Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßführungsbefugnis der Bundesrepublik Deutschland
Normenkette
NATO-Truppenstatut Art. I Abs. 1; Nato-Truppenstatut Art. IX Abs. 4; Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut Art. 56 Abs. 8, Art. 71 Abs. 1, 4, 6d
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 03.08.1989; Aktenzeichen 9/11 Sa 971/88) |
ArbG Hanau (Urteil vom 29.06.1988; Aktenzeichen 2 Ca 209/88) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. August 1989 – 9/11 Sa 971/88 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um Arbeitsvergütung und vorab über die Prozeßführungsbefugnis der beklagten Bundesrepublik Deutschland für das C. T. C. O.
Der Kläger ist amerikanischer Staatsbürger und hat nach seiner Entlassung aus der US-Armee seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er war seit Juni 1986 für das C. T. C. als Fahrlehrer tätig und hat US-Soldaten unterrichtet.
Das C. T. C. ist aufgrund einer sog. Note Verbale vom 9. Februar 1973 zwischen der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika und dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland als nichtdeutsche rechtlich selbständige Organisation nichtwirtschaftlichen Charakters im Sinne von Art. 71 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) anerkannt.
Die Beschäftigung des Klägers erfolgte aufgrund jeweils befristeter Verträge. Am 10. August 1987 haben die Parteien zuletzt ein sog. „Part-Time Teaching Agreement” für die Zeit vom 10. bis zum 14. August 1987 abgeschlossen. Der Kläger hat danach einen Amtseid (Oath of Office) abgelegt, wonach er geschworen hat, die Verfassung und Gesetze der Vereinigten Staaten von Amerika und des Staates T. zu wahren.
Der Kläger beansprucht Vergütung für die Zeit vom 14. August 1987 bis zum 28. September 1987 in Höhe von 3.433,80 US-Dollar nebst 4 % Zinsen hierauf seit dem 18. April 1988 und hat deswegen zunächst das C. T. C. O. selbst verklagt.
In der Vorinstanz hat der Kläger auf entsprechenden Hinweis des Gerichts die Klage dann gegen die Bundesrepublik Deutschland als Prozeßstandschafterin für das C. T. C. gerichtet. Es hat dem Beklagtenwechsel zugestimmt; die Bundesrepublik Deutschland hat jedoch ihre Zustimmung verweigert.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Weigerung der Beklagten sei rechtsmißbräuchlich. Die neue Beklagte könne ohnehin nur das vortragen, was die ursprüngliche Beklagte bereits vorgebracht habe. Er hält die deutsche Gerichtsbarkeit für gegeben und macht geltend, das C. T. C. habe ihn zu Unrecht nicht weiterbeschäftigt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.433,80 US-Dollar nebst 4 % Zinsen seit dem 18. April 1988 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hält ihren Widerspruch gegen den Beklagtenwechsel für sachlich begründet und nicht rechtsmißbräuchlich. Der Kläger sei nicht aufgrund eines Arbeitsvertrages eingestellt worden, aus dem sie als Prozeßstandschafterin in Anspruch genommen werden könne. Das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem C. T. C. sei nach eigenem Dienstrecht des Entsendestaates begründet worden. Für Streitigkeiten daraus bestehe aber keine Prozeßstandschaft.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Klage ist unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat den Beklagtenwechsel zu Recht als wirksam angesehen, jedoch die Prozeßführungsbefugnis der Beklagten zutreffend verneint.
I. Das Landesarbeitsgericht halt den Beklagtenwechsel zu Recht für zulässig. Dafür ist grundsätzlich die Zustimmung des ausscheidenden sowie des in der Berufungsinstanz neu in den Rechtsstreit einbezogenen Beklagten erforderlich, weil ihm eine Tatsacheninstanz genommen wird (BGHZ 71, 217; BGH Urteil vom 26. Februar 1987 – VII ZR 58/86 – NJW 1987, 1946, 1947, m.w.N.). Die beklagte Bundesrepublik Deutschland hat ihre Zustimmung aber rechtsmißbräuchlich versagt, wie die Vorinstanz zu Recht erkannt hat. Der Beklagten geht keine Tatsacheninstanz verloren, weil die Parteien vor dem Arbeitsgericht zunächst nur über eine Rechtsfrage, nämlich die Inanspruchnahme der deutschen Gerichtsbarkeit, gestritten haben. Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und ist gar nicht in den Streit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgedrungen. Es kommt hinzu, daß die Beklagte sich in der Sache nicht anders hätte verteidigen können als das von ihr in Prozeßstandschaft vertretene C. T. C. Sie kann dem materiellen Begehren des Klägers keine eigenen Einwendungen entgegenhalten, außer solchen, die aus dem Verhalten des C. T. C. herrühren.
II. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage gegen die neue Beklagte zu Recht als unzulässig abgewiesen.
1. Die Vorinstanz hat angenommen, die Beklagte habe keine Prozeßführungsbefugnis für den Rechtsstreit, da die Voraussetzungen des Art. 56 Abs. 8 ZA-NTS vorliegend nicht erfüllt seien. Die Prozeßführungsbefugnis der Beklagten bestehe nur für die sog. örtlichen Arbeitskräfte im Sinne von Art. IX Abs. 4 NTS, nicht hingegen für das die Truppe begleitende Zivilpersonal. Zwar habe der Kläger kein Dienstverhältnis zum Entsendestaat selbst gehabt, sondern sei von einer rechtlich selbständigen, nichtwirtschaftlichen Organisation zur Betreuung der US-Soldaten beschäftigt worden. Im Verhältnis zu dieser Organisation seien aber dieselben Abgrenzungsmerkmale heranzuziehen, die für ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Entsendestaat selbst gelten und vorliegend zum Ausschluß der deutschen Gerichtsbarkeit führen. Dafür sei entscheidend, daß nach den Vereinbarungen mit dem Kläger deutsches Arbeitsrecht keine Anwendung finden sollte und die Einstellung nicht als örtliche Arbeitskraft nach Art. IX Abs. 4 NTS erfolgt sei. Das ergebe sich insbesondere daraus, daß der Kläger auf die Verfassung der Vereinigten Staaten und des Staates T. vereidigt worden sei.
2. Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist beizupflichten.
a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen ist gegeben. Sie regelt sich mangels besonderer Vorschriften nach den Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit und folgt vorliegend daraus, daß die frühere Beschäftigungseinheit des Klägers ihren Sitz in H., also im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, hat (vgl. Senatsurteil vom 27. Juli 1988 – 5 AZR 611/86 –, zu II 1 der Gründe, nicht veröffentlicht).
b) Nach Art. 56 Abs. 8 in Verb. mit Abs. 1 ZA-NTS beschränkt sich die Prozeßführungsbefugnis der Bundesrepublik Deutschland auf Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis von zivilen Arbeitskräften bei einer Truppe oder einem zivilen Gefolge. Dagegen besteht sie nicht bei Streitigkeiten, welche das die Truppe einer Vertragspartei begleitende Zivilpersonal im Sinne des Art. 1 Abs. 1 b NTS betreffen. Der Kläger gehört jedoch zu dem zivilen Begleitpersonal im Sinne der eben genannten Vorschrift.
Das ergibt sich zwar noch nicht aus der unmittelbaren Anwendung des Art. 71 Abs. 1 ZA-NTS, wonach die genannten nichtdeutschen Organisationen nichtwirtschaftlichen Charakters ausdrücklich „wie Bestandteile der Truppe angesehen und behandelt” werden. Für sie gilt das gesamte NATO-Truppenstatut und das Zusatzabkommen in gleicher Weise, wie es für die Truppe selbst gilt. Die weiteren nichtdeutschen Organisationen nichtwirtschaftlichen Charakters nach Art. 71 Abs. 2 ZA werden zwar nicht wie Bestandteile der Truppe angesehen und behandelt, für diese wird jedoch bestimmt, daß sie alle zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Vergünstigungen und Befreiungen genießen (BAGE 46, 107, 114 = AP Nr. 1 zu Art. 72 ZA-NATO-Truppenstatut, zu III 3 a der Gründe).
