Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungsanspruch. Gesundheitswesen Wismut
Leitsatz (amtlich)
Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht in die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten des Gesundheitswesens Wismut eingetreten. Sie haftet nicht für etwaige Abfindungsansprüche aus dem Tarifvertrag über den Schutz für Mitarbeiter des Gesundheitswesens Wismut bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen vom 23. Juni 1990.
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 1, 13; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet F Abschn. II Nr. 1, Protokoll Abschn. I Nr. 6; Grundgesetz Art. 30, 74 Nrn. 19, 19a, Art. 83, 87, 87a, 87b; Tarifvertrag über den Schutz für Mitarbeiter des Gesundheitswesens Wismut bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen vom 23. Juni 1990 § 7; Statut des Gesundheitswesens Wismut vom 1. Januar 1962 § 1; Verordnung über das Betriebsgesundheitswesen und die Arbeitshygieneinspektion vom 11. Januar 1978 (GBl. I S. 61) §§ 2-3, 9; Gesetz zur Regelung von Vermögensfragen der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet und zur Änderung von Gesetzen vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2313 – SV VermG) § 1; Gesetz zur Regelung von Vermögensfragen der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet und zur Änderung von Gesetzen vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2313 – SV VermG) § 9; Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl. I S. 255) § 2; Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl. I S. 255) § 72 Abs. 1; BGB § 613a Abs. 1
Verfahrensgang
Thüringer LAG (Urteil vom 19.05.1994; Aktenzeichen 4/3/2 Sa 202/92) |
ArbG Gera (Urteil vom 13.03.1992; Aktenzeichen 1 Ca 71/91) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 19. Mai 1994 – 4/3/2 Sa 202/92 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Abfindung.
Die Klägerin war vom 14. Juli 1981 bis 31. Dezember 1990 im medizinischen Versorgungsbereich Gera des Gesundheitswesens Wismut als Krankenschwester tätig.
Am 23. Juni 1990 unterzeichneten der Gebietsarzt als Leiter des Gesundheitswesens Wismut und der Direktor der Verwaltung der Sozialversicherung einerseits sowie der Direktor der Industriegewerkschaft Wismut andererseits einen Tarifvertrag über den Schutz für Mitarbeiter des Gesundheitswesens Wismut bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen. § 7 des Tarifvertrages sieht Abfindungszahlungen für den Fall eines betriebsbedingten Arbeitsplatzverlustes vor. Der Tarifvertrag wurde vom zuständigen Ministerium für Arbeit und Soziales nicht registriert.
Unter der Leitung des Ministers für Gesundheitswesen der DDR kam es am 13. September 1990 zu einer Beratung über Forderungen der Mitarbeiter des Gesundheitswesens Wismut und über die Gültigkeit des Tarifvertrages. An der Beratung nahmen neben dem Minister 14 von der Belegschaft gewählte Vertreter, der Gebietsarzt, ein Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, ein Vertreter des Ministeriums für Arbeit und Soziales der DDR sowie Vertreter der Sozialversicherung teil. Von dem Minister für Gesundheitswesen der DDR, dem Gebietsarzt und dem Vorsitzenden der IG Wismut wurde ein sog. Festlegungsprotokoll unterzeichnet, dessen Ziff. 2 lautet:
“Der Tarifvertrag vom 23.06.1990 gilt einschließlich seiner Bestimmungen zum Rationalisierungsschutz bis 31.12.1990. Es besteht Einigkeit darüber, daß es sich nicht um ein Abfindungsabkommen handelt und Entschädigungszahlungen als Folge von Kündigungen die Ausnahme bilden sollen.”
Das Gesundheitswesen Wismut hatte bereits im Juli 1990 mit Abfindungszahlungen an die Beschäftigten aufgrund des Rationalisierungsschutzabkommens begonnen. Bis zur Einstellung der Zahlungen im Januar 1991 erhielten 129 Personen Abfindungen im Umfang von insgesamt 1,45 Mio. DM.
Mit Schreiben vom 27. September 1990 kündigte das Gesundheitswesen Wismut das Arbeitsverhältnis der Klägerin aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Dezember 1990. Mit dem Kündigungsschreiben erhielt die Klägerin folgendes Schreiben:
“Wir bescheinigen hiermit
Gisela K…
daß ihr/ihm auf der Grundlage des Tarifvertrages über den Schutz für Mitarbeiter des Gesundheitswesens Wismut bei Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturveränderungen vom 23. Juni 1990 eine Abfindungssumme in Höhe von
19.328,26
errechnet und zugesagt wurde.
