Entscheidungsstichwort (Thema)
Abbau der Überversorgung beim WDR
Normenkette
BetrAVG § 1 Ablösung, §§ 2, 7, 18; LPVG NW § 70; BetrVG § 77; GG Art. 2-3, 6, 12, 14; AktG §§ 76, 93 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 31.05.1989; Aktenzeichen 2/1 Sa 83/89) |
ArbG Köln (Urteil vom 19.02.1988; Aktenzeichen 2 Ca 5553/87) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 31. Mai 1989 – 2/1 Sa 83/89 – wird zurückgewiesen.
2. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 19. Februar 1988 – 2 Ca 5553/87 – zurückgewiesen hat.
3. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
4. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die betriebliche Altersversorgung des Klägers wirksam auf 93,5 % seiner letzten Nettobezüge als aktiver Arbeitnehmer begrenzt worden ist.
Der Kläger, geboren am 16. Januar 1942, trat am 2. Januar 1964 als Cellist in das Symphonieorchester der beklagten Rundfunkanstalt ein. In § 8 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 9. Januar 1964 wurde die Anwendung des jeweils beim WDR geltenden Tarifvertrags vereinbart. In dem zu dieser Zeit geltenden Manteltarifvertrag des Nordwestdeutschen Rundfunks vom 9. Oktober 1954 i.d.F. vom 6. Januar 1964 war in § 21 bestimmt, daß der WDR seinen Arbeitnehmern eine Versorgungszusage nach den beim WDR geltenden Bestimmungen erteilt. Die für Chor- und Orchestermitglieder geltenden Manteltarifverträge des Westdeutschen Rundfunks vom 15. Dezember 1969 und 18. September 1975 enthielten gleichlautende Regelungen.
Bei Beginn des Arbeitsverhältnisses galten beim WDR sog. Versorgungszusage-Bestimmungen i.d.F. vom 1. April 1962 und ergänzende Richtlinien zur Durchführung der Versorgungszusage beim WDR des Intendanten vom 27. April 1962. Der Kläger erhielt am 16. Januar 1969 eine „nicht widerrufliche” Versorgungszusage nach diesen Bestimmungen, die am 1. Januar 1974 in Kraft treten sollte. Art. 10 der Bestimmungen sah bei Überschreiten von 75 % des ruhegeldfähigen Einkommens die Anrechnung der Hälfte der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Dasselbe sollte gelten, wenn der WDR den Arbeitgeberanteil zu einer befreienden Lebensversicherung zahlte. In Art. 13 der Versorgungszusage-Bestimmungen heißt es, die nach der Versorgungszusage erforderlichen Richtlinien und Entscheidungen erlasse der WDR zusammen mit dem Personalrat.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1968 hatte der Kläger eine befreiende Lebensversicherung abgeschlossen über eine Versicherungssumme von 96.774,– DM, fällig beim Tod des Klägers, spätestens am 1. Februar 2007. Die Versicherungsprämien zahlten der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte. Die Versicherung besteht fort.
Am 23. März 1970 wurden neue Richtlinien erlassen, die wie diejenigen vom 27. April 1962 eine Obergrenze der Versorgung von 75 % der ruhegeldfähigen Bezüge bei Halbanrechnung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und befreiender Lebensversicherungen vorsahen.
Am 22. April 1970 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag, der ab 1. Januar 1970 an die Stelle des alten Vertrags trat. Auch in diesem Vertrag waren die beim WDR geltenden Versorgungsbestimmungen in Bezug genommen.
Im Jahre 1971 kam es in einer Personalversammlung der Orchestermitglieder des WDR zu einer Diskussion über die betriebliche Altersversorgung. Der Personalleiter des Beklagten erklärte auf die Frage, ob es sich noch lohne, eine befreiende Lebensversicherung fortzuführen, alle Beteiligten könnten davon ausgehen, daß die Versorgung beim WDR niemals zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werde.
