Entscheidungsstichwort (Thema)
Heimzulage. Auslegung von Tarifverträgen. Heim. Betreute Wohngemeinschaften als Heime
Leitsatz (redaktionell)
1. Betreute Wohngemeinschaften, in denen vier bis sieben geistig behinderte Menschen untergebracht sind, können Einrichtungen sein, die mit einem Heim im Sinn der Protokollnotiz Nr. 1 der Anlage 1a Teil II Abschnitt G BAT vergleichbar sind.
2. Nicht jede beliebige Wohnstätte erfüllt die Voraussetzungen der Protokollnotiz Nr. 1, sondern nur eine mit Erziehungsheimen oder Kinder- und Jugendwohnheimen vergleichbare Einrichtung.
3. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Begriff der einem Heim vergleichbaren Einrichtung ausdrücken wollen, dass damit ein Zweck verfolgt werden muss, der über die Zur-Verfügung-Stellung einer bloßen Unterkunft hinausgeht. Dazu muss es sich um eine räumlich und organisatorisch zusammenhängende Einrichtung handeln, in der eine regelmäßig größere Zahl von Menschen lebt, die in eine nicht durch sie selbst gesetzte Ordnung eingebunden sind und die sich an Regeln halten müssen, die typischerweise durch eine Heimleitung festgesetzt werden.
Normenkette
BAT Anlage 1a Teil II Abschn. G Protokollnotiz Nr. 1; TVG § 1
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 30.05.2006; Aktenzeichen 7 Sa 60/06) |
ArbG Berlin (Urteil vom 11.11.2005; Aktenzeichen 54 Ca 17419/05) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 30. Mai 2006 – 7 Sa 60/06 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. November 2005 – 54 Ca 17419/05 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.040,29 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2006 zu zahlen.
Von den Kosten der Berufung haben die Klägerin 6 % und die Beklagte 94 % zu tragen. Im Übrigen hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Heimzulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT.
Die Klägerin ist seit Oktober 1993 bei der Beklagten als Angestellte in der Tätigkeit einer Erzieherin beschäftigt. Von Dezember 2005 bis August 2006 befand sie sich in unbezahlten Sonderurlaub. Sie erhält Vergütung nach VergGr. Vb Fallgr. 5 BAT-O. Ihre Arbeitszeit beträgt 35 Stunden wöchentlich. Im Arbeitsvertrag ist vereinbart, dass der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) in der für den Bereich des Bundes und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) geltenden Fassung mit Ausnahmen anwendbar ist. Die Klägerin hatte bis einschließlich September 2002 die Zulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT erhalten. Die Vorschrift lautet:
“Der Angestellte … erhält für die Dauer der Tätigkeit in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim oder einer vergleichbaren Einrichtung (Heim) eine Zulage in Höhe von 120 DM monatlich, wenn in dem Heim überwiegend Behinderte im Sinne des § 39 BSHG oder Kinder oder Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind …”
Ab Oktober 2002 zahlte die Beklagte die Zulage entsprechend ihrer Ankündigung vom 18. März 2002 nicht mehr. Die Klägerin machte die Weiterzahlung der Zulage ab dem 1. Oktober 2002 mit mehreren Schreiben aus dem September 2002 und November 2004 sowie Juni 2005 geltend.
Die Beklagte ist eine gemeinnützige GmbH, die sich der Betreuung, Erziehung und Förderung geistig behinderter Menschen widmet. Sie betreibt und betreut seit ca. 20 Jahren Wohngemeinschaften in Berlin. Derzeit sind es 42 Wohngemeinschaften mit insgesamt 207 Wohnplätzen für behinderte Menschen. Die Klägerin ist in der Wohngemeinschaft 14 (WG 14) gemeinsam mit einem weiteren Mitarbeiter tätig. In ihr leben fünf behinderte Bewohner und Bewohnerinnen. Sie untersteht einem der Leitungsbereiche der Beklagten, zu dem noch 16 weitere Wohngemeinschaften und eine Wohnstätte gehören. Letztere wird von der Beklagten als Heim im tariflichen Sinne angesehen. Die in ihr beschäftigten Mitarbeiter erhalten die Heimzulage.
Die Beklagte wird durch die Sozialleistungsträger öffentlich gefördert. Mit der zuständigen Senatsverwaltung für Soziales des Landes Berlin vereinbarte die Beklagte unter dem 21. Juli 2003 eine Leistungsbeschreibung für Wohngemeinschaften für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung – Leistungspflicht II gem. § 93 BSHG (Dieser Vorschrift entspricht seit dem 1. Januar 2005 § 75 Abs. 3 SGB XII). In ihr sind Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen der Beklagten beschrieben. Art der Leistung ist danach die Eingliederungshilfe. Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung, die in betreuten Wohngemeinschaften leben, haben Anspruch auf Maßnahmen der Eingliederungshilfe gem. §§ 39/40 BSHG, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Betreuung in Wohngemeinschaften ist danach eine ambulante (sozial-)pädagogische Hilfe zum selbständigen Wohnen und zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft. Eine betreute Wohngemeinschaft ist eine Form des Zusammenlebens von vier bis sechs – in Ausnahmefällen bis zu sieben – behinderten Menschen, die die Möglichkeit für einen befristeten als auch für einen unbefristeten Aufenthalt der Bewohnerinnen und Bewohner mit Behinderungen zulässt. Das Betreuungsangebot besteht für erwachsene Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung beiderlei Geschlechts. Weiter heißt es:
“2.2 Art und Umfang des Betreuungsbedarfs
Es werden Angebote für Menschen mit Behinderungen vorgehalten, deren Betreuungsbedarf Leistungen der
→ Information, Assistenz und Hilfestellung
→ der stellvertretenden Ausführung/Begleitung
umfasst und die keine Betreuung rund um die Uhr benötigen. In Teilbereichen liegen häufig auch Bedarfe an intensiver Förderung/Anleitung und umfassender Hilfestellung vor.
Häufig ist mittelfristig eine Verselbständigung durch geeignete pädagogische Angebote möglich. Es können jedoch aufgrund der Art und Schwere der Behinderung in verschiedenen Hilfebereichen auch dauerhaft Hilfeleistungen erforderlich bleiben.
Der Personenkreis hat einen kontinuierlichen Bedarf an pädagogischen Hilfen in vielen der Aktivitäts- und Hilfebereiche.
Eine täglich mehrstündige Betreuung ist erforderlich.
Der Leistungstyp umfasst die Hilfebedarfsgruppen I – IV.
In der Regel liegt eine externe Tagesstruktur vor.
Wenn bei Mehrfachbehinderungen auch eine seelische Behinderung gegeben ist, muss die geistige und/oder körperliche Behinderung im Vordergrund stehen.
Nicht enthalten in dieser Leistung sind Hilfen zu täglichen Verrichtungen, auf die ggf. einzelne Bewohner einen Anspruch nach § 14 SGB XI haben.
3. Ziel der Leistung
3.1 Normalisierung und Selbstbestimmung
Orientiert am Normalisierungsprinzip sollen Wohngemeinschaften Menschen mit Behinderung eine Wohnmöglichkeit bieten, wo sie die erforderlichen Hilfen erhalten, um möglichst weitgehend selbstbestimmt leben zu können.
3.2 Leben in der Gemeinschaft
Ziel der Betreuungsarbeit in Wohngemeinschaften ist vor allem, den Menschen mit Behinderung ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend zu einer größtmöglichen Selbständigkeit zu verhelfen und sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu unterstützen.
4. Inhalt und Umfang der Leistung
4.1 Betreuung als ein geplanter Prozeß
Aufbauend auf den Kompetenzen des einzelnen Menschen mit Behinderung sowie unter Berücksichtigung seines Entwicklungsstands und seines Hilfebedarfs in den verschiedenen Lebensbereichen wird der Prozess der Betreuung geplant und begleitet.
Gezielte, spezielle Förderangebote, die sich nach den individuellen Bedürfnissen des einzelnen behinderten Bewohners, der einzelnen Bewohnerin mit Behinderung richten, werden in Hilfeplänen detailliert beschrieben.
