Entscheidungsstichwort (Thema)
Handwerksbetrieb als Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Leitsatz (redaktionell)
Gleiche Entscheidung wie im Urteil vom 2. Februar 1994 – 10 AZR 673/92 – AP Nr. 8 zu § 705 BGB
Normenkette
BGB § 705; HwO §§ 1, 7
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 31. Juli 1995 – 16 Sa 2184/94 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zur Beitragszahlung an die Klägerin verpflichtet ist.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Sie nimmt den Beklagten für die Zeit von Januar bis März 1992 kraft gesamtschuldnerischer Haftung mit Frau S. S. auf Beitragszahlung in Höhe von 9.936,32 DM sowie für die Zeit von Oktober 1991 bis März 1993 wegen verspätet bzw. nicht abgeführter Beiträge auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 1.659,21 DM in Anspruch.
Der Beklagte ist Maurermeister. Er schloß am 30. September 1991 mit Frau S. S., die keine Meisterprüfung abgelegt hat, eine mit „Gesellschaftsvertrag” überschriebene Vereinbarung.
Dieser Vertrag hat – soweit vorliegend von Interesse – folgenden Wortlaut:
„§ 1
Die Parteien verbinden sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zwecke der gemeinsamen Führung eines bauunternehmerischen Betriebes.
Die Geschäftsbezeichnung der Gesellschaft lautet:
S./P. GBR
…
Für die technische Leitung des Betriebes ist Herr H. P. verantwortlich.
§ 2
Die Gesellschaft beginnt mit dem 01.10.1991 und dauert mindestens 1 Jahr. …
…
§ 5
Am Gewinn und Verlust sind Frau S. S. zu 66 2/3 % Herr H. P. zu 33 1/3 % beteiligt.
§ 6
Die Führung der Geschäfte steht grundsätzlich nur allen Gesellschafter gemeinsam zu. Das gleiche gilt von einer Vertretung der Gesellschafter Dritten gegenüber. Jeder Gesellschafter ist jedoch berechtigt, Geschäfte bis zu 10.000,– DM selbständig für die Gesellschaft abzuschließen.
§ 7
Als Vergütung für ihre Gesellschaftstätigkeit erhalten ohne Rücksicht auf das Jahresergebnis monatlich jeweils zum Ende eines Monats
der Gesellschafter S. |
2.000,00 DM |
der Gesellschafter P. |
1.000,00 DM. |
…”
Am 14. Oktober 1991 wurde die Firma „S./P. GbR” nach entsprechender Anmeldung durch den Beklagten und Frau S. in die Handwerksrolle eingetragen.
Ab dem 1. Oktober 1991 wurden baugewerbliche Arbeiten durch Arbeitnehmer verrichtet. Auf Briefbögen firmierte der Betrieb wie folgt:
Firma S. GbR
Inh.: S. S. …
Die ZVK ist der Ansicht, der Beklagte hafte als Mitgesellschafter einer GbR gesamtschuldnerisch für die Schulden der Gesellschaft. Sie hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie als Gesamtschuldner neben Frau S. S. 11.595,53 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Er ist der Auffassung, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts habe zu keiner Zeit bestanden. Er habe lediglich formell gegenüber der Handwerkskammer und dem Gewerberegister als Konzessionsträger fungiert, um Frau S. eine baugewerbliche Tätigkeit zu ermöglichen. Deshalb liege ein nichtiges Scheingeschäft i.S.d. § 117 BGB bzw. ein nichtiges Umgehungsgeschäft i.S.d. § 134 BGB vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Beklagte schuldet als Mitgesellschafter die – der Höhe nach unstreitigen – eingeklagten Beiträge und Verzugszinsen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe mit Frau S. eine GbR begründet. Der abgeschlossene Gesellschaftsvertrag sei nicht als Scheingeschäft gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtig, denn der Beklagte sei zwar als „Strohmann” vorgeschoben worden, um Frau S. das Führen eines Maurerbetriebes zu ermöglichen, der erstrebte Zweck sei aber ernstlich gewollt gewesen. Der geschlossene Gesellschaftsvertrag sei auch nicht wegen Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB als Umgehungsgeschäft nichtig. Es sei nicht erforderlich, Rechtsgeschäften die zivilrechtliche Wirksamkeit zu verweigern, durch die handwerksrechtliche Bestimmungen umgangen werden sollen.
Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und weitgehend in der Begründung zu folgen.
