Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermächtnis an Altenpflegerin im öffentlichen Dienst
Leitsatz (redaktionell)
1. Vermächtnisse sind Belohnungen im Sinne des § 10 BAT und dürfen daher von einem Angestellten des öffentlichen Dienstes nur mit Zustimmung seines Arbeitgebers angenommen werden, wenn sie sich auf die dienstliche Tätigkeit beziehen.
2. Die Entscheidung des Arbeitgebers muß nach billigem Ermessen getroffen werden.
3. Es widerspricht nicht der Billigkeit, wenn dem Pflegepersonal eines Altenheimes grundsätzlich nicht gestattet wird, Vermächtnisse von Heiminsassen anzunehmen.
Normenkette
BAT § 10; BGB § 315; HeimG § 14; ZPO § 91a
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 14.08.1981; Aktenzeichen 10 Sa 42/81) |
ArbG Stade (Entscheidung vom 02.02.1981; Aktenzeichen 1 Ca 1316/80) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Annahme eines Vermächtnisses durch die Klägerin zuzustimmen.
Die Klägerin war bei der Beklagten in deren Alten- und Pflegeheim "Haus am S " in O als Altenpflegerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete während des Revisionsverfahrens. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien ist der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) anzuwenden.
Zu den Aufgaben der Klägerin gehörte die Betreuung der am 12. Juli 1979 verstorbenen Heiminsassin M G. Diese hat am 9. Oktober 1968 ein notarielles Testament errichtet und darin für die Pflegerinnen, die sie in den letzten sechs Monaten ihres Lebens versorgen und pflegen sollten, ein Vermächtnis in Gestalt eines Geldbetrages bestimmt. Die Vermächtnissumme beläuft sich auf rund 38.300,-- DM. An der Pflege der Erblasserin waren insgesamt 16 Pflegerinnen des Altenheimes beteiligt, so daß rechnerisch auf jede von ihnen ein Betrag von rund 2.400,-- DM entfällt. Ebenso wie die anderen Pflegerinnen erfuhr die Klägerin von der Vermächtniseinsetzung erst nach der Testamentseröffnung.
Die Beklagte hat den Pflegerinnen die Zustimmung zur Annahme des Vermächtnisses mit Schreiben vom 29. September 1980 verweigert und zur Begründung angeführt, es könne sonst in der Bevölkerung der Eindruck aufkommen, die Pflegerinnen des Altenheimes seien im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit für persönliche Vorteile empfänglich. Weiter könnten die ohnehin in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis stehenden Heiminsassen angeregt werden, letztwillige Verfügungen zugunsten des Pflegepersonals zu treffen. Diesen Bescheid hält die Klägerin nicht für rechtens.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte könne sich zur Begründung ihres Bescheides nicht auf § 10 BAT berufen. Diese Bestimmung spreche lediglich von Belohnungen und Geschenken in bezug auf die dienstliche Tätigkeit des Angestellten. Erbeinsetzungen und Vermächtnisse würden dagegen von dieser Vorschrift nicht erfaßt. Zudem habe Frau G das Testament im Jahre 1968 zu einer Zeit errichtet, als das Alten- und Pflegeheim der Beklagten in seiner jetzigen Form noch gar nicht vorhanden gewesen sei. Auch eine persönliche Verbindung zwischen Frau G und der Klägerin habe nicht bestanden. Einen Vorteil oder irgendeine Bevorzugung habe die Heiminsassin durch die Vermächtnisaussetzung nicht erlangen können, weil die Pflegerinnen von dem Testament keine Kenntnis gehabt hätten.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr die Zustim-
mung zur Annahme der ihr mit Testament der
Lehrerin M G in O
vom 9. Oktober 1968 - UR-Rolle 620/68 des
Notars H W in O - verfüg-
ten Zuwendungen ohne Auflagen zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, das Zustimmungserfordernis nach § 10 BAT erstrecke sich auch auf testamentarische Zuwendungen. Bei der Anwendung der Bestimmung müsse gerade bei der Altenpflege darauf geachtet werden, daß in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen könne, durch zusätzliche Geldleistungen an das Pflegepersonal sei eine bessere oder intensivere Pflege zu erreichen. Auch der Umstand, daß die Klägerin von der Testamentserrichtung keine Kenntnis gehabt habe, könne das Entstehen eines derartigen Eindruckes bei einzelnen Heiminsassen oder allgemein in der Öffentlichkeit nicht verhindern.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt. In der mündlichen Revisionsverhandlung hat die Klägerin weiter beantragt, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Die Beklagte hat beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der Erledigungserklärung hat sie widersprochen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Die Entgegennahme der anteiligen Vermächtnissumme durch die Klägerin bedurfte der Zustimmung durch die Beklagte.