4.2 bedarfsgerechte Hilfen
Aus den Zielen der Betreuungsarbeit ergeben sich mit individuell unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, Intensität und Dauer Angebote der Information, Assistenz und Hilfestellung sowie der stellvertretenden Ausführung, der Begleitung, der intensiven Förderung/Anleitung und umfassenden Hilfestellung
→ zum Erwerb bzw. Erhalt von Fähigkeiten und Fertigkeiten im persönlichen und lebenspraktischen Bereich, mit dem Ziel der größtmöglichen Selbständigkeit des Bewohners, der Bewohnerin bei der alltäglichen Lebensführung und der individuellen Basisversorgung
→ zur persönlichen Lebensgestaltung sowie zur Entwicklung und Erfüllung individueller Bedürfnisse
→ zur Gestaltung sozialer Beziehungen innerhalb und außerhalb der Wohngemeinschaft,
→ zur Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben,
→ zur Kommunikation und Orientierung
→ zur Förderung der emotionalen und psychischen Entwicklung
→ bei der Gesundheitsförderung und -erhaltung (z.B. Sorge für regelmäßige ärztliche und zahnärztliche Versorgung, Sicherstellung der notwendigen therapeutischen Versorgung, Begleitung zu Ärzten und Therapeuten, Unterstützung bei der Einnahme der verordneten Medikamente, pflegerische Assistenz etc.),
→ bei der Förderung in Arbeit oder Beschäftigung,
→ bei der Freizeitgestaltung und bei Reisen, sowohl bei gemeinschaftlichen als auch individuellen Aktivitäten,
→ bei Behördengängen, Arztbesuchen, persönlichen Besorgungen.
Der Träger gewährleistet die Realisierung von Leistungen nach SGB XI, soweit ein Anspruch besteht und diese durch externe Anbieter erbracht werden.”
Unter Punkt 4.3 heißt es:
“Den Bewohnern und Bewohnerinnen einer Wohngemeinschaft ist eine angemessene Mitwirkung in den ihre Interessen berührenden Angelegenheiten bei der Betreuung und Förderung einzuräumen. Eltern bzw. den gesetzlichen Betreuern/Betreuerinnen der Bewohnerinnen und Bewohner mit Behinderung ist eine angemessene Mitwirkung zu ermöglichen.”
Gem. Punkt 4.4 sind Dokumentationen der Arbeiten in allen wesentlichen Punkten vorzunehmen. Nach Punkt 4.6 ergeben sich die Einzelheiten zur geplanten Ausgestaltung der Betreuungsleistungen für eine Wohngemeinschaft aus der Konzeption, die vom Träger zu erstellen und mit der Fachabteilung der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung abzustimmen ist. In der für die WG 14 erstellten Konzeption (Bl. 36 – 54 VA) heißt es:
“1.1 Art und Ziel des Angebots
Es handelt sich um eine ambulante Wohneinrichtung für erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung, in der Hilfe gemäß §§ 39, 40 BSHG erbracht wird.
Die BewohnerInnen haben die Möglichkeit eines befristeten sowie unbefristeten Aufenthaltes in der Wohngemeinschaft, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen.
Die Betreuung in Wohngemeinschaften ist eine (sozial)pädagogische Hilfe zum selbständigen Wohnen und zur Teilnahme am Leben.
Die Zielsetzung unserer Einrichtung orientiert sich an den Grundsätzen der L….
Unsere Betreuungsangebote richten wir an Menschen mit geistiger Behinderung, um ihnen auf der Grundlage des Normalisierungsprinzipes die gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Förderung bzw. die Erhaltung von Selbständigkeit und Selbstverantwortung mit der Zielsetzung, daß die betroffenen Menschen ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen können.
…
2.1 Beschreibung der Zielgruppe
Zur Zeit leben hier 3 Frauen und 2 Männer im Alter von 18 bis 39 Jahren zusammen.
Der Behinderungsgrad beträgt 80–100 %.
2 BewohnerInnen sind aus ihren Familien zu uns gekommen, 3 BewohnerInnen sind aus anderen Einrichtungen in die Wohngemeinschaft gezogen.
Alle 5 BewohnerInnen gehen einer externen Tagesbeschäftigung nach.
4 von ihnen arbeiten in einer Werkstatt für Behinderte; 1 Bewohnerin ist noch Schülerin.
Wesentliche zusätzliche Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen erfordern besonders ausgerichtete Betreuungsangebote, welche sind
– 1 Person mit erhöhter Anfallbereitschaft (Epilepsie) und
– bei allen BewohnerInnen liegt eine psychische Problematik vor, welche nicht genau diagnostiziert sind; Symptome sind Angstzustände, stark eingeschränkte Eigenwahrnehmung, nervöse Unruhezustände etc
– 3 BewohnerInnen sind stark eingeschränkt wegefähig.
Alle BewohnerInnen sind auf regelmäßige pädagogische und lebenspraktische Hilfen angewiesen, benötigen jedoch keine ständige Pflege oder eine Rund-um-die Uhr-Betreuung.
3. Beschreibung der Leistungen, Angebote und Methoden
3.1 Förderplanung
Entsprechend den Grundsätzen der L… zielen unsere Betreuungsangebote auf die zunehmende Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der BewohnerInnen.
Die Menschen mit Behinderung erhalten die erforderlichen Hilfen, um ihnen bei weitestgehender Selbstbestimmung die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.
Grundlage unserer Arbeit bildet das Normalisierungsprinzip, was besagt, daß Rahmenbedingungen geschaffen werden, die für die betroffenen Menschen eine Lebensgestaltung zulassen, welche sich altersgerecht am ‘normalen’ gesellschaftlichen Leben orientiert.
Unser Betreuungskonzept ist kompetenzorientiert, setzt an den vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnissen an; defizitorientierte Sichtweise wird so vermieden.
Die Betreuungsarbeit wird altersgerecht gestaltet. Künstlich geschaffene Lernsituationen sind nur in begründeten Ausnahmen zulässig. Die ganz alltäglichen Anforderungen des Lebens bilden das Lernfeld des behinderten Menschen; das Maß seiner vorhandenen Kompetenzen ist Gradmesser für den erforderlichen Hilfebedarf zur Bewältigung derselben.
Die Betreuungsplanung richtet sich nach dem individuellen Hilfebedarf jedes Einzelnen. Eine sorgfältige Bedarfsanalyse geht dem voraus, in welcher neben anamnestischen Ereignissen und Fakten Beobachtungen und Einschätzungen von TeamkollegInnen einfließen.
Ein hilfreiches Arbeitsmaterial für die Bedarfserhebung ist die kontinuierliche Betreuungsdokumentation; das eingesetzte Instrument ist ein standardisierter Meßkriterienkatalog nach Fr… Dr. M….
Bei der Festschreibung von Betreuungszielen und -methoden werden der Bedarf, aber auch Wünsche, Interessen und Bedürfnisse der BewohnerInnen berücksichtigt, welche in klientenzentrierten Gesprächen ermittelt werden.
Gemäß unserer Orientierung auf Veränderung und Entwicklung der Persönlichkeit werden die Zielvereinbarungen regelmäßig überprüft, neue besprochen und der aktuellen Situation angepaßt.
Neben den Aspekten der Betreuung und Förderung bietet die Wohngemeinschaft den BewohnerInnen ein Zuhause zum Wohlfühlen, Möglichkeit zum Rückzug und der Ruhe; Möglichkeit der Begegnung und der Gemeinsamkeit.
Der WG-Rahmen ist auch Raum und Schutz, Sicherheit, Geborgenheit.
Unsere Leistungen erstrecken sich je nach Bedarf und Notwendigkeit von der Beratung, Anleitung, Begleitung, praktischen Unterstützung bis hin zur stellvertretenden Ausführung; die Betreuungsangebote sind im Einzelnen:
3.2 Alltägliche Lebensführung
– Strukturierung von Alltag, Woche, Monat, Jahr (z.B. Organisation des Gruppenhaushaltes, Urlaubsplanung, persönliche und Jahresfeste), Rhythmus von Arbeit und Erholung, von Einzel- und gemeinschaftlicher Aktivität
– Zubereitung kalter und warmer Mahlzeiten
– Planung und Durchführung von Einkäufen, Erkunden von weiteren Einkaufsstätten im näheren und weiteren Wohnumfeld, Preisvergleiche
– Pflege der Wäsche (Waschen, Flicken, Aus-, Einsortieren)
– Reinigen und Sauberhalten der Gruppenräume und des Privatzimmers
– Bedienen elektrischer Geräte
– Ausführung von Kulturtechniken (z.B. Schreiben von Einkaufszetteln, Abrechnen des Einkaufsgeldes, Tischdecken, korrekter Gebrauch von Eßgeschirr und Besteck)
– umweltbewußtes Verhalten (Kauf umweltgerechter Produkte, Einsparung von Wasser, Strom und Heizenergie, Trennung des Hausmülls etc.)