Durch Dienstvereinbarung vom 29. Juni 1979 (DV 1979) wurden die bisher geltenden Versorgungsrichtlinien abgelöst. Als Obergrenze der Versorgung aus gesetzlicher und betrieblicher Altersversorgung wurde das ruhegeldfähige Bruttoeinkommen bei voller Anrechnung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus befreienden Lebensversicherungen vorgesehen.
Diese Dienstvereinbarung wurde nach einer Beanstandung durch den Landesrechnungshof und den Landtag von Nordrhein-Westfalen durch eine Dienstvereinbarung vom 7. März 1985 (DV 1985) ersetzt. Die Obergrenze der Gesamtversorgung wurde jetzt auf Nettobezüge umgestellt und auf 90 %, in Übergangsfällen bis zu 93,5 %, des letzten Nettovergleichseinkommens herabgesetzt. Die Absenkung kann beim Kläger zu erheblichen Versorgungseinbußen führen; er errechnet sich durch den Abbau seiner Nettoüberversorgung von 48,48 % Mindereinnahmen von ca. 4000,– DM monatlich.
Der Kläger hat vorgetragen, seine vertraglich begründeten Versorgungsrechte hätten nicht durch Dienstvereinbarungen geschmälert werden können. Die Absenkung der Versorgungsobergrenze sei grob unbillig. Zudem seien Überversorgungen bewußt in Kauf genommen worden. Schließlich sei gerade den Arbeitnehmern, die befreiende Lebensversicherungen abgeschlossen hätten, im Jahre 1971 durch den Personalleiter Bestandsschutz zugesagt worden.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß seine Versorgungsanwartschaften durch die Dienstvereinbarung vom 7. März 1985 nicht beeinträchtigt würden.
Der beklagte WDR hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig. Im übrigen vertritt er die Auffassung, die Versorgung des Klägers sei wirksam auf 93,5 % seines letzten Nettovergleichseinkommens abgesenkt worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben; es hat festgestellt, die Versorgungsanwartschaften des Klägers seien durch die Betriebsvereinbarung vom 7. März 1985 nicht beeinträchtigt worden, soweit sie bis zum 6. März 1985 entstanden seien. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Der Kläger erstrebt die uneingeschränkte Feststellung nach Maßgabe seines Sachantrags, der Beklagte will die Abweisung der Klage im vollen Umfang erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Revision des Beklagten ist dagegen begründet; sie führt zur Abweisung der Klage. Die Versorgungsrechte des Klägers bestimmen sich nach der Dienstvereinbarung vom 7. März 1985.
A. Die Klage ist entgegen der Auffassung der beklagten Anstalt zulässig. Sie ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet, nämlich auf den ungeschmälerten Fortbestand seiner durch die Zusage vom 16. Februar 1969 begründeten Versorgungsanwartschaft. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an einer solchen Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO), weil er in der Lage sein muß, seine Altersversorgung zu planen. Der Klageantrag ist auch hinreichend bestimmt; er läßt keinen Zweifel aufkommen, daß sich der Kläger gegen die Nettobegrenzung seiner Gesamtversorgung aus befreiender Lebensversicherung und betrieblicher Altersversorgung wehrt.
B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger muß hinnehmen, daß seine Betriebsrente im Versorgungsfall auf der Grundlage der DV 1985 berechnet, im Ergebnis also auf 93,5 % der letzten Nettobezüge im aktiven Arbeitsverhältnis begrenzt wird.
I. Die dem Kläger ursprünglich erteilte vertragliche Versorgungszusage ist wirksam durch die nach § 70 LPVG NW zulässige Dienstvereinbarung aus dem Jahre 1979 abgelöst worden.