(S…)
amt. Verwaltungsdirektor”
Die Klägerin, die die Kündigung nicht angegriffen hat, verlangt die Abfindung nach dem Tarifvertrag vom 23. Juni 1990 in rechnerisch unstreitiger Höhe. Zwar sei der Tarifvertrag nicht registriert worden. Dies führe aber nicht zu seiner Unwirksamkeit. Zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses habe bereits Tarifautonomie bestanden. Eine Registrierung sei auch schon aus praktischen Gründen nicht mehr möglich gewesen. Die Tarifvertragspartner hätten in dem Festlegungsprotokoll vom 13. September 1990 bindend zum Ausdruck gebracht, daß der Tarifvertrag bis zum 31. Dezember 1990 gelten sollte. Darin sei eine erneute Vereinbarung des Abkommens zu sehen. Der Anspruch ergebe sich auch aus dem Bestätigungsschreiben des Verwaltungsdirektors und aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, da auf der Grundlage des Tarifvertrages Abfindungszahlungen in Höhe von 1,45 Mio. DM geleistet worden seien.
Die Beklagte sei auch passivlegitimiert. Das Gesundheitswesen Wismut sei einem Betrieb der Landesverteidigung mit einer gewissen Sicherheitsstufe gleichgestellt worden. Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes seien Verteidigungsaufgaben ausschließlich dem Bund zugewiesen. Dem Bund würden auch im Gesundheitswesen Verwaltungsaufgaben zukommen. Dies zeige bereits die Existenz des Bundesgesundheitsamtes. Die Zuständigkeit des Bundes ergebe sich ferner aus Abschnitt I Nr. 6 des Protokolls zum Einigungsvertrag (EV). Im Hinblick auf die Tendenz, Aufgaben wie die medizinische Betreuung durch ambulante und stationäre Behandlung in privater Trägerschaft durchzuführen, sei von einer künftigen Aufgabenerfüllung außerhalb der öffentlichen Verwaltung auszugehen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 19.328,26 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1991 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, sie sei nicht passivlegitimiert. Das Gesundheitswesen Wismut habe bis zum Beitrittszeitpunkt keine Aufgaben erfüllt, die nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vom Bund wahrzunehmen seien. Soweit im Schreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 10. Dezember 1990 an die Direktion des Gesundheitswesens Wismut eine Zuständigkeit für die Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung und Umstrukturierung des Gesundheitswesens beansprucht worden sei, betreffe dies nur das grundsätzliche Vorgehen für die gesamte Umstrukturierung, während die Entscheidung über einzelne Einrichtungen des Gesundheitswesens Wismut nach Art. 13 EV Aufgabe der neuen Bundesländer sei. Die Beklagte sei weder generell Rechtsnachfolgerin der DDR geworden noch habe sie irgendwelches Vermögen, Betriebe oder Betriebsteile des Gesundheitswesens übernommen.
Sachlich fehle es an einer wirksamen Anspruchsgrundlage. Das Rationalisierungsschutzabkommen vom 23. Juni 1990 sei mangels der gem. § 14 Abs. 2 AGB-DDR erforderlichen Bestätigung und Registrierung durch das zuständige zentrale Staatsorgan nicht wirksam geworden. Ein Anspruch ergebe sich weder aus dem Festlegungsprotokoll vom 13. September 1990 noch aus dem Schreiben des amtierenden Verwaltungsdirektors. Die Klägerin berufe sich zu Unrecht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Zahlungen an andere Beschäftigte seien erfolgt, weil von der Wirksamkeit des Tarifvertrages ausgegangen worden sei.
Das Kreisgericht hat die ursprünglich auch gegen das Land Thüringen und das Bundesversicherungsamt gerichtete Klage abgewiesen und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein etwaiger Anspruch aus dem Tarifvertrag besteht jedenfalls nicht gegen die Beklagte.
I. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht gem. Art. 13 Abs. 2 EV auf die Beklagte übergegangen.
