Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung
Normenkette
Einigungsvertrag AnlageI Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 16.03.1994; Aktenzeichen 8 Sa 161/93) |
ArbG Berlin (Urteil vom 08.10.1993; Aktenzeichen 70 Ca 15743/93) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 16. März 1994 – 8 Sa 161/93 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Kündigung mit Ablauf des 31. Dezember 1993 wirksam ist.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (fortan: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
Der 1941 geborene Kläger war seit 1966 als Lehrer im Schuldienst der ehemaligen DDR beschäftigt. Er ist ausgebildeter Fachlehrer für Deutsch und Latein. Seit 1968 unterrichtete er auch im Fach Staatsbürgerkunde. Von 1970 bis 1977 war der Kläger Parteisekretär an seiner Oberschule. Im März 1977 wurde er als politischer Mitarbeiter in die Kreisleitung der SED delegiert. Dort war er bis Juli 1981 hauptamtlich tätig. Danach kehrte er wieder in den Schuldienst zurück. Von 1983 bis 1989 war der Kläger wiederum Sekretär der Schulparteiorganisation.
Im Zuge der Überprüfung der Lehrer der ehemaligen DDR fand am 29. August 1991 eine persönliche Anhörung des Klägers statt, wobei dem Kläger u.a. auch vorgehalten wurde, er habe als Parteisekretär einen Schüler aufgefordert, zu einer kirchlichen Veranstaltung zu gehen, um „Spitzeldienste” zu leisten.
Am 7. April 1992 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, wonach der Kläger im Bereich des Bezirksamtes Friedrichshain von Berlin als Lehrkraft an der Berliner Schule auf unbestimmte Zeit beschäftigt werde.
Auf ein Auskunftsersuchen hin teilte der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes dem Beklagten mit, der Kläger sei als Kontaktperson geführt worden und habe nach der ersten Kontaktaufnahme am 11. September 1970 den Decknamen „Edgar” erhalten. Gleichzeitig habe der Kläger eine Schweigeverpflichtung unterschrieben. Es hätten fünf Treffen stattgefunden. Aus den Treffberichten gehe hervor, daß die Kontaktperson zwei Hinweise auf Personen und eine Personeneinschätzung gegeben habe, ohne daß Berichte in der Akte enthalten seien. Wegen der geringen Bereitschaft des Klägers zur Zusammenarbeit mit dem MfS seien von dort die Kontakte im Januar 1971 eingestellt worden.
Im Januar 1993 wurde der Kläger in einer persönlichen Anhörung auf eine „Diskrepanz zwischen seinen Angaben im Personalfragebogen und im Rücklauf der Gauck-Behörde” hingewiesen und ihm ein Aufhebungsvertrag angeboten. Der Kläger lehnte den angebotenen Aufhebungsvertrag ab und wies darauf hin, er habe den Personalfragebogen korrekt ausgefüllt, da er zu keinem Zeitpunkt für das MfS tätig gewesen sei und keine Verpflichtungserklärung abgegeben habe.
Der im Februar 1993 um Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung und vorsorglichen ordentlichen Kündigung gebetene Personalrat verweigerte die Zustimmung für beide Kündigungen. Der vom Beklagten angerufene Hauptpersonalrat teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 12. März 1993 mit, er habe beschlossen, in dem Einigungsverfahren betreffend die ordentliche Kündigung des Klägers die Einigungsstelle für Personalvertretungssachen nicht anzurufen.
Mit Schreiben des Bezirksamtes vom 26. Mai 1993, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen mangelnder persönlicher Eignung zum 31. Juli 1993. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus dem Bericht des Bundesbeauftragten gehe hervor, daß der Kläger für das MfS tätig gewesen sei. Dies habe der Kläger im Personalgespräch nicht glaubhaft widerlegen können. Seine Weiterbeschäftigung als Lehrer sei daher nicht mehr zumutbar und auch aufgrund mangelnder persönlicher Eignung nicht mehr möglich. Hierzu heißt es wörtlich:
„Sie waren
- durch Ihre langjährige Tätigkeit als hauptamtlicher Mitarbeiter der SED-Kreisleitung eng mit der SED verbunden und aktiver Träger des SED-Regimes, ja sogar ideologisch vermittelnd und mitprägend.
- Sie haben, wie aus dem Gesprächsprotokoll vom 29.08.1991 hervorgeht, Schüler zur Teilnahme an einer Veranstaltung in einer Kirche veranlaßt. Nach Abschluß dieser Veranstaltung mußten die Schüler über den Ablauf der Veranstaltung bzw. über den Inhalt der Diskussion berichten. Die Schüler wurden also für Spitzeldienste eingesetzt.