– Verwaltung und/oder Verwendung des persönlich zur freien Verfügung stehenden Geldes (Kenntnis des Geldwertes, Einteilung des Geldes)
– Umgang mit Banken und Behörden (Stellen von Anträgen, Ausfüllen von Formularen, Beantwortung von Schriftstücken, Kontoführung, Abhebungen)
3.3 Individuelle Basisversorgung …
3.4 Gestaltung sozialer Beziehungen …
3.5 Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben …
3.6 Kommunikation …
3.7 Emotionale und psychische Entwicklung …
3.8 Gesundheitsförderung und -erhaltung …
3.9 Umgang mit Krisen …
3.10 Umgang mit Süchten …”
Unter Punkt 5 “Organisation der Versorgung” heißt es:
“5.2 Haushaltsführung
Gemäß dem Normalisierungsprinzips sieht unser Betreuungskonzept vor, daß die BewohnerInnen selbständig und eigenverantwortlich ihren Wohnbereich in Ordnung halten und notwendige Tätigkeiten zur Haushaltsführung ausführen.
Sie erhalten dabei die individuelle Hilfeleistung, die notwendig ist.
Der Alltag wird so strukturiert, daß sich täglich eine Vielzahl an Lernmöglichkeiten ergibt, die Anforderungen an die BewohnerInnen stellen, ohne sie zu überfordern.
Alle BewohnerInnen zahlen monatlich einen festgelegten Betrag in die Haushaltskasse der WG, die von den Mitarbeitern verwaltet wird. Bei der Planung von Ausgaben werden die Bewohner/innen weitgehend mit einbezogen. Die Abrechnung dieser Kasse erfolgt gegenüber der Geschäftsstelle. Mit diesen Mitteln wird die alltägliche Haushaltsführung bestritten (Lebensmittel, Haushaltsbedarf, Hygieneartikel, Telefon, Energie, Freizeitaktivitäten der Gruppe, Reisezuschuß).
5.3 Sonstiges
Für Reparaturen und Ersatzbeschaffung in den Gemeinschaftsräumen ist eine Instandhaltungskasse eingerichtet. Die entsprechenden Gelder werden nach vorheriger Beantragung von der Geschäftsstelle der L… an die WG überwiesen.
Für den privaten Bedarf steht den BewohnerInnen ein persönliches Taschengeld zur Verfügung.
6. Regeltagesablauf
6.1 Tabellarische Darstellung eines Regeltagesablaufes
5.30 – 7.00 Uhr |
selbständiges Aufstehen der Bewohner/innen, |
|
Waschen, Anziehen, Frühstücken, selbständige Bewältigung des Arbeits- bzw. Schulweges |
12.00 Uhr |
im Regelfall Arbeitsbeginn der Betreuer/innen |
|
organisatorische Aufgaben |
|
Kontakt zu Arbeitsstellen, Ämtern usw. Zeit für Dokumentationsarbeiten eventuell Dienstberatungen, Teamberatungen, Supervision |
13.30 – 17.00 Uhr |
Eintreffen der Bewohner/innen, Tagesereignisse bzw. Probleme werden besprochen |
|
Erledigung von anstehenden Aufgaben laut Wochenplan (Reinigungsarbeiten, Einkaufen, Arztbesuche, Freizeitaktivitäten) nach Bedarf Hilfen bei Organisation und Durchführung |
17.00 – 18.00 Uhr |
Zubereiten des gemeinsamen Abendessens durch jeweils eine/n Bewohner/in mit Unterstützung |
18.30 – 20.00 Uhr |
BewohnerInnenbesprechung, einmal wöchentlich (Wochenplanerstellung) Gruppenarbeit (Problembesprechungen, Planung von Aktivitäten) |
ab 20.00 Uhr |
individuelle Freizeitgestaltung selbständiges Zubettgehen. |
…
6.2 Betreuungszeiten
Betreuungszeiten richten sich nach dem aktuellen Betreuungsbedarf und liegen schwerpunktmäßig in den Nachmittags- und Abendstunden. Für die MitarbeiterInnen besteht derzeit eine Kernarbeitszeit von 12.00 – 20.30 Uhr.”
Unter Punkt 7 “Personal” heißt es, dass in der WG 14 zwei MitarbeiterInnen mit 35 und 40 Stunden Wochenarbeitszeit tätig sind.
Punkt 7.2 lautet:
“7.2 Aufgabenabgrenzung
Der Leitung des Bereiches obliegt die Gesamtverantwortung für die dazu gehörenden Einrichtungen; derzeit sind es 16 Wohngemeinschaften und 1 Wohnstätte.
Die Leitung repräsentiert den Träger in der PSAG K… und vertritt die Interessen der Einrichtungen nach außen.
Zu den Aufgaben gehören die Personalführung, Fort- und Weiterbildungen der MitarbeiterInnen, Organisation und Durchführung von Dienstbesprechungen und Teamberatungen, Verantwortung und Mitwirkung bei Erstellung sowie Fortschreibung der Konzeption, Sicherstellung qualitätsgerechter Entwicklungsberichte, Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen und anderen gesetzlichen Vorschriften, Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen der Qualitätssicherung und -entwicklung und wirtschaftliche Führung der Einrichtungen, Gremienarbeit.
Die pädagogischen MitarbeiterInnen der Einrichtungen übernehmen alle Aufgaben im Rahmen der individuellen Förderung und Betreuung der BewohnerInnen.
Neben den unmittelbar personenbezogenen Tätigkeiten im Rahmen der direkten Betreuung sind sie zuständig für die Förder- und Entwicklungsplanung, Erstellung der Entwicklungsberichte, Führen der Dokumentation, Planung und Gestaltung von Gruppenaktivitäten, Elternarbeit, Kooperation mit gesetzlichen BetreuerInnen, Arbeitsstellen der BewohnerInnen, Behörden, Dienstplanung, regelmäßige Teambesprechungen, Konzeptionserstellung und -fortschreibung in Zusammenarbeit mit der Leitung, Etatverwaltung und monatliche Etatabrechnung.
Außerdem sind die MitarbeiterInnen der Wohngemeinschaften verantwortlich für die regelmäßige Teilnahme an Teamberatung und Dienstbesprechung sowie an Supervisionsangeboten.”
In Punkt 9.2 “Dienstbesprechungen” ist geregelt:
“Wöchentlich findet eine Teambesprechung statt, mindestens zwei monatlich gemeinsam mit der Leitung, um inhaltliche und organisatorische Fragen der Einrichtung zu klären bzw. um Fallbesprechungen durchzuführen.
Den WG-Bereich betreffende Dienstberatungen finden einmal monatlich statt, um bereichs- und lebenshilfespezifische Fragestellungen sowie sozialpolitische Entwicklungen zu besprechen.”