1. Nach § 1 Abs. 1 seines Statuts vom 1. Januar 1962 war das Gesundheitswesen Wismut eine überbezirkliche, zentral gelenkte Organisation des Gesundheitswesens im Bereich des sich auf mehrere Länder erstreckenden Industriezweiges Wismut. Gem. § 1 Abs. 3 des Statuts war die Hauptverwaltung (Direktion) juristische Person. Durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland verlor das Gesundheitswesen seine juristische Eigenständigkeit. Die nach bundesdeutschem Recht nicht rechtsfähigen Vertragsparteien auf Arbeitgeberseite gingen unter (vgl. BAG Urteil vom 15. Oktober 1992 – 8 AZR 145/92 – BAGE 71, 243, 246 = AP Nr. 2 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu I der Gründe).
Das Gesundheitswesen Wismut war Betriebsgesundheitswesen für die Beschäftigten der SDAG-Wismut. Dem Gesundheitswesen oblag nicht nur die Betreuung der Betriebsangehörigen und deren Familien. Zu seinen Aufgaben gehörte es auch, an der medizinischen Versorgung der Bevölkerung im Territorium mitzuwirken (§ 9 Abs. 2 der Verordnung über das Betriebsgesundheitswesen und die Arbeitshygieneinspektion vom 11. Januar 1978 – GBl. I S. 61). Gem. § 2 Abs. 4 der Verordnung unterstand das Gesundheitswesen Wismut dem Minister für Gesundheitswesen. Gem. § 3 Abs. 1 der Verordnung war das Betriebsgesundheitswesen Teil des staatlichen Gesundheitswesens. Da das Gesundheitswesen Wismut nicht nur ein unselbständiger Versorgungsbetrieb der SDAG-Wismut, sondern als Einrichtung Teil des staatlichen Gesundheitswesens war, gehörte es zur öffentlichen Verwaltung (vgl. auch BAG Urteil vom 18. März 1993 – 8 AZR 331/92 – BAGE 72, 350, 356 f. = AP Nr. 20 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu II 1c, d der Gründe). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war daher dem öffentlichen Dienst zuzurechnen.
2. Mit dem Beitritt sind die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der DDR nicht untergegangen. Sie sind am 3. Oktober 1990 kraft Gesetzes auf neue Träger öffentlicher Verwaltung als juristische Personen bundesdeutschen Rechts übergegangen (vgl. BVerfG Urteil vom 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90 – BVerfGE 84, 133, 147 = AP Nr. 70 zu Art. 12 GG; BAG Urteil vom 15. Oktober 1992, aaO), und zwar jeweils auf den Träger, der gem. Art. 13 EV zur Entscheidung über die Überführung oder Abwicklung zuständig war. Soweit Verwaltungsorgane und sonstige der öffentlichen Verwaltung oder Rechtspflege dienende Einrichtungen oder Teileinrichtungen bis zum Wirksamwerden des Beitritts Aufgaben erfüllt haben, die nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vom Bund wahrzunehmen sind, unterstehen sie gem. Art. 13 Abs. 2 EV den zuständigen obersten Bundesbehörden.
3. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist mit dem Beitritt nicht auf die Beklagte übergegangen, weil diese gem. Art. 13 Abs. 2 EV nicht zur Entscheidung über die Überführung oder Abwicklung zuständig war.
a) Die Zuständigkeit des Bundes ergibt sich weder aus einer entsprechenden Gesetzgebungs- noch aus einer Verwaltungskompetenz für das Gesundheitswesen.
Nach Art. 74 Nr. 19 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf die Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, den Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln und Giften. Die Kompetenzzuweisung nach Art. 74 Nr. 19a GG umfaßt die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze. Aus Art. 74 Nr. 19 und 19a GG ergibt sich für den Bund nicht die Kompetenz zur Regelung des allgemeinen Gesundheitswesens. Regelungen über die medizinische Versorgung der Bevölkerung obliegen grundsätzlich den Ländern (vgl. auch Maunz in Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 74 Rz 210 ff.).
Nach Art. 30 GG ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder. Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit das GG nichts anderes bestimmt oder zuläßt (Art. 83 GG). Eine bundeseigene Verwaltung im Bereich des Gesundheitswesens kommt nur nach Art. 87 Abs. 3 GG in Betracht. Danach können für Angelegenheiten, für die dem Bund die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts durch Bundesgesetz errichtet werden. Die Verwaltungskompetenz geht also keinesfalls weiter als die Gesetzgebungskompetenz. Die allgemeine medizinische Versorgung der Bevölkerung ist in jedem Falle Sache der Länder.
