Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitanteiligen Rentenkürzung bei Versorgungsobergrenze

 

Orientierungssatz

Parallelsache zu BAG Urteil vom 19.5.1987 3 AZR 513/85.

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 17.05.1985; Aktenzeichen 6 Sa 396/84)

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 02.02.1984; Aktenzeichen 2 Ca 138/83)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe der Kläger von der Beklagten betriebliches Ruhegeld verlangen kann.

Der Kläger, geboren am 27. Dezember 1922, war seit dem 17. Oktober 1949 bei der Beklagten beschäftigt. Er hatte, ohne leitender Angestellter zu sein, eine sog. gehobene Position.

Seit 1955 schloß die Beklagte mit Mitarbeitern in gehobenen Positionen Pensionsverträge ab, die nach demselben Muster gestaltet waren und nur in Einzelheiten der Rentenberechnung voneinander abwichen. Bis Ende des Jahres 1965 wurden mit insgesamt 114 Mitarbeitern bei einer Gesamtbelegschaft von ca. 1.500 Arbeitnehmern solche Verträge geschlossen. Mit dem Kläger wurde am 19. Juli 1965 ein Pensionsvertrag abgeschlossen. Nach § 2 Nr. 1 dieses Vertrages sollte sich die Höhe des Ruhegelds nach der Dienstzeit bei der Beklagten und dem letzten Jahresgehalt "ohne Gratifikation, Überstundenzuschläge und dergleichen" richten. In § 2 Nr. 2 des Vertrags war bestimmt:

"Das Ruhegehalt beträgt nach 40 Dienstjahren

von dem Teil des Gehaltes der

unter DM 11.000,-- liegt (Sockel): 20 %

DM 11.000,-- übersteigt (Spitze): 70 %

Für jedes an 40 Dienstjahren fehlende Jahr wird

dieses Ruhegehalt gemindert um

2/7 % des Sockels

und 1 % der Spitze."

In § 2 Nr. 3 des Vertrags wurde ausdrücklich hervorgehoben, das betriebliche Ruhegeld werde "unabhängig von den Renten der Sozialversicherung gewährt".

Für die Mitarbeiter ohne Sonderverträge galt bei der Beklagten seit dem 1. April 1972 eine zum 1. Januar 1975 geänderte Ruhegeldordnung, die ebenfalls Betriebsrenten auf der Grundlage der Dienstzeit und des letzten Jahresgehalts vorsah und dabei "Sonderzahlungen individueller oder genereller Art (z.B. Überstundenvergütungen, Gratifikationen, Urlaubsgelder, Jubiläumsgelder)" nicht berücksichtigte. Anders als die Sonderverträge sah die Ruhegeldordnung in der seit dem 1. Januar 1975 geltenden Fassung die Anrechnung jeweils der Hälfte der Bezüge aus der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung sowie einer befreienden Lebensversicherung bis zu zwei Dritteln des betrieblichen Ruhegelds vor (§ 10 Abs. 1 und Abs. 3 der Ruhegeldordnung). § 11 Abs. 1 der Ruhegeldordnung enthielt eine Höchstbegrenzungsregelung; danach durfte das monatliche Netto-Gesamtrenteneinkommen nicht mehr betragen als 87,5 % des letzten monatlichen Nettoeinkommens; § 11 Abs. 2 der Ruhegeldordnung regelte, in welcher Weise das Netto-Gehalt und die Netto-Rente zu berechnen waren.