1. Die DV 1979 ist wirksam. Zwar läßt sich nicht feststellen, daß die bisher erteilten Einzelzusagen dienstvereinbarungsoffen waren, wie der Beklagte meint. Dies läßt sich weder dem Hinweis auf die damals geltenden Versorgungsrichtlinien entnehmen, noch folgt dies aus dem Hinweis, der Personalrat werde, soweit erforderlich, beteiligt. Die Versorgungszusagen waren jedoch solche mit kollektivem Bezug; sie waren nicht individuell ausgehandelt, sondern galten nur nach Maßgabe der allgemeinen Versorgungsrichtlinien. Sie konnten daher wirksam durch eine Dienstvereinbarung abgelöst werden (BAG Großer Senat, Beschluß vom 16. September 1986, BAGE 53, 42, 47 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, zu C der Gründe). Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die DV 1979 das bisher geltende Versorgungswerk nur umstrukturierte oder insgesamt verschlechterte. Denn zur Zeit der Ablösung im Jahre 1979 durften der Beklagte und sein Personalrat darauf vertrauen, vertragliche Regelungen mit kollektivem Bezug seien durch eine Kollektivvereinbarung mit dem Personalvertretungsorgan ablösbar. Vorausgesetzt wurde jedoch auch damals, daß die Neuregelung insgesamt der Billigkeit entsprach und bei Eingriffen in individuelle Rechtspositionen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes gewahrt wurden. Das hat der Senat durch Urteil vom 20. November 1990 – 3 AZR 573/89 – entschieden und näher begründet (BAGE 66, 228 = AP Nr. 14 zu § 1 BetrAVG Ablösung). Auf diese Entscheidung wird, um Wiederholungen zu vermeiden, Bezug genommen.
Im Streitfall waren die Eingriffe der DV 1979 in die bisher geltenden vertraglichen Regelungen, soweit sie überhaupt eintraten und das bisherige Versorgungswerk verschlechterten, maßvoll: Die Gesamtversorgung wurde auf 100 % der letzten Bruttobezüge begrenzt und den Mitarbeitern wurde zudem das Wahlrecht eingeräumt, ihre Versorgungsbezüge weiterhin nach den alten Richtlinien zu verlangen (§ 9 DV 1979). Demgegenüber enthielt die DV 1979 auch Verbesserungen der bisherigen Regelung. Das Eintrittsalter wurde von 28 auf 27 Jahre herabgesetzt, der erreichbare Höchstbetrag von 50 % auf 60 % des ruhegeldfähigen Einkommens angehoben.
2. Die Auffassung, die DV 1979 habe die vertraglichen Richtlinien hinsichtlich des Personenkreises, der die Voraussetzungen für eine Ruhegeldzusage schon erfüllte, nicht abgelöst (§ 9), trifft nicht zu. Zwar könnte der Wortlaut der Vorschrift für eine solche Auslegung sprechen. Die Neuregelung verfolgte aber erkennbar das Ziel, die alte Versorgungsregelung in eine kollektive Regelung zu überführen und lediglich dem schon begünstigten Personenkreis eine großzügige Besitzstandswahrung zu gewährleisten. Denn auch hinsichtlich dieses Personenkreises wurde die Gesamtversorgungsobergrenze von 100 % des letzten Bruttoeinkommens eingeführt und damit in die alte Regelung eingegriffen (§ 9 Abs. 2 Buchst. c) DV 1979). Damit wurde jedenfalls ausgeschlossen, daß die alte Versorgungsregelung hinsichtlich der Gesamtversorgungsobergrenze weitergalt.
II. Die DV 1979 ist wirksam durch die DV 1985 geändert worden.
1. Hinsichtlich des Ablösungsmittels bestehen keine Bedenken. Es gilt die Zeitkollisionsregel. Eine Dienstvereinbarung kann durch eine nachfolgende Dienstvereinbarung aufgehoben und inhaltlich verändert werden (BAG Urteil vom 17. März 1987, BAGE 54, 261 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung).
