Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung nach Einigungsvertrag
Normenkette
Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1; Personalvertretungsgesetz der DDR §§ 79, 82, 116b; BPersVG §§ 79, 82; AGB-DDR § 55 Abs. 2; Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost § 53 Abs. 2; Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost § 53 Abs. 3; KSchG §§ 4, 7
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 24.11.1992; Aktenzeichen 1 Sa 23/92) |
KreisG Chemnitz-Stadt (Urteil vom 06.07.1992; Aktenzeichen 4 Ca 8778/91) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 24. November 1992 – 1 Sa 23/92 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 des Einigungsvertrages (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
Der Kläger war seit dem 1. August 1975 als Diplomlehrer für Sport und Geographie im Schuldienst beschäftigt. Im Jahre 1979 wurde er Kreissportlehrer und 1982 in den Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) delegiert. Dort war er im Kreisvorstand S. als stellvertretender Vorsitzender für Kinder- und Jugendsport vor allem für den Nachwuchsleistungssport und die Kreisspartakiade verantwortlich. Von 1981 bis 1989 war er ehrenamtlicher Parteisekretär in der Grundorganisation der SED. Hierfür besuchte er Tagungen, kassierte Beiträge und verwaltete das Geld; seine Zuständigkeit erstreckte sich auf die drei bis fünf SED-Mitglieder der Grundorganisation. Seit dem 31. März 1990 arbeitete er aufgrund eines Arbeitsvertrags mit dem Rat des Kreises S. wieder als Lehrer für Sport und Geographie an einer öffentlichen Schule.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18. Dezember 1991 ordentlich zum 31. März 1992.
Der Kläger hat geltend gemacht, es liege kein Grund für die Kündigung vor. Seine Tätigkeit habe auf einem überdurchschnittlichen Engagement im Schulsport beruht. Er habe nicht parteiindoktrinierend gewirkt, die Parteiarbeit habe das Kreisleitungsparteimitglied G. geleitet. Ein Kündigungsautomatismus für ehrenamtliche Parteisekretäre lasse den Einzelfall völlig außer acht. Da die anderen Parteimitglieder schon Funktionen ausgeübt hätten, habe er, der Kläger, zwangsläufig tätig werden müssen. Auch habe er gegen die Anweisungen Kontakt zu seiner Schwester im Westen gehalten. Im übrigen sei die Kündigung auch deswegen unwirksam, weil der Beklagte den Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt habe. Bis zur Bildung von Stufenvertretungen seien die bestehenden Personalräte – Schul- und Kreisschulpersonalräte – zu beteiligen gewesen. Außerdem habe der Beklagte die maßgebende Kündigungsfrist nicht beachtet. Nach § 9 der Verordnung über die Pflichten und Rechte der Lehrkräfte und Erzieher der Volksbildung und Berufsbildung – Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte – vom 29. November 1979 (GBl. I S. 444) sei eine Kündigung frühestens zum Schuljahresschluß zulässig gewesen. Auch nach § 53 Abs. 2 BAT-O sei eine längere Kündigungsfrist einzuhalten.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 18. Dezember 1991 nicht aufgelöst worden sei, sondern fortbestehe,
- den Beklagten zu verurteilen, den Kläger über den 31. März 1992 hinaus weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt.
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, aufgrund der Tätigkeit des Klägers als Parteisekretär bestünden berechtigte Zweifel an seiner Eignung zur Vermittlung der Grundwerte einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Lange Jahre habe der Kläger den Lehrerberuf nicht ausgeübt, sei im DTSB-Kreisvorstand tätig gewesen und habe den Lehrerberuf erst im Rahmen der Wende wieder aufgenommen. Um die fehlende Eignung darzulegen, genüge es, die Aufgaben des Funktionsträgers darzustellen; konkretes Verhalten müsse nicht vorgetragen werden. In Betracht komme auch ein Anscheinsbeweis.
Das Kreisgericht hat nach den Klaganträgen erkannt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die ordentliche Kündigung sei nach Abs. 4 Ziff. 1 EV gerechtfertigt. Ein Lehrer, der sich in der Vergangenheit besonders mit dem SED-Staat identifiziert bzw. diesen Staat besonders unterstützt, die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik abgelehnt oder bekämpft habe, wecke Zweifel, die Grundwerte der Verfassung glaubwürdig zu vermitteln. Werde das besondere Eintreten eines Lehrers für den SED-Staat Schülern und Eltern bekannt, so begründe das Mißtrauen und mache ihn für die Aufgaben als Lehrer persönlich ungeeignet. Das müsse in einer umfassenden persönlichen Würdigung geprüft werden, wobei es jeweils auf die gesamten Umstände des Einzelfalles ankomme.