In der ersten Hälfte der 70er Jahre geriet die Beklagte in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Auf Druck der Gläubigerbanken versuchte sie Einsparungen vorzunehmen, u.a. bei den Versorgungsverbindlichkeiten. Hierzu ergab das Gutachten eines Beratungsinstituts für betriebliche Altersversorgung, daß bei den Inhabern der Pensionsverträge Überversorgungen bis zu 130 % der letzten Monatsbezüge eintreten könnten. Die Beklagte versuchte, diese Pensionsverträge auf die Grundsätze der allgemeinen Ruhegeldordnung umzustellen. Der Kläger lehnte ein entsprechendes Angebot ab. Auch in der Folgezeit wurde mit dem Kläger und anderen Inhabern der alten Pensionsverträge über Änderungen verhandelt. Ziel der Beklagten war es, wie in der Ruhegeldordnung eine Höchstbegrenzung sowie die Anrechnung anderer Ruhestandseinkünfte zu erreichen. Dem Kläger wurde im November 1975 anhand eines hypothetischen Beispielsfalles das Ausmaß der angestrebten Kürzungen beim Eintritt in den Ruhestand mit 65 Jahren vorgerechnet. Die Beklagte ging in diesem Beispiel von einer Obergrenze von 80 % der letzten Nettobezüge aus und legte der Berechnung eine im Näherungsverfahren ermittelte gesetzliche Rente von 1.300,-- DM zugrunde. Um die Änderung der Pensionsverträge durchzusetzen, bereitete die Beklagte im Dezember 1975 Änderungskündigungen vor; in der Ankündigung wies sie auf die nach den alten Verträgen zu erwartenden Überversorgungen hin und stellte die schwierige wirtschaftliche Lage des Unternehmens dar. Daraufhin unterzeichnete der Kläger einen Änderungsvertrag vom 22./23. Dezember 1975. Darin heißt es zunächst:

"Das monatliche Netto-Gesamteinkommen

- der vollen Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung

(ausgenommen die gemäß § 10 Abs. 1 und 2

nicht anrechnungsfähigen Positionen),

- der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung,

soweit sie zu einer Kürzung aus der gesetzlichen

Rentenversicherung geführt haben und ohne die gemäß

§ 10 Abs. 2 nicht anrechnungsfähigen Positionen,

- der verrenteten Bezüge aus einer befreienden Lebensversicherung,

- sonstiger laufender Leistungen Dritter, soweit sie

aus vorher von der Gesellschaft an den Dritten geleisteten

Beträgen stammen,

- und der auf dieser Ruhegeldordnung basierenden

Pensionen

darf nicht mehr betragen als 87,5 v. H. des durchschnittlichen

monatlichen Nettoeinkommens der letzten

12 Monate, bezogen auf die die Gehaltsbasis (§ 6 der

Ruhegeldordnung bzw. § 2 (1) des Ruhegehaltsvertrages)

bestimmenden Bezügebestandteile."

Der Vertrag enthält sodann weitere Regelungen über die Ermittlung des ruhegehaltsfähigen Arbeitseinkommens und des Nettogesamtrenteneinkommens. Der Text von § 10 Abs. 1 und Abs. 2 der Ruhegeldordnung wurde dem Vertrag beigefügt.

Mit Schreiben vom 27. September 1976 teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:

"Sehr geehrter Herr Z ,

die Bestimmungen des Gesetzes zur Verbesserung der

betrieblichen Altersversorgung erweitern an einigen

Stellen die Vereinbarungen Ihres Ruhegehaltsvertrags;

diese Änderungen sind generell eine Verbesserung der

vertraglichen Bestimmungen. Da die gesetzlichen Regelungen

Vorrang haben, ist eine Neufassung Ihres

Ruhegehaltsvertrags nicht erforderlich.

Um welche Veränderungen es sich im einzelnen handelt,

entnehmen Sie bitte der beiliegenden Gegenüberstellung

der Bestimmungen des Ruhegehaltsvertrags mit den

Bestimmungen des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen

Altersversorgung."

In der hier erwähnten Anlage wird dann in der Form einer Rechtsbelehrung auf die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme des Ruhegelds hingewiesen, weiter heißt es dort:

"In diesem Fall wird für die Berechnung der Höhe des

vorgezogenen Ruhegehalts die Dienstzeit nur bis zum

Zeitpunkt der Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes

berücksichtigt. Die danach ermittelte

Rente wird für jeden Monat des Rentenbezugs vor

Vollendung des 65. Lebensjahres um 0,4 v.H ihres Werts

für die Dauer des Rentenbezugs gekürzt."