In der Stellenbeschreibung für “ErzieherInnen mit staatlicher Anerkennung oder sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben” heißt es:
“8.1. |
Pädagogische/Organisatorische Aufgaben |
|
Der/die Stelleninhaber/in |
8.1.1. |
stellt eine angemesse Ernährung, ggf. Diät, für Menschen mit Behinderung sicher, |
8.1.2. |
gibt den Menschen mit Behinderung die individuell notwendige Unterstützung bei der Körperpflege |
8.1.3. |
erledigt Einkäufe und Besorgungen für die Gruppe und bezieht individuell die behinderten Menschen mit ein, |
8.1.4. |
führt Reinigungs- und hauswirtschaftliche Arbeiten in seiner/ihrer Gruppe aus |
8.1.5. |
beobachtet den Gesundheitszustand der Menschen mit Behinderung und veranlasst in Krankheitsfällen eine ärztliche Untersuchung, begleitet sie erforderlichenfalls zum Arzt, |
8.1.6. |
veranlasst jährlich eine zahnärztliche sowie die Krebsvorsorgeuntersuchung, |
8.1.7. |
verabreicht Medikamente bzw. überwacht die Einnahme von Medikamenten nach ärztlicher Anordnung und dokumentiert diese, |
8.1.8. |
übernimmt bei chronischen, nicht übertragbaren Erkrankungen der Menschen mit Behinderung, deren Versorgung, soweit es keine Erkrankungen sind, die einen Krankenhausaufenthalt erfordern, |
8.1.9. |
stellt den Bedarf der Menschen mit Behinderung an Hilfsmitteln fest, gibt diesen weiter zwecks Beantragung an die zivilrechtlichen Betreuer und leistet Hilfe bei der praktischen Umsetzung der Versorgung, |
8.1.10. |
gibt Anregung und Hilfestellung zu einer individuellen und gemeinsamen Freizeitgestaltung, ermöglicht die Teilnahme am öffentlichen Leben, z. B. plant und beantragt Gruppen- und ggf. Einzelreisen, begleitet die Menschen mit Behinderung bei Bedarf zu individuellen Zielorten, geht mit ihnen spazieren, zum Sport; |
8.1.11. |
organisiert die Beförderung der behinderten Menschen zu Arbeits- und Beschäftigungsstellen sowie zu individuellen Zielorten nach Bedarf. |
8.1.12. |
nimmt die Aufsichtspflicht für die Menschen mit Behinderung in seinem/ihrem Aufgabenbereich wahr.” |
Unter Punkt 8.3 “Pädagogik/konzeptionelle Arbeit” heißt es, dass der Stelleninhaber die Konzeption durch ein Höchstmaß an qualifizierter Arbeit umzusetzen habe und gemeinsam mit den Teamkollegen/innen eine Gruppenkonzeption erstelle, die auf das Konzept der Einrichtung abzustimmen sei, und diese weiterentwickele. Punkt 8.4 “Administrative Aufgaben” regelt:
“Der/die Stelleninhaber/in …
8.4.3. |
erstellt und verwaltet den Gruppenetat zweckentsprechend |
8.4.4. |
verwaltet und rechnet den monatlichen Barbetrag der BewohnerInnen ab |
8.4.5. |
beantragt und rechnet Bekleidungsgelder ab |
8.4.6. |
führt ein Kassenbuch” |
Unter Punkt 13 “Entscheidungskompetenzen des/der Stelleninhaber/in” heißt es in Punkt 13.5. “Wahrnehmung der Aufsichtspflicht für die behinderten Menschen im Aufgabenbereich”.
Zwischen der Beklagen und den Bewohnern wird jeweils ein Formularvertrag “für einen Wohnplatz in einer Wohngemeinschaft” und ein formularmäßiger Nutzungsvertrag (Untermietvertrag) für Wohngemeinschaften vereinbart. In § 1 Ziffer 2 des Wohnplatzvertrages sind die Leistungen der Beklagten aufgeführt. In § 9 ist vereinbart, dass sich die Vertragspartner den Grundsätzen für Wohneinrichtungen der Beklagten in ihrer jeweiligen aktuellen Fassung verpflichtet fühlen und sich bemühen, diese anzustreben. In § 8 ist vereinbart, dass die Fachgebietsleitung aus pädagogischen oder sonstigen schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung der gesundheitlichen und sozialen Gesichtspunkte einen Umzug veranlassen kann. Hierbei werden nach Möglichkeit die Wünsche des/der Bewohners/in berücksichtigt.
In einer formularmäßigen Anlage zu § 2 des Vertrages für Wohngemeinschaften ist zwischen dem Bewohner und der Beklagten die Höhe des einzuzahlenden Haushaltsgeldes vereinbart.
Für die WG 14 besteht eine schriftliche WG-Ordnung, die ua. Besuchs- und Übernachtungsregelungen und ein Alkoholverbot enthält sowie Regelungen über die Teilnahme an der Bewohnerbesprechung, die Verteilung der Dienste zur Sauberhaltung der Wohnung und die Verteilung der Einkaufs- und Kochdienste. Sie sieht vor, dass die Bewohner anrufen sollen, wenn sie später als vereinbart zurückkommen sowie unter der Woche um 22.00 Uhr zurück sein sollen. Solche schriftlichen WG-Ordnungen bestehen nicht in allen Wohngemeinschaften. Ob und in welchem Umfang diese WG-Ordnung von den Bewohnern selbst erstellt wurde und erstellt werden konnte, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Klägerin macht rückständige Zulagen für die Zeit ab dem 1. Oktober 2002 bis zum 30. November 2005 geltend.
Die Klägerin ist der Ansicht, die WG 14 sei eine einem Heim vergleichbare Einrichtung im Sinne der Protokollnotiz. Bereits aus der Konzeption der WG 14 ergebe sich, dass bestimmte Regeln und eine bestimmte Konzeption einzuhalten seien. Diese seien auch verbindlich. Auf Grund ihrer Behinderungen seien die Bewohner nicht in der Lage, eigene Regeln aufzustellen und ihr Leben selbst zu bestimmen.
Auch die WG-Ordnung sei verbindlich. Weiterhin bestehe ein Rauchverbot in den Gemeinschaftsräumen. Die WG-Ordnung sei inhaltlich von den Betreuern entworfen und den Betreuten vorgestellt worden, wobei sich die Betreuer im Rahmen der Konzeption gehalten hätten, die eben auch Leistungen der praktischen Unterstützung bis hin zur stellvertretenden Ausführung vorsehe. Zur Aufstellung eigener Regelungen, die ein friedvolles und gemeinsames Zusammenleben ermöglichen würden, seien die Betreuten nicht in der Lage. Die in der WG-Ordnung enthaltenen Regelungen müssten typischerweise bei Personen mit dem Grad der Behinderung, wie er bei den Betreuten in der WG 14 vorliege, aufgestellt werden, um ein gemeinsames Zusammenleben zu ermöglichen. Dass das Leben in der Wohngemeinschaft nicht frei bestimmt, sondern einer Ordnung unterworfen sei, folge auch aus dem Umstand, dass die Finanzen für die Haushaltsführung den Bewohnern der WG nicht frei überlassen würden. Der Einkaufsbedarf sei mit einer Betreuungsperson abzustimmen. Jeder Bewohner erhalte ein Taschengeld, das durch den Betreuer ausgezahlt werde. Den Gruppenetat habe der Betreuer laut Stellenbeschreibung der L… zweckentsprechend zu verwalten. Diese Regelungen resultierten daraus, dass die Bewohner der WG 14 nicht in der Lage seien, ihr Geld selbst verantwortlich und sachgerecht über den Monat zu verwalten und zu verteilen. Dabei sei es für die Gewährung der Heimzulage nicht erforderlich, dass die Regeln durch die Heimleitung festgelegt wurden. Ausreichend sei das Aufstellen durch die Betreuer. Die Regelungen könnten bei Nichteinhaltung auch disziplinarisch durchgesetzt werden, wie sich aus der an einen Bewohner der WG 21 erteilten Abmahnung ergebe. Oft seien es auch die Bewohner, die Regelverstöße ihrer Mitbewohner beanstandeten und sich hierbei nicht zu helfen wüssten. Es sei dann Aufgabe der Betreuer, den bestehenden Konflikt zu lösen. Der Sinn und Zweck der Heimzulage, nämlich zusätzliche Belastungen bei der Durchsetzung der Ordnung auszugleichen, sei durch die Betreuer der WG erfüllt. Diese Belastungen seien nicht dadurch geringer geworden, dass auf Grund der sich verändernden pädagogischen Konzepte Strukturen, Regeln und Konfliktlösungsmechanismen nicht mehr autoritativ durchgesetzt werden könnten.