Der Beklagte habe seiner Darlegungslast genügt, indem er objektiv die für die Tätigkeit des Klägers maßgeblichen Daten vorgetragen habe. Daraus sei ersichtlich, daß der Kläger 1979 aus dem eigentlichen Schuldienst ausgeschieden, seit 1981 ehrenamtlicher Parteisekretär gewesen und erst nach der Wende in den Schuldienst zurückgekehrt sei. Daraus lasse sich der Schluß ziehen, daß der Kläger sich in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert und diesen Staat unterstützt habe. Er erwecke damit berechtigte Zweifel daran, den Schülern die Grundwerte der Verfassung glaubwürdig zu vermitteln. Er hätte demgegenüber darlegen müssen, daß er sich trotz dieser seiner Aufgaben nicht mit dem SED-Staat identifiziert und ihn unterstützt habe. Dies sei ihm nicht zur Überzeugung der Kammer gelungen. Der Kläger habe brav bis zur Wende mitgemacht. Es sei zwar davon auszugehen, daß die Stellung des Klägers als ehrenamtlicher Parteisekretär nicht besonders hervorragend gewesen sei. Er sei auf der untersten Ebene tätig gewesen und habe nur drei bis fünf SED-Mitglieder betreut, die politische Arbeit habe das Kreisleitungsmitglied G. verrichtet. Der Kläger sei aber auch stellvertretendes Vorstandsmitglied im DTSB-Kreisvorstand gewesen und habe dort insbesondere Nachwuchsleistungssport sowie die Spartakiaden betrieben. Alles das seien keine besonders herausragenden Tätigkeiten für den SED-Staat, sondern zeugten mehr von Mitläufertum. Aber gerade dieses Mitmachen, das undifferenzierte Teilnehmen am Vorgehen des SED-Staates habe diesen überhaupt erst so lange gewähren lassen. Wenn der Kläger zwar auf der untersten Ebene, aber doch ohne Abstand, so den Zielen des SED-Staates gedient habe, sei der Beklagte berechtigt, sich von ihm zu trennen. Demgegenüber habe der Kläger nur dartun können, daß er parteipolitisch nicht hervorgetreten sei und gewirkt habe; er habe aber die notwendigen Tagungen besucht, Beiträge kassiert und Gelder verwaltet. Der einzige Gegeneinwand sei die Aufrechterhaltung der Kontakte zu seiner Schwester im Westen; dies liege aber völlig im privaten Bereich, auch wenn es verboten gewesen sei.
Der Wirksamkeit der Kündigung stehe auch nicht die fehlende Anhörung des Personalrats entgegen. Unstreitig habe kein Personalrat bei der kündigenden Behörde bestanden, und ein Personalrat einer unteren Stelle sei nicht zu beteiligen. § 82 Abs. 5 und 6 des Personalvertretungsgesetzes der DDR sei nicht entsprechend anwendbar.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten nicht in allen Punkten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
I. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß die Kündigung nicht wegen fehlender Personalratsbeteiligung unwirksam ist.
1. Nach § 79 Abs. 1 des Personalvertretungsgesetzes der DDR vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 1014) – PersVG-DDR –, der nahezu wörtlich mit § 79 Abs. 1 BPersVG übereinstimmt, ist der Personalrat vor ordentlichen Kündigungen zu hören. Nach § 79 Abs. 4 beider Gesetze ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Kündigungsberechtigt war das Oberschulamt Chemnitz. Die Schule, an der der Kläger zuletzt beschäftigt wurde, war nicht zur Kündigung berechtigt. Nach § 82 Abs. 1 PersVG-DDR/BPersVG wäre die Stufenvertretung zu beteiligen gewesen. Eine solche bestand bei der Schulaufsichtsbehörde nicht.
