Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsbemessungsgrenze. gespaltene Rentenformel
Leitsatz (redaktionell)
Nach der außerplanmäßigen Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1.1.2003 sind zuvor durch Betriebsvereinbarung getroffene Versorgungsvereinbarungen, die für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze höhere Versorgungsleistungen vorsehen als für den darunter liegenden Teil, so auszulegen, dass sie die Anhebung berücksichtigen.
Normenkette
BetrAVG § 1 Auslegung; BGB § 313 Abs. 1; SGB VI §§ 159-160, 275c
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 14. Juni 2012 – 3 Sa 152/11 – aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 20. Juli 2011 – 30 Ca 9515/10 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden betrieblichen Alterspension und dabei über die Auswirkungen der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003.
Der am 27. Juli 1949 geborene Kläger war vom 1. Januar 1978 bis zum 31. Juli 2007 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der H GmbH, beschäftigt. Im Arbeitsvertrag des Klägers mit der H GmbH vom 19. Oktober 1977 war Folgendes vereinbart:
„…
Als weitere Leistungen bieten wir Ihnen zu den jeweils geltenden betrieblichen Bestimmungen:
…
- Nach einjähriger Betriebszugehörigkeit eine Zusage über Versorgungsleistungen gemäß unseres betrieblichen Pensionsplanes. …”
Der Pensionsplan der H GmbH vom 30. Juli 1982 (im Folgenden: PP 82) enthält auszugsweise folgende Regelungen:
„Art. I |
Kreis der Pensionsberechtigten |
Dieser Pensionsplan gilt für alle ständig beschäftigten Mitarbeiter der H GmbH (im folgenden kurz ‚Firma’ genannt), soweit nicht abweichende schriftliche Vereinbarungen getroffen werden oder Zusatzregelungen bestehen (…).
Art. II |
Voraussetzungen für Pensionsleistungen |
Pensionsleistungen (…) werden gewährt, wenn der Mitarbeiter
a) |
vor Vollendung des 53. Lebensjahres in die Firma eingetreten ist und |
b) |
eine Wartezeit von einem vollen Dienstjahr erfüllt hat und |
… |
|
d) |
die weiteren Voraussetzungen dieses Pensionsplans erfüllt. |
… |
|
Art. IV |
Pensionsfähige Bezüge |
1) |
Als pensionsfähige Bezüge gilt der 13-fache monatliche Durchschnitt der Grundbezüge, die der Mitarbeiter in den letzten 2 Jahren unmittelbar vor dem Ausscheiden von der Firma bezogen hat. … |
2) |
Die pensionsfähigen Bezüge werden unterteilt in |
|
- den Teil bis zu der im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles geltenden jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) und gegebenenfalls
- den diese jährliche BBG übersteigenden Teil.
|
… |
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1) |
Eine Alterspension erhalten Mitarbeiter, die nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Diensten der Firma ausgeschieden sind. |
2) |
Die Alterspension wird auf der Basis der anrechenbaren Dienstzeit (Artikel III) und der pensionsfähigen Bezüge (Artikel IV) berechnet. |
3) |
Die Alterspension beträgt für jedes anrechenbare Dienstjahr: |
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0,5 % des Teil der pensionsfähigen Bezüge, der die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung zum Zeitpunkt des Ausscheidens nicht übersteigt |
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zuzüglich |
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2,0 % des Teils der pensionsfähigen Bezüge, der diese Beitragsbemessungsgrenze übersteigt. |
|
… |
Art. VI |
Vorzeitige Alterspension |
1) |
Mitarbeiter, die nach Vollendung des 50. Lebensjahres aus dem aktiven Dienst der Firma mit deren Zustimmung ausscheiden, erhalten eine vorzeitige Alterspension, wenn sie 15 anrechenbare Dienstjahre erfüllt haben. |
|
… |
2) |
Die vorzeitige Alterspension berechnet sich nach den gleichen Grundsätzen wie die Alterspension gemäß Artikel V, jedoch unter Zugrundelegung der pensionsfähigen Bezüge zum Zeitpunkt der vorzeitigen Pensionierung und der bis dahin zurückgelegten anrechenbaren Dienstzeit, wobei wegen des früheren Rentenbeginns eine Kürzung der erworbenen Altersrente gemäß folgender Tabelle erfolgt: |
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Alter bei vorzeitiger Pensionierung |
Prozentsatz der erworbenen Altersrente |
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50 |
52, 1% |
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… |
… |
|
58 |
86,2 % |
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… |
… |
|
60 |
100,0 % |
Zwischen den vollen Lebensaltern wird interpoliert.”