2. Die DV 1985 hält auch einer Inhaltskontrolle stand.
a) Auch eine nachfolgende Dienstvereinbarung darf nicht schrankenlos in die Rechte der bisher begünstigten Mitarbeiter eingreifen. Die Neuregelung muß einer abstrakten Billigkeitskontrolle anhand der Maßstäbe der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes genügen; im Einzelfall auftretende unbeabsichtigte besondere Härten sind auszugleichen (BAG Urteil vom 17. März 1987, aaO). In welchem Ausmaß die Neuregelung die Rechte der Mitarbeiter einschränken darf, richtet sich auf deren Seite nach der Stärke der erreichten Besitzstände und auf der Seite des Arbeitgebers nach dem Gewicht der geltend gemachten Eingriffsgründe (Urteil vom 17. März 1987, aaO, sowie BAGE 48, 337, 342 f. = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B II 1 der Gründe): Je stärker der Besitzstand ist, in den eingegriffen werden soll, desto gewichtiger muß der Grund sein, der den Eingriff rechtfertigen soll.
b) Die Auffassung der beklagten Rundfunkanstalt, die Prüfung einer ablösenden Dienstvereinbarung anhand der Maßstäbe der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes scheide im öffentlichen Dienst im Hinblick auf § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BetrAVG aus, trifft nicht zu. Nach dieser Vorschrift sind die §§ 2 bis 5, 16, 27 und 28 BetrAVG nicht anzuwenden, wenn Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nach einer Ruhelohnordnung eine Anwartschaft auf Ruhegeld haben und eine Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist. Dies hindert jedoch nicht die Prüfung der ablösenden Dienstvereinbarung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes. § 2 BetrAVG bestimmt nur, in welcher Höhe die unverfallbare Anwartschaft eines vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Mitarbeiters aufrechterhalten wird. Diese Vorschrift ist bei der Ablösung von Versorgungswerken nur heranzuziehen, um erkennen zu können, in welchem Umfang Ansprüche bereits erdient sind und deshalb nachträglich nur ausnahmsweise, aus zwingenden Gründen, eingeschränkt oder entzogen werden dürfen. Im übrigen bewirkt § 18 BetrAVG nur, daß an die Stelle der sonst aufrechtzuerhaltenden unverfallbaren Anwartschaft eine Nachversicherung tritt (§ 18 Abs. 6 BetrAVG).
c) In den nach § 2 Abs. 1 BetrAVG berechneten und nach § 7 Abs. 2 BetrAVG insolvenzgeschützten Teilbetrag greift die DV 1985 nicht ein. Der Kläger geht selbst davon aus, daß seine Versorgung auch dann durch die Neuregelung nicht geschmälert würde, wenn er am Tage der Ablösung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden wäre. Die weitere Betriebstreue hat ihm mithin nicht nur Nachteile gebracht, sondern seine Anwartschaft weiter anwachsen lassen. Die DV 1985 schmälert jedoch die vom Kläger im Versorgungsfall erwartete und erreichbare Gesamtversorgung aus Betriebsrente und Bezügen aus der befreienden Lebensversicherung. Die Gesamtversorgung soll nicht mehr, wie nach der DV 1979, 100 % der letzten Bruttobezüge der aktiven Arbeitnehmer erreichen können, sondern nur noch 90 % des letzten Nettovergleichseinkommens. Durch die Übergangsregelungen in § 25 Abs. 2 DV 1985 erhöht sich dieser Satz bei dem Kläger auf 93,5 % der letzten Nettobezüge.
d) Allerdings war auch diese „dienstzeitunabhängige Dynamik” zur Zeit der Ablösung bereits teilweise erdient. In diese Dynamik darf nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur aus „triftigen” Gründen eingegriffen werden (zuletzt Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Triftige Gründe können wirtschaftlicher Art sein. Sie setzen dann voraus, daß die ungekürzte Versorgungslast langfristig die Substanz des Unternehmens gefährdet (BAGE 46, 80 = AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen). Triftige Gründe können aber auch nichtwirtschaftlicher Art sein. Im Urteil vom 11. September 1990 (BAGE 66, 39 = AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Besitzstand) hat der Senat dringende betriebliche Bedürfnisse nichtwirtschaftlicher Art für einen Eingriff in die erdiente Dynamik ausreichen lassen, wenn ohne Schmälerung des Gesamtaufwands für die Versorgung Leistungskürzungen durch Verbesserungen des Versicherungsschutzes aufgewogen werden.
