Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Leistungsplans einer Unterstützungskasse
Normenkette
BetrAVG § 1 Unterstützungskassen; Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bayerischen Metallindustrie § 16
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 31. Januar 1995 – 6 Sa 613/92 – aufgehoben, soweit es auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 29. April 1992 – 6 Ca 818/90 N – abgeändert und der Klage stattgegeben hat. Die Berufung des Klägers wird insgesamt zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.
Der am 2. Juni 1928 geborene Kläger war vom 5. April 1962 bis zum 2. Februar 1990 bei der M GmbH beschäftigt. Er erhielt dort Prämienlohn, wobei seine Lohnabrechnungen zusätzlich auch Nachtarbeits- und Lärmzulagen enthielten.
Bei der Beklagten handelt es sich um eine von der M – GmbH geschaffene Versorgungseinrichtung, durch die deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Maßgabe eines Leistungsplanes vom 5. November 1982 versorgt werden. In dem Leistungsplan heißt es u.a.:
„6. Höhe des Ruhegeldes
6.1 Bei der Berechnung des Ruhegeldes wird von DM 10,– für je ein anrechenbares Dienstjahr (9.2) ausgegangen. Diese Berechnungsgrundlage wird nachfolgend als „Rentenausgangswert” bezeichnet.
6.2 Der Rentenausgangswert eines Anwärters, dessen vereinbarte Arbeitszeit in den letzten zehn Jahren vor dem Ende seiner anrechenbaren Dienstzeit (9.1) immer oder zeitweise die tarifliche Arbeitszeit unterschritten hat, wird entsprechend seinem durchschnittlichen monatlichen Beschäftigungsgrad während dieser Zeit gewichtet. Beschäftigungsgrad ist das jeweilige Verhältnis der vereinbarten zur vollen tariflichen Arbeitszeit je Monat.
6.3 Die Höhe des Ruhegeldes errechnet sich, indem der Rentenausgangswert nach 6.1 oder nach 6.2 mit der persönlichen Verdienstrelation (10.) vervielfacht wird.
…
10. Persönliche Verdienstrelation
10.1 Die persönliche Verdienstrelation wird ermittelt nach den Verhältnissen am letzten Bilanzstichtag der Firma in der anrechenbaren Dienstzeit (9.1, Ermittlungsstichtag).
10.2 Die persönliche Verdienstrelation des Anwärters ist das am Ermittlungsstichtag bestehende Verhältnis seiner nach 10.3.1 bis 10.3.3 ermittelten anrechenbaren Bezüge zu dem um 42 % erhöhten tariflichen Monatsentgelt (tariflicher Stundenlohn vervielfacht mit dem 4 1/3fachen der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit, tariflicher Vergleichslohn) und in der Lohngruppe IX des jeweiligen Lohnabkommens für die Arbeiter der bayerischen Metallindustrie.
10.3.1 Bei einem Gehaltsempfänger ist das vereinbarte Monatsgehalt anrechenbar. Bei Teilzeitbeschäftigten wird von dem Monatsgehalt ausgegangen, das im Falle der Ganztagsbeschäftigung vereinbart worden wäre.
10.3.2 Bei einem Lohnempfänger ist der für die volle tarifliche Arbeitszeit vereinbarte Monatslohn anrechenbar. Ist der Lohn je Stunde vereinbart, so gilt das 4 1/3fache der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit vervielfacht mit dem vereinbarten Stundenlohn als Monatslohn. Bei Akkord- oder Prämienlöhnern tritt an die Stelle des vereinbarten Stundenlohns der im Durchschnitt der letzten 12 Beschäftigungsmonate vor dem Ermittlungsstichtag bei tariflicher Arbeitszeit tatsächlich erzielte Stundenlohn.
10.3.3 Bei einem Anwärter mit variablen Bezügeteilen (z.B. Vertriebsbeauftragter) ist das vereinbarte monatliche Festgehalt bzw. die vereinbarte monatliche Grundvergütung anrechenbar.”
Bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erhielt der Kläger von der Beklagten eine Bescheinigung, wonach ihm eine unverfallbare Betriebsrentenanwartschaft in Höhe von 216,– DM monatlich zustehe. Diesen Betrag erhält der Kläger, der sich zwischenzeitlich im Ruhestand befindet, auch monatlich ausgezahlt.
