Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitgeber. Horterzieher in Mecklenburg-Vorpommern

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelsache zu der veröffentlichten Entscheidung des Senats vom 22. Februar 1996 – 8 AZR 1041/94

 

Normenkette

BGB § 613a; BRRG § 128 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 20.02.1995; Aktenzeichen 5 Sa 974/93)

ArbG Rostock (Urteil vom 12.11.1993; Aktenzeichen 7 Ca 659/91)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 3) wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Februar 1995 – 5 Sa 974/93 – aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten zu 3) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 12. November 1993 – 7 Ca 659/91 – teilweise wie folgt abgeändert:

Die Klage wird hinsichtlich der Beklagten zu 3) abgewiesen.

Die Klägerin hat 1/4 der erstinstanzlichen Kosten und die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revision nur noch darüber, ob die Beklagte zu 3) verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 1. Januar 1992 als Erzieherin weiterzubeschäftigen.

Die Klägerin war aufgrund eines mit dem Rat des Kreises Bad D. – Abteilung Volksbildung – geschlossenen Arbeitsvertrages seit 1971 als Horterzieherin in K. beschäftigt.

Mit Schreiben vom 24. September 1991, der Klägerin am 27. September 1991 zugegangen, wurde ihr wegen ersatzloser Auflösung der Beschäftigungsstelle gekündigt. Das Kündigungsschreiben, das den Briefkopf des Kreises Bad D. (fortan: Beklagter zu 2) trägt, wurde für das Land Mecklenburg-Vorpommern (fortan: Beklagter zu 1) durch den Schulrat und für die Kreisverwaltung durch die Hauptamtsleiterin unterzeichnet.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 15. Oktober 1991 Kündigungsschutzklage gegen die Beklagten zu 1) und 2) erhoben. Mit Schriftsatz vom 13. April 1993 hat die Klägerin ihre Klage auf die Beklagte zu 3) erweitert und den unveränderten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu dieser geltend gemacht.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr nicht wirksam gekündigtes Arbeitsverhältnis sei durch Betriebsübergang nach § 613 a BGB auf die Beklagte zu 3) übergegangen. Am 3. Oktober 1990 sei das ursprünglich mit dem Rat des Kreises geschlossene Arbeitsverhältnis zunächst mit der Bildung des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf dieses übergegangen. Ab dem 1. Januar 1992 sei die Beklagte zu 3) durch Übernahme der Beschäftigungseinrichtung in das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nach § 613 a BGB eingetreten. Die Beklagte zu 3) habe zu diesem Zeitpunkt die Organisations- und Leitungsmacht über den Hort erhalten. Die wesentliche Aufgabe des Hortes, die Schüler außerhalb der Unterrichtszeiten zu betreuen, sei unverändert geblieben. Daran ändere die Umbenennung des Hortes durch die Beklagte zu 3) in ein „Schülerfreizeitzentrum” nichts.

Die Klägerin hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, beantragt,

die Beklagte zu 3) zu verurteilen, die Klägerin ab dem 1. Januar 1992 zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte zu 3) hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 3) hat die Auffassung vertreten, es sei kein Betriebsübergang nach § 613 a BGB erfolgt. Es fehle bereits an dem für eine Betriebsübernahme erforderlichen Rechtsgeschäft. Der Hort sei niemals Betriebsteil des Beklagten zu 1) gewesen. Die geldwerten Betriebsmittel wie Gebäude, Einrichtung des Hortes usw. hätten sich bereits vor dem Beitritt im Besitz der Beklagten zu 3) befunden. Es gebe keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach bei der Übertragung von räumlich und organisatorisch abgrenzbaren Funktionseinheiten zur Verfolgung eines bestimmten Zweckes auf einen neuen Träger die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten auf den neuen Träger auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung übergingen. Dies ergebe sich auch nicht aus dem Sozialstaatsprinzip. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei bei dem Beklagten zu 1) verblieben.

Das Arbeitsgericht hat rechtskräftig festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung vom 24. September 1991 nicht aufgelöst worden ist. Dem Weiterbeschäftigungsantrag gegenüber der Beklagten zu 3) hat das Arbeitsgericht stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte zu 3) ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Beklagte zu 3) ist nicht verpflichtet, die Klägerin ab 1. Januar 1992 weiterzubeschäftigen.

