Entscheidungsstichwort (Thema)
Funktionszulage - Leistungsbestimmung durch Arbeitgeber
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 10 Ziff 3 TVAL II (JURIS: ALTV 2)besteht die Mehrarbeitsvergütung aus der auf die Stunde entfallenden Grundvergütung und dem Mehrarbeitszuschlag. Eine Funktionszulage ist danach nicht Teil der Mehrarbeitsvergütung. Sie ist vielmehr sonstiger Entlohnungsbestandteil (§ 16 Nr 1 Buchst c (11) TVAL II).
2. Eine Funktionszulage kann jedoch aufgrund der Bestimmungsnorm des § 21 Ziff 2 TVAL II in der Weise gewährt werden, daß sie als prozentuale Zulage sowohl zur Grundvergütung als auch zu dem auf die Mehrarbeitsvergütung entfallenden Teil der Grundvergütung gezahlt wird.
3. Stellt der Arbeitgeber in einem solchen Fall die Zahlung der Funktionszulage zu dem auf die Mehrarbeitsvergütung entfallenden Teil der Grundvergütung mit der Begründung ein, er sei tariflich zur Zahlung nicht verpflichtet, so übt er dadurch sein Bestimmungsrecht nicht in einer den Tarifanspruch ändernden Weise neu aus.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.04.1994; Aktenzeichen 4 Sa 216/94) |
ArbG Krefeld (Entscheidung vom 16.11.1993; Aktenzeichen 2 Ca 2323/93) |
Tatbestand
Der Kläger verlangt eine fünfprozentige Funktionszulage auf die Grundvergütung für von ihm geleistete Mehrarbeitsstunden.
Der Kläger ist seit dem 18. März 1974 als Elektriker bei der Royal Air Force in B beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag vom 16. Dezember 1966 für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) Anwendung.
Seit dem 1. April 1987 erhielt der Kläger eine fünfprozentige Funktionszulage für die Wartung von elektronischen Spezialgeräten an der Startbahn. Die Beklagte zahlte diese Zulage auch auf die Grundvergütung für geleistete Mehrarbeitsstunden. Seit dem 1. März 1993 lehnt sie dies ab. Für Mehrarbeitsstunden, die er von März 1993 bis Juni 1993 geleistet hat, verlangt der Kläger die Funktionszulage in rechnerisch unstreitiger Höhe von 197,96 DM brutto.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Funktionszulage sei als sonstiger Entlohnungsbestandteil (§ 16 Ziff. 1 Buchst. c (11) TVAL II) nach § 16 Ziff. 7 Satz 3 TVAL II neben der Grundvergütung und den Zulagen/Zuschlägen zur Grundvergütung zu zahlen. Deshalb sei die Funktionszulage auch zur Grundvergütung für Mehrarbeitsstunden zu zahlen, weil er während dieser Zeiten die gleiche Tätigkeit wie in seiner regelmäßigen Arbeitszeit ausübe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 197,96 DM
brutto nebst 4 % Zinsen seit 1. September 1993 zu
zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, nach § 10 Ziff. 3 TVAL II seien Mehrarbeitsstunden nur mit der auf die Stunde entfallenden Grundvergütung und einem Mehrarbeitszuschlag abzugelten. Hierzu gehöre die Funktionszulage nicht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, für den Klageanspruch gebe es keine tarifvertragliche Anspruchsgrundlage. Nach dem eindeutigen Tarifwortlaut in § 10 Ziff. 3 TVAL II umfasse die Mehrarbeitsvergütung nur die Grundvergütung und den Mehrarbeitszuschlag, nicht dagegen die Funktionszulage. Da die Beklagte tarifvertraglich nicht verpflichtet sei, die Funktionszulage auf die Grundvergütung geleisteter Mehrarbeitsstunden zu zahlen, habe sie die bisherige Zahlung einstellen können. Denn der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes müsse in aller Regel davon ausgehen, sein Arbeitgeber wolle nur die Leistungen gewähren, zu denen er rechtlich verpflichtet sei.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
II. Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen tarifvertraglichen Anspruch auf eine fünfprozentige Funktionszulage auf die Grundvergütung für geleistete Mehrarbeitsstunden.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen, daß sich der Anspruch des Klägers nicht aus § 10 Ziff. 3 TVAL II ergibt. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung umfaßt Mehrarbeitsvergütung für Mehrarbeitsstunden die auf die Stunde entfallende Grundvergütung (§ 16 Ziff. 1 Buchst. a und Ziff. 3 TVAL II) und den Mehrarbeitszuschlag (§ 20 Ziff. 1 Buchst. a TVAL II). Zu diesen Bestandteilen der Mehrarbeitsvergütung gehört nicht die vom Kläger verlangte Funktionszulage. Diese ist von den Tarifvertragsparteien in § 16 Ziff. 1 Buchst. c (11) TVAL II als sonstiger Entlohnungsbestandteil und nicht als Bestandteil der Grundvergütung bestimmt worden.
Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 16 Ziff. 7 Satz 3 TVAL II. Danach werden die sonstigen Entlohnungsbestandteile gemäß Ziff. 1 Buchst. c neben der Grundvergütung (Ziff. 1 Buchst. a) und den Zulagen/Zuschlägen zur Grundvergütung (Ziff. 1 Buchst. b) gezahlt. § 16 Ziff. 7 TVAL II regelt jedoch gemäß seiner Überschrift nur die Berechnungsfolge. Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Zahlung des sonstigen Entlohnungsbestandteils "Funktionszulage" ist diese Bestimmung nicht.
2. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aber aus § 21 Ziff. 2 TVAL II in Verbindung mit der von der Beklagten getroffenen Leistungsbestimmung.
Nach dieser Tarifnorm können Arbeitnehmer, die eine in den Merkmalen ihrer Lohngruppe/Gehaltsgruppe nicht erfaßte besondere Funktion auszuüben haben, oder an die sonstige besondere Anforderungen gestellt werden, eine Funktionszulage in angemessener Höhe erhalten.
Der Arbeitgeber hat somit zu entscheiden, ob, in welcher Weise und in welcher (angemessenen) Höhe er eine Funktionszulage gewährt. Möglich war somit, dem Kläger die Funktionszulage z.B. als monatlichen Festbetrag oder als prozentuale Zulage zur Grundvergütung zu gewähren. In beiden Fällen hätte sie sich, wie dargelegt, nach der Bestimmung des § 10 Ziff. 3 TVAL II nicht auf die Höhe der Mehrarbeitsvergütung ausgewirkt.
Die Beklagte hat sich jedoch für eine dritte Möglichkeit entschieden. Sie gewährt dem Kläger seit 1. April 1987 die Funktionszulage in der Weise, daß sie den fünfprozentigen Zuschlag nicht nur zu der für die Ableistung der regelmäßigen Arbeitszeit geschuldeten Grundvergütung zahlt, sondern auch zu dem Grundvergütungsteil, der Bestandteil der Mehrarbeitsvergütung ist. Dem Kläger ist durch diese Leistungsbestimmung der Beklagten der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf eine Funktionszulage in Höhe von 5 % zu der auf jede Mehrarbeitsstunde entfallenden Grundvergütung entstanden. Diese Leistung ist nicht Bestandteil der Mehrarbeitsvergütung i.S.d. § 10 Ziff. 3 TVAL II, sondern, ebenso wie die Funktionszulage zu der für die Ableistung der regelmäßigen Arbeitszeit geschuldeten Grundvergütung, sonstiger Entlohnungsbestandteil i.S.d. § 16 Ziff. 1 Buchst. c (11) TVAL II. Auf sie hat der Kläger einen tariflichen Anspruch, den die Beklagte durch Einstellung ihrer Zahlungen nicht beseitigt hat.
a) Es kommt vor, daß die Tarifvertragsparteien gewisse Arbeitsbedingungen nicht abschließend und in allen Einzelheiten festlegen, sondern nur Rahmenbedingungen aufstellen und deren Konkretisierung auf den Arbeitgeber oder einen Dritten übertragen. Die in Ausübung des Bestimmungsrechts getroffenen Regelungen ergänzen die tarifvertraglichen Vereinbarungen und schaffen wie diese Normen (BAGE 47, 238 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht). Eine solche Bestimmung, die auch schlüssig erfolgen konnte (BAGE 47, 238, 246 f. = AP, aaO, zu A II 1 a der Gründe), hatte die Beklagte als unzweifelhafte Adressatin des in § 21 Ziff. 2 TVAL II geregelten Bestimmungsrechts dadurch getroffen, daß sie die Zulage seit 1. April 1987 zu dem Grundvergütungsteil zahlte, der Bestandteil der Mehrarbeitsvergütung war.
b) In der Einstellung der Zahlung dieses Teils der Funktionszulage ab dem 1. März 1993 lag keine erneute, den Anspruch des Klägers einschränkende Leistungsbestimmung. Zwar ist der Arbeitgeber aufgrund einer tariflichen Bestimmungsklausel auch zur Reduzierung und zum Widerruf von Leistungen berechtigt, soweit er bei dem erneuten Gebrauch des Bestimmungsrechts die Grundsätze billigen Ermessens (§ 315 BGB) beachtet (BAGE 47, 238, 249 = AP, aaO, zu A II 2 der Gründe; Urteil des Senats vom 15. Januar 1987 - 6 AZR 589/84 - AP Nr. 21 zu § 75 BPersVG). Die Beklagte hat jedoch durch die Ablehnung der Zahlungen ab 1. März 1993 ihr Bestimmungsrecht nicht neu gebraucht. Durch dieses Verhalten hat die Beklagte lediglich ihre auch im vorliegenden Rechtsstreit durchgängig vertretene Auffassung zum Ausdruck gebracht, sie sei zur Zahlung tarifvertraglich nicht verpflichtet, weil die Funktionszulage nicht zur Grundvergütung und damit auch nicht zur Mehrarbeitsvergütung i.S.d. § 10 Ziff. 3 TVAL II gehöre. Der Zahlungseinstellung war nicht zu entnehmen, daß die Beklagte ihr tarifliches Ermessen nach § 21 Ziff. 2 TVAL II erneut ausüben und damit den Tarifanspruch des Klägers im rechtlichen Rahmen des § 21 Ziff. 2 TVAL II und des § 315 BGB umgestalten wollte. Gegen eine solche Absicht der Beklagten sprach übrigens auch der verhältnismäßig geringfügige Umfang der Leistungsverweigerung, die sich nur auf die Funktionszulage bezüglich des Grundvergütungsteils der Mehrarbeitsvergütung, nicht aber auf für die Ableistung der regelmäßigen Arbeitszeit geschuldete Grundvergütung bezog. Auch dies spricht dagegen, daß die Beklagte für die Zeit ab 1. März 1993 von ihrem Leistungsbestimmungsrecht erneut Gebrauch machen wollte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Peifer Dr. Armbrüster Hauck
Gebert Knauß
Fundstellen
NZA 1996, 391 |
AP 00, Nr 00 |