Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfe - Zulässigkeit einer Feststellungsklage
Orientierungssatz
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses dann gegeben, wenn die angestrebte Erkenntnis mit ihrer lediglich ideellen, der Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen. Die Beendigung des Feststellungsstreits darf nicht zur Folge haben, daß lediglich ein Teilaspekt zu einem Gesamtstreit zwischen zwei Prozeßparteien gelöst wird und ein weiterer Prozeß nicht vermieden wird. Vielmehr muß die erhobene Feststellungsklage geeignet sein, weitere Prozesse durch eine einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu verhindern.
Normenkette
TVG § 1; ZPO § 256
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den 31. Dezember 1983 hinaus eine Beihilfe für die Kosten der Unterbringung und Schulausbildung seiner 1971 geborenen geistig-behinderten Tochter in einer Heimsonderschule zu zahlen.
Der Kläger ist Angestellter des Beklagten, einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Nach § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien u.a. der für den Saarländischen Rundfunk geltende Manteltarifvertrag und die Dienstvereinbarungen Anwendung.
Gemäß § 28 Abs. 1 des für den Beklagten maßgeblichen Manteltarifvertrages vom 12. März 1971 - zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 23. Januar 1979 - (MTV-SR), wonach der Saarländische Rundfunk Beihilfe nach einer besonderen Dienstvereinbarung gewährt, haben der Beklagte und der bei ihm gebildete Personalrat am 16. Juli 1973 eine Dienstvereinbarung über die Gewährung von Beihilfen (DV 1973) geschlossen. Nach dieser DV 1973 hatte der Kläger unstreitig einen Anspruch auf Beihilfe für die ihm durch die - ärztlich angeordnete - Unterbringung seiner Tochter Anja entstehenden Kosten.
Ab dem 1. Januar 1984 trat eine neue Dienstvereinbarung über Beihilfen in Kraft (DV 1984). Diese Regelung nimmt hinsichtlich der Beihilfeansprüche generell Bezug auf das einschlägige Beihilferecht des öffentlichen Dienstes:
"§ 1
Geltungsbereich
Der Saarländische Rundfunk gewährt ab dem
1.1.1984 Beihilfen entsprechend den Be-
stimmungen des öffentlichen Dienstes des
Saarlandes einschließlich der einschlägigen
Kommentierungen und Ausführungsbestimmungen
des Bundes und des Saarlandes in der jeweils
gültigen Fassung dem bisher beihilfeberechtig-
ten Personenkreis ...
§ 4
Leistungsausschluß
Die Beihilfeleistungen durch den Saarländischen
Rundfunk dürfen nicht zu einer Entlastung eines
öffentlichen Haushalts beantragt und gewährt wer-
den. Insoweit ist ein Anspruch ausgeschlossen
(z. B. heilpädagogische Maßnahmen)."
In der Sitzung des Personalrats vom 25. Juni 1986 billigte dieser eine rückwirkende Klarstellung des § 4 DV 1984 zum 1. Januar 1984. Dieser lautet nunmehr:
"Ausschluß der Beihilfefähigkeit
Aufwendungen aus Anlaß der Durchführung von heil-
pädagogischen Maßnahmen sind nicht beihilfefähig.
Vorstehende Regelung gilt ab 01.01.1984. Zum sel-
ben Zeitpunkt werden die Bestimmungen des bisheri-
gen § 4 hiermit aufgehoben."
