Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachtragsliquidation GmbH. Prozeßführungsbefugnis. GmbH-Recht. Prozeßrecht
Leitsatz (amtlich)
Eine von Amts wegen auf Grund Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöschte GmbH (§ 141 a Abs. 1 Satz 2 FGG = § 2 Abs. 1 Satz 1 LöschG) ist in einem Rechtsstreit über solche vermögensrechtlichen Ansprüche parteifähig, deren Bestehen sich nach der Löschung herausstellen.
Eine von der GmbH an einen Gläubiger unanfechtbar sicherungshalber übertragene Forderung gehört nicht zum Vermögen der Gesellschaft.
Eine gelöschte GmbH hat in aller Regel kein eigenes schutzwürdiges Interesse, eine derartige Forderung im Wege der sog. gewillkürten Prozeßstandsschaft zu verfolgen.
Orientierungssatz
- Besteht zwischen den Parteien Streit über die Partei- und Prozeßfähigkeit der klagenden Partei, ist sie im Rechtsstreit als partei- und prozeßfähig zu behandeln.
- Eine GmbH verliert ihre Parteifähigkeit noch nicht durch die Ablehnung des Antrags auf Konkurseröffnung mangels Masse. Die aufgelöste Gesellschaft ist abzuwickeln und deshalb solange parteifähig, als noch verteilungsfähiges Vermögen vorhanden ist und Abwicklungsbedarf besteht. Die aufgelöste GmbH wird von den bisherigen Geschäftsführern vertreten.
- Wird die GmbH im Handelsregister von Amts wegen auf Grund Vermögenslosigkeit nach § 141a Abs. 1 Satz 2 FGG (früher: § 2 Abs. 1 Satz 1 LöschG) gelöscht, gilt sie als voll beendet. Die Liquidatoren verlieren ihre Vertretungsbefugnis. Die Handlungs- und Prozeßfähigkeit (§ 51 ZPO) der Gesellschaft wird regelmäßig erst durch Anordnung der Nachtragsliquidation und die Bestellung von Nachtragsliquidatoren wiederhergestellt.
- Eine wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöschte GmbH ist in einem Rechtsstreit über solche vermögensrechtlichen Ansprüche parteifähig (§ 50 ZPO), deren Bestehen sich nach der Löschung herausstellen. Das Vorhandensein von Vermögenswerten bestimmt sich sowohl nach kaufmännisch-wirtschaftlicher Betrachtung als auch nach rechtlichen Kriterien. Eine unanfechtbar sicherungshalber übertragene Forderung ist kein Vermögenswert, der die Parteifähigkeit begründet.
- Eine wegen Vermögenslosigkeit gelöschte GmbH hat in aller Regel kein eigenes schutzwürdiges Interesse, im Wege der Prozeßstandsschaft Leistungsklage zu erheben.
Normenkette
FGG § 141a; GmbHG § 60; LöschG §§ 1-2; ZPO §§ 50-51
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. August 2000 – 6 Sa 255/00 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Rückgewähr von Darlehen.
Die Klägerin, die im Rechtsstreit als GmbH in Liquidation auftritt, befaßte sich mit dem Vertrieb von Modebrillen. Der Beklagte war bei ihr seit dem 14. Januar 1993 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Das monatliche Bruttogehalt war mit 9.000,00 DM vereinbart. Außerdem erhielt der Beklagte eine Spesenpauschale von 4.500,00 DM monatlich. Vermögenswirksame Leistungen und Urlaubsgeld waren “laut Tarifvertrag” zu zahlen. Weiter ist im Arbeitsvertrag bestimmt: “Mit Erreichen eines Jahresumsatzes von DM 800.000,-- tritt eine Provisionsregelung ein, welche 20 % des Umsatzes nicht übersteigt”. Die Kündigungsfrist war mit drei Monaten zum Monatsende vereinbart.