Am 31. Dezember 1981 schied der Kläger im Alter von 59 Jahren bei der Beklagten aus. Er erhielt eine Abfindung von 21.000,-- DM und bezog nach einjähriger Arbeitslosigkeit ab 1. Januar 1983 eine gesetzliche Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von 2.001,20 DM. Von der Beklagten fordert er ebenfalls ab 1. Januar 1983 eine Betriebsrente, deren Höhe er unterschiedlich berechnet hat. Den Änderungsvertrag vom 22./23. Dezember 1975 hat er mit Schreiben vom 27. Dezember 1982 angefochten und als Anfechtungsgrund zunächst widerrechtliche Drohung und später arglistige Täuschung geltend gemacht. Die Beklagte zahlt dem Kläger seit dem 1. Januar 1983 eine monatliche Betriebsrente von 345,60 DM.

Der Kläger verlangt einen weiteren Betrag von 799,56 DM, zusammen also eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 1.154,16 DM. Die Klage erfaßt nur die Monate Januar und Februar 1983 abzüglich gezahlter 709,20 DM. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen: Maßgebend für die Berechnung seiner Betriebsrente sei sein alter Pensionsvertrag vom 19. Juli 1965. Der Änderungsvertrag vom 22./23. Dezember 1975 sei unwirksam: Einmal habe die Beklagte bei Abschluß des Vertrags das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt; mit den Änderungsverträgen habe die Beklagte in einer Vielzahl von Fällen neue Entlohnungsgrundsätze aufgestellt und ihre Leistungspläne geändert. Zum anderen enthalte der Änderungsvertrag einen rechtlich nicht zulässigen Eingriff in seine zu diesem Zeitpunkt schon unverfallbare Versorgungsanwartschaft. Schließlich sei die Kürzung unbillig; sie sei unverhältnismäßig und enttäusche sein Vertrauen in unzumutbarer Weise. Die Anfechtung des Änderungsvertrags sei wirksam, insbesondere rechtzeitig erklärt; erst durch die Berechnung der Beklagten vom 7. März 1983 sei ihm erkennbar geworden, daß die Beklagte ihn arglistig über das Ausmaß der Rentenkürzung getäuscht habe.

Die Beklagte habe die Rente auch nicht richtig berechnet: Ein versicherungsmathematischer Abschlag von 0,4 % pro Monat des vorzeitigen Rentenbezugs komme neben der zeitanteiligen Kürzung um den unbestrittenen Faktor 0,8432 nicht in Betracht. Ferner sei die Bemessungsgrundlage falsch ermittelt; die jährliche Sonderzahlung und das jährliche Urlaubsgeld dürften nicht unberücksichtigt bleiben. Die Nettoversorgungsobergrenze sei falsch berechnet. Die Beklagte habe nicht die Beiträge der AOK Frankfurt/Main ansetzen dürfen, sondern die in seinem Fall günstigeren Beiträge seiner Ersatzkrankenkasse zugrunde legen müssen, d.h. die Beklagte habe statt eines Abzugs von 194,70 DM nur einen Abzug von 169,50 DM vornehmen dürfen. Zu Unrecht rechne die Beklagte die gesetzliche Rente voll an; nach § 10 Abs. 1 der insoweit in Bezug genommenen Versorgungsordnung sei dies nur zur Hälfte gestattet. Schließlich sei der Rechenweg der Beklagten schon im Ansatz fehlerhaft; die Beklagte dürfe die Betriebsrente nicht zunächst an der Obergrenze messen und dann kürzen, sondern sie müsse erst den schon gekürzten Bruttoanspruch in einen Nettobetrag umrechnen, um diesen dann an der Obergrenze zu messen. Der Änderungsvertrag habe lediglich Überversorgungen abbauen sollen. Die Beklagte sei auch nicht berechtigt gewesen, einen Widerruf der Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage zu erklären; so schwerwiegende Gründe hätten nicht vorgelegen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn zur Abgeltung

seiner Ruhegehaltsansprüche für die Monate Januar

und Februar 1983 über die bereits gezahlten je

DM 354,60 hinaus jeweils DM 799,56 nebst 4 %

Zinsen seit dem 11. März 1983 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, sie habe die Änderungsverträge vom Dezember 1975 nicht nur zum Abbau von Überversorgungen, sondern auch wegen ihrer wirtschaftlichen Notlage abgeschlossen. Seit 1975 habe sie ihre Belegschaft von 1.500 auf 450 Mitarbeiter verringern und zahlreiche weitere Maßnahmen ergreifen müssen, um einen Zusammenbruch des Unternehmens zu vermeiden.

