unwirksam, als danach der Tag der letzten Prüfungsleistung auch dann der Tag des Bestehens der Prüfung sein soll, wenn dieser vor dem Tag der Feststellung des Prüfungsergebnisses liegt. Im übrigen bleibt die Bestimmung gültig. Das bedeutet im Ergebnis: In der Bescheinigung ist als Termin des Bestehens bzw. des Nichtbestehens der Tag der Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung einzusetzen. Der Kläger hat also erst am 17. Januar 1992 die Abschlußprüfung bestanden.
e) Der Senat weicht mit dieser Rechtsauffassung nicht ab von dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 5. April 1984 (aaO). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wurde am Tag der letzten Prüfungsleistung auch das Gesamtergebnis der Prüfung festgestellt. Die Frage, ob die Prüfungsordnung den Tag der letzten Prüfungsleistung auch für den Fall als maßgeblich erklären konnte, daß dieser vor dem Tag der Feststellung des Gesamtergebnisses der Prüfung liegt, stellte sich also in dem damals zu entscheidenden Fall nicht.
II. Der Anspruch auf den vollen Facharbeiterlohn ergibt sich auch nicht aus dem Arbeitsvertrag oder aus § 17 BBiG in Verbindung mit § 612 Abs. 2 BGB. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß er das in den Schreiben vom 8. und 25. November 1991 liegende Angebot auf Abschluß eines Arbeitsvertrages angenommen hat.
Das Angebot der Beklagten ist aber nicht so auszulegen, daß das Arbeitsverhältnis bereits im Anschluß an die letzte Prüfungsleistung begründet werden sollte. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt. Es kann zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, daß es sich um typische Erklärungen handelt, deren Auslegung in der Revisionsinstanz voll nachprüfbar ist.
Zunächst einmal ist dem Landesarbeitsgericht darin zuzustimmen, daß beide Schreiben als einheitliches Angebot aufzufassen sind. Das - höchst mißverständlich formulierte - Schreiben vom 25. November 1991 darf nicht isoliert betrachtet werden. Aus dem gleichzeitig übersandten Schreiben vom 8. November 1991 ergibt sich, daß der Beklagte dem Kläger den Abschluß eines Arbeitsvertrages antrug, der "nach bestandener Lehrabschlußprüfung" wirksam werden sollte. Damit sind die Erklärungen so auszulegen, daß das Arbeitsverhältnis in unmittelbarem Anschluß an das erfolgreich beendete Berufsausbildungsverhältnis - und nicht erst mit der Verlautbarung des Prüfungsergebnisses, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - beginnen sollte. Das Berufsausbildungsverhältnis endete aber - wie bereits ausgeführt - erst am 17. Januar 1992.
Auch ein Anspruch nach § 17 BBiG ist nicht gegeben. Die Parteien haben einen Arbeitsvertrag abgeschlossen, der mit dem Bestehen der Abschlußprüfung wirksam werden sollte. Damit ist § 17 BBiG unanwendbar.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Reinecke
Kreienbaum Dr. Frey
Fundstellen
BAGE, 10 |
BB 1994, 1084 |
DB 1994, 1189-1190 (LT1-4) |
EBE/BAG 1994, 86-88 (LT1-4) |
EzB BBiG § 14 Abs 2, Nr 31 (LT1-4) |
ARST 1994, 162-165 (LT1-4) |
NZA 1994, 855 |
NZA 1994, 855-858 (LT1-4) |
SAE 1995, 11-15 (LT1-4) |
ZAP, EN-Nr 699/94 (S) |
AP § 14 BBiG (LT1-4), Nr 6 |
AR-Blattei, ES 400 Nr 79b (LT1-4) |
EzA-SD 1994, Nr 11, 16-19 (LT1-4) |
EzA § 14 BBiG, Nr 8 (LT1-4) |
MDR 1994, 807 (LT1-4) |