2. Eine andere Vertretung war nach § 82 Abs. 6, § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR nicht zu beteiligen.
a) Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschriften auf die vorliegende Kündigung überhaupt noch anzuwenden waren oder ob nicht bereits ausschließlich das Bundespersonalvertretungsgesetz galt, das eine entsprechende Regelung nicht enthält (vgl. Senatsurteil vom 9. Juni 1993 – 8 AZR 659/92 –, n.v., zu B II 2 a der Gründe).
b) Auch bei Annahme der Weitergeltung der §§ 82, 116 b PersVG-DDR ergab sich nicht die Notwendigkeit, einen anderen Personalrat anzuhören.
aa) Die Regelung des § 82 Abs. 1 und Abs. 5 PersVG-DDR ist zwingend. Ist bei der für die Entscheidung zuständigen Dienststelle eine Stufenvertretung nicht gebildet worden, ergibt sich daraus nicht eine Beteiligungszuständigkeit des Personalrates der nachgeordneten, nicht entscheidungsbefugten Dienststelle (vgl. Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand November 1993, § 82 Rz 18 und 48; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 82 Rz 6 und 22; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG mit WO, 7. Aufl., § 82 Rz 27). Auch im Einverständnis der Beteiligten kann von der Zuständigkeitsregelung des § 82 Abs. 1 und 5 PersVG-DDR nicht abgewichen werden, so daß aus einer etwaigen Zusage, eine nicht zuständige Personalvertretung zu beteiligen, eine Zuständigkeit nicht begründet werden kann.
bb) Eine Zuständigkeit des Kreisschulpersonalrates oder des Schulpersonalrates folgt nicht aus § 82 Abs. 6 PersVG-DDR. Diese Vorschrift begründet keine neue sachliche Zuständigkeit für eine Personalvertretung. Sie betrifft, wie sich aus den dort aufgeführten Fällen des § 69 Abs. 3 und 4, §§ 70, 71, 72 Abs. 4 ergibt, die Beteiligung der Stufenvertretung im „Instanzenzug”. Wesentlich ist in diesen Fällen, daß die personalvertretungsrechtliche Zuständigkeit beim jeweils zuständigen örtlichen Personalrat liegt und die Stufenvertretungen erst in Aktion treten, nachdem die erste örtliche Ebene ausgeschöpft ist. Ist ein Hauptpersonalrat noch nicht gebildet, der im mehrstufigen Beteiligungsverfahren mitwirken kann, soll nach § 82 Abs. 6 PersVG-DDR die im Instanzenzug in einer vorangegangenen Stufe bereits beteiligte Personalvertretung oder, falls auch diese nicht vorhanden ist, die bereits beteiligte und zuständige Personalvertretung an seine Steile treten, um sich nochmals an der zu treffenden Maßnahme zu beteiligen. Der Sinn des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR liegt also allein darin, ein mehrstufiges Verfahren auch dann zu gewährleisten, wenn ein Hauptpersonalrat nicht besteht.
cc) Dieselben Überlegungen wie für § 82 Abs. 6 PersVG-DDR gelten auch für § 116 b Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 PersVG-DDR. § 116 b PersVG-DDR will die in § 82 Abs. 6 PersVG-DDR getroffene Regelung nicht inhaltlich erweitern. Eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR hätte das Vorhandensein einer ursprünglichen personalvertretungsrechtlichen Zuständigkeit des Kreispersonalrats und/oder Schulpersonalrats zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers vorausgesetzt. Auch § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR will nur den „Instanzenzug” sichern unter der Voraussetzung, daß ein personalvertretungsrechtlich erstzuständiger Personalrat vorhanden ist.
3. Die Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß das Sächsische Staatsministerium für Kultus die Einleitung der Wahl eines Hauptpersonalrats bzw. Bezirkspersonalrats in rechtswidriger Weise unterlassen haben soll. Eine Rechtsvorschrift, aus der eine solche Folge hergeleitet werden könnte, existiert nicht und kann auch nicht aus der Denkschrift zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 entnommen werden. Dem dort geäußerten Anliegen hat das PersVG-DDR bereits Rechnung getragen.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu der Frage, ob die Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung gemäß Abs. 4 Ziff. 1 EV gerechtfertigt ist, sind nicht rechtsfehlerfrei. Das Berufungsgericht hat aus dem festgestellten Sachverhalt zu Unrecht gefolgert, der Kläger habe sich in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert.
1. Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Die Wirksamkeit der Kündigung ist aufgrund einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung zu beurteilen. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 18. März 1993 und 4. November 1993 (8 AZR 356/92 und 8 AZR 127/93, jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen) folgende Grundsätze hierzu entwickelt:
a) Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2, 1 – Leitsatz 2 –).
b) Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG).
c) Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind, mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher – auch – eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Deshalb zwingt die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen (vgl. zum Beurteilungsspielraum BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 7 AZR 456/82 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a, aa der Gründe; BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 –, zur Veröffentlichung bestimmt, zu III der Gründe; BVerwG Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – AP Nr. 10 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen; BVerwG Urteil vom 28. November 1980 – 2 C 24.78 – AP Nr. 12 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Entlassung eines Beamten auf Probe); denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
d) Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist.
2. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß sich aus einer langjährigen Tätigkeit als ehrenamtlicher Parteisekretär eine persönliche Ungeeignetheit des Lehrers ergeben kann. Der Beklagte hat das im Streitfalle allerdings nur für den ehrenamtlichen Parteisekretär an einer Schule dargelegt. Demgegenüber war der Kläger ehrenamtlicher Parteisekretär beim DTSB-Kreisvorstand.
Grundsätzlich kann hierfür aber nichts anderes gelten, weil auch in dieser Punktion die SED als staatstragende Partei repräsentiert wird. Die Senatsrechtsprechung betreffend ehrenamtliche Parteisekretäre an Schulen (Urteil vom 16. Dezember 1993 – 8 AZR 15/93 –, n.v., zu B II 2 der Gründe) kann insofern entsprechend herangezogen werden.
3. Die Revision rügt allerdings zu Recht, daß das Landesarbeitsgericht bei der Einzelfallprüfung nicht alle Umstände rechtsfehlerfrei gewürdigt hat.
a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Stellung des Klägers als ehrenamtlicher Parteisekretär sei nicht besonders hervorragend gewesen, er sei auf der untersten Ebene tätig geworden und habe nur drei bis fünf SED-Mitglieder zu betreuen gehabt, während das Kreisleitungsmitglied G. die politische Arbeit verrichtet habe. Diese Gesichtspunkte sind in der Tat geeignet, das Indiz einer Nichteignung zu entkräften. Wenn sich der Kläger auf formale Betätigungen wie etwa das Kassieren von Beiträgen beschränkt hat und die „politische Arbeit” anderweitig verrichtet wurde, ist eine mangelnde Eignung nicht ohne weiteres anzunehmen. Die Mitwirkung an der Umsetzung der Ziele der SED wäre dann gering und läge nicht im ideologischen Bereich. Von einer besonderen Identifikation mit dem SED-Staat könnte nicht gesprochen werden.
b) Die zusätzlichen Gesichtspunkte, mit denen das Berufungsgericht die besondere Identifikation des Klägers mit dem SED-Staat begründet, rechtfertigen diesen Schluß nicht. Wenn der Kläger 1979 aus dem „eigentlichen” Schuldienst ausgeschieden und erst nach der Wende dorthin zurückgekehrt ist, so hat das nichts mit Parteitätigkeit zu tun. Vielmehr beruht dies auf seiner Tätigkeit als Kreissportlehrer und stellvertretender Vorsitzender im Kreisvorstand S. des DTSB. Nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bezog sich seine Aufgabe dort auf den Nachwuchsleistungssport und den Freizeitsport für die Kreisspartakiade. Das mag als „staatstragende” Tätigkeit bezeichnet werden, das Indiz einer mangelnden persönlichen Eignung ist mit ihr nicht verbunden. Jedenfalls fehlt es insoweit an verwertbaren Feststellungen.
Es ist rechtsfehlerhaft, wenn das angefochtene Urteil die Tätigkeit im DTSB zur Begründung der mangelnden Eignung heranzieht, ohne darzulegen, daß diese Tätigkeit allgemein oder in der konkreten Ausübung durch den Kläger eine Identifikation mit dem SED-Staat bedeutet. Zwar stand der Sport in der ehemaligen DDR im Dienste der Partei- und Staatsinteressen und war anders organisiert als in der Bundesrepublik Deutschland. Daraus ergibt sich aber noch nicht, daß die Organisation des Jugendsportes auf Kreisebene und die damit verbundene Anleitung von Trainern eine besondere Systemnähe begründet. Der Vortrag des Beklagten reicht zu dieser Annahme jedenfalls nicht aus. Ob der Begriff des „Mitläufertums”, den das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang verwendet, zutrifft, kann dahinstehen. Dem Berufungsgericht kann jedenfalls nicht gefolgt werden, wenn es die Berechtigung zur Kündigung aus dem „Mitmachen” und „Gewährenlassen” ableitet. Damit verläßt es den Maßstab der besonderen Identifikation mit dem SED-Staat. Zu Recht weist die Revision in diesem Zusammenhang auf die eigenen Richtlinien des Beklagten vom 12. Juni 1991 und vom 20. August 1991 hin, wonach auch hauptamtliche Sportfunktionäre nicht „als politisch belastet anzusehen”, sondern nur „auf politische Belastung zu überprüfen” sind. Der Beklagte müßte die politische Belastung durch weiteren Tatsachenvortrag im einzelnen darlegen.