- In dem Personalgespräch am 25.01.1993 haben Sie kein Unrechtsbewußtsein gezeigt.
- In den von Ihnen ausgefüllten Personalfragebögen vom 05.01.1991 und 28.09.1991 finden sich keinerlei Hinweise auf Kontakte zum ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit.”
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Er sei nie für das MfS tätig gewesen und habe diesbezüglich auch keine Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit abgegeben. Auch der Gauck-Bericht belege lediglich einen erfolglosen Anwerbungsversuch. Er habe im Personalfragebogen zu Recht die Frage nach einer Tätigkeit für das frühere MfS und nach der Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit dem MfS verneint. Er habe den Schüler Wolfgang T. nicht zu konspirativer Tätigkeit gezwungen. Dieser sei FDJ-Sekretär der Klasse gewesen und habe im eigenen Interesse gehandelt. Seiner Delegierung in die SED-Kreisleitung Abteilung Volksbildung habe er folgen müssen. Seine ehrenamtliche Tätigkeit als Parteisekretär der Schule beruhe auf einer Wahl durch seine Kollegen, worin er einen Vertrauensbeweis gesehen habe. Im übrigen habe er darauf vertraut, daß die Sache für ihn erledigt gewesen sei, nachdem er im September 1991 vom Gymnasium an die Gesamtschule versetzt worden sei und am 7. April 1992 einen neuen Arbeitsvertrag erhalten habe. Schließlich sei die Kündigungsfrist nicht richtig berechnet worden, weil er bereits seit 1966 im Schuldienst beschäftigt gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26. Mai 1993 nicht aufgelöst worden sei, sondern über den 31. Juli 1993 hinaus fortbesteht.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die mangelnde persönliche Eignung ergebe sich bereits aus den vom Kläger ausgeübten Funktionen, die seine besondere Identifikation mit dem SED-Staat belegten. So sei der Kläger mehrere Jahre hauptamtlicher politischer Mitarbeiter der SED-Kreisleitung und vor und nach dieser Tätigkeit ehrenamtlicher Parteisekretär an seiner Schule gewesen. Als Parteisekretär habe er Schüler zu Spitzeldiensten angeworben. Angesichts dessen könne dahingestellt bleiben, ob auch die Auskunft der Gauck-Behörde die Kündigung rechtfertige. Der Kläger habe im Personalfragebogen seine Kontakte zum MfS nicht verschweigen dürfen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im wesentlichen unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 26. Mai 1993 aufgelöst worden, allerdings erst zum 31. Dezember 1993.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger sei für den Lehrerberuf persönlich nicht geeignet. Dies ergebe sich jedoch nicht bereits aus der Gauck-Auskunft. Danach habe es zwar zwischen dem Kläger und dem MfS Kontakttreffen gegeben. Der Kläger habe aber stets versucht, sich der Zusammenarbeit mit dem MfS zu entziehen. Der Beklagte habe nichts vorgetragen, das für die Annahme einer bewußten, finalen Mitarbeit für das MfS ausreiche. Daher habe der Kläger auch den Personalfragebogen nicht falsch ausgefüllt, da hier nur nach einer Tätigkeit für das frühere MfS und nicht nach Kontakten zum MfS gefragt worden sei. Auch die Frage nach der Abgabe einer Verpflichtungserklärung habe der Kläger verneinen dürfen. Die bloße Stillschweigeerklärung, die der Kläger abgegeben habe, sei keine Verpflichtungserklärung gewesen.
Die mangelnde persönliche Eignung ergebe sich aber aus dem beruflichen Werdegang des Klägers. Bereits die mehrjährige hauptamtliche Tätigkeit des Klägers als politischer Mitarbeiter in der SED-Kreisleitung begründe Zweifel an seiner persönlichen Eignung, die Grundwerte des Grundgesetzes als Lehrer glaubwürdig zu vermitteln. Dies gelte um so mehr, als der Kläger danach in seinem parteiorientierten Engagement keineswegs nachgelassen habe, sondern wie schon vor seiner hauptamtlichen Parteitätigkeit auch ab 1983 bis 1989 wiederum Sekretär der Schulparteiorganisation gewesen sei.
Das Kündigungsrecht sei nicht verwirkt. Zwar sei die Kündigung erst erhebliche Zeit nach der ersten Anhörung des Klägers erfolgt. Es fehle aber am Vertrauenstatbestand, auf den der Kläger sich habe einrichten können. Bei der Versetzung des Klägers im September 1991 sei ihm erklärt worden, daß weitere Schritte vorbehalten blieben. Auch der aktualisierte Arbeitsvertrag vom 7. April 1992 enthalte keinen Verzicht auf das Kündigungsrecht. Die Kündigungsentscheidung sei dann nach Auswertung der Gauck-Auskunft getroffen worden.