b) Die Zuständigkeit des Bundes ergibt sich auch nicht aus den Kompetenzen der Art. 73 Nr. 1, 87a, 87b GG. Der Bereich der Verteidigung (einschließlich Wehrersatzwesen und Schutz der Zivilbevölkerung), der Streitkräfte oder der Bundeswehrverwaltung ist vorliegend nicht berührt. Es ist unerheblich, daß die SDAG-Wismut aufgrund eines Beschlusses des Ministerrats der DDR einem Betrieb der Landesverteidigung mit einer gewissen Sicherheitsstufe gleichgestellt war. Das Gesundheitswesen Wismut war nicht Bestandteil der SDAG-Wismut, vielmehr rechtlich selbständig. Verantwortlich war nach § 2 Abs. 4 der Verordnung vom 11. Januar 1978 (aaO) der Minister für Gesundheitswesen, nicht der Minister für Nationale Verteidigung. Auch wenn man zugunsten der Klägerin annehmen würde, daß das Gesundheitswesen Wismut in der Sicherheitsstufe einem Betrieb der Landesverteidigung gleichgestellt worden sei, um beim Uran-Bergbau auftretende Gesundheitsschäden geheimzuhalten, wäre die Zuständigkeit des Bundes nicht gegeben. Eine etwaige Gleichstellung in der Sicherheitsstufe würde nicht dazu führen, daß aus Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens solche der Verteidigung würden. Schon deshalb kann die entsprechende Aufklärungsrüge der Klägerin keinen Erfolg haben.
II. Die Passivlegitimation der Beklagten ergibt sich nicht aus einer Abwicklungszuständigkeit gem. dem Protokoll zum EV.
1. Die Vertragsparteien des Einigungsvertrages haben zur Klärung von Zweifelsfällen, die sich bei der Struktur und dem Umfang des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR ergeben können, in einer Protokollnotiz zu Art. 13 EV bestimmt, wer die Einrichtungen abzuwickeln hat, die bis zum Beitritt Aufgaben erfüllt haben, die künftig nicht mehr von der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen werden sollen. Das Protokoll hat nach Art. 1 Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1995 Gesetzeskraft. Soweit ein Sachzusammenhang zu öffentlichen Aufgaben besteht, werden nach Abschnitt I Nr. 6 Abs. 1 des Protokolls die Einrichtungen von demjenigen abgewickelt, der Träger dieser öffentlichen Aufgaben ist (Bund, Land, Länder gemeinsam). Nach Abs. 2 aaO werden in den sonstigen Fällen die Einrichtungen vom Bund abgewickelt. In Zweifelsfällen kann von dem betroffenen Land oder vom Bund eine Stelle angerufen werden, die von Bund und Ländern gebildet wird.
2. Danach bestand keine Abwicklungszuständigkeit der Beklagten. Das Gesundheitswesen soll auch künftig teilweise von der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen werden. Jedenfalls bestand – auch bei Teileinrichtungen, deren Privatisierung oder vollständige Schließung vorgesehen war – ein Sachzusammenhang zum öffentlichen Gesundheitswesen. Träger dieser Aufgaben sind, wie dargelegt, die Länder. Die Auffangzuständigkeit nach Abschnitt I Nr. 6 Abs. 2 des Protokolls zum EV kam deshalb nicht in Betracht. Sie betraf nur Fälle, in denen eine Zuordnung von Verwaltungseinrichtungen zum Kompetenzkatalog des Grundgesetzes nicht vorgenommen werden konnte. Auf die Aufklärungsrüge der Klägerin kommt es demnach nicht an.
III. Die Beklagte hat die Aufgaben der Überführung und Abwicklung nicht tatsächlich übernommen. Aus der Beteiligung eines Vertreters des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung an der Beratung vom 13. September 1990 läßt sich nichts zugunsten der Klägerin herleiten. Das Festlegungsprotokoll enthält keine Aussagen über eine Rechtsnachfolge des Gesundheitswesens Wismut. Die tatsächliche Übernahme der Abwicklung durch die Beklagte läßt sich auch nicht dem Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 10. Dezember 1990 an die Direktion des Gesundheitswesens Wismut entnehmen. In dem Schreiben weist das Ministerium ausdrücklich darauf hin, daß die Übertragung von Trägerschaften für einzelne Einrichtungen nach Art. 13 EV Aufgabe der neuen Bundesländer, und zwar in erster Linie der Länder Sachsen und Thüringen sei, in deren Gebiet sich die Mehrzahl der Einrichtungen des Gesundheitswesens Wismut befinde. Welche Folge eine tatsächliche Übernahme der Abwicklung gehabt hätte, kann daher dahingestellt bleiben.
