Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: 80 % oder 100 %

 

Leitsatz (amtlich)

§ 11 Ziff. 2 des Manteltarifvertrags für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Rheinland-Pfalz enthält keine konstitutive Regelung zur Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und begründet keinen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts in Höhe von 100 %.

 

Normenkette

EFZG § 4 Abs. 1 S. 1 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung; Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Rheinland-Pfalz vom 22. November 1994 § 9 Ziff. 5, § 11 Ziff. 2

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13.02.1998; Aktenzeichen 10 Sa 987/97)

ArbG Koblenz (Urteil vom 28.05.1997; Aktenzeichen 10 Ca 159/97)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgeichts Rheinland-Pfalz vom 13. Februar 1998 - 10 Sa 987/97 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Die Klägerin ist bei dem Beklagten als Hotelgehilfin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Rheinland-Pfalz vom 22. November 1994 Anwendung. § 11 dieses Manteltarifvertrages lautet auszugsweise:

„Ziff. 2 Krankheit

Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit sind die gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden. Der fortzuzahlende Lohn im Sinne des § 4 des Entgeltfortzahlungsgesetzes entspricht bei Prozentempfängern der Urlaubsvergütung gem. § 9 Ziff. 5 des Manteltarifvertrages.”

In § 9 Ziff. 5 MTV heißt es:

„Urlaubsvergütung

Als Urlaubsvergütung erhalten alle festbesoldeten Arbeitnehmer pro Urlaubstag 1/26 ihres monatlichen Gesamtverdienstes. Prozentempfänger erhalten als Urlaubsvergütung je Urlaubstag

  1. bei weniger als zwölfmonatiger Beschäftigung im Betrieb 1/26 des monatlichen Durchschnittsverdienstes der im Betrieb verbrachten Zeit;
  2. nach mehr als zwölfmonatiger Beschäftigung 1/26 des monatlichen Durchschnittsverdienstes der dem Urlaubsantritt vorangegangenen 12 Monate.”

Im November 1996 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Der Beklagte zahlte ein um DM 118,08 brutto (entsprechend 20 %) gekürztes Entgelt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe aufgrund der tarifvertraglichen Regelung ein Anspruch auf ungekürzte Entgeltfortzahlung zu.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 118,08 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 21. Januar 1997 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, der Tarifvertrag stelle keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar. Den gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruch habe er erfüllt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin steht für November 1996 kein über 80 % hinausgehender Entgeltfortzahlungsanspruch zu. Den gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruch hat der Beklagte erfüllt. Ein weitergehender tarifvertraglicher Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall ist nicht gegeben.

I. § 11 Ziff. 2 des Manteltarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Rheinland-Pfalz enthält keine konstitutive Regelung des Entgeltfortzahlungsanspruchs, sondern verweist auf die „gesetzlichen Bestimmungen”. Die Tarifnorm besagt lediglich, daß bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit die gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden sind. Diese tarifliche Regelung gibt weder nach ihrem Wortlaut noch anhand anderer Auslegungsgesichtspunkte Anlaß zu der Annahme, damit sei tarifvertraglich ein Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung in bestimmter Höhe geregelt worden.

II. Auf eine konstitutive Regelung der Entgeltfortzahlung in voller Höhe kann auch nicht aus der Bestimmung des Satzes 2 geschlossen werden. Danach „entspricht” der „fortzuzahlende Lohn im Sinne des § 4 EFZG” bei Prozentempfängern der Urlaubsvergütung gemäß § 9 Ziff. 5 des Manteltarifvertrages. Auch diese Bestimmung regelt nicht einen Anspruch des Beschäftigten auf eine bestimmte Entgeltfortzahlungshöhe, sondern modifiziert im Rahmen der nach § 4 Abs. 4 EFZG gegebenen Möglichkeiten den Berechnungsweg des nach § 4 Abs. 1 EFZG maßgebenden Entgelts. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Tarifnorm. Auch dem einzelnen Prozentempfänger wird kein allein anhand des Tarifvertrages zu berechnender Anspruch eingeräumt. Vielmehr verweist der Tarifvertrag ausdrücklich auf § 4 EFZG und ordnet die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Berechnung der Urlaubsvergütung an. Einer entsprechenden Berechnung des vollen Entgelts bedurfte es nach § 4 Abs. 1 EFZG auch in der ab dem 1. Oktober 1996 geltenden Fassung, denn die Feststellung des fortzuzahlenden Entgelts in Höhe von 80 % setzt in einem ersten Schritt die Feststellung der vollen Vergütungshöhe von 100 % voraus. Im Rahmen dieses Zwischenschrittes kam die tarifliche Berechnungsregel zum Tragen.

Darüber hinaus besteht kein Grund zu der Annahme, daß der Tarifvertrag die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Gruppen der Prozentempfänger und aller anderen Arbeitnehmer unterschiedlich habe bestimmen wollen. Wegen der notwendigerweise schwankenden Vergütungshöhe der Prozentempfänger bestand Veranlassung, für sie anstelle des Lohnausfallprinzips das Referenzperiodensystem vorzusehen. Diese Umstellung diente der einfacheren und gerechteren Berechnung der Entgeltfortzahlungshöhe. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, der Tarifvertrag habe auf eine Besserstellung der Prozentempfänger gezielt. Deshalb ist anzunehmen, daß auch für Prozentempfänger die gesetzliche Kürzung der Entgeltfortzahlung auf 80 % am 1. Oktober 1996 wirksam wurde. Dementsprechend hat der Senat auch in anderen Fällen einer Umsatzbeteiligung der Arbeitnehmer entschieden, daß die tarifliche Regelung der in die Berechnung einzustellenden arbeitstäglichen Vergütung nicht selbst eine konstitutive Regelung der fortzuzahlenden Vergütungshöhe enthält (vgl. BAG Urteil vom 21. Oktober 1998 - 5 AZR 92/98 - AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gaststätten; Urteil vom 25. November 1998 - 5 AZR 426/98 -, zur Veröffentlichung bestimmt).

 

Unterschriften

Griebeling, Müller-Glöge, Kreft, Hansen, Mandrossa

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 16.06.1999 durch Clobes, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436155

BB 1999, 1930

DB 1999, 2169

NZA 2001, 341

SAE 2000, 125

AP, 0

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