Da der Kläger zum Kreis derjenigen gehört habe, die Inhaber individueller Versorgungsverträge gewesen seien, habe bei der Abänderung dieser Verträge kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestanden. Die Anfechtung des Klägers sei unwirksam; der Kläger hätte das Angebot ablehnen und Kündigungsschutzklage erheben können. Er sei auch nicht getäuscht worden; ihm sei lediglich anhand eines hypothetischen Beispielsfalls der Umfang der Rentenkürzung dargelegt worden, wobei die zunächst vorgesehene Obergrenze von 80 % des Nettoarbeitsentgelts später sogar auf 87,5 % erhöht worden sei.

Sie habe die Rente richtig berechnet. Zunächst sei der Vollanspruch zu ermitteln und an der Nettoversorgungsobergrenze zu messen, erst dann sei der gekürzte Anspruch nochmals zeitanteilig zu kürzen. Der versicherungsmathematische Abschlag sei nicht zu beanstanden. Die Auslegung des Änderungsvertrages vom 22./23. Dezember 1975 ergebe, daß die Sozialversicherungsrente nicht nur zur Hälfte, sondern voll anzurechnen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen richet sich die Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten ein monatliches Ruhegeld in der geltend gemachten Höhe von insgesamt 1.154,16 DM verlangen.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Höhe der Altersversorgung des Klägers richte sich nach dem Änderungsvertrag vom 22./23. Dezember 1975. Dieser Vertrag sei wirksam; er verstoße weder gegen zwingende Rechtsgrundsätze des Betriebsrentengesetzes noch sei er vom Kläger mit Erfolg angefochten worden. Der Abschluß der Änderungsverträge mit den Arbeitnehmern in gehobenen Positionen verletze auch nicht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Ob dieser Auffassung zu folgen ist, insbesondere ob das Berufungsgericht die aufgeworfenen Grundsatzfragen zutreffend beantwortet hat, kann offen bleiben. Desgleichen kann dahinstehen, ob bei der Ermittlung des ruhegeldfähigen letzten Arbeitseinkommens des Klägers die jährlichen Sonderzahlungen zu berücksichtigen sind. Denn zutreffend ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klage auch dann begründet ist, wenn man von der Wirksamkeit des Änderungsvertrags ausgeht und außerdem die jährlichen Sonderzahlungen unberücksichtigt läßt.

II. Beurteilt man die Klageforderung auf der Grundlage des Änderungsvertrages, so ergibt sich folgendes:

1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kläger vorzeitig ausgeschieden ist und deshalb eine zeitanteilige Kürzung seiner Rente hinnehmen muß (§ 2 Abs. 1 BetrAVG). Ebenfalls unstreitig ist der Kürzungsfaktor (0,8432). Dagegen ist fraglich, wie diese Kürzung nach dem Vertrag vom 22./23. Dezember 1975 berechnet werden muß.