c) Das Berufungsgericht wird daher erneut zu prüfen haben, ob die zum Kündigungszeitpunkt vorhandenen Tatsachen eine Kündigung rechtfertigen. Dabei wird auch zu würdigen sein, daß der Kläger entgegen staatlichen Vorschriften die Kontakte zu seiner Schwester im Westen aufrechterhalten hat. Auch wenn dies den privaten Bereich betrifft, kann es die Beurteilung der persönlichen Eignung entscheidend beeinflussen, denn diese betrifft die gesamte Persönlichkeit und damit auch das private Verhalten. Der Beklagte wird im erneuten Berufungsverfahren auch Gelegenheit haben, auf der Grundlage des substantiierten Klägervortrags Zeugenbeweis anzutreten. Der Kläger wird näher erläutern können, welche Tagungen er besucht hat, welche Zielsetzungen dabei verfolgt wurden und zu welchen Zwecken er Gelder verwaltet hat. Auf die Verfahrens rügen des Klägers kommt es danach nicht mehr an. Beide Parteien können vor dem Berufungsgericht wieder unbeschränkt Tatsachenvortrag leisten.
III. Ob die fachliche Qualifikation des Klägers für den Beruf eines Lehrers wegen seines Ausscheidens aus dem Schuldienst und der langjährigen Tätigkeit für den DTSB in Frage gestellt ist, kann dahinstehen. Das hat der Beklagte bisher nicht geltend gemacht.
IV. Das Berufungsgericht hat zutreffend die Kündigungsfrist des § 55 Abs. 2 AGB-DDR zugrunde gelegt. Die Anwendung dieser Vorschrift folgt aus Abs. 4 Satz 4 EV. Die Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schuljahresende gemäß § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 29. November 1979 (GBl. I S. 444), zuletzt geändert durch die zweite Verordnung zur Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 25. Januar 1990 (GBl. I S. 24), war nach dem 2. Oktober 1990 nicht mehr anwendbar. Diese Bestimmung gehört nicht zu dem in Anlage II zum Einigungsvertrag aufgeführten DDR-Recht, das seit dem 3. Oktober 1990 als Bundesrecht weitergilt. Dementsprechend könnte sie nur gemäß Art. 9 EV als Landesrecht weitergelten, wenn der Beklagte die Gesetzgebungskompetenz für den Erlaß dieser Kündigungsfristenregelung besäße. Die Regelung der Kündigungsfristen für Lehrkräfte gehört jedoch nicht zum Schulrecht, sondern zum materiellen Arbeitsrecht. Insofern hat der Bund von seinem konkurrierenden Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht.
Die Kündigungsfrist des § 53 Abs. 2 BAT-O findet unabhängig von der Tarifbindung der Parteien nach § 53 Abs. 3 BAT-O keine Anwendung. Diese Bestimmung stellt ausdrücklich klar, daß die Regelungen des Einigungsvertrages in Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 vorgehen (BAG Urteil vom 25. März 1993 – 6 AZR 252/92 – BB 1993, 2162 f.).
V. Der Kläger hat in der Revisionsverhandlung klargestellt, daß sein Feststellungsantrag allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG umfaßt. Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wird daher nicht mehr zu prüfen sein.
VI. Das Landesarbeitsgericht hat den Weiterbeschäftigungsantrag offenbar dahin verstanden, er werde nur für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag gestellt. Diese Auslegung ist nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht ist daher von seinem Standpunkt aus konsequent auf den Weiterbeschäftigungsantrag nicht eingegangen. Es wird sich im erneuten Berufungsverfahren mit diesem Antrag befassen müssen, sofern es eine Unwirksamkeit der angefochtenen Kündigung bejaht. Dabei wird auf eine Konkretisierung des Antrags hinzuwirken sein.
Unterschriften
Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Mikosch, Schömburg, Schmitzberger
Fundstellen