Der Kläger ist mit seiner Familie krankenversichert; seine Krankenversicherung erbringt für heilpädagogische Maßnahmen keine Leistungen. Mit Verfügung des zuständigen Schulrates vom 15. Juli 1981 wurde die Tochter des Klägers aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens vom 3. April 1981 durch das Schulamt S von einer Grundschule in die Schule für Lernbehinderte, Heimsonderschule für Körperbehinderte in H umgeschult. Das Saarland, als überörtlicher Träger der Sozialhilfe, gewährte dem Kläger mit Schreiben vom 24. Juni 1981 Eingliederungsbeihilfe für die Kosten der Unterbringung und Schulausbildung seiner Tochter. Der Kläger mußte sich jedoch verpflichten, "im Falle der Beihilfegewährung" die Höhe des Betrages mitzuteilen und an das Land abzuführen. Der Beklagte, der dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 1982 bis 31. Dezember 1983 Beihilfe von 14.357,-- DM gewährt hatte, verweigerte dem Kläger mit dem Inkrafttreten der Dienstvereinbarung vom 1. Januar 1984 die Gewährung weiterer Beihilfe. Daraufhin kündigte das Land als überörtlicher Sozialhilfeträger an, die Eingliederungsbeihilfe ab dem 1. Oktober 1985 nur noch in Höhe der verbleibenden Restkosten zu zahlen, die sich nach Abzug der vom Beklagten nach Auffassung des Landes weiter zu leistenden Beihilfe ergeben und gab dem Kläger auf, die Verweigerung der Beihilfeleistungen gerichtlich überprüfen zu lassen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe weiterhin einen Beihilfeanspruch aufgrund der früheren Bewilligung und langjährigen Übung nach der DV 1973. Dieser Anspruch sei zum Inhalt seines Arbeitsvertrages geworden. Er könne nicht durch eine neue Dienstvereinbarung nachträglich beseitigt werden. Zudem verstoße die DV 1984 gegen § 2 BSHG.
Der Kläger hat zunächst beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet
ist, ihm über den 31. Dezember 1983 hinaus
weiter Beihilfe für das minderjährige Kind
Anja , geboren am 30. April 1971, wegen
der Kosten der Unterbringung und Schulaus-
bildung in der Staatlichen Schule für Körper-
behinderte in H zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und die Auffassung vertreten, die Ausfüllung der Tarifregelung in § 28 MTV-SR sei durch die Einführung der DV 1984 in Einklang mit § 2 Abs. 2 Satz 2 BSHG erfolgt. Darüber hinaus halte § 4 DV 1984 auch einer Billigkeitskontrolle stand.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten war erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger seinen Antrag um den Satz "... soweit dies ärztlich angeordnet ist" erweitert und Zurückweisung der Revision beantragt. Der Beklagte hat der Klageänderung nicht zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet; sie führt zur Abweisung der Klage als unzulässig.
I. Das Landesarbeitsgericht hat das Feststellungsbegehren des Klägers für zulässig angesehen und ausgeführt, § 4 DV 1984 sei in beiden nach dem 1. Januar 1984 geltenden Fassungen unwirksam. Die Ausgestaltung des § 28 Abs. 1 MTV-SR durch § 4 DV 1984 verstoße gegen den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BSHG trete die Gewährung von Sozialhilfe hinter die Gewährung entsprechender Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften zurück, auch wenn auf diese Leistungen kein Anspruch bestehe. § 28 Abs. 1 MTV-SR sei eine Rechtsvorschrift im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 BSHG. Deswegen verstoße § 4 DV 1984 in beiden Fassungen gegen § 134 BGB mit der Folge, daß die Norm als ungeschrieben anzusehen sei. Deshalb verbleibe es bei der generellen Regelung in § 1 DV 1984. Nach dort in Bezug genommenen staatlichen Beihilfevorschriften seien auch Aufwendungen für heilpädagogische Maßnahmen beihilfefähig.