Im November 1997 beantragte die Klägerin die Eröffnung des Konkursverfahrens. Noch im gleichen Monat kündigte sie deshalb das Arbeitsverhältnis des Beklagten fristlos. Mit rechtskräftigem Beschluß vom 5. Januar 1998 lehnte das Amtsgericht die Eröffnung des Konkursverfahrens wegen Fehlens einer die Kosten des Verfahrens deckenden Konkursmasse ab. Es hob das allgemeine Veräußerungsverbot vom 25. November 1997 auf und setzt den Wert der Aktivmasse auf 500,00 DM fest. Die Klägerin wurde daraufhin am 27. Januar 1998 im Handelsregister von Amts wegen als aufgelöst eingetragen.
Im August 1998 leitete die Klägerin dem Beklagten eine Aufstellung seiner Umsätze, Provisionen und Gehaltskosten zu. Sie teilte ihm außerdem mit, wegen der Rückzahlung ihm gewährter Darlehen über insgesamt 60.000,00 DM erhalte er eine gesonderte Aufforderung. Unter dem 20. Oktober 1998 kündigte der ehemalige Geschäftsführer der Klägerin als Liquidator die Darlehen zum 31. Oktober 1998 und verlangte Rückzahlung zum 1. November 1998. Der Beklagte lehnte Zahlungen ab. Für den Liquidator meldeten sich daraufhin die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin. Unter Androhung sofortiger Klageandrohung wiesen sie darauf hin, die Darlehensforderungen würden in Prozeßstandschaft für einen Darlehensgeber der GmbH verfolgt, dem der Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten sicherungshalber abgetreten worden sei. Am 1. Juli 1999 wurde die Klägerin “aufgrund § 141a FGG von Amts wegen” im Handelsregister gelöscht.
Mit ihrer am 7. Juli 1999 bei dem Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin, vertreten durch ihren früheren Geschäftsführer als Liquidator, vom Beklagten Zahlung von 60.000,00 DM nebst Zinsen verlangt. Sie habe dem Beklagten am 20. Januar 1993 ein Darlehen von 40.000,00 DM, am 22. Dezember 1994 und am 3. März 1995 weitere Darlehen in Höhe von jeweils 10.000,00 DM zinsfrei gewährt. Die Forderung sei ihrem Darlehensgeber V am 19. August 1997 zur Sicherheit eines am 1. August 1994 gewährten Darlehens abgetreten. Der Darlehensgeber habe sie am 20. Oktober 1997 schriftlich ermächtigt, den abgetretenen Darlehensbetrag im eigenem Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen und beizutreiben.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 60.000,00 DM nebst 6 % Zinsen hieraus seit 1. November 1998 zu bezahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klägerin mit der Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat geltend gemacht, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin nicht mehr existent sei. Im Übrigen handele es sich bei den angeblichen Darlehen tatsächlich um Vorschüsse, die mit seinen Ansprüchen auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld von jährlich je 9.000,00 DM verrechnet worden seien. Für das Jahr 1996 habe er außerdem noch Provisionsansprüche von 92.000,00 DM.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet, das Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 24. August 2000 als unzulässig abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision, mit der sie unverändert die Verurteilung des Beklagten verfolgt, Zahlung an sie zu leisten.
Das Amtsgericht als Registergericht hat durch Beschluß vom 23. Februar 2001 Nachtragsliquidation angeordnet und den ehemaligen Geschäftsführer zum Nachtragsliquidator bestellt, beschränkt auf den Wirkungskreis “Prozeßführung vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt … auf Geltendmachung eines Betrages von DM 60.000 aus Arbeitgeberdarlehen, zu zahlen an den Zessionar V ”.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Unterschriften
Düwell, Zwanziger, Reinecke, Hintloglou, Benrath
Fundstellen
Haufe-Index 797378 |
BAGE, 369 |
BB 2002, 2236 |
DB 2003, 296 |
DStZ 2003, 211 |
NJW 2003, 80 |
NWB 2002, 3524 |
EBE/BAG 2002, 154 |
GmbH-StB 2003, 8 |
ARST 2003, 67 |
FA 2002, 355 |
FA 2003, 95 |
KTS 2003, 154 |
NZA 2003, 59 |
NZG 2002, 1175 |
ZAP 2002, 1211 |
ZIP 2002, 1947 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 17 |
EzA |
JuS 2003, 299 |
MDR 2002, 1451 |
AUR 2002, 439 |