§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2003) vom 17. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4561) hatte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 55.200,00 Euro jährlich und 4.600,00 Euro monatlich festgesetzt. Durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG) vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4637) wurde § 275c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft und legte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (West) für das Jahr 2003 auf 61.200,00 Euro jährlich und 5.100,00 Euro monatlich fest. Zudem wurden in § 275c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 im Ergebnis auch für die folgenden Jahre erhöhend bei der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch Verordnungen gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. So wurde die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der wiederum nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2004 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2004) vom 9. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2497) für das Jahr 2004 auf 61.800,00 Euro jährlich und 5.150,00 Euro monatlich und nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2005 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2005) vom 29. November 2004 (BGBl. I S. 3098) für das Jahr 2005 auf 62.400,00 Euro jährlich und 5.200,00 Euro monatlich festgesetzt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2007 (Sozialversicherungs-Rechengrößengesetz 2007) in Art. 12 des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742) betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für das Jahr 2007 63.000,00 Euro jährlich und 5.250,00 Euro monatlich.
Die Beklagte fertigte unter dem Datum des 12. Dezember 2003 folgenden Anhang III zum PP 82:
„Der Artikel V (Alterspension) wird – rückwirkend – bzgl. außerordentlicher Veränderungen der Beitragsbemessungsgrenze wie folgt abgeändert:
Sollte sich die Beitragsbemessungsgrenze (‚BBG’) über den Rahmen des § 159 SGB VI hinaus verändern, wird die Betriebsrente mit dem Gehalt am Tage vor der Änderung der BBG und der Betriebsrente mit der geänderten BBG und dem anwendbaren Gehalt zum Zeitpunkt des Versorgungsfalles verglichen und die jeweils für die Mitarbeiter günstigere Variante gewählt.”
Der Kläger erhält von der Beklagten seit dem 1. August 2007 eine vorgezogene betriebliche Alterspension iHv. 5.253,00 Euro monatlich. Diese passte die Beklagte zum 1. Januar 2008 auf 5.297,00 Euro und zum 1. Januar 2011 auf 5.494,58 Euro an. Seit dem 1. August 2012 bezieht der Kläger zudem eine vorgezogene gesetzliche Altersrente.
Infolge der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 verringerte sich die „Ausgangspension” des Klägers nach Art. VI PP 82 um monatlich 194,00 Euro. Die gesetzliche Rente des Klägers erhöhte sich wegen der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 um 21,22 Euro.
Mit seiner am 8. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger unter Berufung auf die in den Urteilen des Senats vom 21. April 2009 (– 3 AZR 695/08 – BAGE 130, 214 und – 3 AZR 471/07 –) aufgestellten Grundsätze gegen die von der Beklagten vorgenommene Berechnung seiner vorgezogenen Alterspension gewandt und die Auffassung vertreten, seine vorgezogene Alterspension sei ohne Berücksichtigung der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 zu berechnen. Der PP 82 sei durch die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 lückenhaft geworden. Die Lücke, die auch durch den Anhang III zum PP 82 nicht beseitigt worden sei, sei im Wege der ergänzenden Auslegung dahin zu schließen, dass die vorgezogene Alterspension unter Außerachtlassung der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde.
Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
- an ihn 11.428,59 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB jeweils aus 194,00 Euro brutto ab 1. September 2007, 1. Oktober 2007, 1. November 2007, 1. Dezember 2007 und 1. Januar 2008 sowie jeweils aus 195,00 Euro brutto seit dem 1. Februar 2008, 1. März 2008, 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008, 1. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009, 1. März 2009, 1. April 2009, 1. Mai 2009, 1. Juni 2009, 1. Juli 2009, 1. August 2009, 1. September 2009, 1. Oktober 2009, 1. November 2009, 1. Dezember 2009 sowie 1. Januar 2010, 1. Februar 2010, 1. März 2010, 1. April 2010, 1. Mai 2010, 1. Juni 2010, 1. Juli 2010, 1. August 2010, 1. September 2010, 1. Oktober 2010, 1. November 2010, 1. Dezember 2010 und 1. Januar 2011 sowie aus 202,27 Euro brutto seit dem 1. Februar 2011, 1. März 2011, 1. April 2011, 1. Mai 2011, 1. Juni 2011, 1. Juli 2011, 1. August 2011, 1. September 2011, 1. Oktober 2011, 1. November 2011, 1. Dezember 2011, 1. Januar 2012, 1. Februar 2012, 1. März 2012, 1. April 2012, 1. Mai 2012 und 1. Juni 2012 zu bezahlen,
- an ihn ab Juni 2012 monatlich über den Betrag von 5.494,58 Euro brutto hinaus weitere 202,27 Euro brutto, ab August 2012 181,05 Euro brutto zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht zu. Die Beklagte hat die vorgezogene Alterspension des Klägers nach dem PP 82 zutreffend berechnet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann der Kläger nicht aufgrund einer ergänzenden Auslegung der Art. IV Nr. 2 und Art. V Nr. 3 PP 82 eine höhere als die von der Beklagten gezahlte Alterspension beanspruchen. Er kann auch nicht wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage eine Anpassung der Versorgungsregelungen verlangen.