A. Das Landesarbeitsgericht hat den Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 3) wie folgt begründet:

Das ursprünglich mit dem Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis sei mit dem 1. Januar 1992 auf die Beklagte zu 3) übergegangen. Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB lägen nicht vor. Die schuld- und sachenrechtliche Zuordnung der den Hort ausmachenden Betriebsmittel sei vor und nach dem 1. Januar 1992 unverändert geblieben. Die Übernahme der personellen Verantwortung für die Beschäftigten stelle keinen Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB dar. Auch ein gesetzlicher Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf die Beklagte zu 3) scheide aus. Im Schulreformgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 26. April 1991 sei nicht geregelt worden, daß die Arbeitsverhältnisse der Horterzieher auf die Kommunen übergegangen seien. Der Übergang des ehemals mit dem Beklagten zu 1) bestehenden Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 3) ergebe sich jedoch aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach die bestehenden Arbeitsverhältnisse bei der Übertragung von räumlich und organisatorisch abgrenzbaren Funktionseinheiten, mit denen bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt würden, auf den neuen Träger übergingen, ohne daß eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erforderlich sei. Dieser Rechtsgrundsatz ergebe sich aus § 613 a BGB, § 128 BRRG und aus dem Sozialstaatsprinzip, wonach die Arbeitsrechtsordnung so zu gestalten sei, daß sie den sozialen Anforderungen jederzeit entspreche und den Schutz des Schwächeren im Rechts leben gewährleiste.

B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klage auf Weiterbeschäftigung ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht auf die Beklagte zu 3) übergegangen.

1. Ursprünglich bestand zwischen der Klägerin und dem Rat des Kreises Bad D. ein Arbeitsrechtsverhältnis. Die Klägerin gehörte als Horterzieherin zu den Pädagogen im Sinne der Verordnung über die Pflichten und Rechte der Lehrkräfte und Erzieher der Volksbildung und Berufsbildung – Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte – vom 29. November 1979 (GBl. DDR I S. 444 – im folgenden: PädagogenVO), die in einem Arbeitsrechtsverhältnis zum jeweiligen Rat des Kreises standen.

2. Durch das Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl. DDR I S. 255) ging der Rat des Kreises als Betrieb im Sinne von § 38 AGB-DDR 1977 und damit als Arbeitgeber im Sinne der ab 1. Juli 1990 gültigen Terminologie (§ 38 AGB-DDR 1990) unter. Das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik vom 4. Juli 1985 (GBl. DDR I S. 213 – im folgenden GöV) und die Art. 41, 43 sowie 81 bis 85 der Verfassung der DDR vom 6. April 1968 in der Fassung vom 7. Oktober 1974 (GBl. DDR I S. 432) wurden durch die §§ 101, 102 Kommunalverfassung aufgehoben. Eine Regelung über den Fortbestand oder die Umwandlung der örtlichen Räte unterblieb.

3. Die durch die Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 neu gebildeten Landkreise sind weder mit den früheren Räten der Kreise identisch noch deren Rechtsnachfolger.

a) Bei den Räten der Kreise handelte es sich um Organe des Zentralstaates DDR, und zwar um die von den wahlberechtigten Bürgern gewählten Organe der Staatsmacht in den Bezirken, Kreisen, Städten, Stadtbezirken, Gemeinden und Gemeindeverbänden (vgl. Art. 81 Abs. 1 der Verfassung der DDR). Die Aufgabenbefugnisse der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Räte wurden auf der Grundlage von Art. 85 der Verfassung der DDR in dem GöV vom 4. Juli 1985 festgelegt. Aus § 1 Abs. 1 GöV ergibt sich, daß die örtlichen Volksvertretungen Organe der zentralen Staatsmacht waren. Ein Recht zur Selbstverwaltung stand ihnen nicht zu (vgl. BGH Urteil vom 4. November 1994 – LwZR 12/93 – BGHZ 127, 285, 288; Bauer, BayVBl. 1990, 263, 265). Gemäß § 9 Abs. 3 GöV hatten die Räte zwar grundsätzlich das Recht, über alle Angelegenheiten, die ihr Territorium und seine Bürger betrafen, zu entscheiden, soweit nicht die ausschließliche Kompetenz der Volksvertretung gegeben war. Sie waren jedoch nach § 9 Abs. 1 GöV ihrer Volksvertretung und ihrem übergeordneten Rat für die Tätigkeit verantwortlich und rechenschaftspflichtig. Die Beschlüsse der Räte konnten durch die zuständigen Volksvertretungen und die übergeordneten Räte aufgehoben werden. Die Räte waren als Staatsorgane juristische Personen. Sie konnten als solche am Rechtsverkehr teilnehmen (vgl. § 81 GöV).