IV. Die Beklagte ist nicht gem. § 613a Abs. 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis der Klägerin eingetreten. Die Klägerin hat nicht dargelegt, die Beklagte habe rechtsgeschäftlich Vermögen, Betriebsteile oder gar Betriebe des Gesundheitswesens Wismut übernommen.
V. Die Beklagte ist nicht aufgrund des Gesetzes zur Regelung von Vermögensfragen der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet und zur Änderung von Gesetzen vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2313 – SV VermG) Schuldnerin eines etwaigen Abfindungsanspruchs geworden.
1. Gem. Anl. I Kap. VIII Sachgeb. F Abschn. II Nr. 1 § 3 Abs. 1 EV ist das Vermögen des Trägers der Sozialversicherung in der ehemaligen DDR am 1. Januar 1991 in Gesamthandsvermögen der zuständigen Sozialversicherungsträger übergegangen. Das Gesundheitswesen Wismut gehörte nicht zum Träger der Sozialversicherung, sein Vermögen daher nicht zum Gesamthandsvermögen im Sinne des Einigungsvertrages. Durch § 1 Abs. 2 Satz 1 SV VermG wurde dieses Gesamthandsvermögen um das Vermögen des Gesundheitswesens Wismut erweitert. Demnach sind die für das Beitrittsgebiet zuständigen Versicherungsträger gesamthänderische Eigentümer des Vermögens des Gesundheitswesens Wismut geworden. Das SV VermG sieht Regelungen zur Auflösung des Gesamthandsvermögens der Sozialversicherungsträger im Beitrittsgebiet vor. Es verpflichtet die Überleitungsanstalt Sozialversicherung zur verwaltungsmäßigen Durchführung des Gesetzes.
2. Die Beklagte wäre allenfalls passivlegitimiert, wenn ein Abfindungsanspruch gegen die Überleitungsanstalt Sozialversicherung bestanden hätte.
a) Aus Anl. I Kap. VIII Sachgeb. F Abschn. II Nr. 1 § 4 Abs. 1 EV läßt sich kein Anspruch gegen die Beklagte herleiten. Nach dieser Vorschrift trat die Überleitungsanstalt in die Arbeitsverhältnisse ein, die am 1. Januar 1991 zwischen dem Träger der Sozialversicherung und seinen Arbeitnehmern bestanden. Die Klägerin war nicht Arbeitnehmerin des Trägers der Sozialversicherung der DDR. Sie war beim rechtlich selbständigen Gesundheitswesen Wismut beschäftigt.
b) Die Passivlegitimation der Beklagten folgt nicht aus § 9 Abs. 1 SV VermG. Zwar können nach dieser Bestimmung Verbindlichkeiten, die zum Gesamthandsvermögen gehören, nur gegenüber der Überleitungsanstalt geltend gemacht werden. Die arbeitsrechtlichen Forderungen der ehemaligen Beschäftigten des Gesundheitswesens Wismut gehören aber deshalb nicht zu den im SV VermG geregelten Verbindlichkeiten, weil die Arbeitsverhältnisse mitsamt den Verbindlichkeiten aus ihnen am 3. Oktober 1990 auf einen neuen Träger öffentlicher Verwaltung übergegangen waren. Erst nach dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages entstandene Forderungen richten sich von vorneherein gegen den neuen Arbeitgeber. Das war, wie ausgeführt, nicht die Beklagte. Ob das Land Thüringen nach Art. 13 Abs. 1 EV oder etwa eine kommunale Gebietskörperschaft (vgl. § 2 Abs. 1, 2 i.V.m. § 72 Abs. 1 des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 – GBl. I S. 255 –) in Anspruch genommen werden könnte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. In jedem Falle ist mit dem Wegfall des Gesundheitswesens Wismut am 3. Oktober 1990 ein neuer Arbeitgeber in das Arbeitsverhältnis der Klägerin eingetreten. Demgegenüber konnte die in § 1 Abs. 2 SV VermG vorgenommene Vermögenszuordnung erst mit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 20. Dezember 1991 wirken.
VI. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Krause, Rosendahl
Fundstellen
Haufe-Index 873934 |
BAGE, 66 |
NZA 1996, 776 |
NJ 1998, 390 |