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.040,29 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die Wohngemeinschaften seien keine Einrichtungen, die mit einem Heim vergleichbar seien. Die Bewohner seien keiner fremdbestimmten Ordnung unterworfen. Die Konzeption und die Leistungsbeschreibung stellten lediglich Betreuungsmöglichkeiten dar, die nicht sämtlich verwirklicht seien. In weiten Teilen beschreibe das Konzept lediglich die tatsächliche Situation wie etwa die finanzielle Beteiligung an der Haushaltsführung. Die Verwahrung des Geldes durch den Betreuer sei nur ein Angebot der Beklagten. Die Wohngemeinschaft könne andere Regelungen treffen. In der Konzeption seien nur allgemein akzeptierte Grundbedingungen gesellschaftlichen Zusammenlebens wiedergegeben. Ziel der Arbeit sei die Normalisierung, Selbstbestimmung und gesellschaftliche Integration der Behinderten. Die Bewohner seien auch tatsächlich fähig, den Anforderungen an ein Leben, das sich durch ein gesteigertes Maß an Selbstbestimmung und Eigenverantwortung auszeichne, gerecht zu werden. Die Betreuer sollten diesen schwierigen Prozess unterstützen, ohne ihn zu bestimmen. Vorgaben zur persönlichen Lebensführung gebe es nicht. Die Bewohner gingen seit Jahren einer Beschäftigung nach und verbrächten den Großteil des Tages ohne Betreuung. Sie seien zu tiefgehenden, jahrelangen Beziehungen in der Lage. Sie könnten auch einfachste Regeln für den täglichen Umgang und die Haushaltsführung aufstellen und einen Haushalt organisieren. Wenn die Bewohner wie alle Menschen im Zuge des Zusammenlebens Konflikte und Probleme zu bewältigen hätten, könne ihnen dadurch nicht ein selbstbestimmtes Leben abgesprochen werden. Die von der Klägerin behaupteten Regeln entsprächen dem Maß dessen, was ohnehin für alle am gesellschaftlichen Leben teilnehmenden Menschen gelte. Die Bewohner gestalteten ihren Tagesablauf frei. Wenn ein Bewohner nicht zur Arbeit gehen wolle und sich auch nach Hilfe des Betreuers weiterhin weigere, sei das seine autonome Entscheidung. Der Betreuer habe weder die Aufgabe noch die Mittel zur Sanktionierung. Die Entscheidungen der Bewohner seien auch im Hinblick auf den Umgang und die Verwendung von Geld autonom. Soweit die Beklagte hierbei Aufgaben übernehme, geschehe dies auf Grund vertraglicher Regelung. Dienstpläne gebe es nicht. Sie seien auch nicht von der Klägerin zu überwachen. Der Betreuer habe Absprachen zu fördern, weil diese üblich und notwendig seien. Die Bewohner seien aber grundsätzlich frei in der Entscheidung, wann sie sich wo aufhielten und wann sie die Wohngemeinschaft aufsuchten und verließen. Auch das Mitbringen von Besuch stehe ihnen uneingeschränkt frei. Wenn die Betreuer über bestimmte außergewöhnliche Abwesenheiten informiert würden, sei dies Folge ihres Fürsorgeauftrags. Diesen hätten die Betreuer im Rahmen ihrer Unterstützungsleistungen wahrzunehmen. Eine Überwachung stelle dies nicht dar. Die Beklagte habe eine klare Anweisung erteilt, dass die Betreuer keine eigenen Ordnungsvorschriften oder Regeln in den Wohngemeinschaften erlassen dürften. Dies widerspreche den in der Konzeption festgelegten Prinzipien. Sofern die Bewohner eine Ordnung aufstellen wollten, könnten sie dies tun und hätten es getan. Sofern die Betreuer ihre Aufgaben in der Wohngemeinschaft anders interpretierten, sei dies rechtlich unerheblich. Ihre Aufgaben seien ausschließlich durch die Stellenbeschreibung festgelegt. Die genannte Aufsichtspflicht beziehe sich auf die der Beklagten obliegende Fürsorgepflicht. Der Betreuer habe bei auftretendem Pflegebedarf externe Hilfe einzuschalten. Es bestehe auch die Aufgabe, die Bewohner vor Verwahrlosung zu schützen. Wenn ein Bewohner nicht die für ein Leben in der Wohngemeinschaft erforderliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit besitze, sei ein Wechsel in eine andere Einrichtung zu prüfen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die beantragte Heimzulage, da die Wohngemeinschaften der Beklagten keine einem Heim vergleichbare Einrichtung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seien. Die Bewohner seien keiner fremdbestimmten Ordnung unterworfen und müssten sich nicht an Regeln halten, die typischerweise durch eine Heimleitung festgesetzt würden. Es handele sich vielmehr um eine Organisationsform, mit der im Wesentlichen nur begleitete Selbsthilfe erreicht werden solle. Die WG-Ordnung der WG 14 sei keine solche Heimordnung, da sie nicht einseitig von der Beklagten aufgestellt worden sei. Ob diese Ordnung von den Betreuten oder von den Betreuern aufgestellt worden sei, sei unerheblich. Es habe keine Vorgaben an die Betreuer hierfür gegeben. Es bestehe auch keine zwingende Notwendigkeit dafür, um das Zusammenleben der Betreuten innerhalb der Wohngemeinschaft zu gestalten. Dies zeige sich schon daran, dass nur ein geringer Teil der bei der Beklagten bestehenden 42 Wohngemeinschaften überhaupt eine solche WG-Ordnung hätten. Auch die Konzeption der Beklagten zwinge nicht dazu. Die Klägerin räume auch ein, dass die WG-Ordnung zwar von den Betreuern formuliert, mit den Bewohnern aber diskutiert worden sei. Es sei auch Einvernehmen über die Regeln hergestellt worden. Die Ordnung werde auch von der Beklagten nicht durchgesetzt. Vereinbarungen über telefonische Nachrichten, wenn ein Bewohner nach 22.00 Uhr erscheine, dienten allein der Wahrung von Fürsorgepflichten und einer möglichen Schadensverhinderung für den einzelnen Bewohner. Dies gelte auch für Absprachen mit den Bewohnern, dass diese anrufen sollten, falls sie später als vorgesehen in die WG zurückkehrten. Eine Abmahnung der Beklagten an einen anderen Bewohner behandle nicht die Einhaltung oder Nichteinhaltung einer fremdbestimmten Ordnung, sondern die Weigerung, sich überhaupt betreuen zu lassen, also die Einhaltung des Betreuungsvertrages selbst. Die in der Konzeption beschriebenen Leistungen, Angebote und Methoden seien keine von den Bewohnern einzuhaltenden Vorgaben, sondern Leistungsbeschreibungen der möglichen Angebote, um die Betreuten bei einer eigenständigen Lebensführung zu unterstützen. Auch der tabellarische Regeltagesablauf habe nur eine beschreibende Funktion, ohne die Bewohner zu seiner Einhaltung zu zwingen. Der Verpflichtung im Zusammenhang mit der Haushaltskasse liege keine fremdbestimmte Ordnung, sondern eine vertragliche Übereinkunft zugrunde. Sofern bestimmte Aufgaben nach einem Wochenplan zu erledigen seien, hätten sich die Bewohner in § 6 des Nutzungsvertrages dazu einvernehmlich verpflichtet. Eine fremdbestimmte Ordnung folge daraus nicht. Auch die Befugnis der Betreuer, die Zimmer der Bewohner zu betreten, folge aus der Nutzungsvereinbarung. Diese Regelungen seien auch nicht geschaffen worden, um die Einhaltung eines bestimmten pädagogischen Konzeptes organisatorisch sicherzustellen. Die Bewohner versorgten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst und organisierten ihr Zusammenleben im begrenzten Maße teilweise selbst. Solche Einrichtungen müssten aber in einer organisatorisch zusammenhängenden Einrichtung eingebunden sein, um noch als Heim im Tarifsinne gelten zu können. Erst dann fänden die im begrenzten Maße selbst gesetzten Regeln ihre Grenze in der für die gesamte Einrichtung geltenden Ordnung.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Heimzulage. Die Voraussetzungen der Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil II G der Anlage 1a zum BAT sind erfüllt.
