Entscheidungsstichwort (Thema)

Reisezeiten eines Personalratsmitglieds

 

Leitsatz (redaktionell)

Personalratsmitglieder haben für Reisezeiten auch insoweit keinen Anspruch auf Freizeitausgleich als die Reisezeiten über ihre regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen (im Anschluß an BAG Urteil vom 22. Mai 1986 – 6 AZR 526/83 – AP Nr. 8 zu § 46 BPersVG).

 

Normenkette

BPersVG § 46 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 25.10.1989; Aktenzeichen 7 Sa 446/89)

ArbG München (Urteil vom 26.04.1989; Aktenzeichen 31 b Ca 1/89 W)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 25. Oktober 1989 – 7 Sa 446/89 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt Freizeitausgleich für Reisezeiten, die er in seiner Eigenschaft als Mitglied des Bezirks- und Hauptpersonalrats außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit erbracht haben will.

Der in W. wohnhafte Kläger ist im Warnamt in K., einer Dienststelle des Bundesamtes für Zivilschutz, als Einsatzleiter im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Er ist Mitglied des Bezirks- sowie des Hauptpersonalrats, die ihren Sitz in Bonn haben. Die Sitzungen des Bezirkspersonalrats finden in der Regel einmal monatlich am Dienstag und Mittwoch statt. Der Kläger reist am Montag von seinem Wohnort aus an und fährt am Donnerstag zu seinem Wohnort zurück. Die einfache Fahrzeit beträgt bei Benutzung der Bundesbahn acht Stunden. Die Sitzungen des Hauptpersonalrats finden ebenfalls einmal monatlich an zwei Tagen (in der Regel mittwochs und donnerstags) statt; auch hier sind die Tage vor und nach der Sitzung die Reisetage des Klägers.

Im streitgegenständlichen Zeitraum vom 29. November 1974 bis zum 25. August 1977 war der Kläger im Schichtdienst tätig. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten hatte der Kläger eine regelmäßige Arbeitszeit von wöchentlich 42,5 Stunden. Sie war nach dem Schichtplan im Turnus von jeweils sechs Tagen wie folgt verteilt:

1. Tag:

12.00 Uhr bis 20.00 Uhr

2. Tag:

7.30 Uhr bis 16.15 Uhr (einschließlich 30 Minuten Mittagspause)

3. Tag:

7.30 Uhr bis 13.30 Uhr (einschließlich 30 Minuten Mittagspause) und 19.45 Uhr bis 24.00 Uhr

4. Tag:

0.00 Uhr bis 7.45 Uhr

5. und 6. Tag:

dienstfrei

Der Turnus des Schichtplans von sechs Tagen hatte zur Folge, daß der An- bzw. Abreisetag des Klägers anläßlich der Bezirks- bzw. Hauptpersonalratssitzung häufig auf einen arbeitsfreien Tag des Klägers fiel. Auf der Grundlage der nach mehreren Modifizierungen zuletzt aufgestellten, von der Beklagten aber weiterhin bestrittenen Behauptungen des Klägers war dies an insgesamt 29 Tagen im Gesamtumfang von 231 Stunden der Fall. Hierfür verlangt der Kläger von der Beklagten unter Berufung auf § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG Freizeitausgleich.

Nachdem der Kläger am 16. Dezember 1977 zunächst das Verwaltungsgericht München angerufen und dieses durch Beschluß vom 21. Dezember 1981 die Sache an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen hatte, erklärte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluß vom 12. April 1984 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies das Verfahren an das Arbeitsgericht München, das mit Urteil vom 26. April 1989 die Klage abgewiesen hat.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger beantragt:

  1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München – Kammer Weilheim – vom 26. April 1989 – 31 b Ca 1/89 W – wird aufgehoben.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die in der Zeit vom 29. Januar 1977 bis 25. August 1977 aus Anlaß der Teilnahme an Sitzungen des Bezirkspersonalrates und Hauptpersonalrates aufgewendeten Reisezeiten im Umfange von 231 Stunden bezahlte Dienstbefreiung zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, Reisezeiten fielen nicht unter § 46 Abs. 2 BPersVG. Im übrigen bestreitet sie die Richtigkeit der Angaben des Klägers hinsichtlich zahlreicher vom Kläger behaupteter Reisetage sowie hinsichtlich des vom Kläger behaupteten Beginns der Bezirks- bzw. Hauptpersonalratssitzungen. Überhaupt beanstandet sie das Fehlen von Angaben des Klägers über seine Beanspruchung durch Sitzungsteilnahme und Reisezeiten an den Tagen, an denen er schichtplanmäßig Mehrarbeit hätte leisten müssen, aber wegen seiner Personalratstätigkeit freigestellt gewesen sei. Denn die arbeitsfreien Zeiten des Klägers seien nur dadurch entstanden, daß der Schichtplan die Arbeitszeit des Klägers auf die anderen Tagen konzentriert habe; insgesamt sei der Kläger nicht mehr belastet gewesen, als wenn er in Normalschicht gearbeitet und daher seine Reisen während der Dienstzeit durchgeführt hätte. Schließlich hat sich die Beklagte auf die Ausschlußfrist des § 70 BAT berufen und die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Antrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die Klage ist zulässig. Nachdem das Oberverwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat, sind zur Entscheidung des Rechtsstreits die Gerichte für Arbeitssachen zuständig (§ 48 a Abs. 2 ArbGG).

Für den geltend gemachten Anspruch ist das Urteilsverfahren die richtige Verfahrensart (vgl. BAGE 26, 156 = AP Nr. 12 zu § 37 BetrVG 1972; BAG Urteile vom 13. Januar 1981 – 6 AZR 678/78 – und vom 22. Mai 1986 – 6 AZR 526/83 – AP Nr. 2 und 8 zu § 46 BPersVG).

II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß als Anspruchsgrundlage lediglich § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG in Betracht kommt. Dies wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.

2. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG ist Personalratsmitgliedern, die durch die Erfüllung ihrer Aufgaben über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht werden, Dienstbefreiung in entsprechendem Umfang zu gewähren. Diese Vorschrift begründet jedoch, wie bereits das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, keinen Anspruch auf Freizeitausgleich für Reisezeiten.

a) Nach der Rechtsprechung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 22. Mai 1986 – 6 AZR 526/83 – AP Nr. 8 zu § 46 BPersVG, und vom 9. Juli 1987 – 6 AZR 180/85 – n.v.) besteht für Reisezeiten, die ein Personalratsmitglied zum Erreichen einer auswärtigen Sitzung des Bezirkspersonalrats außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit aufwendet, kein Anspruch auf Freizeitausgleich.

b) An dieser Rechtsprechung hält der nunmehr allein zuständige erkennende Senat fest, zumal sich auch im vorliegenden Rechtsstreit keine Gesichtspunkte ergeben haben, die gegen die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Sechsten Senats sprechen.

Für den Bereich des Betriebsverfassungsrechts hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 15. Februar 1989 (– 7 AZR 193/88 – AP Nr. 70 zu § 37 BetrVG 1972) bereits Zweifel daran angedeutet, daß Reisezeiten als Betriebsratstätigkeit im Sinne des § 37 Abs. 3 BetrVG anzusehen seien. Diese Zweifel beruhten auf der Erwägung, daß zur Verrichtung von Betriebsratstätigkeiten erforderliche Reisezeiten, durch die der Arbeitnehmer an seiner Arbeitsleistung gehindert ist, zwar nicht zu einem Verdienstausfall führen dürfen (§ 37 Abs. 2 BetrVG), daß sie aber nicht der Arbeitsleistung selbst mit der Folge gleichzustellen sind, daß für über die normale Arbeitszeit hinausgehende Reisezeiten ein Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 BetrVG gerechtfertigt wäre.