Nach § 10 Abs. 1 BAT darf der Angestellte Belohnungen oder Geschenke in bezug auf seine dienstliche Tätigkeit nur mit Zustimmung des Arbeitgebers annehmen. Die Vorschrift stimmt inhaltlich mit § 70 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) überein, wonach der Beamte Belohnungen oder Geschenke in bezug auf sein Amt nur mit Zustimmung der Dienstbehörde annehmen darf. Geschenk ist jede freiwillige, unentgeltliche Zuwendung, die einen Vermögenswert besitzt, also den Empfänger bereichert, ohne daß von ihm eine Gegenleistung erwartet wird (BDHE 5, 57, 58; Fürst/Finger/Mühl/-Niedermaier, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, GKÖD, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil 1, Allgemeines Beamtenrecht, § 70 Rz 3). Nicht zu den Geschenken oder Belohnungen zählen lediglich kleine Aufmerksamkeiten (statt vieler GKÖD, aa0, § 70 Rz 8). Das Verbot des § 10 BAT, Belohnungen oder Geschenke ohne Zustimmung des Arbeitgebers anzunehmen, gilt auch für die Begünstigung durch letztwillige Verfügungen. Das Tatbestandsmerkmal "Belohnungen oder Geschenke" ist denkbar weit gefaßt und das Tatbestandsmerkmal "annehmen" ist nicht rechtstechnisch im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Annahmeerklärung zu verstehen.
Auch Sinn und Zweck des § 10 BAT lassen eine einschränkende Auslegung nicht zu, wonach letztwillige Verfügungen von dem Genehmigungsvorbehalt ausgenommen wären. Sinn und Zweck der Bestimmung (wie auch des § 70 BBG) liegen darin, eine saubere und unbestechliche Diensterfüllung zu gewährleisten (vgl. statt vieler Breier/Kiefer/Uttlinger, BAT, § 10, Erl. 1, Stand 1. Mai 1982; ferner GKÖD, § 70 Rz 1). Das bedeutet zweierlei: Erstens sollen Bürger nicht veranlaßt werden, zusätzliche Leistungen für Dienste aufzubringen, auf die sie einen Rechtsanspruch haben. Weiter sollen Bürger, die solche zusätzlichen Leistungen nicht aufbringen können, keinen Grund zu der Befürchtung haben, benachteiligt zu werden. Beide Regelungsziele lassen sich nur erreichen, wenn Belohnungen und Geschenke jeder Art unterbleiben, gleichgültig, in welcher Form sie versprochen werden und ob sie den Angestellten des öffentlichen Dienstes schon zu Lebzeiten oder erst nach dem Tode des Versprechenden zufließen.
§ 10 BAT verlangt auch nicht ein Zusammenwirken zwischen dem Belohnenden und dem Belohnten. Läge ein solches Zusammenwirken vor, wären möglicherweise sogar Straftatbestände erfüllt. Nach § 14 Abs. 2 des Gesetzes über Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige (Heimgesetz - HeimG) vom 7. August 1974 (BGBl I, 1873) ist es dem Leiter, den Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeitern der Einrichtung untersagt, sich für zu erbringende Leistungen Vermögensvorteile versprechen oder gewähren zu lassen, soweit es sich nicht um geringwertige Aufmerksamkeiten handelt. Das Tatbestandsmerkmal "Sich-gewähren-lassen" ist erfüllt, wenn das Eintreten des Vermögensvorteils auf einem Einvernehmen zwischen dem Geber und dem Bedachten beruht (vgl. KG Beschluß vom 29. Oktober 1979 - AR (B) 103/79 - 2 Ws (B) 121/79/330 OWi 537/78, zu II 2 b der Gründe). Demgegenüber wollen die Regelung des § 10 BAT und des § 70 BBG nicht erst bei einem Zusammenwirken zwischen dem Geber und dem Belohnten eingreifen; ihr Regelungsziel setzt vielmehr schon früher ein: es soll bereits der böse Anschein vermieden werden.
2. Die Beklagte hat die Zustimmung zur Entgegennahme der Vermächtnissumme in rechtlich nicht zu beanstandender Weise versagt.