e) Im Streitfall beruft sich die beklagte Rundfunkanstalt weder auf eine Substanzgefährdung, noch sollen den Leistungskürzungen durch Absenkung der Gesamtversorgungsobergrenze Verbesserungen gegenüberstehen. Die Änderung der Versorgungsordnung soll vielmehr dazu dienen, Überversorgungen der Mitarbeiter zu verhindern, die sowohl nach den Richtlinien vom 23. März 1970 als auch nach der DV 1979 eintreten konnten. Erklärter Zweck der Neuregelung war es, auf diesem Weg Einsparungen bei den Personalkosten zu erzielen. Diese Begründung ist als triftiger Grund anzuerkennen, der die Absenkung der Gesamtversorgungsobergrenze von 100 % des letzten Bruttoeinkommens rechtfertigt.
(1) Der Abbau einer Überversorgung ist ein gewichtiger Grund, Versorgungszusagen zu schmälern. Ist die Überversorgung eingetreten, weil durch die Änderung der Rahmenbedingungen der mit der Zusage verfolgte Versorgungszweck verfehlt wird, so kann sogar der erdiente Teilbetrag, aber auch die erdiente Dynamik geschmälert werden (ständige Rechtsprechung des Senats seit 1981, zuletzt Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 –, aaO). Im Streitfall sind jedoch die bei den Arbeitnehmern eingetretenen Überversorgungen nicht planwidrig eingetreten. Die Entwicklung der Abgabenbelastung der Löhne mit Steuern und Sozialbeiträgen hat – wegen der relativ geringeren Belastung der Versorgungsbezüge – lediglich zu einem weiteren Ansteigen der Überversorgung beigetragen. Der Anstieg der Lohnbelastung hat zu effektiven Versorgungsbezügen geführt, die die letzten effektiven Bezüge der aktiven Arbeitnehmer übersteigen. Nach der DV 1979 konnte der Kläger mit Versorgungsbezügen i.H.v. insgesamt 148,5 % seiner letzten Nettobezüge als aktiver Arbeitnehmer des WDR rechnen.
Diese Überversorgung war zugesagt: Noch in der DV 1979 war den Arbeitnehmern der Beklagten eine erreichbare Gesamtversorgung von 100 % der letzten Bruttobezüge versprochen. Dabei betrug schon 1979 die durchschnittliche Abgabenbelastung der Löhne mit Sozialbeiträgen 13,1 % und mit Lohnsteuer 15,3 %, zusammen 28,4 %. Den Arbeitnehmern stand mithin schon 1979 ein durchschnittlicher Nettolohn nur i.H.v. 71,6 % des Bruttolohns zur Verfügung (vgl. hierzu Dornbusch, Die Sozialversicherung, 1983, 169, fortgeschrieben von Essig/Strohm, Wirtschaft und Statistik, 1991, 592).
(2) Die Zusage einer Überversorgung kann nicht schon deshalb zurückgenommen werden, weil sie allgemein als sozial unerwünscht gilt oder weil sich die Vorstellungen über die Verteilungsgerechtigkeit eines betrieblichen Entgeltsystems geändert haben (Urteil des Senats vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 –, aaO). Dies kann jedoch dann nicht uneingeschränkt gelten, wenn es sich um Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes oder der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten handelt. Die Rundfunkanstalten sind zu einem wirtschaftlichen und sparsamen Haushalten verpflichtet. In Art. 3 Abs. 1 des Staatsvertrags zur Neuordnung des Rundfunkwesens (Rundfunkstaatsvertrag) vom 3. April 1987 (GVBl. NW S. 405) ist bestimmt:
„Für die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und das ZDF ist die Rundfunkgebühr weiterhin die vorrangige Finanzierungsquelle. Der Finanzausgleich unter den Landesrundfunkanstalten bleibt Bestandteil des Finanzierungssystems der ARD; er hat insbesondere eine funktionsgerechte Aufgabenerfüllung der Anstalten … sicherzustellen …”
Art. 4 Abs. 1 des Staatsvertrags schreibt vor:
„Der Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird regelmäßig entsprechend den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geprüft und mindestens alle zwei Jahre festgestellt.”