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stünden über die von der Beklagten zuerkannten 216,– DM hinaus weitere 52,80 DM zu. Die Beklagte habe zu Unrecht bei der Errechnung der persönlichen Verdienstrelation nach 10.3.2 des Leistungsplanes die regelmäßig verdienten Nachtarbeits- und Lärmzulagen außer Ansatz gelassen. Hätte sie diese Bezüge bei der Errechnung des tatsächlich erzielten Stundenlohnes mitberücksichtigt, hätte sich, was zwischen den Parteien unstrittig ist, eine um 52,80 DM höhere Betriebsrente ergeben. Nach der Regelung im Leistungsplan trete an die Stelle des vereinbarten Stundenlohnes für Prämienlöhner der bei der tariflichen Arbeitszeit tatsächlich erzielte Stundenlohn. Hierbei müsse die Lärmzulage ebenso wie die Nachtarbeitszulage in die Berechnung eingestellt werden. Die Zuschläge seien fester Lohnbestandteil, wie sich schon aus dem Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der bayerischen Metallindustrie (MTV) ergebe, der jedenfalls aufgrund einzelvertraglicher Inbezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.689,60 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Zustellung der Klage zu bezahlen.
- Die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn ab November 1992 jeweils zum Monatsende neben der gewährten Altersrente von 216,– DM weitere 52,80 DM brutto zu bezahlen.
Hilfsweise:
Festzustellen, daß ihm über die unstreitige Altersrente in Höhe von 216,– DM hinaus monatlich weitere 52,80 DM aufgrund des Leistungsplanes vom 5. November 1982 zustehen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aus einer Gesamtschau des Leistungsplanes ergebe sich, daß bei der Berechnung der Rentenbezüge nur von den nicht variablen Beträgen auszugehen sei. Zuschläge jeglicher Art müßten nach Sinn und Zweck des Leistungsplanes unberücksichtigt bleiben. Die vom Kläger angestrebte Abrechnungsweise sei auch nicht praktikabel und könne so von den Betriebspartnern nicht gewollt gewesen sein.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen nach Maßgabe des Klageantrages zu 2. und des Hilfsantrages verurteilt. Mit ihrer Revision strebt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils erster Instanz an.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht verlangen, daß die von ihm verdienten Nachtarbeits- und Lärmzulagen bei der Berechnung seines Betriebsrentenanspruchs mitberücksichtigt werden.
A. Zur Begründung seiner Rechtsauffassung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, der im Leistungsplan verwendete Begriff des „Stundenlohns” umfasse alle im Durchschnitt pro Stunde verdienten Entgelte mit Ausnahme der Überstunden- und Mehrarbeitsvergütungen. Dies sei aus der einzigen in der Regelung enthaltenen Einschränkung „bei tariflicher Arbeitszeit” zu folgern. Hierfür spreche auch, daß nach dem Gesamtzusammenhang der Regelungen im Leistungsplan die persönliche Leistung des Rentners in seiner aktiven Zeit Einfluß auf die Rentenberechnung und Rentenhöhe gewinnen solle.
B. Dieser Auslegung des Leistungsplans durch das Landesarbeitsgericht tritt der Senat nicht bei. Der Leistungsplan des beklagten Vereins gibt dem Kläger nur einen Anspruch auf die betriebliche Altersversorgung, welche die Beklagte für den Kläger auf der Grundlage des vereinbarten Stundenlohns und der jeweils erzielten Prämien unter Ausschluß von Nachtarbeits- und Lärmzuschlägen – rechnerisch unstreitig richtig – errechnet hat und an ihn auch auszahlt.
I. Es entspricht der ständigen, vom Bundesverfassungsgericht gebilligten Rechtsprechung des Senats, daß trotz des für Unterstützungskassen typischen Ausschlusses aller Rechtsansprüche gegen die Unterstützungskasse (Nr. 14 des Leistungsplans) im Ergebnis ein Rechtsanspruch auf Versorgung besteht, der lediglich unter einem Widerrufsvorbehalt steht (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 17. November 1992 – 3 AZR 76/92 – BAGE 71, 372, 378 = AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, unter II 1 der Gründe; BVerfGE 65, 196 = AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen; BVerfGE 74, 129 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen).