b) Durch die Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 wurden die Landkreise als Gebietskörperschaften mit Selbstverwaltungsrecht neu errichtet. Sie erfüllen ihre Aufgaben nach den Grundsätzen der kommunalen Selbstverwaltung (§ 71 Kommunalverfassung). Nach § 72 Kommunalverfassung haben die Landkreise in ihrem Gebiet unter eigener Verantwortung die ihnen obliegenden öffentlichen Aufgaben wahrzunehmen. Sie können nur durch Gesetz zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden (§ 72 Abs. 4 Kommunalverfassung).

c) Bereits aus dieser den Landkreisen eingeräumten kommunalen Selbstverwaltung und ihrer rechtlichen Ausgestaltung als Gebietskörperschaften ergeben sich gegenüber den früheren Räten der Kreise so grundlegende Wesensunterschiede, daß eine Identität ausscheidet. Eine solche ergibt sich auch nicht aus §§ 76, 78 der Kommunalverfassung. Danach führen die Landkreise ihre bisherigen Namen, behalten den Sitz der Kreisverwaltung und besteht das Kreisgebiet aus den nach bisherigem Recht zum Landkreis gehörenden Gemeinden und gemeindefreien Grundstücken. Diese Regelungen knüpfen allein aus Gründen der Praktikabilität an die bisherigen Gebietseinheiten an, um in der Zeit der Wende einen für den Bürger und die Landkreise möglichst reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Die §§ 76, 78 der Kommunalverfassung besagen nichts zur materiellen Identität (vgl. BGH Urteil vom 4. November 1994 – LwZR 12/93 – BGHZ 127, 285, 289).

d) Eine Gesamtrechtsnachfolge der Landkreise ist in der Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 nicht angeordnet worden und liegt deshalb auch nicht vor (BGH, a.a.O., sowie das Senatsurteil vom 14. Dezember 1995 – 8 AZR 380/94 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 2 b der Gründe). Darüber hinaus spricht gegen eine Gesamtrechtsnachfolge der Erlaß des Gesetzes über das Vermögen der Gemeinden, Städte und Landkreise vom 6. Juli 1990 (GBl. DDR I S. 660), durch das die Kommunen und Landkreise mit dem benötigten Vermögen ausgestattet werden sollten. Dieses Gesetz wäre weitgehend überflüssig gewesen, wenn sich schon aus der Kommunalverfassung eine Gesamtrechtsnachfolge ergeben hätte (BGH, a.a.O.).

e) Mit der Auflösung der Räte durch die Kommunalverfassung gingen die mit den Räten der Kreise bestehenden Arbeitsrechtsverhältnisse nicht unter. Der Gesetzgeber ging vielmehr von einem ausdrücklich nicht geregelten Fortbestand der Verträge aus. Dabei wurde gemäß § 94 Abs. 5 Kommunalverfassung zwischen dem „kommunalen Personal” und dem vom Staat „zur Verfügung gestellten Personal der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde” unterschieden. Vorgesetzter des kommunalen Personals war der Landrat als Leiter der Behörde „Landkreis”. Zugleich nahm der Landrat gemäß § 94 Abs. 1 Kommunalverfassung die Aufgaben der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde beim Kreis wahr. Als untere staatliche Behörde war der Landrat zugleich Vorgesetzter des von der DDR als noch existierendem Staat zur Verfügung gestellten staatlichen Personals. Ein Übergang auf die Länder, die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht geschaffen waren, schied von vornherein aus.