An diese Grundsätze hat sich die beklagte Anstalt in der Vergangenheit nicht gehalten. Der Landesrechnungshof hat deshalb die den Mitarbeitern des Westdeutschen Rundfunks zugesagte Überversorgung zu Recht beanstandet und als übermäßig bezeichnet. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat anläßlich der Beratungen über den „Staatsvertrag über die Höhe der Rundfunkgebühr und zur Änderung des Staatsvertrags über einen Finanzausgleich zwischen den Rundfunkanstalten vom 6. Juli/26. Oktober 1982” die Anstalten u.a. aufgefordert,
„die Überversorgung von Mitarbeitern von Rundfunk- und Fernsehanstalten abzubauen und sicherzustellen, daß für künftige Versorgungsfälle die Überversorgung ausgeschlossen bleibt, wobei sich die Neuregelungen an den Grundsätzen des öffentlichen Dienstes orientieren müssen …” (Landtag Nordrhein-Westfalen Drucks. 9/2673).
Hiernach war es dem beklagten WDR nicht gestattet, seinen Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung zu versprechen, die außerhalb des Angemessenen stand und dem Gebot sparsamen und wirtschaftlichen Handelns zuwiderlief. Anders als einem privaten Arbeitgeber ist es den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die sich über Gebühren finanzieren, von Gesetzes wegen nicht erlaubt, Versorgungsleistungen in beliebiger Höhe zuzusagen. Eine Versorgung durch eine öffentlich-rechtliche Anstalt, die über das im öffentlichen Dienst üblicherweise erreichbare Niveau weit hinausgeht und dazu die Rentner deutlich besserstellt als die aktiven Arbeitnehmer, ist übermäßig und bedarf der Korrektur (zur Arbeitszeitverkürzung der Mitarbeiter einer bundesunmittelbaren Rundfunkanstalt vgl. BAG Urteil vom 28. November 1984, BAGE 47, 238 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht und zum Abbau der Überversorgung im öffentlichen Dienst Urteil des Senats vom 24. April 1990, BAGE 64, 327, auch zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
(3) Der Kläger will eine derartige Beschränkung der Entscheidungsfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht gelten lassen. Es sei kein sachlicher Grund vorhanden, Arbeitgeber und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst anders zu behandeln als Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft. Ein solches „Sonderrecht für den öffentlichen Dienst” verstoße gegen die Art. 2, 3, 6, 12 und 14 GG. Auch der Vorstand einer Aktiengesellschaft sei nach § 76 AktG verpflichtet, erwerbswirtschaftlichen Grundsätzen Rechnung zu tragen und die Kosten zu minimieren. Unvertretbare Zusagen sozialer Leistungen könnten gem. § 93 Abs. 2 AktG zur Schadenersatzpflicht des Vorstands führen.
Diese Einwände des Klägers, die sich gegen die Erwägungen des Senats im Urteil vom 3. September 1991 (– 3 AZR 369/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen) richten, haben den Senat nicht überzeugt. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, daß nicht nur die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im engeren Sinne, sondern auch die selbständigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dem Gebot einer maßvollen und wirtschaftlich vertretbaren Ausgestaltung der Dienstverhältnisse ihrer Mitarbeiter unterliegen. Die Mitarbeiter ihrerseits können nicht verlangen, daß zu ihren Gunsten eine jedes vernünftige Maß überschreitende Ausgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen aufrecht erhalten wird.
Mit dieser Auffassung befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 28. November 1984. Dort hat der Fünfte Senat überzeugend ausgeführt, daß die in jenem Rechtsstreit beklagte Rundfunkanstalt die Grundsätze der Sparsamkeit in der Verwaltung beachten und ihre Haushaltsmittel wirtschaftlich und sparsam einsetzen müsse; der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt sei es nicht gestattet, übertrieben großzügige Arbeitszeitverkürzungen einzuführen (vgl. BAGE 47, 238, 249 f. = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht, zu A II 2 der Gründe).