Die Entscheidung darüber, ob die Zustimmung erteilt werden kann oder ob sie verweigert werden muß, hat der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nach billigem Ermessen zu treffen (§ 315 Abs. 1 BGB). Zustimmung wie Ablehnung sind rechtsgeschäftliche Erklärungen des Arbeitgebers, die den Inhalt des Arbeitsverhältnisses einseitig gestalten. Die Bestimmung muß daher billigem Ermessen entsprechen. Das ist dann der Fall, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen berücksichtigt werden (vgl. BAG Urteil vom 28. September 1977 - 4 AZR 743/76 - AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk, Bl. 3, m.w.N.). Ob das geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Die Beklagte hat ihre Entscheidung nach billigem Ermessen getroffen. Sie hat das Interesse der Klägerin berücksichtigt, den Vermögenswert des auf sie entfallenden anteiligen Vermächtnisses zu erhalten. Dennoch durfte sie die Zustimmung versagen. Die Beklagte mußte nämlich weiter die besonderen Bedingungen berücksichtigen, die in einem Pflegeheim herrschen. Die Abhängigkeit der Pflegebedürftigen ist so groß, daß der Gesetzgeber sogar eine besondere Strafvorschrift (§ 17 Abs. 1 Nr. 6 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 HeimG) für erforderlich hielt. Zwar sind die Voraussetzungen der genannten Strafvorschrift vorliegend nicht gegeben, weil es an einem Einvernehmen zwischen der Erblasserin und der Klägerin gefehlt hat. Andererseits aber macht die Strafbestimmung die Notwendigkeit strenger Maßstäbe deutlich. Ausnahmegenehmigungen können nur besonders zurückhaltend erteilt werden.
Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, daß die Gefahr der Beeinflussung im vorliegenden Fall fern gelegen hat, weil die Erblasserin schon geraume Zeit vor ihrem Tode und mit Hilfe eines Notars ein emotionsfreies und auf keine konkrete Pflegerin bezogenes Testament errichtet hat. Aber die Beklagte weist mit Recht darauf hin, daß nicht nur der Einzelfall, sondern auch seine Auswirkungen berücksichtigt werden müssen. Heiminsassen sind davor zu schützen, daß ihnen letztwillige Begünstigungen "nahegelegt" werden. Ebenso wichtig ist aber auch der Schutz derjenigen Heiminsassen, die sich benachteiligt fühlen könnten, weil sie wegen ihrer Vermögenslosigkeit als Erblasser nicht in Betracht kommen. Zudem darf auch außerhalb des eigentlichen Heimbereiches nicht der Verdacht aufkommen, man könne in einem bestimmten Heim durch Zuwendungen besondere Leistungen erreichen oder auch nur erleichtern. Gegenüber diesen Gesichtspunkten muß das Interesse der Klägerin an der ihr zugedachten Geldzuwendung zurücktreten.
3. Entgegen der Annahme der Klägerin ist die Hauptsache nicht erledigt.
Allerdings hat die Klägerin nach Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz das Interesse an der Zustimmung der Beklagten verloren, weil sie aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden ist und den vermachten Geldbetrag deshalb annehmen durfte, ohne ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zu verletzen (vgl. insoweit Crisolli/Tiedtke/Ramdohr, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Stand August 1984, § 10 Rz 6; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese/Fohrmann/Jeske, BAT, Stand August 1982, § 10 Rz 3). Dennoch durfte die Beklagte darauf bestehen, daß das klageabweisende Urteil des Berufungsgerichts aufrecht erhalten blieb, weil die Klage von Anfang an unbegründet war. Eine Erledigung der Hauptsache setzt nämlich voraus, daß die Klage nicht von vornherein unbegründet war, weil sich nur ein sachlich begründeter Anspruch nach Rechtshängigkeit erledigen kann (BAG 19, 342, 347 = AP Nr. 13 zu § 91 a ZPO, Bl. 2 R). Selbst wenn man ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an einer Sachentscheidung verlangen wollte (BAG 11, 251 = AP Nr. 10 zu § 91 a ZPO), wäre dieses hier zu bejahen. Denn die Beklagte muß wissen, ob sie im Fall der übrigen beteiligten Pflegerinnen die Zustimmung zur Annahme des Vermächtnisses verweigern darf oder ob sie zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet ist.
Dr. Dieterich Dr. Gehring Schaub
Kahleyss Wieder
Fundstellen
BAGE 45, 325-330 (LT1-3) |
BAGE, 325 |
NVwZ 1985, 142-143 (LT1-3) |
ARST 1985, 19-19 (LT1-3) |
BlStSozArbR 1985, 88-88 (T) |
AP § 10 BAT (LT1-3), Nr 1 |
AR-Blattei, Öffentlicher Dienst Entsch 283 (LT1-3) |
DÖD 1984, 290-291 (LT1-3) |
EzBAT § 10 BAT, Nr 1 (LT1-3) |
MDR 1985, 169-169 (LT1-3) |
RiA 1985, 4-5 (T) |
ZfA 1985, 552-552 (T) |