2. Die durch den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (künftig: VTV) begründete Beitragspflicht für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte trifft den baugewerblichen Arbeitgeber (§ 24 Abs. 1, § 25 VTV). Voraussetzung für das Entstehen der Beitragsschuld ist allein, daß der baugewerbliche Arbeitgeber baugewerbliche Arbeiten durch Arbeitnehmer verrichtet und an diese dafür Arbeitsentgelt zahlt.
Arbeitgeber i.S. des VTV ist der Rechtsträger des Beschäftigungsbetriebes. Dabei kann es sich um Einzelpersonen oder Personengesamtheiten handeln, also auch um eine GbR i.S.d. §§ 705 ff. BGB.
Handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, so haften deren Gesellschafter im Außenverhältnis nach allgemeinen Regeln als Gesamtschuldner (BAG Urteil vom 2. Februar 1994 – 10 AZR 673/92 – AP Nr. 8 zu § 705 BGB, m.w.N.). Die ZVK kann daher bis zur Tilgung der gesamten Schuld grundsätzlich jeden der Gesellschafter auf Zahlung der gesamten Beiträge in Anspruch nehmen (§ 421 BGB).
3. Das LAG hat zutreffend festgestellt, daß der Beklagte am 30. September 1991 mit Frau S. S. eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts errichtet hat.
a) Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kommt durch Abschluß eines Gesellschaftsvertrages zustande, mit dem sich mehrere Personen gegenseitig verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten (§ 705 BGB).
Erfüllen die Beteiligten objektiv diese tatbestandlichen Voraussetzungen einer Gesellschaftsgründung, so entsteht die Gesellschaft als gesetzliche Folge unabhängig davon, ob die Beteiligten sich der Rechtsfolge ihres Handelns bewußt sind. Das gilt namentlich auch für die Außenhaftung (vgl. BAG Urteil vom 2. Februar 1994 – 10 AZR 673/92 – AP Nr. 8 zu § 705 BGB, m.w.N.).
b) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO ist der selbständige Betrieb eines Handwerks als stehendes Gewerbe – dazu zählt auch ein Maurerbetrieb (§ 1 Abs. 2 HwO i.V.m. Anlage A Gruppe I Nr. 1 zur HwO) – nur den in der Handwerks rolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften (selbständige Handwerker) gestattet. Personengesellschaften i.S.d. Handwerksordnung sind Personenhandelsgesellschaften und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 HwO).
Eintragungsfähig ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HwO zunächst nur, wer in dem von ihm zu betreibenden Handwerk oder in einem diesem verwandten Handwerk die Meisterprüfung abgelegt hat. Nach § 7 Abs. 4 Satz 2 HwO kann allerdings auch eine Personengesellschaft eingetragen werden. Die Vorschrift verlangt hierfür jedoch, daß für die technische Leitung ein persönlich haftender Gesellschafter verantwortlich ist, der den Voraussetzungen der Absätze 1, 2, 3 oder 7 genügt.
Danach kam für Frau S. S. die persönliche Eintragung in die Handwerks rolle nicht in Betracht. Denn mangels Meisterprüfung war sie nicht in der Lage, für sich selbst den in § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO geforderten Befähigungsnachweis zu erbringen. Ihr war daher die selbständige Ausübung des Maurerhandwerks rechtlich nur möglich, wenn sie sich mit einem Maurermeister als persönlich haftendem Gesellschafter und verantwortlichem Betriebsleiter zusammenschloß.
c) Das ist mit der Vereinbarung vom 30. September 1991 zwischen dem Beklagten und Frau S. geschehen. Die Vertragspartner haben sich zum Zwecke der gemeinsamen Führung eines Baubetriebes verbunden, wobei der Beklagte als Maurermeister für die technische (handwerkliche) Leitung des Betriebes verantwortlich sein sollte. Damit hat der Beklagte die für die selbständige handwerkliche Ausübung eines Maurerbetriebes notwendigen handwerksrechtlichen Voraussetzungen beigesteuert. Der gemeinsame Zweck der Vertragschließenden lag darin, Frau S. auf diese Weise den Betrieb eines Bauunternehmens zu ermöglichen.