I. Die Beklagte hat die vorgezogene Alterspension des Klägers zutreffend ermittelt. Die Berechnung entspricht den Vorgaben in Art. IV, V und VI PP 82. Danach war die zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers im Jahr 2007 geltende Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde zu legen. Der PP 82 ist nicht ergänzend dahin auszulegen, dass die Alterspension des Klägers unter Außerachtlassung der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 zu berechnen ist. Dabei kann dahinstehen, ob der PP 82 infolge der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze durch § 275c SGB VI zum 1. Januar 2003 lückenhaft geworden und ob eine etwaige Lücke des PP 82 durch die Regelung im Anhang III beseitigt worden ist. Eine ergänzende Auslegung des PP 82 scheidet jedenfalls deshalb aus, weil mehrere gleichwertige Möglichkeiten zur Schließung einer eventuellen Regelungslücke bestehen und es sich nicht feststellen lässt, für welche Möglichkeit die Parteien sich entschieden hätten, wenn sie die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze vorhergesehen hätten.
1. Zwar hat der Senat in den Urteilen vom 21. April 2009 (– 3 AZR 695/08 – BAGE 130, 214 und – 3 AZR 471/07 –; zur Kritik an diesen Entscheidungen vgl. etwa Böhm/Ulbrich BB 2010, 1341, 1342; Bormann BetrAV 2011, 596, 597 ff.; Cisch/Bleeck BB 2010, 1215, 1219 f.; Diller NZA 2012, 22, 23 ff.; Höfer BetrAVG Stand August 2012 Bd. I ART Rn. 816.4 f.; Hölscher/Janker BetrAV 2010, 141, 142 f.; Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG 5. Aufl. Anh § 1 Rn. 224 a ff.; Weber DB 2010, 1642, 1643 f.) angenommen, Versorgungsordnungen, die für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung höhere Versorgungsleistungen vorsehen als für den darunter liegenden Teil (sog. gespaltene Rentenformel), seien durch die „außerplanmäßige” Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung um 500,00 Euro monatlich nach § 275c SGB VI zum 1. Januar 2003 regelmäßig lückenhaft geworden. Die Regelungslücke sei im Wege ergänzender Auslegung entsprechend dem ursprünglichen Regelungsplan dahin zu schließen, dass die Betriebsrente ohne Berücksichtigung der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde und von dem so errechneten Betrag die Beträge in Abzug zu bringen seien, um die sich die gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht hat.
2. Diese Rechtsprechung hat der Senat mit seinen Urteilen vom 23. April 2013 (vgl. etwa – 3 AZR 475/11 – und – 3 AZR 23/11 –) zu Versorgungsregelungen in Gesamtzusagen und Tarifverträgen ausdrücklich aufgegeben mit der Begründung, es bestünden mehrere gleichwertige Möglichkeiten zur Schließung einer eventuellen Regelungslücke; unter Anlegung eines objektivgeneralisierenden Maßstabs lasse sich nicht feststellen, für welche Möglichkeit die Parteien bzw. Tarifvertragsparteien sich entschieden hätten, wenn sie die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze vorhergesehen hätten. Dies gilt auch für die dem Kläger erteilte Versorgungszusage nach dem PP 82. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei dem PP 82 um eine Gesamtzusage oder um eine arbeitsvertragliche Einheitsregelung handelt. Die Regelungen des PP 82 enthalten in beiden Fällen Allgemeine Geschäftsbedingungen, deren ergänzende Auslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen hat, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss (vgl. BAG 23. April 2013 – 3 AZR 475/11 – Rn. 15 mwN). Lassen sich nach diesen Kriterien hinreichende Anhaltspunkte für einen hypothetischen Parteiwillen nicht finden, etwa weil mehrere gleichwertige Möglichkeiten der Lückenschließung in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich aus (vgl. BAG 23. April 2013 – 3 AZR 475/11 – aaO). Hierdurch werden die Parteien vor einer Auswahl durch das Gericht nach dessen eigenen Kriterien geschützt, weil dies mit dem Grundsatz der Privatautonomie unvereinbar wäre (vgl. BGH 10. Oktober 2012 – IV ZR 12/11 – Rn. 73 mwN).
3. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt bei dem PP 82 unter Berücksichtigung der Interessenlage typischer Vertragsparteien nicht nur eine Ergänzung des Vertrags dahin in Betracht, dass bei der Berechnung der Alterspension von einer um die „außerplanmäßige” Anhebung der durch § 275c SGB VI „bereinigten” Beitragsbemessungsgrenze unter gleichzeitiger Anrechnung der durch diese Anhebung in der gesetzlichen Rentenversicherung erzielten höheren gesetzlichen Rente auszugehen ist. Vielmehr bestehen unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der in Art. IV Nr. 2 und Art. V Nr. 3 PP 82 getroffenen Regelungen weitere rechtlich zulässige und interessengerechte Möglichkeiten zur Schließung einer etwaigen nachträglich eingetretenen Regelungslücke. Sinn und Zweck einer „gespaltenen Rentenformel” wie derjenigen in Art. IV Nr. 2 und Art. V Nr. 3 PP 82 ist es, den im Einkommensbereich über der Beitragsbemessungsgrenze bestehenden erhöhten Versorgungsbedarf über die hierfür vorgesehene höhere Leistung abzudecken, da dieser Teil der Bezüge nicht durch die gesetzliche Altersrente abgesichert ist (BAG 21. April 2009 – 3 AZR 695/08 – Rn. 23, BAGE 130, 214). Deshalb wäre es ebenso denkbar, dass sich typische Vertragsparteien im Hinblick darauf, dass sich die Auswirkungen der „außerplanmäßigen” Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze verringern, je später nach dem 1. Januar 2003 der Versorgungsfall eintritt, auf eine wenige Jahre begrenzte Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge verständigt hätten. Ebenso käme eine Lückenschließung dergestalt in Betracht, dass die Betriebszugehörigkeit bis zum 31. Dezember 2002 und die Betriebszugehörigkeit danach bei der Berechnung der Alterspension entsprechend der Berechnungsweise aus der „Barber-Entscheidung” des Europäischen Gerichtshofs (17. Mai 1990 – C-262/88 – Slg. 1990, I-1889; vgl. auch BAG 3. Juni 1997 – 3 AZR 910/95 – BAGE 86, 79) unterschiedlich behandelt werden (so etwa Weber DB 2010, 1642). Danach könnte für bis zum 31. Dezember 2002 erdiente Anwartschaftsteile eine Korrektur der Beitragsbemessungsgrenze um die „außerplanmäßige” Anhebung zum 1. Januar 2003 vorgenommen werden, weil insoweit keine Rentensteigerungen in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht werden konnten; für ab dem 1. Januar 2003 erdiente Versorgungsanwartschaften wäre die erhöhte Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen, weil ab diesem Zeitpunkt auch Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben werden. Dies hätte zur Folge, dass für die Berechnung des Teils der Rentenanwartschaft oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze eine Trennung in die Zeit vor dem 1. Januar 2003 und die Zeit danach vorgenommen werden müsste (vgl. hierzu ausführlich Weber DB 2010, 1642).
Aus den Broschüren der Beklagten zur sozialen Sicherung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, welche Regelungen die Parteien getroffen hätten, wenn sie die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung vorhergesehen hätten.