Unabhängig hiervon führe auch eine Billigkeitskontrolle zur Unwirksamkeit von § 4 DV 1984. Bei der betrieblichen wie auch bei der dienstlichen Normsetzung seien die Grundsätze von Recht und Billigkeit zu beachten. Dazu gehöre insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung. Eine generelle Beihilfeverweigerung bei heilpädagogischen Maßnahmen habe aufgrund von § 43 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 BSHG unterschiedliche Auswirkungen, da bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Behinderten dem Unterhaltsverpflichteten einkommensunabhängig ein Anspruch auf Eingliederungsbeihilfe zustehe, während nach diesem Zeitpunkt von dem Unterhaltspflichtigen ein Teil der Kosten ohne einen Ausgleich von Beihilfe zu tragen sei. Das Lebensalter des Beihilfeberechtigten stelle jedoch keine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung dar. Darüber hinaus dürfe der Arbeitgeber nicht generell Beihilfen für heilpädagogische Maßnahmen verweigern, wenn er im übrigen für eine Unzahl von anderen krankheitsbedingten Kosten Beihilfen gemäß der Regelbeihilfe ungeschmälert ersetze. Der Beklagte habe keinen billigungswerten Grund für die Verweigerung der Beihilfe zu Kosten aufgrund heilpädagogischer Maßnahmen vorgetragen. Er könne sich insbesondere wegen seiner ihm als öffentlich-rechtlichem Dienstherr obliegenden Fürsorgepflicht nicht darauf berufen, sein Gebühreneinkommen dürfe nicht zur Finanzierung staatlicher Aufgaben verwandt werden.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten, nachdem der Kläger seinen Antrag durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgte Ergänzung eingeschränkt hat, einer revisionsrechtlichen Überprüfung jedenfalls insoweit nicht stand, als es die Klage als zulässig angesehen hat.
1. Der Kläger hat seinen Antrag in der Revisionsinstanz durch die hinzugefügten Worte "soweit dies ärztlich verordnet ist" geändert. Dies war auch ohne Zustimmung des Beklagten zulässig, weil darin lediglich eine Einschränkung des ursprünglich gestellten Antrages liegt.
Klageänderungen sind in der Revisionsinstanz zwar grundsätzlich unzulässig, weil der Beurteilung des Revisionsgerichts gemäß § 561 Abs. 1 ZPO nur dasjenige Parteivorbringen unterliegt, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist (BAG Urteil vom 8. September 1971 - 4 AZR 405/70 - AP Nr. 46 zu §§ 22, 23 BAT; BGHZ 24, 279, 285). Sie sind jedoch zulässig, wenn es sich lediglich um eine modifizierte Einschränkung des Klageantrags handelt und diese auf einem Sachverhalt gegründet ist, den das Berufungsgericht bereits in vollem Umfang gewürdigt hat (BAG Urteil vom 17. Oktober 1972 - 1 AZR 86/72 - AP Nr. 8 zu § 630 BGB; BGH LM Nr. 27 zu § 561 ZPO; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 561 Anm. 2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Prozeßbeteiligten sind, jedenfalls bislang, und zwar auch schon vorprozessual, davon ausgegangen, daß die Tochter des Klägers aufgrund ärztlicher Verordnung in der Heimsonderschule untergebracht worden ist, es sich dabei also um eine ärztlich angeordnete heilpädagogische Behandlung im Sinne von § 4 Nr. 8 Abs. 3 DV 1973 handelte. Die Ergänzung des Antrags durch den Kläger in der Revisionsinstanz ist damit nur eine erläuternde Einschränkung des bisherigen Antrags und nicht auf ein anderes Klageziel gerichtet.
2. Der Feststellungsantrag des Klägers in seiner jetzigen Form ist nach § 256 Abs. 1 ZPO jedoch unzulässig.
a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt zu bekommen. Diese Voraussetzungen sind stets, und zwar auch noch in dritter Instanz, von Amts wegen, also ohne besonderen Hinweis der Prozeßparteien, zu prüfen (BAG Urteil vom 21. September 1962 - 1 AZR 388/61 - AP Nr. 41 zu § 256 ZPO). Dem Kläger fehlt aber das Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses.