Danach haben der Beklagte und Frau S. eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet.
d) Es ist ohne Bedeutung, ob der Beklagte die ihm aus handwerksrechtlicher Sicht als Eintragungsvoraussetzung an sich obliegende technische Betriebsleitung (§ 7 Abs. 4 Satz 2 HwO) tatsächlich wahrgenommen hat, wahrnehmen konnte, sollte oder wollte. Ob die übernommenen Förderungspflichten im Ergebnis tauglich sind und unter allen Umständen ausreichen, den gesellschaftlichen Endzweck zu erreichen, ist für ihre Einordnung als gesellschaftsbegründend i.S.d. § 705 BGB nicht maßgeblich. Es genügt, daß sie für die Erreichung des gewählten Zwecks nicht von vornherein ungeeignet sind. Daß die Übernahme der Konzessionsträgerschaft durch den Beklagten aber zur Erreichung des Vertragszwecks, Frau S. die handwerksrechtlich zulässige Führung eines Bauunternehmens zu ermöglichen, nicht ungeeignet ist, steht außer Frage (BAG Urteil vom 2. Februar 1994 – 10 AZR 673/92 – AP Nr. 8 zu § 705 BGB).
e) Soweit der Beklagte darauf verweist, er habe „keinen Pfennig” dafür erhalten, sich als Meister zur Verfügung zu stellen, steht dies einem Gesellschaftsvertrag nicht entgegen. Abgesehen davon, daß ihm für seine Rolle monatlich 1.000,– DM zustehen sollten, übersieht der Beklagte, daß die Eigennützigkeit kein Begriffsmerkmal gemeinsamer Zweckbestimmung ist (BAG Urteil vom 2. Februar 1994 – 10 AZR 673/92 – AP Nr. 8 zu § 705 BGB, m.w.N.).
4. Der Gesellschaftsvertrag zwischen dem Beklagten und Frau S. ist nicht nur zum Schein mit der Rechtsfolge des § 117 BGB abgeschlossen worden.
Ein Scheingeschäft i.S.d. § 117 BGB liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundene Rechtswirkung nicht eintreten lassen wollen. Es setzt deshalb voraus, daß den Parteien der Geschäftswille fehlt (BGH Urteil vom 22. Oktober 1981 – III ZR 149/80 – NJW 1982, 569, m.w.N.).
Ob Vertragsparteien für ihr Ziel die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts benötigen und es deshalb ernstlich gemeint oder nur zum Schein abgeschlossen haben, ist durch Auslegung der Willenserklärungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (BAG Urteil vom 22. September 1992 – 9 AZR 385/91 – AP Nr. 2 zu § 117 BGB, m.w.N.). Das Ergebnis der Auslegung ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob das Berufungsgericht die Vorschriften über die Auslegung richtig angewandt hat oder ob dabei gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen worden ist, und ob der Tatsachenstoff vollständig verwertet oder eine gebotene Auslegung unterlassen wurde (BGH Urteil vom 7. Juli 1980 – III ZR 28/79 – WM 1980, 1085).
Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand. Das Landesarbeitsgericht hat den Vertrag der Parteien unter Berücksichtigung ihres Vorbringens zur tatsächlichen Handhabung zu Recht dahin gewürdigt, daß die Vertragsparteien eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründen wollten.
Denn nach dem übereinstimmenden Willen beider Vertragspartner sollte die Eintragung in die Handwerks rolle dazu dienen, Frau S. das Führen eines Handwerkerbetriebes zu ermöglichen. Da diese Absicht nur bei Vorliegen einer rechtswirksamen Einigung über den Zusammenschluß mit einem Meister als persönlich haftendem Gesellschafter und verantwortlichem Betriebsleiter verwirklicht werden konnte, spricht diese Absicht an sich schon gegen den Scheincharakter der Einigung. Darüber hinaus ist festzustellen, daß der Beklagte und Frau S. die bezweckte Eintragung in die Handwerksrolle auch wirklich wollten. War dies aber der Fall, dann haben die Vertragspartner auch die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als das zur Erreichung des von ihnen erstrebten Erfolgs vorgesehene Rechtsgeschäft ernsthaft gewollt (so auch: BAG Urteil vom 2. Februar 1994 – 10 AZR 673/92 – AP Nr. 8 zu § 705 BGB, m.w.N.). Der Beklagte und Frau S. konnten ihre vertragliche Regelung nicht gleichzeitig als handwerksrechtlich gewollt und zivilrechtlich nicht gewollt verstehen (BGH Urteil vom 5. Juli 1993 – II ZR 114/92 – NJW 1993, 2609).
Der Gesellschaftsvertrag mag im Innenverhältnis zwischen dem Beklagten und Frau S. nichtig sein (vgl. dazu OLG Koblenz, Urteil vom 11. Februar 1994 – 8 O 535/93 – NJW-RR 1994, 493), das ändert jedoch nichts daran, daß der Mitgesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Außenverhältnis haftet, wenn er sich als Mitgesellschafter in die Handwerksrolle eintragen läßt (BSG Urteil vom 12. November 1986 – 9 b RU 8/84 – AP Nr. 2 zu § 705 BGB).
Fundstellen