a) Durch den Änderungsvertrag wurde abweichend von der früheren Regelung eine Obergrenze eingeführt: Die Ruhestandseinkünfte aus der betrieblichen Altersversorgung und der gesetzlichen Sozialversicherung sollten nunmehr - jeweils nach Nettobeträgen - insgesamt nicht mehr als 87,5 % der letzten Bezüge des aktiven Arbeitnehmers betragen. Bis zu dieser Grenze sollte die Rente jedoch wie bisher nach dem alten Pensionsvertrag berechnet werden, also nach einer Prozentstaffel (20 % bzw. 70 % des unter bzw. über 11.000,-- DM liegenden Gehalts) und ohne Rücksicht auf die Höhe der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, was in § 2 Nr. 3 des insoweit unstreitig weitergeltenden Pensionsvertrags aus dem Jahr 1965 ausdrücklich festgehalten ist. Erst im Zusammenhang mit der Höchstgrenze, die erklärtermaßen Überversorgungen vermeiden sollte, wurde die Anrechnung sonstiger Ruhestandsbezüge auf die Betriebsrente vorgesehen. Das Berufungsgericht hat angenommen, bei einer solchen Vertragsgestaltung sei im Falle des vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers die erreichbare Vollrente zunächst ohne Berücksichtigung der Sozialversicherung zu ermitteln und zeitanteilig zu kürzen; erst der gekürzte Betrag sei dann an der Versorgungsobergrenze zu messen. Dem ist zu folgen.

b) Zu der zeitanteiligen Kürzung bei Versorgungszusagen mit Obergrenzen hat der Senat wiederholt Stellung genommen (Urteil vom 24. Juni 1986 - 3 AZR 630/84 - DB 1987, 691 = EzA § 6 BetrAVG Nr. 10; BAGE 45, 1 = AP Nr. 4 zu § 2 BetrAVG; 44, 176 = AP Nr. 2 zu § 2 BetrAVG mit Anm. von Blomeyer). Der Senat hat entschieden, daß es vom Sinn und Zweck einer Höchstbegrenzungsklausel abhängt, wie sie sich bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers auf die Berechnung der erdienten Teilrente auswirkt. Handelt es sich um eine Berechnungsvorschrift im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems, so muß zunächst die erreichbare Gesamtversorgung an der Höchstgrenze gemessen und der entsprechend abgesenkte Betrag nochmals zeitanteilig gekürzt werden. Handelt es sich jedoch um eine Begrenzung, die von der eigentlichen Rentenberechnung unabhängig ist und die nur dann korrigierend eingreifen soll, wenn eine "Überversorgung" auftritt, so kommt eine Kürzung auf die Höchstgrenze erst dann in Betracht, wenn sogar die zeitanteilig gekürzte Betriebsrente zusammen mit den übrigen anrechenbaren Ruhestandsbezügen die Gesamtversorgungsobergrenze übersteigt. Dazu hat der Senat ergänzend die Auslegungsregel entwickelt, daß die Anwendung der Höchstgrenze auf die erreichbare (hypothetische) Vollrente im Zweifel nur dann gewollt ist, wenn nach den Regeln der betreffenden Versorgungsordnung der Gesamtversorgungsbedarf unabhängig von der Höchstgrenze erkennbar das maßgebliche Bewertungsmerkmal sein soll; bei solchen Zusagen ist die Summe der anrechenbaren Ruhestandsbezüge Berechnungsfaktor für die erreichbare Betriebsrente unabhängig davon, ob sich daraus eine hohe oder niedrige Betriebsrente ergibt (Urteil des Senats vom 24. Juni 1986, aa0, zu II 2 b der Gründe).

c) Hiernach hat das Berufungsgericht zutreffend zunächst den Wert der zeitanteilig gekürzten Teilrente des Klägers ermittelt und erst diese mit dem Höchstbetrag von 87,5 % des letzten Nettogehalts des Klägers verglichen. Da sich die Betriebsrente des Klägers auch nach dem Änderungsvertrag vom 22./23. Dezember 1975 zunächst unabhängig von sonstigen Ruhestandsbezügen nach einer festen Prozentstaffel errechnen sollte, war der Gesamtversorgungsbedarf des Klägers nicht das maßgebende Kriterium; es ging vielmehr darum, Überversorgungen zu vermeiden. Und das wurde ausdrücklich hervorgehoben.