Das Personal, das vom Staat „DDR” zur Verfügung gestellt wurde, blieb staatliches Personal, weil ein Übergang der Arbeitsverhältnisse von der Republik auf die Landkreise in der Kommunalverfassung nicht angeordnet wurde. Allerdings trat an die Stelle des Rates des Kreises die untere staatliche Verwaltungsbehörde als „Betrieb” in das Arbeitsrechtsverhältnis ein. Für den Bereich des pädagogischen Personals waren dies die „Schulämter der Kreise”, die durch die Verordnung über die Bildung von vorläufigen Schulaufsichtsbehörden vom 30. Mai 1990 (GBl. DDR I S. 296 – im folgenden: SchulamtsVO) unter Verantwortung des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft der DDR als oberster Schulaufsichtsbehörde (vgl. § 2 Abs. 1 SchulamtsVO) errichtet wurden.

f) Hieraus ergibt sich, daß der Bereich Schule staatliche Angelegenheit bleiben sollte. Die nähere Ausgestaltung wurde den noch zu bildenden Ländern übertragen.

Zu den Aufgaben der Schulaufsichtsbehörden gehörte gemäß § 3 Abs. 2 SchulamtsVO die Begründung, Änderung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen der ihnen unterstellten Pädagogen. Auch die Aufsicht über die Pädagogen gehörte zu den Aufgaben der Schulaufsichtsbehörden. Durch die SchulamtsVO wurde die PädagogenVO nicht aufgehoben. Von daher waren auch die Erzieher weiterhin als Pädagogen anzusehen.

Nach § 3 Abs. 1 SchulamtsVO hatten die Schulämter der Kreise im Auftrag des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft im jeweiligen Territorium Aufgaben für das Bildungswesen im Prozeß der Herausbildung der Länder und Kommunen wahrzunehmen. Die Tätigkeit der Kreisschulämter war Verwaltung der Republik. Es handelte sich nicht um eine Tätigkeit im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung, sondern um eine Tätigkeit als staatliche Verwaltungsbehörde. Der Kreisschulrat gehörte zum staatlichen Personal. Gemäß § 5 Abs. 2 SchulamtsVO wurde er vom Minister für Bildung und Wissenschaft berufen. Wie der Kreisschulrat gehörten auch die ihm unterstellten Lehrer und Erzieher zum staatlichen Personal. Der Kreisschulrat war Dienstvorgesetzter der Lehrer und Erzieher in seinem Kreis. Oberste Schulaufsichtsbehörde war das Ministerium für Bildung und Wissenschaft. Der Minister für Bildung und Wissenschaft war der oberste Dienstvorgesetzte der Lehrer und Erzieher. Da eine Dienstaufsicht nur der Arbeitgeber ausüben kann, ergibt sich auch hieraus, daß das Arbeitsverhältnis der Pädagogen zur DDR fortbestand.

g) Dieses Ergebnis wird durch die Verordnung über Grundsätze und Regelungen für allgemeinbildende Schulen und berufsbildende Schulen – Vorläufige Schulordnung – vom 18. September 1990 (GBl. DDR I S. 1579) bestätigt. Nach § 16 Abs. 2 der Vorläufigen Schulordnung wurden die Arbeitsverhältnisse der Pädagogen mit der zuständigen Schulaufsichtsbehörde begründet, geändert und beendet. Nach § 8 Abs. 3 der Vorläufigen Schulordnung war der Schulhort Bestandteil der Schule. Die Vorläufige Schulordnung ging weiterhin von einem weiten Pädagogenbegriff aus. Gemäß § 16 Abs. 1 der Vorläufigen Schulordnung gehörten zu den Pädagogen im Sinne der Verordnung auch die im außerunterrichtlichen Bereich als Lehrer bzw. Erzieher oder Freizeitpädagoge tätigen Kräfte.