1. Die Klägerin ist als Angestellte im Sozial- oder Erziehungsdienst tätig, wenn sie in einer Wohngemeinschaft mit überwiegend behinderten Menschen iSd. § 39 BSHG bzw. § 53 SGB XII arbeitet. Die dort wohnenden Menschen sind auch zum Zwecke der Erziehung ständig untergebracht. Nach allgemeinem Sprachgebrauch bedeutet “Erziehen” jemandes Geist und Charakter bilden und seine Entwicklung fördern (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden Bd. 3 Stichwort “Erziehen”). Synonyme des Begriffs aus dem sprachlichen Alltag sind: “leiten, anleiten, ausbilden, anlernen, einweisen, einführen, vorbereiten, vorbilden, schulen, unterrichten, lehren, bilden, belehren, unterweisen, beleuchten, weisen, anweisen, erklären, aufklären, einprägen, einschärfen, beibringen” (Bauer Lexikon des Sozial- und Gesundheitswesens 2. Aufl. Bd. 1 Stichwort “Erziehen”). Unter Erziehung kann verstanden werden die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung junger Menschen zu tüchtigen, mündigen Menschen, wobei unter Mündigkeit die Fähigkeit verstanden wird, selbständig und verantwortlich die Aufgaben des Lebens zu bewältigen. Erziehung erfasst damit alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Erziehungsvorgang (Entwicklungsvorgang) beeinflussen. Zur Erziehung gehören außer der – regelmäßig im Wege des Unterrichts dargebotenen – Wissensvermittlung die Willensbildung und die Charakterbildung (Wissensbildung; Tätigkeiten, die darauf zielen, dass sich der Erzogene selbst zu sehen und zu beurteilen lernt; Bildung der Entscheidungsfähigkeit; das Lernen, Entscheidungen als rationale Akte zu steuern, Folgen zu bedenken usw.) (BFH 21. November 1974 – II R 107/68 – Rn. 8, BFHE 115, 64). Erziehung kann auch gegenüber Erwachsenen stattfinden; auch diese können in ihrer Persönlichkeit noch geformt und ihre Entwicklung zu einem Glied der menschlichen Gesellschaft noch weiter gefördert werden (vgl. BAG 9. Dezember 1992 – 7 ABR 3/92 – für die Frage des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG). Erziehung im engeren Sinne ist die im praktischen Umgang durch Einwirkung, Übung und Gewährung bewirkte innere Formgebung des Charakters. Dem steht es inhaltlich gleich, wenn unter “erziehen” die Bildung und Entwicklung von Geist und Charakter verstanden wird (BAG 2. April 1981 – 2 AZR 963/78 –).
Dem entsprechen die selbst gesetzten Ziele der Beklagten, die sie beispielsweise in der mit dem Senat des Landes Berlin vereinbarten Leistungsbeschreibung niedergelegt hat. Hier ist in Ziff. 2.2 von einer mittelfristigen Verselbständigung durch geeignete pädagogische Angebote die Rede. Der Personenkreis habe einen kontinuierlichen Bedarf an pädagogischen Hilfen in vielen der Aktivitäts- und Hilfebereiche. Damit beschreibt die Beklagte ihr Angebot als pädagogisch, dh. die Erziehung betreffend. Als Ziel der Leistung wird Normalisierung und Selbstbestimmung genannt sowie das Leben in der Gemeinschaft, wonach Menschen mit Behinderung ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend zu einer größtmöglichen Selbständigkeit verholfen werden soll und sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft unterstützt werden sollen. Dabei ist die Betreuung ein geplanter Prozess, der in Hilfeplänen individuell detailliert beschrieben wird. Es soll dabei Hilfestellung geleistet werden zum Erwerb bzw. zum Erhalt von Fähigkeiten und Fertigkeiten im persönlichen und lebenspraktischen Bereich, mit dem Ziel der größtmöglichen Selbständigkeit der Bewohner bei der täglichen Lebensführung und der individuellen Basisversorgung. Es soll Förderung/Anleitung und umfassende Hilfestellung zur Gestaltung sozialer Beziehungen innerhalb und außerhalb der Wohngemeinschaft gegeben werden, weiterhin zur Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben, zur Kommunikation und Orientierung und zur Förderung der emotionalen und psychischen Entwicklung. Auch in der Konzeption heißt es, dass die Betreuung eine ambulante sozialpädagogische Hilfe zum selbständigen Wohnen und zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft sei. Dies sind Ziele, die die Behinderten in ihrer Entwicklung zu einem Glied der menschlichen Gesellschaft noch weiter fördern wollen. Die Begriffsmerkmale der Erziehung sind damit erfüllt.
2. Die Klägerin ist auch in einer vergleichbaren Einrichtung (Heim) im Sinne der Protokollnotiz Nr. 1 beschäftigt.
a) Die Tarifvertragsparteien haben den unbestimmten Rechtsbegriff “vergleichbare Einrichtung (Heim)” im Sinne der Protokollnotiz Nr. 1 nicht definiert. Was sie darunter verstehen, ist durch Auslegung des Tarifvertrages und der dazu vereinbarten Protokollnotizen zu ermitteln.
aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. zB BAG 19. Januar 2000 – 4 AZR 814/98 – BAGE 93, 229, zu 3a der Gründe).
bb) Enthält ein Tarifvertrag unbestimmte Rechtsbegriffe, haben die Tatsachengerichte bei der Subsumtion einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Subsumtion des Sachverhalts Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr., BAG 23. Oktober 2002 – 10 AZR 60/02 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 35).
b) Der Überprüfung nach diesen Maßstäben hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht stand.
aa) Die Wohngemeinschaft, in der die Klägerin tätig ist, ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein “Heim”, da es sich um eine Wohnung handelt, in der jemand lebt und “zu Hause” ist und zu der er eine gefühlsmäßige Bindung hat (st. Rspr. vgl. BAG 26. Mai 1993 – 4 AZR 130/93 – BAGE 73, 191; 23. Februar 2000 – 10 AZR 82/99 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 26). Die Bewohner der von der Beklagten betreuten Wohngemeinschaften wohnen dort, sie sind dort zu Hause und haben eine gefühlsmäßige Bindung zu ihrer Wohnung. Unschädlich ist es, dass die Bewohner nicht rund um die Uhr vollstationär versorgt werden, sondern nur zu bestimmten Tageszeiten (BAG 27. September 2000 – 10 AZR 640/99 – ZTR 2001, 177).
bb) Jedoch erfüllt nicht jede beliebige Wohnstätte, sondern nur eine mit Erziehungsheimen oder Kinder- und Jugendwohnheimen vergleichbare Einrichtung die Voraussetzungen der Protokollnotiz. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Begriff der einem Heim vergleichbaren Einrichtung ausdrücken wollen, dass damit ein Zweck verfolgt werden muss, der über die Zur-Verfügung-Stellung einer bloßen Unterkunft hinausgeht. Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung als weiteres Kriterium eines Heims gefordert, dass es sich um eine räumlich und organisatorisch zusammenhängende Einrichtung handeln muss, in der eine – in der Regel größere – Zahl von Menschen lebt, die in eine nicht durch sie selbst gesetzte Ordnung eingebunden sind und die sich an Regeln halten müssen, die typischerweise durch eine Heimleitung festgesetzt werden. Es hat dies damit begründet, dass das Erfordernis einer durch eine Leitung vorgegebenen Ordnung der Einrichtung nicht nur aus der tariflich notwendigen Vergleichbarkeit mit einem Erziehungsheim, Kinder- oder Jugendwohnheim folge, sondern insbesondere auch durch den Zweck der Unterbringung bedingt sei. Erziehung, Ausbildung oder Pflege erforderten die Verwirklichung eines von der Leitung der Einrichtung vorgegebenen Konzepts, dessen Einhaltung organisatorisch sichergestellt werden solle. Eine Organisationsform, mit der im Wesentlichen nur begleitende Selbsthilfe erreicht werden solle, vermöge diese Voraussetzung nicht zu erfüllen (23. Oktober 2002 – 10 AZR 60/02 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 35). Der Heimcharakter gehe dabei nicht schon dadurch verloren, dass Bewohner in kleineren Einheiten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst versorgten und ihr Zusammenleben in begrenztem Maße teilweise selbst organisierten (BAG 27. September 2000 – 10 AZR 640/99 – ZTR 2001, 177).
cc) An diesen Erfordernissen ist festzuhalten. Ihnen entsprechen auch die Organisation und Konzeption der Wohngemeinschaften der Beklagten.
(1) Es ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien nach der Neufassung der Protokollnotiz im Jahr 1991 einen offeneren Heimbegriff schaffen wollten, um damit den Kreis der Zulagenberechtigten zu erweitern. Die Konzeptionen von Betreuung und Erziehung behinderter Menschen sind ständig im Fluss und führen zu den verschiedensten Formen und Einrichtungen, in denen pädagogische und soziale Konzepte umgesetzt werden.