Auch das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof haben wiederholt die Auffassung vertreten, daß sowohl die Beamten als auch die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes eine Rückführung ihrer Versorgung auf ein Maß hinnehmen müssen, das sich an den letzten Nettoeinkünften der Aktiven ausrichtet und davon einen angemessenen Abstand einhält (zu § 55 BeamtVG vgl. BVerfG Beschluß vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256 ff.; zur Satzungsänderung der VBL über den stufenweisen Abbau der Überversorgung im öffentlichen Dienst vgl. BVerfG Beschluß vom 6. November 1991 – 1 BvR 825/88 – ZTR 1992, 63 = BB 1991, 2531 = ZBR 1992, 53 = DöD 1992, 88; ferner BGH Urteil vom 16. März 1988 – IV a ZR 154/87 – BGHZ 103, 370). Mit einer solchen Rückführung der Versorgung werden keine Grundrechte verletzt, insbesondere wird nicht in die Grundrechte auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes und den Schutz des Eigentums (Art. 12, 14 GG) eingegriffen. Die Erwartung, eine unangemessene Überversorgung werde beibehalten, ist nicht schutzwürdig; die Absenkung der Altersversorgung auf ein angemessenes Maß verstößt nicht gegen den Verfassungsgrundsatz des Vertrauensschutzes (BVerfG und BGH, aaO).
Ebenso wenig überzeugt der Hinweis des Klägers auf eine mögliche Haftung des Vorstands einer Aktiengesellschaft wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zu wirtschaftlichem Handeln. Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, von den öffentlichen Arbeitgebern, insbesondere den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, mit Wirkung für die Arbeitsverhältnisse eine stärkere Zurückhaltung zu verlangen als von einem Arbeitgeber der Privatwirtschaft. Der Arbeitgeber der Privatwirtschaft kann frei entscheiden, wie er seine Interessen als Kapitaleigner wahrnimmt. Die Mittel, die er dazu einsetzt, muß er auf dem Markt erwirtschaften. Er kann sein Leistungsangebot und seine Preise frei gestalten. Er hat sich nicht nach einem vorausbestimmten Gebührenaufkommen zu richten, das die Teilnehmer am öffentlichen Rundfunkwesen aufbringen müssen, ohne günstigere Leistungen eines anderen Anbieters in Anspruch nehmen zu können. Hier muß der Kunde als Leistungsempfänger die staatlich festgesetzte Gegenleistung entrichten oder vollständig auf die Leistung verzichten. Diese Unterschiede rechtfertigen es, den Rundfunkanstalten als Arbeitgeber Einschränkungen aufzuerlegen, die ein privater Arbeitgeber nicht hinzunehmen bräuchte.
3. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben angenommen, das Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der bisherigen, zur Überversorgung führenden Regelung im WDR müsse geschützt werden, solange der Kläger Betriebstreue unter der Geltung der DV 1979 erbracht habe, also bis zur Ablösung dieser Dienstvereinbarung durch die DV 1985; die Änderung treffe den Kläger individuell unbillig hart. Deswegen müsse die Versorgungsanwartschaft des Klägers bis zum 7. März 1985, dem Ablösungsstichtag, nach der alten und erst für die folgende Zeit nach der neuen Regelung berechnet werden. Der Kläger habe sich auf die Erklärung des Personalleiters der beklagten Anstalt im Jahre 1971 verlassen dürfen.
Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen.