b) Es bestehen zunächst schon erhebliche Zweifel daran, ob Gegenstand des nunmehr neu gefaßten Feststellungsantrages überhaupt die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist oder ob nicht lediglich Elemente oder Vorfragen hiervon geklärt werden sollen. Dies wäre aber nicht statthaft, weil es nicht Aufgabe der Feststellungsklage ist, Einzelfragen eines künftigen Leistungsprozesses vorzuklären (BAG Urteil vom 26. Februar 1987 - 6 AZR 571/83 - nicht veröffentlicht; BAG Urteil vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT, m.w.N.; BGHZ 22, 43, 47, 48; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 256 Anm. 2 I A, m.w.N.). Allerdings genügt es nach ständiger Rechtsprechung (BAGE 39, 295 = AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972; BAGE 47, 238, 245 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht), wenn allein einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, wie bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder der Umfang einer Leistungspflicht in Streit sind. Hier kann es allerdings dahingestellt bleiben, ob der Kläger mit seiner Klage den Umfang der Leistungspflicht des Beklagten und damit das Bestehen eines Teilrechtsverhältnisses geklärt bekommen will oder nicht (Senatsurteil vom 26. Februar 1987 - 6 AZR 571/83 - n.v.). Denn es fehlt bereits am Interesse an einer alsbaldigen Feststellung dieses Teilrechtsverhältnisses.
c) Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses dann gegeben, wenn die angestrebte Erkenntnis mit ihrer lediglich ideellen, der Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen. Die Beendigung des Feststellungsstreits darf nicht zur Folge haben, daß lediglich ein Teilaspekt zu einem Gesamtstreit zwischen zwei Prozeßparteien gelöst wird und ein weiterer Prozeß nicht vermieden wird. Vielmehr muß die erhobene Feststellungsklage geeignet sein, weitere Prozesse durch eine einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu verhindern (BGH NJW 1986, 1815, 1816; BGH NJW 1984, 1118, m.w.N.). Deshalb ist eine Feststellungsklage grundsätzlich unzulässig, wenn eine Leistungsklage gleichen oder im wesentlichen gleichen Inhalts erhoben werden kann. Das Feststellungsinteresse ist deshalb zu verneinen, wenn die Leistungsklage zu demselben Ziel führt, wie die Feststellungsklage und in ihren Voraussetzungen und Risiken für den Kläger nicht grundlegend verschieden ist (BGH NJW 1986, 1815 f.; BAGE 11, 312, 314 = AP Nr. 83 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; BAGE 49, 370 = AP Nr. 21 zu § 13 BUrlG; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 256 Anm. 5 Stichwort: Leistungsklage).
Der Kläger kann mit dem erfolgreichen Abschluß der nunmehr anhängigen Feststellungsklage keine endgültige Bereinigung des zwischen den Parteien entstandenen Streits über den von ihm geltend gemachten Beihilfeanspruch erreichen. Wie das Bestreiten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einer ärztlich angeordneten heilpädagogischen Maßnahme zeigt, kann der Kläger mit dem von ihm jetzt gestellten Feststellungsantrag einen weiteren Prozeß um die Frage der Beihilfefähigkeit seiner Aufwendungen nicht vermeiden. Vielmehr erstrebt er damit lediglich ein Rechtsgutachten über die Rechtswirksamkeit von § 4 DV 1984, d.h. den Ausschluß der Beihilfe für ärztlich angeordnete heilpädagogische Maßnahmen. Das ist nicht statthaft und führt zur Unzulässigkeit der nur eingeschränkten Rechtsschutz gewährenden Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresses. Das gilt jedenfalls dann, wenn ohne weiteres eine Leistungsklage erhoben werden kann und kein Hinweis gegeben ist, eine Leistungsklage werde sich mit dem erfolgreichen Abschluß der Feststellungsklage erledigen. In einem solchen Fall muß der Kläger allein die Leistungsklage erheben, in deren Rahmen auch die Frage der Wirksamkeit von § 4 DV 1984 incident mitentschieden wird.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Dr. Röhsler Dörner Schneider
Fürbeth H. Schmidt
Fundstellen