4. Mit dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß § 22 des Verfassungsgesetzes zur Bildung von Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik – Ländereinführungsgesetz – vom 22. Juli 1990 (GBl. DDR I S. 955) in der Fassung des Einigungsvertrages (Anlage II Kapitel II Sachgebiet A Abschnitt II) sowie Art. 13 Abs. 1 EV von der DDR auf das beklagte Land übergegangen.

a) Nach § 22 des Ländereinführungsgesetzes (auch in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 13. September 1990 – GBl. DDR I S. 1567) gingen mit der Bildung von Ländern in der DDR die Verwaltungsorgane und sonstigen der öffentlichen Verwaltung oder Rechtspflege dienenden Einrichtungen der Republik, soweit sie nach dem Ländereinführungsgesetz Aufgaben der Länder wahrnehmen, auf die Länder über. Die Schulämter der Kreise mit ihren Pädagogen nahmen beim Wirksamwerden des Beitritts und des Ländereinführungsgesetzes am 3. Oktober 1990 im Sinne des Ländereinführungsgesetzes Aufgaben der Länder wahr. Das Ländereinführungsgesetz unterscheidet als Verfassungsgesetz nicht zwischen den Aufgaben der Länder und der Kommunen, sondern trennt bundesstaatlich zwischen den Aufgaben des Bundes und den Aufgaben der Länder. Dabei gehören die von den Kommunen wahrzunehmenden Angelegenheiten zu den Aufgaben der Länder. Nach dem Katalog des Ländereinführungsgesetzes (vgl. §§ 12 bis 18) gehörte die nicht ausdrücklich dem Bund vorbehaltene Aufgabe des Schulwesens zu den von den Ländern wahrzunehmenden Aufgaben. Damit trat kraft Gesetzes am 3. Oktober 1990 das jeweils neu entstehende Bundesland an die Stelle der DDR als Träger der unteren staatlichen Verwaltungsbehörden ein. Die Beschäftigten der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde wurden Arbeitnehmer des neu entstehenden Bundeslandes.

b) Im übrigen ergab sich die gleiche Rechtsfolge aus Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 EV sowie Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 EV.

Eine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde im Sinne von Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die (Teil-)Einrichtung unverändert fortführte oder er sie unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92BAGE 72, 176 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag). Die Überführung erforderte eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit.

Danach ist von einer Überführung der Kreisschulämter durch das beklagte Land auszugehen. Die Kreisschulämter waren funktionsfähige Organisationseinheiten, die vor dem 3. Oktober 1990 unter Leitung des Schulrates die Fähigkeit zu aufgabenbezogener Eigensteuerung und selbständiger Aufgabenerfüllung besaßen. Die Kreisschulämter haben nach dem Beitritt ihre bisherigen Aufgaben unter nunmehriger Aufsicht des Kultusministeriums des Beklagten fortgeführt. Eine Überführungsentscheidung ist zumindest konkludent erfolgt.

c) Mit der Überführung der Kreisschulämter sind die Arbeitsverhältnisse aller Pädagogen auf das Land übergegangen. Hierzu gehörten auch die Arbeitsverhältnisse der Horterzieher. Der weite Pädagogenbegriff galt auch noch nach dem 3. Oktober 1990. Die Vorläufige Schulordnung gehört zum fortgeltenden Recht der DDR (vgl. Art. 3 der Zusatzvereinbarung zum EV vom 18. September 1990, BGBl. II S. 1239).

5. In der Folgezeit ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf keinen anderen Arbeitgeber übergegangen. Insbesondere ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht auf die Stadt K. übergegangen.

a) Nach § 2 Abs. 1 der Kommunalverfassung haben die Gemeinden das Recht und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit die Pflicht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, soweit die Gesetze nicht etwas anderes bestimmen. Zu den Selbstverwaltungsaufgaben gehört nach § 2 Abs. 2 der Kommunalverfassung die Sicherung und Förderung eines breiten öffentlichen Angebotes an Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen. Dazu kann auch die Errichtung von Schulhorten gerechnet werden. § 2 Abs. 2 der Kommunalverfassung regelt jedoch nicht den Übergang bestehender Kinderbetreuungseinrichtungen auf die Gemeinden. Es handelt sich lediglich um eine Kompetenznorm für die Gemeinden, die sie berechtigt, derartige Einrichtungen für ihre Einwohner zur Verfügung zu stellen. Ob die Gemeinden Schulhorte errichten oder übernehmen, hängt von ihrem Entschluß ab. Allein der Übergang von Aufgaben einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft berührt nicht den Bestand eines Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG Urteil vom 18. Februar 1976 – 5 AZR 616/74 – AP Nr. 1 zu Saarland UniversitätsG). Hieraus ergibt sich, daß allein die Möglichkeit, bestimmte Aufgaben als eigene wahrzunehmen, für einen Übergang von Arbeitsverhältnissen nicht ausreicht.

b) Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Stadt K folgt nicht aus § 613 a BGB. Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs sind nicht festgestellt. Nach den öffentlich-rechtlichen Vorgaben blieb die schuld- und sachenrechtliche Zuordnung der den Schulhort ausmachenden Betriebsmittel unverändert. Daß die Stadt K. mit einem Teil der früheren Beschäftigten des Schulhortes Arbeitsverträge geschlossen hat, begründet keinen Betriebsübergang. Die personelle Verantwortung allein macht nicht das Substrat eines Schulhortes aus, sie steht der konkret zu erbringenden Dienstleistung nicht gleich. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Richtlinie 77/187/EWG im Falle der vertraglichen „Übernahme der Verantwortung für Reinigungsaufgaben” (vgl. Entscheidung vom 14. April 1994 – Rs C-392/92ZIP 1994, 1036) überhaupt auf die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung der neuen Bundesländer übertragen werden können (BAG Urteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 576/92 – EzA § 613 a BGB Nr. 117; Urteil vom 6. Juli 1995 – 8 AZR 287/93 – nicht veröffentlicht).

c) Eine analoge Anwendung von § 613 a BGB kommt nicht in Betracht. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke, die durch Analogie gefüllt werden müßte. Der vorliegende Fall ist vom Normzweck des § 613 a BGB nicht umfaßt. Diese Bestimmung schützt den Arbeitnehmer vor dem Verlust des Arbeitsplatzes im Falle eines Betriebsinhaberwechsels, indem er die Arbeitsverhältnisse bei neuer rechtlicher Zuordnung der wesentlichen Betriebsmittel entsprechend zuordnet. Er gewährleistet, daß der Inhaber der wesentlichen Betriebsmittel zugleich Arbeitgeber wird. Normzweck des § 613 a BGB ist aber nicht, dort, wo Arbeitgeberstellung und Inhaberschaft der Betriebsmittel noch nie in einer Person zusammengefallen sind, diese „Personalunion” kraft Gesetzes herbeizuführen. Der Normzweck des § 613 a BGB ändert sich auch nicht dadurch, daß Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriebsinhaber die „Personalunion” für einzelne Arbeitnehmer durch Rechtsgeschäft herbeiführen (vgl. BAG Urteil vom 6. Juli 1995 – 8 AZR 287/93 –, zu II 2 c der Entscheidungsgründe).

d) Ein gesetzlicher Übergang von Arbeitsverhältnissen folgt auch nicht aus der analogen Anwendung von § 128 Abs. 3 BRRG. Nach § 128 Abs. 3 BRRG haben die aufnehmenden Körperschaften im Falle einer teilweisen Eingliederung einer anderen Körperschaft deren Beamte zu einem Teil „zu übernehmen”. § 128 Abs. 3 BRRG erfordert Übernahmeentscheidungen und wirkt nicht unmittelbar auf die betroffenen Dienstverhältnisse ein (vgl. BVerwG Beschluß vom 3. März 1981 – ZB 36.81 – Buchholz 415,1 – Nr. 33; BAG Urteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 576/92 – EzA § 613 a BGB Nr. 117). Ob § 128 Abs. 3 BRRG überhaupt analog anwendbar ist, kann dahinstehen, denn wäre eine analoge Anwendung dieser Norm möglich, würde allenfalls eine Pflicht zur Übernahme von Personal begründet, jedoch kein gesetzlicher Arbeitgeberwechsel geregelt.

e) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht nach den Bestimmungen des Ersten Schulreformgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 26. April 1991 (GVBl. 1991 S. 123) vom Land auf die Stadt K. übergegangen. Dieses Gesetz enthält keine Regelung des Übergangs von Arbeitsverhältnissen.