a) Der Personalleiter konnte unmittelbar nicht den WDR verpflichten, die bisherigen Versorgungsregelungen aufrecht zu erhalten. Er war nicht vertretungsberechtigt. Das war allein der Intendant. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß der Personalleiter der Versammlung der Orchestermitglieder die damaligen Vorstellungen der Intendanz wiedergab. Es kann weiter angenommen werden, daß sich die Orchestermitglieder hierauf jedenfalls zunächst verlassen haben. Dennoch konnten die Betroffenen nicht davon ausgehen, der Meinungsstand von 1971 könne sich nicht ändern und der angesprochene Personenkreis werde für alle Zukunft von nachteiligen Entwicklungen verschont bleiben. Die beteiligten Orchestermitglieder konnten diese Äußerung des Personalleiters nur als Absichtserklärung verstehen. Sie mußten erkennen, daß sie keine rechtliche Verbindlichkeit besaß. Gegen die Änderung ihrer Versorgung durch die DV 1979 haben sie sich – verständlicherweise – auch nicht gewehrt, da diese Dienstvereinbarung in vielen Fällen zu einer noch höheren Gesamtversorgungsobergrenze führte, als aufgrund der ursprünglichen Versorgungszusagen erreicht werden konnte.
b) Nach der Auffassung des Berufungsgerichts bliebe zudem unklar, welche Obergrenze im Versorgungsfall gelten soll. Selbst wenn die Versorgung des Klägers nach zwei unterschiedlichen Zeitabschnitten zu berechnen wäre, nämlich nach der Dienstzeit bis zur Verabschiedung der DV 1985 und für die Zeit danach, müßte eine Obergrenzenregelung eingreifen. Das Berufungsurteil läßt nicht erkennen, ob es dann für die Addition beider Versorgungsbestandteile eine Obergrenze von 100 % der letzten Bruttoeinkünfte oder 93,5 % der letzten Nettoeinkünfte für maßgeblich hält. Die Auffassung des Berufungsgerichts erschiene dann erwägenswert, wenn der Kläger bis zum Ablösungszeitpunkt schon mehr erdient gehabt hätte, als er im Versorgungsfall nach der DV 1985 erreichen kann, also wenn er im März 1985 schon eine höhere Versorgung erreicht hätte als 93,5 % vom Nettoeinkommen. In einem solchen Falle würde ihm eine weitere Betriebstreue über den 7. März 1985 hinaus nur Nachteile bringen. Daß dies der Fall sei, hat der Kläger aber selbst nicht behauptet. Es muß davon ausgegangen werden, daß seine am 7. März 1985 erdiente Anwartschaft nicht höher war als die von ihm bis zum Jahre 2007 nach der DV 1985 erreichbare Versorgung. Der Kläger ist somit von der Neuregelung nicht individuell besonders nachhaltig betroffen. Betroffen ist er nur insoweit, wie seine Erwartung einer ganz unverhältnismäßig hohen Versorgung enttäuscht wird. Dieses Vertrauen ist nicht schützenswert.
c) Der Kläger fühlt sich persönlich auch deswegen besonders hart von der neuen Regelung betroffen, weil er seine befreiende Lebensversicherung „erheblich aufgestockt” habe. Die dadurch begründete Überversorgung dürfe ihm nicht abgeschnitten werden. Der Kläger übersieht zweierlei: Zu der befreienden Lebensversicherung zahlt der Beklagte die Hälfte der Prämien, so daß es insoweit bei der grundsätzlichen Anrechenbarkeit der Leistungen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG bleibt. Zum anderen bewirkt seine Befreiung von der gesetzlichen Lebensversicherung aufgrund seiner höheren Einkünfte als aktiver Arbeitnehmer zugleich auch eine tatsächliche Steigerung seiner Versorgungsbezüge. Seine Versorgung soll 93,5 % seines letzten Nettovergleichseinkommens erreichen, also eines Vergleichseinkommens, das höher ist, als wenn seine Bezüge unter der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung lägen. Es ist daher nicht zu erkennen, daß der Kläger wegen seiner befreienden Lebensversicherung individuell durch die Veränderung der Gesamtversorgungsobergrenze wesentlich stärker benachteiligt würde als andere Arbeitnehmer. Es erscheint nicht geboten, zu seinen Gunsten eine Ausnahme von der durch die DV 1985 eingeführten Nettoobergrenze eingreifen zu lassen.
Unterschriften
Dr. Heither Richter Griebeling ist wegen krankheitsbedingter Arbeits unfähigkeit an der Unterschrift verhindert. Dr. Wittek, Dr. Heither, Fieberg, Eckhardt
Fundstellen