II. Der Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte beläuft sich jedoch nur auf die von der Beklagten gezahlten 216,– DM monatlich. Eine darüber hinausgehende Betriebsrente kann der Kläger nicht verlangen. Die von ihm im Jahr vor dem für ihn maßgeblichen letzten Bilanzstichtag seiner früheren Arbeitgeberin, dem 1. April 1989, erzielten Nachtarbeits- und Lohnzulagen sind bei der Berechnung der persönlichen Verdienstrelation nicht mitzuberücksichtigen.
1. Die Rentenberechnung nach dem durch Betriebsvereinbarung bei der früheren Arbeitgeberin des Klägers vereinbarten Leistungsplan der Beklagten beruht auf zwei Faktoren. Zunächst ist als Berechnungsgrundlage von einem Rentenanspruch von 10,– DM je anrechnungsfähigem Dienstjahr auszugehen. Dieser Ausgangsbetrag beläuft sich beim Kläger wie auch bei jedem anderen früheren Arbeitnehmer der M GmbH mit gleicher Dienstzeit auf 280,– DM. Dieser Ausgangsbetrag ist nach Nr. 6.3 des Leistungsplans mit der persönlichen Verdienstrelation (Nr. 10) zu multiplizieren. Auf diese Weise wird die von den Arbeitnehmern erzielte Betriebsrente in ein Verhältnis zu deren letzten Aktivenbezügen gesetzt. Wer zuletzt 142 % des tariflichen Monatsentgelts in der Lohngruppe IX des jeweiligen Lohnabkommens für die Arbeiter der Bayerischen Metallindustrie verdient hat, erhält den Ausgangsbetrag als Betriebsrente. Weicht der letzte Verdienst hiervon ab, erhält der Arbeitnehmer als Betriebsrente den Ausgangsbetrag multipliziert mit einem Quotienten aus tatsächlich erzieltem Verdienst geteilt durch 142 % des tariflichen Monatsentgelts der Lohngruppe IX.
Für die Berechnung der bei der persönlichen Verdienstrelation anzurechnenden Bezüge bestimmt Nr. 10.3.1 des Leistungsplans, daß bei Gehaltsempfängern das vereinbarte Monatsgehalt anrechenbar ist; bei Lohnempfängern mit vereinbartem Monatslohn kommt es auf deren für die volle tarifliche Arbeitszeit vereinbarten Monatslohn an (Nr. 10.3.2 Satz 1 des Leistungsplans), bei Arbeitern mit Stundenlohnabrede auf den Lohn, der sich aus dem 4 1/3fachen der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit multipliziert mit dem vereinbarten Stundenlohn ergibt (Nr. 10.3.2 Satz 2 des Leistungsplans). Bei Akkord- und Prämienlöhnern wie dem Kläger tritt an die Stelle des vereinbarten Stundenlohnes „der im Durchschnitt der letzten zwölf Beschäftigungsmonate vor dem Ermittlungsstichtag bei tariflicher Arbeitszeit tatsächlich erzielte Stundenlohn”.
2. Was in diesem Zusammenhang unter dem tatsächlich erzielten Stundenlohn zu verstehen ist, welche Lohnbestandteile hierzu gehören, ist durch Auslegung des Leistungsplans zu ermitteln. Dabei ist insbesondere auf den Wortlaut und den systematischen Zusammenhang sowie den aus der Regelung selbst ablesbaren Sinn und Zweck der Bestimmung abzustellen.
a) Der Wortlaut der Regelung allein ist nicht eindeutig. Unter dem „im Durchschnitt … tatsächlich erzielten Stundenlohn” kann man das in einem bestimmten Abrechnungszeitraum während der tariflichen Arbeitszeit insgesamt erzielte Arbeitsentgelt jedweder Art geteilt durch die Zahl der in dieser Zeit abgeleisteten Arbeitsstunden verstehen, wie es das Landesarbeitsgericht getan hat. Ebenso kann darunter aber auch der Grundlohn als das „durchschnittliche” Arbeitsentgelt verstanden werden, das pro Stunde an den Arbeitnehmer für die in dieser Zeit geleistete Arbeit unmittelbar gezahlt wurde. Im ersten Falle wären auch die Nachtarbeits- und Lärmzulagen, also die zeitabhängigen variablen Bestandteile des Monatslohns im Sinne von § 16 Nr. 5 III MTV, im zweiten Fall nur die variablen leistungsabhängigen Bestandteile (§ 16 Nr. 5 II MTV) und damit nicht die vom Kläger geltend ge- machten Zulagen mitzuberücksichtigen.