Die Tarifvorschrift stellt nur geringe quantitative Anforderungen. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann auch eine – quantitativ nicht näher definierte – Wohngemeinschaft ein Heim sein. Erziehungsheime werden heute stärker strukturiert zum einen als heilpädagogisches Heim, das Entwicklungsstörungen zu begegnen sucht, und zum anderen als Wohngemeinschaft, in der eine Gruppe selbstverantwortlich in Partnerschaft mit einem Sozialpädagogen ihr Zusammenleben gestaltet (Brockhaus Enzyklopädie 19. Aufl. Stichwort “Erziehungsheim”). Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 20. April 1994 (– 10 AZR 276/93 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11) nicht ausgeschlossen, dass es sich bei neun zusammenlebenden Behinderten um ein Wohnheim im Sinne der Protokollnotiz handeln könne. Wenn in den Wohngemeinschaften der Beklagten vier bis sieben Behinderte untergebracht sind, schließt dies für sich nicht aus, dass es sich um einem Heim vergleichbare Einrichtungen handeln kann. Aus der Tarifvorschrift geht nur hervor, dass die Zulagenberechtigung davon abhängig ist, dass “überwiegend” die näher bestimmten Personengruppen in der Wohnform untergebracht sein müssen.
Es kommt nicht allein darauf an, in welchem Maße die Bewohner behindert sind bzw. auf welchen Gebieten sie Defizite haben. Verschiedenartige und unterschiedlich intensive Betreuung kann jeweils in verschiedenen Einrichtungstypen ausgeübt werden, wobei aber der Charakter der Einrichtung unterschiedlich sein kann (BAG 23. Oktober 2002 – 10 AZR 60/02 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 35). Der Umgang mit einem wegen der Art und der Schwere der Behinderung besonders schwierigen Klientenkreis als solchem löst den Zulagenanspruch nicht aus, weil diese Erschwernis durch die Eingruppierung bereits erfasst und vergütet wird. Dennoch können aus der Art und Schwere der Behinderung Schlüsse auf die Fähigkeit der Bewohner gezogen werden, ihr Leben frei bestimmt und eigenverantwortlich zu gestalten.
(2) In einem Parallelverfahren (– 10 AZR 597/06 –) hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts angenommen, dass die typischerweise von einer Heimleitung festgesetzte Ordnung, in die die Bewohner der Wohnstätte eingebunden sein müssen, kein geeignetes Abgrenzungskriterium sei. Abzustellen sei vielmehr darauf, ob die Beklagte eine Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Behinderten übernommen habe. Dem ist insoweit zuzustimmen, dass neuartige Konzeptionen immer wieder zu Grenzfällen führen, in denen die bisher gefundenen Kriterien in Frage gestellt und auf ihre weitere Tauglichkeit überprüft werden müssen.
Das Kriterium der Gesamtverantwortung ist aber nicht geeigneter als das der vorgegebenen Ordnung, um ein Heim von dem betreuten Einzelwohnen abzugrenzen, für das jedenfalls kein Zulagenanspruch bestehen kann. Der Begriff der Gesamtverantwortung ist noch weniger subsumtionsfähig als der einer Heimordnung und führt eher zu Unschärfen als zur Klärung. Jede Art von Betreuung schafft Verantwortung, ohne dass deren Umfang zu messen wäre und daran die Feststellung geknüpft werden könnte, ob ein Heim vorliegt oder nicht.
Demgegenüber fordert die Protokollnotiz, dass die Einrichtung mit Erziehungs-, Kinder- oder Jugendwohnheimen vergleichbar sein muss. Diese Heime sind durch mehr oder weniger strikte Ordnungen und Regeln des Zusammenlebens geprägt. Gerade im Hinblick auf die einzuhaltende Ordnung entstehen die Konflikte, deren Vermeidung und Lösung die besonderen Erschwernisse verursacht, die die Zulage ausgleichen will. Daran ist festzuhalten.
dd) Eine Ordnung dieser Art liegt vor.
(1) Eine “Heimordnung” muss nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sein. Der Senat hat immer wieder betont, dass es sich um eine solche Ordnung handeln muss, die “typischerweise” durch eine Heimleitung festgesetzt wird. Dies schließt nicht aus, dass in bestimmten Fällen eine Heimleitung diese nicht vorgibt oder die Regeln so aufgestellt werden, dass sie sich aus einem Mosaik von Vorschriften und Einschränkungen ergeben, die in verschiedenen Quellen zu finden sind.
Es ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch unerheblich, ob Verhaltensvorschriften und Aufsichts- und Kontrollrechte, die Ordnungselemente enthalten, der Fürsorgepflicht oder vertraglichen Vereinbarungen mit den Bewohnern oder deren gesetzlichen Vertretern geschuldet sind. Auch in klassischen Erziehungs-, Kinder- oder Jugendwohnheimen werden Ordnungen nicht als Selbstzweck aufgestellt, sondern dienen der Fürsorge für die Bewohner und der Erfüllung der auf welche Art auch immer geschlossenen vertraglichen Verpflichtungen der Betreuungseinrichtung. Die Regeln sollen nicht der Schikane, sondern dem Wohl der Bewohner dienen.
(2) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gibt es durchaus eine organisatorische Leitungsebene, die als “Heimleitung” im klassischen Sinne angesehen werden kann. Aus den Konzeptionen geht hervor, dass jeweils mehrere Wohngemeinschaften von einer Person geleitet werden, die ua. nach bestimmten Verfahren über die Aufnahme und damit über die Zusammensetzung der Wohngemeinschaft entscheidet und auch sonstige Leitungsfunktionen erfüllt, ua. die Dienst- und Fachaufsicht über die Betreuer ausübt und regelmäßig an Dienstbesprechungen teilnimmt, wodurch sowohl die trägerinterne Einbindung der Wohngemeinschaft (Besprechen von die Gesamtorganisation betreffenden Themen) als auch der Austausch mit anderen Wohngemeinschaften gewährleistet wird.
(3) Für eine erhebliche Beschränkung der Selbstbestimmtheit der Lebensweise der Wohngemeinschaftsbewohner und damit eine vorgegebene Ordnung sprechen sowohl Teile der Konzeption der Beklagten als auch die Stellenbeschreibung der Klägerin und der Nutzungsvertrag nebst Anlagen zwischen den Bewohnern und der Beklagten. Gemäß dem letzteren haben die Betreuer die “Aufsichtspflicht” über die Bewohner wahrzunehmen. Tun sie dies nicht oder vernachlässigen sie diese Pflicht grob fahrlässig, können Bewohner kündigen und haben möglicherweise Schadensersatzansprüche. Auch in der Stellenbeschreibung der Erzieher und Erzieherinnen ist unter den pädagogisch/organisatorischen Aufgaben erwähnt, dass diese die Aufsichtspflicht für die Menschen mit Behinderung in ihrem Aufgabenbereich wahrnehmen. Eine Aufsicht über erwachsene Menschen setzt voraus, dass diese mindestens teilweise nicht in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbstbestimmt zu regeln und dies auch nicht tun. Insoweit ist die Darstellung der Beklagten, wonach die in den Wohngemeinschaften lebenden Menschen im Wesentlichen ihren eigenen Willen verwirklichen und dabei nur Hilfe erhalten, nicht plausibel. Wäre dies der Fall, so wären nicht zwei Betreuer während der ganzen Woche für fünf Bewohner erforderlich.
Wenn in der Leistungsbeschreibung verlangt wird, dass den Bewohnerinnen und Bewohnern eine angemessene Mitwirkung in den ihre Interessen berührenden Angelegenheiten bei der Betreuung und Förderung einzuräumen sei, spricht schon dies gegen eine Selbstbestimmtheit. Jemand, der mitwirkt – und zwar “angemessen” und nur in den seine Interessen berührenden Angelegenheiten –, bestimmt gerade nicht selbst.
Ein wesentliches Ordnungselement ist, dass die Bewohner verpflichtet sind, sich an den hauswirtschaftlichen Arbeiten wie Einkaufen, Kochen, Küchendienst, Waschen und Putzen zu beteiligen. Das wird in den Punkten 3.2, 5.2 und 6.1 der Konzeption jeweils betont und stellt ein zentrales Anliegen zur Förderung der Eingliederung der Behinderten dar. Die Bewohner müssen auf diese Verpflichtung hingewiesen und dabei unterstützt werden, weil es nicht selbstverständlich ist, dass sie sich aus eigenem Antrieb so organisieren, dass diese Aufgaben des täglichen Lebens zwanglos erfüllt werden.