2. Auch im Zusammenhang mit der weiteren Auslegungsfrage, wie die (Netto-)Obergrenze zu ermitteln ist, ob dabei die gesetzliche Rente des Klägers in voller Höhe oder nur zur Hälfte anzurechnen ist, folgt der Senat dem Berufungsgericht.

a) Die dazu im Änderungsvertrag vom 22./23. Dezember 1975 getroffene Regelung ist unklar. Nach dem Vertragstext sollen zwar die vollen Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet werden, aber ausgenommen werden die gem. § 10 Abs. 1 und Abs. 2 der Ruhegeldordnung nicht anrechnungsfähigen Positionen. In § 10 Abs. 1 der Ruhegeldordnung ist bestimmt, daß Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur zur Hälfte angerechnet werden, während § 10 Abs. 2 der Ruhegeldordnung Bezüge nennt, die überhaupt nicht angerechnet werden dürfen.

Dazu hat das Berufungsgericht nach Auseinandersetzung mit der Aussage eines Zeugen ausgeführt, es liege nahe, daß der Verfasser des Änderungsvertrags den unterschiedlichen Regelungsgegenstand der §§ 10 und 11 der Ruhegeldordnung verkannt habe. § 10 sehe die Anrechnung gesetzlicher Renten im Rahmen eines Anrechnungsmodells nur zur Hälfte vor und sei in diesem Zusammenhang durchaus sinnvoll. § 11 hingegen regele die Höchstgrenze der Gesamtversorgung und bestimme deshalb, daß insoweit die gesamten gesetzlichen Renten zu berücksichtigen seien. Es möge zutreffen, daß die Beklagte an eine Limitierung des Renteneinkommens im ganzen gedacht habe, das sei aber in der Fassung des Änderungsvertrags nicht zum Ausdruck gekommen. Die Geltung des § 11 der Ruhegeldordnung, der dies vorsehe, sei gerade nicht vereinbart worden. Der Kläger habe die nur hälftige Anrechnung als ein weiteres Entgegenkommen der Beklagten verstehen können, nachdem diese zunächst eine Obergrenze von 80 % des letzten Nettogehalts habe einführen wollen, diese Grenze aber dann auf 87,5 % angehoben habe.

b) Die Auffassung des Berufungsgerichts überzeugt. Die Revision zeigt keinen Auslegungsfehler auf, der zu einer anderen Beurteilung führen könnte. Das Berufungsgericht hat durchaus nicht übersehen, daß in dem Ergänzungsvertrag ausdrücklich von der Anrechnung der vollen Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung gesprochen wird. Es ist aber ebensowenig zu übersehen, daß gleichzeitig auf die Ausnahmen in § 10 Abs. 1 und Abs. 2 der Ruhegeldordnung verwiesen wurde und danach die gesetzliche Rente zur Hälfte von der Anrechnung ausgeschlossen blieb. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die betroffenen Arbeitnehmer diese Einschränkung ernst nehmen und als Entgegenkommen der Beklagten verstehen durften, nachdem ihre ursprünglichen Verträge eine Anrechnung noch vollständig ausgeschlossen hatten.

Auch der Hinweis der Revision auf die in dem Änderungsvertrag vorgesehene volle Anrechnung der Bezüge aus einer befreienden Lebensversicherung führt nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis. Die Erklärungsempfänger mußten hieraus nicht auf eine weitergehende Anrechnungsabsicht bei den gesetzlichen Renten schließen. Etwa bleibende Zweifel gehen zu Lasten der Beklagten. Sie hat den Vertragstext entworfen und durch die Verweisung auf § 10 der Ruhegeldordnung eine nicht sogleich durchschaubare Regelung vorgesehen. Sollte, wie das Berufungsgericht erwogen hat, ein Redaktionsversehen vorgelegen haben und eigentlich nicht § 10 sondern § 11 der Ruhegeldordnung gemeint gewesen sein, so hätte die Beklagte versuchen müssen, sich ggf. durch Anfechtung wegen eines Erklärungsirrtums von dem Änderungsvertrag wieder zu lösen. Das hat sie - verständlicherweise - nicht getan.