Nach den Angaben in den Broschüren ist es Ziel des PP 82, dass ein Mitarbeiter, der aus Altersgründen nach 40 Dienstjahren ausscheidet, zusammen mit der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung etwa 80 % seines durchschnittlichen monatlichen Bruttoarbeitsverdienstes der letzten zwei Beschäftigungsjahre als monatliche Altersrente erhalten soll. Damit wurden lediglich die seinerzeitigen Vorstellungen der Beklagten von den angestrebten Leistungen wiedergegeben. Durch den PP 82 ist den Arbeitnehmern jedoch gerade keine Gesamtversorgung mit einem bestimmten Versorgungsniveau zugesagt worden. Demensprechend ist in der Broschüre aus dem Jahr 1983 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Voraussetzung für die Erreichung des angestrebten Ziels ist, dass sich das Leistungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht wesentlich ändert, da die Alterspension nach dem PP 82 unabhängig von den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung berechnet wird. Daraus war zu entnehmen, dass Änderungen der für die gesetzliche Rente maßgebenden Bestimmungen zu einer Änderung des angestrebten Versorgungsniveaus führen konnten. Anhaltspunkte für eine möglicherweise erforderlich werdende Vertragsergänzung bei einer „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung ergeben sich hieraus nicht.
II. Der Kläger kann auch nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) nicht verlangen, dass seine von der Beklagten gezahlte Alterspension so berechnet wird, als wäre die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfolgt.
1. Nach § 313 Abs. 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten; eine Vertragsanpassung kommt allerdings nur in Betracht, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
2. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine Vertragsanpassung nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage scheitert zwar nicht von vornherein daran, dass die Versorgungsvereinbarung der Parteien infolge der „außerplanmäßigen” Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch § 275c SGB VI lückenhaft geworden sein könnte. Eine Vertragslücke stünde der Anwendung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage nicht entgegen (vgl. BAG 23. April 2013 – 3 AZR 475/11 – Rn. 19). Die durch die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 verursachte Versorgungseinbuße des Klägers von 194,00 Euro monatlich, dh. von ca. 3,6 %, ist jedoch nicht so schwerwiegend, dass ihm ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar wäre.
a) Nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse rechtfertigt eine Vertragsanpassung. Erforderlich ist nach § 313 Abs. 1 BGB vielmehr, dass der betroffenen Partei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dies kann nur angenommen werden, wenn ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (BAG 23. April 2013 – 3 AZR 475/11 – Rn. 21; BGH 1. Februar 2012 – VIII ZR 307/10 – Rn. 30 mwN).
b) Das Festhalten an der unveränderten Versorgungsregelung führt für den Kläger nicht zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnis.
Die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung um 500,00 Euro monatlich und 6.000,00 Euro jährlich nach § 275c SGB VI führt für den Kläger, dessen betriebliche Alterspension sich bei Eintritt des Versorgungsfalls, dh. ab dem 1. August 2007, auf 5.253,00 Euro belief, zu einer Versorgungseinbuße von etwa 3,6 %. Diese Versorgungseinbuße ist für den Kläger nicht untragbar.
Dabei kann offenbleiben, ob die vom Kläger hinzunehmende Versorgungseinbuße entsprechend den Erwägungen des Senats in dem Urteil vom 30. März 1973 (– 3 AZR 26/72 – BAGE 25, 146) bis zu 40 % beträgt. In dieser vor Inkrafttreten des § 16 BetrAVG ergangenen Entscheidung hatte der Senat angenommen, dass der Arbeitgeber verpflichtet war, Anpassungsverhandlungen mit dem ehemaligen Arbeitnehmer aufzunehmen, wenn der eingetretene Kaufkraftverlust 40 % betrug. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die Schwelle zur Unzumutbarkeit („Opfergrenze”) bereits früher überschritten und ggf. in Anlehnung an die Rechtsprechung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts (11. Oktober 2006 – 5 AZR 721/05 – Rn. 23 mwN; 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – zu B I 4 c bb der Gründe, BAGE 113, 140) zur Wirksamkeit der Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts zu bestimmen sein könnte. Danach ist ein Widerrufsvorbehalt nicht nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, wenn der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes unter 25 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird; bei Zahlungen des Arbeitgebers, die keine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen, sondern Ersatz für Aufwendungen sind, die an sich vom Arbeitnehmer selbst zu tragen wären, kann der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung bis zu 30 % betragen; in diesen Grenzen ist die Änderung der vereinbarten Leistung für den Arbeitnehmer zumutbar iSd. § 308 Nr. 4 BGB. Jedenfalls ist entgegen der Ansicht des Klägers eine Versorgungseinbuße von ca. 3,6 % auch vor dem Hintergrund, dass die Alterspension nach dem PP 82 Entgelt für Betriebszugehörigkeit ist, nicht so schwerwiegend, dass dem Kläger ein Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung nicht mehr zugemutet werden könnte.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Gräfl, Spinner, Ahrendt, G. Kanzleiter, S. Hopfner
Fundstellen