Die Beteiligung des Personalrats sei nicht zu beanstanden.
Die Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsschluß sei zutreffend berechnet. Sie ergebe sich aus § 55 AGB-DDR, auf den Abs. 4 EV verweise. Die Beschäftigungsdauer des Klägers im Schuldienst sei ab 1981 zu rechnen, da der Kläger nach seiner Rückkehr aus der SED-Kreisleitung einen neuen Arbeitsvertrag zum 1. August 1981 erhalten habe.
B. Diese Ausführungen halten im wesentlichen einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne dieser Bestimmung ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsgemäße Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2, 1 – Leitsatz 2 –).
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG; BAG Urteil vom 18. März 1993 – 8 AZR 356/92 – BAGE 72, 361, 364 f. = AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX zu B III 1, 2 der Gründe).
Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind, mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher – auch – eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber im übergeordneten staatlichen Interesse nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers in jedem Falle zunächst zu erproben (BAG Urteil vom 18. März 1993, a.a.O.). Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen (vgl. zum Beurteilungsspielraum BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 7 AZR 456/82 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a aa der Gründe; BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – BAGE 72, 176, 182 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu III der Gründe; BVerwG Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – AP Nr. 10 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen; BVerwG Urteil vom 28. November 1980 – 2 C 24.78 – AP Nr. 12 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Entlassung eines Beamten auf Probe), denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen, nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist.
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht zu Recht eine mangelnde persönliche Eignung des Klägers für den Lehrerberuf nach Abs. 4 Ziff. 1 EV angenommen.
a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht aus der vom Kläger wiederholt ausgeübten Funktion des Parteisekretärs seiner Schule und aus der mehrjährigen hauptamtlichen Tätigkeit des Klägers als politischer Mitarbeiter in der Kreisleitung der SED auf seine besondere Identifikation mit dem SED-Staat geschlossen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts diente die hauptamtliche Parteitätigkeit des Klägers im Bereich der Volksbildung der Umsetzung der Parteilinie an den Schulen des Stadtbezirks. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 18. März 1993 (– 8 AZR 356/92 – BAGE 72, 361 = AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX) entschieden hat, erweckt es Zweifel, ob ein Lehrer die Grundwerte der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland glaubwürdig vermitteln kann, wenn er über einen längeren Zeitraum hauptamtlich ein Parteiamt der SED innehatte, das mit Leitungs-, Kontroll- und Aufsichtsfunktionen verbunden war. Im Streitfall kommt hinzu, daß der Kläger vor seiner vierjährigen hauptamtlichen Parteitätigkeit bereits von 1970 bis 1977 ehrenamtlicher Parteisekretär seiner Schule und nach seiner Delegierung zur SED-Kreisleitung wiederum von 1983 bis 1989 Sekretär der Schulparteileitung war. Bereits diese wiederholt ausgeübte ehrenamtliche Parteisekretärstätigkeit indiziert seine besondere Identifikation mit dem SED-Staat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
b) Die Revision kann sich nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26. September 1995 (– 7/1994/454/535 – AuR 1995, 471) zum „Radikalenerlaßberufen. Danach verstößt die Entlassung eines Lehrers aus dem Öffentlichen Dienst lediglich wegen aktiver Mitgliedschaft in der DKP gegen die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten Rechte der Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Diesen Grundsätzen folgt auch die Rechtsprechung des Senats. Die Kündigung eines Lehrers wegen persönlicher Nichteignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV knüpft nicht an die Parteimitgliedschaft oder an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründeten Zweifel, ob er zukünftig für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. Solche Zweifel werden nicht durch eine langjährige aktive Mitgliedschaft in der SED begründet. Sie bestehen aber bei einer langjährigen Tätigkeit als Parteisekretär, dessen Aufgabe die ideologische Umsetzung der Ziele der SED in der Schule war.
c) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe die sich aus den ausgeübten Funktionen ergebende Indizwirkung nicht entkräftet. Der Kläger hat keine Umstände dargelegt, die geeignet wären, seine besondere Identifikation mit dem SED-Staat und die daraus noch im Kündigungszeitpunkt zu folgernde Ungeeignetheit mit dem Lehrerberuf zu entkräften. Die Anstiftung eines Schülers zu Spitzeldiensten bei einer kirchlichen Veranstaltung, die der Kläger als Parteisekretär geleistet hat, verstärkt vielmehr die Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers für den Lehrerberuf. Ob der Kläger darüberhinaus unter dem Decknamen „Edgar” für das MfS tätig gewesen oder ob von einem erfolglosen Anwerbungsversuch des MfS auszugehen ist, kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.
3. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, daß das Kündigungsrecht des Beklagten nicht verwirkt sei. Der Kläger konnte nicht darauf vertrauen, daß ihm nicht mehr gekündigt werde. Bei der Versetzung im September 1991 war er ausdrücklich auf weitere mögliche Schritte hingewiesen worden. Der Arbeitsvertrag vom 7. April 1992 hat das bestehende Arbeitsverhältnis lediglich aktualisiert, insbesondere die Eingruppierung und die Anwendung des BAT-Ost festgelegt. Der Kläger mußte damit rechnen, daß über ihn noch eine Auskunft bei der Gauck-Behörde eingeholt werde, zumal er bei den vorangegangenen Anhörungen ausführlich über Spitzeldienste befragt und er selbst den Vorfall mit dem Schüler Wolfgang T. eingeräumt hatte. Auch wenn die Gauck-Auskunft keinen eindeutigen Nachweis für eine aktive Mitarbeit des Klägers für das MfS erbrachte, konnten die bekannt gewordenen mehrfachen Kontaktgespräche des Klägers mit dem MfS doch Anlaß für den Beklagten bieten, gestützt auf den gesamten, bereits bekannten Sachverhalt die ordentliche Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung auszusprechen.
4. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Kündigung nicht aus personalvertretungsrechtlichen Gründen als unwirksam angesehen. Die nach § 79 Abs. 1, § 87 Ziff. 9 PersVG Berlin erforderliche Zustimmung des Personalrats liegt vor, weil nach Verweigerung der Zustimmung durch den Personalrat der vom Beklagten angerufene Hauptpersonalrat entschieden hat, hinsichtlich der ordentlichen Kündigung nicht gemäß § 81 Abs. 1 PersVG Berlin die Einigungsstelle anzurufen.
Die Zustimmungsfiktion scheitert entgegen der Ansicht der Revision nicht an der mangelnden Unterrichtung des Personalrats. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war dem Personalrat der Entwurf des Kündigungsschreibens beigelegt worden. Soweit der Kläger beanstandet, der Entwurf des Kündigungsschreibens habe ebenso wie das endgültige Kündigungsschreiben keinerlei Angaben über die Sozialdaten des Klägers einschließlich seines beruflichen Werdegangs enthalten, greift dies nicht durch. Der Personalrat wurde über die für die Kündigung maßgeblichen Gründe ausreichend unterrichtet.
5. Die Kündigung ist allerdings erst zum 31. Dezember 1993 wirksam. Für ordentliche Kündigungen nach Abs. 4 EV, die nach dem 2. Oktober 1992 ausgesprochen wurden, gelten nicht die in § 53 Abs. 3 BAT-O i.V.m. Abs. 4 EV und § 55 AGB-DDR bestimmten Kündigungsfristen, sondern die günstigeren Kündigungsfristen nach § 53 Abs. 2 BAT-O. Die Verweisung in § 53 Abs. 3 BAT-O ist nicht dynamisch. Sie bezieht sich auf den Einigungsvertrag in seiner ursprünglichen Fassung, nicht aber auf den Einigungsvertrag in der Fassung des Verlängerungsgesetzes (BAG Urteil vom 26. Mai 1994 – 6 AZR 27/94 –, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Die Beschäftigungszeit nach § 53 Abs. 2 BAT-O ist für den Kläger ab seinem Eintritt in den Schuldienst im Jahre 1966 zu berechnen. Zu Unrecht rechnet das Landesarbeitsgericht erst die Zeit ab Rückkehr des Klägers in den Schuldienst im Jahre 1981. Der Kläger war 1977 in die Kreisleitung der SED delegiert worden, wobei ausdrücklich festgelegt war, daß während der Delegierung dem Kläger die Rechte als Lehrer erhalten bleiben.
Damit bestand das Arbeitsverhältnis des Klägers im Zeitpunkt der Kündigung mehr als 12 Jahre, so daß die Kündigungsfrist gemäß § 53 Abs. 2 BAT-O sechs Monate zum Schluß eines Kalendervierteljahres beträgt. Die dem Kläger am 26. Mai 1993 zugegangene Kündigung wurde somit erst zum 31. Dezember 1993 wirksam.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 2 ZPO.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, R. Iskra, Harnack
Fundstellen