Im öffentlichen Dienst besteht darüber hinaus, wie bereits der Sechste Senat überzeugend dargelegt hat, der Grundsatz, daß bei Dienstreisen nur die Zeit der dienstlichen Beanspruchung am auswärtigen Geschäftsort als Arbeitszeit gilt und die Reisezeit nur insoweit berücksichtigt wird, als sie in die regelmäßige Arbeitszeit fällt (vgl. § 17 Abs. 2 BAT, § 15 Abs. 9 MTB II). Für die Auslegung des § 46 Abs. 2 BPersVG darf nichts anderes gelten, wenn eine gemäß § 8 BPersVG verbotene Begünstigung der Personalratsmitglieder vermieden werden soll. Auch bei ihnen hat daher zwar gemäß Satz 1 des § 46 Abs. 2 BPersVG die Versäumnis von Arbeitszeit aufgrund einer zur Durchführung der Personalratsaufgaben erforderlichen Reise keine Minderung der Dienstbezüge zur Folge. Um eine Erfüllung der Personalratsaufgaben selbst im Sinne des Satzes 2 des § 46 Abs. 2 BPersVG, die der Dienstleistung gleichsteht, aber handelt es sich bei der Reisezeit nicht.

3. Auch die Revision greift die Rechtsprechung des Sechsten Senats nicht grundsätzlich an. Sie meint lediglich, daß es aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles auf die rechtlichen Erwägungen des Sechsten Senats nicht ankomme. Derartige Besonderheiten will die Revision in dem erheblichen Umfang der Reisezeit des Klägers sowie darin sehen, daß der Kläger im Schichtdienst beschäftigt war. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Umstände, die für den vorliegenden Fall eine Abweichung von der Rechtsprechung des Sechsten Senats rechtfertigen könnten.

a) Dies gilt zunächst für den Umfang der Reisezeiten des Klägers. Es mag dahinstehen, ob ein außergewöhnlicher Umfang von in die Freizeit fallenden Dienstreisen überhaupt geeignet ist, einen teilweisen Freizeitausgleichsanspruch zu begründen, zumal sich konkrete Kriterien für eine Grenzziehung kaum finden lassen dürften.

Im Entscheidungsfall kann jedenfalls von einer außergewöhnlichen zeitlichen Belastung des Klägers durch die Dienstreisen nicht gesprochen werden. Ein solcher Eindruck könnte allenfalls durch die fehlerhafte Angabe im Klageantrag entstehen, daß die 231 Stunden Reisezeit im Zeitraum vom 29. Januar 1977 bis zum 25. August 1977 angefallen seien. Diese Angabe, die sich erstmals im Klageantrag vom 26. April 1989 findet, beruht jedoch auf einem offenkundigen Versehen. Nach dem nie geänderten Sachvortrag des Klägers sind die 231 Stunden Reisezeit durch die vom Kläger im Schriftsatz vom 14. Dezember 1977 einzeln aufgeführten Reisen in der Zeit vom 29. November 1974 bis zum 25. August 1977, mithin also in einem Zeitraum von nahezu drei Jahren angefallen. Im Monatsdurchschnitt ergibt sich damit eine zeitliche Belastung von etwa sechseinhalb Stunden. Ein derartiges Freizeitopfer ohne einen Anspruch auf nachträglichen Freizeitausgleich ist bei der Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit (vgl. § 46 Abs. 1 BPersVG) nicht außergewöhnlich. Zu berücksichtigen ist auch, daß der Kläger im Monatsdurchschnitt zweimal zu Sitzungen des Bezirks- bzw. Hauptpersonalrats nach Bonn reiste. Von den dabei im Monatsdurchschnitt anfallenden vier einfachen Fahrten fielen durchschnittlich drei in die Arbeitszeit des Klägers, so daß der Kläger einen gewissen Ausgleich schon durch die geringere Beanspruchung erlangt hat, der er während einer Reise mit der Bundesbahn im Vergleich zur Arbeitsleistung ausgesetzt ist.

b) Eine wesentliche Besonderheit des vorliegenden Falles besteht auch nicht darin, daß der Kläger im Schichtdienst beschäftigt war. Durch den Schichtdienst ist dem Kläger kein besonderes Freizeitopfer entstanden. Der Schichtdienst führte zwar dazu, daß der Kläger während einiger seiner Reisen ohnehin von der Arbeitsleistung befreit war. Ob der Kläger aber im Falle der Normalschicht insgesamt mehr Freizeit gehabt hätte, als er sie aufgrund des Schichtplans unter Berücksichtigung der Reisezeiten hatte, läßt sich nicht feststellen. Hierüber fehlen jegliche Angaben des Klägers.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Steckhan, Dr. Blaeser, Bea

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1081309

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