Immerhin spricht aber auch der Wortlaut von Nr. 10.3.2 Satz 3 des Leistungsplans eher für eine Nichtberücksichtigung der zeitabhängigen variablen Entgeltbestandteile: Es kommt hiernach nicht auf das an, was der Arbeitnehmer im Durchschnitt pro Stunde erzielt hat, sondern auf den durchschnittlich tatsächlich erzielten Stundenlohn. Das legt es nahe, auch nur die Lohnbestandteile bei der Berechnung der persönlichen Verdienstrelation zu berücksichtigen, die tatsächlich in jeder Stunde dem Grunde nach als Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers geschuldet werden. Dies sind nur die leistungsabhängigen, nicht die zeitabhängigen Bestandteile des Arbeitsentgelts.
b) Dieses Ergebnis wird entscheidend gestützt durch systematische und am Sinn und Zweck der Regelung orientierte Erwägungen.
aa) Die Richtigkeit der Anspruchsberechnung durch die Beklagte ergibt sich aus einem Vergleich der für den Kläger geltenden Regelung in Nr. 10.3.2 Satz 3 des Leistungsplans mit den übrigen Bestimmungen über die Berechnung der individuell anrechenbaren Bezüge. Sowohl beim Gehaltsempfänger als auch beim Lohnempfänger, der gegen Monatslohn oder gegen Stundenlohn arbeitet, werden die anrechenbaren Bezüge allein nach der vereinbarten unmittelbaren Gegenleistung für die Arbeit berechnet. Zum vereinbarten Monatsgehalt, dem vereinbarten Monatslohn oder dem vereinbarten Stundenlohn gehören die vom Kläger geltend gemachten und auch bei Arbeitnehmern im Zeitlohn grundsätzlich anfallenden Zulagen nicht. Diese Zulagen werden nicht als Entgelt für die betreffenden Zeiträume vereinbart, sondern als Entgelt für Arbeit unter bestimmten Bedingungen. Solche variablen Bezüge stehen neben und nicht innerhalb der vereinbarten Monats- oder Stundenlöhne. Dasselbe muß dann auch für die Akkord- und Prämienlöhner gelten, bei denen der Tarifvertrag ja nur festlegt, daß an die Stelle des vereinbarten Stundenlohns (und nicht etwa des insgesamt erzielten Arbeitsentgelts) der im Durchschnitt tatsächlich erzielte Stundenlohn tritt. Es sollen damit nur die Bestandteile bei der Berechnung ausgewechselt werden, die aufgrund der grundsätzlich anderen Form der Entlohnung verändert sind. Damit tritt an die Stelle der fest vereinbarten Vergütung je Arbeitsstunde für den Stundenlöhner die aufgrund der Akkord- oder Prämienleistung verdiente Gegenleistung in Form des Akkord- oder Prämienlohnes. Die variablen zeitabhängigen Entgeltbestandteile, die hier wie dort anfallen können, sind hier wie dort nicht zu berücksichtigen.
bb) Dem stehen entgegen der Auffassung des Klägers die Regelungen im Manteltarifvertrag nicht entgegen. Der im Leistungsplan verwendete Begriff des im Durchschnitt tatsächlich erzielten Stundeslohnes wird im Manteltarifvertrag nicht verwendet. Die hier aufgegriffenen Formulierungen des § 16 MTV betreffen den Monatslohn. Sie sind geeignet, die entgegen der Auffassung des Klägers gebotenen Differenzierungen begrifflich zu erfassen.
III. Da der Kläger keinen über die von der Beklagten ausgezahlte Betriebsrente hinausgehenden Betriebsrentenanspruch hat, ist das klageabweisende Urteil erster Instanz mit der Kostenfolge aus §§ 91, 97 ZPO wiederherzustellen.
Unterschriften
Dr. Heither, Bepler zugleich für den wegen Urlaubs an der Unterschrift verhinderten Richter Kremhelmer, Schwarze, Köhne
Fundstellen