3. Das Berufungsgericht hat zu Recht abgelehnt, die Rente des Klägers um einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,4 % pro Monat des vorzeitigen Rentenbezugs zu kürzen.

a) Unstreitig war weder in dem ursprünglichen Pensionsvertrag noch in dem Änderungsvertrag vom 22./23. Dezember 1975 ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgesehen. Erstmals in dem Rundschreiben der Beklagten vom 27. September 1976 wird der Abschlag erwähnt, jedoch auch hier nicht in der Form eines ändernden Vertragsangebots. Das Schreiben weist vielmehr auf Änderungen und Verbesserungen des Betriebsrentengesetzes hin und nennt den Abschlag als gleichsam automatische Folge des Rechts des Arbeitnehmers, bei Inanspruchnahme der flexiblen Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung auch die betriebliche Altersversorgung vorzeitig beanspruchen zu können. Das Berufungsgericht stellt darauf ab, daß angesichts dieser Fassung die betroffenen Arbeitnehmer nicht mit einer Änderung ihrer Versorgungszusagen hätten rechnen können; das Verhalten der Beklagten sei daher widersprüchlich. Dem Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu folgen.

b) Zwar hat der Senat im Urteil vom 24. Juni 1986 (aa0, zu II 1 b der Gründe) entschieden, daß ein Arbeitgeber berechtigt ist, seine Versorgungsordnung an die durch § 6 BetrAVG geänderte Rechtslage anzupassen und die lückenhaft gewordene Ordnung im Rahmen der Billigkeit und unter Beteiligung des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) zu schließen (vgl. auch BAGE 30, 333, 337 f. = AP Nr. 1 zu § 6 BetrAVG, zu I 2 b der Gründe; BAG Urteil vom 11. September 1980 - 3 AZR 185/80 - AP Nr. 3 zu § 6 BetrAVG, zu II der Gründe; BAGE 38, 277, 282 = AP Nr. 4 zu § 6 BetrAVG, zu 2 a der Gründe). Damit hat der Senat jedoch nicht zum Ausdruck gebracht, dem Arbeitgeber sei es erlaubt, einseitig in individuelle Verträge einzugreifen. Im Streitfall hatten die Sonderverträge nach der unangegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellung des Berufungsgerichts keinen kollektiven Bezug und unterlagen daher nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Das bedeutet, daß - abgesehen von einvernehmlichen Änderungen - eine Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu beurteilen ist, eine einseitige Lösung von vertraglichen Pflichten also erst in Betracht kommt, wenn die Leistung dem Schuldner nicht mehr zugemutet werden kann und Anpassungsverhandlungen scheitern. Eine bloße Belehrung, die außerdem noch die Rechtslage unzutreffend darstellt, genügt diesen Anforderungen nicht.

III. Da die Klage Erfolg hat, soweit sich der Kläger gegen die Anrechnung von mehr als der Hälfte der Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung und gegen einen versicherungsmathematischen Abschlag wehrt, kommt es auf die Einzelheiten bei der Umrechnung der Bruttobezüge auf Nettobeträge nicht mehr an. Mögliche Ungenauigkeiten, aber auch Differenzen hinsichtlich der Beträge der gesetzlichen Rente und der Höhe des Krankenversicherungsbeitrags wirken sich angesichts des begrenzenden Sachantrags des Klägers nicht aus.

IV. Die Revision rügt als Verfahrensfehler, das Berufungsgericht habe den Parteien mit Verfügung vom 6. März 1985 schon vor der letzten mündlichen Verhandlung den Tatbestand des späteren Urteils übersandt. Dies verstoße gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs.

Die Rüge ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat mit der Übersendung des späteren Tatbestands ausdrücklich als "Vorweginformation" den Parteien Gelegenheit gegeben, Einwendungen gegen die vorläufig als festgestellt angesehenen Tatsachen zu erheben. Ein solches Verfahren verstößt nicht gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs, sondern trägt ihm in besonderer Weise Rechnung.

Dr. Dieterich Schaub Griebeling

Dr. Krems Gnade

 

Fundstellen

Dokument-Index HI438645

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