aa) § 22 des Schulreformgesetzes bestimmt, wer Bediensteter des Landes ist. Danach sind die Schulleiter, Stellvertreter und Lehrer an öffentlichen Schulen Bedienstete des Landes. Auch die Fachlehrer für den praktischen Unterricht an den öffentlichen beruflichen Schulen und unter sonderpädagogischer Aufgabenstellung tätiges Personal an den öffentlichen Sonderschulen gehören hierzu. Nach § 22 Abs. 2 des Schulreformgesetzes trägt das Land auch die persönlichen Kosten der im Schulpsychologischen Dienst der Landkreise und kreisfreien Städte beschäftigten Schulpsychologen. Die Erzieher werden im Schulreformgesetz weder in § 22 noch an anderer Stelle erwähnt. Dementsprechend fehlt es an einer gesetzlichen Regelung ihrer Arbeitsverhältnisse, insbesondere eines Übergangs kraft oder aufgrund eines Gesetzes. Aus der unterbliebenen Erwähnung der Horterzieher in § 22 des Schulreformgesetzes könnte allenfalls der Schluß gezogen werden, daß die Horterzieher auf Dauer keine Beschäftigten des Landes bleiben sollten, eine besondere Regelung ihrer Arbeitsverhältnisse unterblieb jedoch.

bb) Nach § 14 Abs. 1 des Schulreformgesetzes bieten die Schulträger im Rahmen ihrer Möglichkeiten vorzugsweise für Grundschüler und Sonderschüler Einrichtungen an, in denen die Schüler vor und nach dem Unterricht betreut werden können. Aus der Aufgabenzuweisung allein folgt gleichfalls kein Übergang von Arbeitsverhältnissen der Horterzieher auf die Gemeinden als Schulträger (vgl. BAG Urteil vom 18. Februar 1976 – 5 AZR 616/74 – AP Nr. 1 Saarland UniversitätsG). Hierzu hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft, die hier nicht vorliegt.

cc) Damit weicht die landesgesetzliche Regelung in Mecklenburg-Vorpommern von der im Freistaat Sachsen ab, zu der das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 16. März 1994 entschieden hat (- 8 AZR 639/92 - NZA 1995, 125), daß die Arbeitsverhältnisse der Horterzieher an Schulen im Freistaat Sachsen mit Inkrafttreten des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen (Sächs. GVBl. 1991 S. 213) am 1. August 1991 auf die Gemeinden als Schulträger gemäß § 16 Abs. 3 SächsSchulG übergegangen sind. Eine entsprechende Regelung des Übergangs findet sich im Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern nicht.

6. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gibt es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach bei der Übertragung von räumlich und organisatorisch abgrenzbaren Funktionseinheiten zur Verfolgung eines bestimmten Zweckes auf einen neuen Träger auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten auf den neuen Träger übergehen. Ein derartiger Rechtsgedanke ergibt sich weder aus § 613 a BGB noch aus dem Sozialstaatsprinzip.

§ 613 a BGB schützt den Arbeitnehmer vor dem Verlust des Arbeitsplatzes im Falle eines Betriebsinhaberwechsels, indem er die Arbeitsverhältnisse bei neuer rechtlicher Zuordnung der wesentlichen Betriebsmittel entsprechend zuordnet. Er gewährleistet, daß der Inhaber der wesentlichen Betriebsmittel zugleich Arbeitgeber wird. Normzweck des § 613 a BGB ist aber nicht, dort wo Arbeitgeberstellung und Inhaberschaft der Betriebsmittel noch nie in einer Person zusammengefallen sind, diese "Personalunion" kraft Gesetzes herbeizuführen.

Ein Übergang der Arbeitsverhältnisse ergibt sich auch nicht aus dem Sozialstaatsprinzip. Das Sozialstaatsprinzip gibt eine Richtlinie für den Gesetzgeber, die Arbeitsrechtsordnung so zu gestalten, daß sie den sozialen Anforderungen entspricht. Rechtsansprüche der Arbeitnehmer sind aus dem Sozialstaatsprinzip nicht abzuleiten (Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 20 Rz 28; vgl. auch BVerfGE 27, 253, 283; 39, 302, 315).

Im übrigen wäre im Streitfall ein Weiterbeschäftigungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 3) auch aus sozialen Erwägungen nicht geboten. Die Klägerin ist nicht schutzlos. Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist nach wie vor Arbeitgeber der Klägerin.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1102132

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