c) Der Kläger verweist zu Recht darauf, daß er nicht dem Personenkreis der in Art. 71 Abs. 4 ZA-NTS genannten Organisationen unterliegt. Danach können andere nichtdeutsche Organisationen nichtwirtschaftlichen Charakters den in dem auf Art. 71 Bezug nehmenden Abschnitt des Unterzeichnungsprotokolls (Abs. 2 oder 3) aufgeführten Organisationen gleichgestellt werden. Das ist mit dem C. T. C. durch Note Verbale vom 9. Februar 1973 zwischen der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika und dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland unstreitig geschehen. Allerdings wird der Kläger von dieser Regelung nicht erfaßt, weil er nach Art. 71 Abs. 6 d ZA-NTS seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hat. Damit verliert er aber nur die im NTS und seinen ZA vorgesehenen Befreiungen und Vergünstigungen, weil er wegen seines gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland von der Begriffsbestimmung des Art. I Abs. 1 b NTS nicht erfaßt wird. Daraus ergibt sich aber andererseits nichts für die Frage der deutschen Gerichtsbarkeit und damit der Prozeßführungsbefugnis der Bundesrepublik Deutschland für Streitigkeiten aus dem Beschäftigungsverhältnis dieses Personenkreises (BAG Urteil vom 30. November 1984 – 7 AZR 499/83 – AP Nr. 6 zu Art. 56 ZA-NATO-Truppenstatut, zu III 1 der Gründe). Das Vertragswerk schließt es nicht aus, daß der Entsendestaat auch einen eigenen Staatsangehörigen, der im Aufnahmestaat schon lange seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, als Zivilbediensteten auf einen Dienstposten einstellt, für dessen Inhaber nicht in Frage steht, daß er zu dem die Truppe begleitenden Zivilpersonal gehört (BAGE 48, 81, 93 = AP Nr. 1 zu Art. I NATO-Truppenstatut, zu III 3 b der Gründe). Solche Bediensteten mögen dann zwar nicht den Status eines Mitglieds des zivilen Gefolges erlangen, andererseits gehören sie aber damit nicht zwangsläufig zu den örtlichen Arbeitskräften im Sinne von Art. IX Abs. 4 NTS (BAGE 48, 81, 93 = AP, a.a.O.).
d) Die Entscheidung darüber, ob ein Arbeitnehmer zu den örtlichen Arbeitskräften im Sinne von Art. IX Abs. 4 NTS oder zu dem nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfenen zivilen Begleitpersonal im Sinne von Art. I Abs. 1 b NTS gehören soll, trifft der Entsendestaat kraft seiner Hoheitsbefugnis mit völkerrechtlich bindender Wirkung (BAGE 48, 81, 92 = AP, a.a.O., zu III 3 a der Gründe). Selbst wenn der Entsendestaat und seine Organe von seiner Organisationsgewalt einen vertragswidrigen Gebrauch macht, unterliegt die Würdigung eines solchen Vertragsverstoßes nicht der deutschen Gerichtsbarkeit (BAGE 48, 81, 94 = AP, a.a.O., zu III 3 c der Gründe).
e) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger nicht als örtliche Arbeitskraft nach Art. IX Abs. 4 NTS eingestellt worden ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanz, die von der Revision nicht mit Verfahrensrügen im Sinne des § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO angegriffen worden sind und daher für den Senat nach § 561 Abs. 2 ZPO bindend sind, hat der Kläger mit seiner Arbeitgeberin die Anwendung deutschen Arbeitsrechts ausgeschlossen. Der Kläger hat eine Aufgabe in der Betreuung der US-Soldaten erfüllt und war dadurch zwangsläufig in das Gefüge der Truppe eingebunden. Diese enge Verzahnung mit der Truppe selbst ergibt sich auch daraus, daß der Kläger einen Amtseid geleistet hat, nach dem er gelobt hat, die Pflichten des Staates T. getreulich auszuüben und nach besten Kräften die Verfassung und die Gesetze der Vereinigten Staaten von Amerika und des Staates T. zu bewahren, zu schützen und zu verteidigen. Der Kläger hat darüber hinaus in diesem Rechtsstreit einen Ausweis vorgelegt, der ihn als Mitglied des zivilen Gefolges der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten US-Streitkräfte legitimierte. Alle diese Umstände machen deutlich, daß der Kläger nach der Entscheidung seiner Einstellungsbehörde zu dem zivilen Begleitpersonal im Sinne des Art. I Abs. 1 b NTS gehören sollte. Dann kann er aber nicht gleichzeitig, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, der Gruppe der örtlichen Arbeitskräfte im Sinne des Art. IX Abs. 4 NTS zugerechnet werden.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert. Dr. Thomas, Dr. Olderog, Dr. Florack, Buschmann
Fundstellen