Außerdem hat die Fachgebietsleitung das Recht, aus pädagogischen und sonstigen schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung der gesundheitlichen und sozialen Gesichtspunkte einen Umzug zu veranlassen. Dass diese Art der Aufsicht auch ausgeübt wird, zeigt die von der Klägerin vorgelegte “Abmahnung” eines Bewohners. In ihr wird gerügt, dass Absprachen und Termine nicht eingehalten worden seien und der Bewohner sich nicht an hauswirtschaftlichen Tätigkeiten beteiligt habe.
Gegen die Selbstbestimmtheit des Zusammenlebens der Bewohner spricht weiterhin die Regelung, wonach die Bewohner sich verpflichten, der für sie zuständigen Betreuungsperson ihre Zimmer zugänglich zu machen. Dies geht über das normale Zugangsrecht des Vermieters weit hinaus und ist dem Gedanken geschuldet, dass Aufgabe der Betreuer ua. ist, die Verwahrlosung eines Bewohners auch in seinem eigenen nur von ihm selbst genutzten Zimmer zu verhindern.
Ebenfalls spricht gegen die von der Beklagten reklamierte weitgehende Selbständigkeit der Bewohner und ihre freiwillige Regelungskompetenz ihres Zusammenlebens, dass es zu den Aufgaben der Betreuer gehört, eine Gruppenkasse zu verwalten, in die die Bewohner laut Vertrag verpflichtet sind, bestimmte Beträge einzuzahlen. Die Beklagte hat vorgetragen, dies sei in den freien Willen der Bewohner gestellt. Dies widerspricht sowohl den Nutzungsverträgen als auch der Stellenbeschreibung der Betreuer, auf die die Beklagte sonst ausschließlich abstellen möchte, um deren Kompetenzen und Tätigkeiten zu beschreiben. In der Stellenbeschreibung ist ausdrücklich geregelt, dass die Betreuer den monatlichen Barbetrag der Bewohner zu verwalten und abzurechnen, ebenso Bekleidungsgelder zu beantragen und abzurechnen und ein Kassenbuch zu führen haben. Dies sind Dinge, die in einer normalen Wohngemeinschaft selbstbestimmt organisiert werden. Die Bewohner haben hingegen jedenfalls rechtlich gar nicht die Möglichkeit, sich wegen ihrer finanziellen Angelegenheiten anders zu entscheiden. Ließe die Beklagte oder ließen die Betreuer dies zu, würden sie ihre Aufsichtspflicht verletzen. Die Beklagte geht dabei offensichtlich davon aus, dass die zu betreuenden Behinderten in finanziellen Dingen nicht völlig verantwortungsbewusst handeln können. Dem entsprechen die vertraglichen und dienstrechtlichen Vorgaben der Beklagten.
(4) Unerheblich ist es, ob die Bewohner – mit oder ohne Hilfe der Betreuer – eine sogenannte “WG-Ordnung” ausdrücklich oder konkludent aufgestellt haben. Weder die Stellenbeschreibung noch die Konzeption noch die Nutzungsverträge sehen eine solche WG-Ordnung vor. Allerdings wird auch ohne eine solche Ordnung von den Bewohnern erwartet, dass sie sich telefonisch melden, wenn sie nach 22:00 Uhr nach Hause kommen. Die Betreuer haben ihre private Telefonnummer in den jeweiligen Wohnungen hinterlassen, damit sie benachrichtigt werden, wenn ein Bewohner nicht oder zu spät nach Hause kommt oder Krisen entstehen. Dies macht zum einen deutlich, dass die Aufsichtspflicht der Betreuer auch über ihre Arbeitszeit hinausgeht, und zum anderen, dass Zweifel an der Fähigkeit der Bewohner, über ihr Leben frei selbst zu bestimmen, angebracht sind.
(5) Dieses Ergebnis widerspricht nicht der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Allerdings befinden sich die Bewohner nicht in einer zusammenhängenden Einrichtung, in der verschiedene kleinere Einheiten, die sich in begrenzter Weise selbst verwalten, zusammenleben und einer einheitlichen Hausordnung unterworfen sind, wie dies der Entscheidung vom 23. Oktober 2002 (– 10 AZR 60/02 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 35) zugrunde lag.
Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2002 (– 10 AZR 518/01 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 34) Jugendwohngemeinschaften, die in von einem Heim in verschiedene Wohngebiete ausgelagerten Wohnungen lebten, den Heimcharakter abgesprochen. Er hat angenommen, dass solche Einheiten in eine organisatorisch zusammenhängende Einrichtung eingebunden sein müssten, um noch als Heim im Tarifsinn gelten zu können. Die in begrenztem Maße selbst zu setzenden Regeln fänden ihre Grenze in der für die gesamte Einrichtung geltenden Ordnung. Erst wenn sich die vom Kläger jenes Verfahrens betreute Gruppe in einer Wohneinheit innerhalb eines Heims befunden hätte, wären die Bewohner von weiteren Regeln als den selbst gesetzten betroffen. Aus den unvermeidlichen Kontakten mit den übrigen Heimbewohnern könnten mehr und andere Konflikte entstehen, als innerhalb der relativ überschaubaren Einheit der Jugendwohngemeinschaft. Die wechselseitige soziale Kontrolle von Heimbewohnern untereinander verbunden mit Kontrolle und Betreuung durch das Heimpersonal unterschieden sich qualitativ von den Verhältnissen einer Wohngemeinschaft in einer separaten Wohnung. Auf diesen Unterschieden beruhte gerade das Erziehungskonzept im dort entschiedenen Fall. Die betreuten Personen hatten das Stadium der Heimunterbringung hinter sich. Sie waren für reif und fähig befunden worden, ihr Leben in höherem Maße selbst zu gestalten.
Auch in der Entscheidung vom 27. September 2000 (– 10 AZR 640/99 – ZTR 2001, 177), hatte der Senat bereits darauf hingewiesen, dass nur die überwiegende Tätigkeit im dort zu beurteilenden Wohnheim, in dem die überwiegende Zahl der betreuten Rehabilitanden wohnte, und nicht eine Tätigkeit in den außerhalb des Wohnheims bestehenden Wohngruppen den Zulagenanspruch auslösen konnte. Beide Entscheidungen beruhten aber auf der Annahme, dass die außerhalb gelegenen Wohneinheiten gerade einer selbstbestimmten Ordnung unterlagen. Die genannten Erschwernisse können aber auch innerhalb einer Wohngemeinschaft entstehen, in der mehrere betreuungsbedürftige Personen und ihre Betreuer Konflikten unterliegen, die durch die aufgestellte Ordnung gelöst oder vermieden werden. Die Einhaltung dieser Ordnung sollen die Betreuer gewährleisten.
(6) Das Wohnkonzept der Beklagten in ihren 42 betreuten Wohngemeinschaften ist eher vergleichbar mit denjenigen Fällen, in denen ein Heimcharakter auch für kleinere Einheiten bejaht worden war. Die Bewohner der Wohngemeinschaften versorgen sich zwar in begrenztem Maße selbst und erhalten Hilfe dabei. Teilweise können Einzelne dies nicht oder nur unzulänglich und sind daher auf verstärkte Hilfe angewiesen. Das Konzept beruht gerade darauf, dass Bewohner mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen im Zusammenleben die Selbständigkeit anderer fördern können, wenn sie Dinge beherrschen, die den anderen mangeln. Die Betreuer leisten dabei Hilfe, indem sie Defizite ausgleichen und das Konzept zur Förderung der Selbständigkeit innerhalb der gesetzten Ordnung durchsetzen. Die Bewohner sind aber noch nicht soweit – und werden es zum Teil niemals sein –, dass sie im betreuten Einzelwohnen leben könnten. Das Konzept mag zwar darauf abzielen, gerade dies zu ermöglichen, es ist aber deutlich, dass es noch des betreuten und geordneten Zusammenwohnens bedarf, um dies zu erreichen.
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Rudolph, Petri
Fundstellen