Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubskassenverfahren – Insolvenz des Bauarbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Bauarbeitgeber unrichtige Eintragungen in die Lohnnachweiskarte für das Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft vorgenommen, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Berichtigung.
2. Hat der Arbeitnehmer für die Zeit eines vereinbarten Urlaubs Konkursausfallgeld erhalten, ist der Konkursverwalter berechtigt, den dem Arbeitnehmer zugeflossenen Betrag als gewährte Urlaubsvergütung in die Lohnnachweiskarte einzutragen.
Leitsatz (redaktionell)
Kein Anspruch auf Berichtigung der Eintragungen in die Lohnnachweiskarte soweit der Anspruch auf Urlaubsvergütung auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen ist.
Normenkette
BRTV-Bau vom 3. Februar 1981 i.d.F vom 30. Juli 1997 § 8; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe VTV vom 12. November 1996 i.d.F. vom 10. Dezember 1997 (VTV) § 6 Abs. 1; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe VTV vom 12. November 1996 i.d.F.g vom 10. Dezember 1997 (VTV) § 6 Abs. 9; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe VTV vom 12. November 1996 i.d.F. vom 10. Dezember 1997 (VTV) § 18; ZPO § 554 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. April 1999 – 7 Sa 1791/98 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Der Kläger war als Gleisbauer bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 in der Fassung vom 10. Dezember 1997 anzuwenden. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurde im Dezember 1997 deren Betrieb eingestellt. Am 29. Dezember 1997 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Mai 1998 gekündigt. Am 9. Januar 1998 teilte die Gemeinschuldnerin dem Kläger mit:
„Sie werden mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung unter Anrechnung Ihres Urlaubes und evtl. Gutstunden Ihres Arbeitszeitkontos freigestellt.
Wir weisen darauf hin, daß zur Begleichung der Lohn- und Gehaltsforderungen derzeit keine Mittel zur Verfügung stehen.”
Der Kläger widersprach der Freistellung nicht. Am 4. Februar 1998 kündigte er das Arbeitsverhältnis zum 6. Februar 1998. Am 1. März 1998 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte als Konkursverwalter eingesetzt. In den Lohnabrechnungen für Januar und Februar 1998 führte der Beklagte den 2. Januar sowie den 12. Januar bis 6. Februar 1998 als gewährte Urlaubstage auf. Der Kläger erhielt auf seinen Antrag für die in diesen Lohnabrechnungen ausgewiesenen Ansprüche Konkursausfallgeld. Der Beklagte hat die in den Abrechnungen ausgewiesenen Urlaubsvergütungen in den Teil B und den Teil C der Lohnnachweiskarte eingetragen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses übersandte er den Teil B an die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK-Bau) und händigte die Lohnnachweiskarte danach dem Kläger aus. Der Kläger beanstandete die Eintragungen mit der Begründung, er habe weder Urlaub noch Urlaubsvergütung erhalten. Mit der am 12. Juni 1998 erhobenen Klage hat er Berichtigungsansprüche geltend gemacht. Zuletzt hat er beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, seine Lohnnachweiskarte für das Jahr 1998 wie folgt zu ändern und die vorgenommenen Änderungen mit Stempel und Unterschrift kenntlich zu machen:
- Blatt R 97: Die in Spalte „davon gewährt” eingetragenen Beträge an Urlaubsvergütung in Höhe von 4.275,84 DM und 1.336,20 DM sind ersatzlos zu streichen.
- Auf der Vorderseite des Teils C 1998 sind die Beträge von 4.275,84 DM und 1.336,20 DM zu streichen.
- Teil C 1998 auf der Rückseite ist wie folgt zu korrigieren: Der in Spalte 4 eingetragene Betrag in Höhe von 7.448,06 DM ist zu streichen und durch die Zahl 4.352,40 DM zu ersetzen. Die in Spalte 5 eingetragene Urlaubsvergütung aus Bruttolohn in Höhe von 1.061,35 DM ist zu streichen und durch die Zahl 620,22 DM zu ersetzen.
- In dem Teil B 1998 ist der in Spalte 4 eingetragene Bruttolohn in Höhe von 7.448,06 DM zu streichen und durch die Zahl 4.352,40 DM zu ersetzen. Die in Spalte 5 eingetragene Urlaubsvergütung aus Bruttolohn in Höhe von 1.061,35 DM ist zu streichen und durch die Zahl 620,22 DM zu ersetzen.
Hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, seine Lohnnachweiskarte für das Jahr 1998 wie folgt zu ändern und die vorgenommenen Änderungen mit Stempel und Unterschrift kenntlich zu machen:
- Blatt R 97: Die in die Spalte „davon gewährt” eingetragenen Beträge an Urlaubsvergütung in Höhe von 4.275,84 DM und 1.336,20 DM sind zu streichen und zu ersetzen durch den Betrag von 267,24 DM.
- Auf der Vorderseite des Teils C sind die Beträge von 4.275,84 DM und 1.336,20 DM zu streichen und zu ersetzen durch den Betrag von 267,24 DM.
- Teil C 1998 auf der Rückseite ist wie folgt zu korrigieren: Der in Spalte 4 eingetragene Betrag in Höhe von 7.448,06 DM ist zu streichen und durch die Zahl 4.275,84 DM zu ersetzen. Die in Spalte 5 eingetragene Urlaubsvergütung aus Bruttolohn in Höhe von 1.061,35 DM ist zu streichen und durch die Zahl 594,37 DM zu ersetzen.
- In dem Teil B 1998 ist der in Spalte 4 eingetragene Bruttolohn in Höhe von 7.448,06 DM zu streichen und durch die Zahl 4.275,84 DM zu ersetzen. Die in Spalte 5 eingetragene Urlaubsvergütung aus Bruttolohn in Höhe von 1.061,35 DM ist zu streichen und durch die Zahl 594,37 DM zu ersetzen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist teils unzulässig, teils unbegründet.
1. Soweit der Kläger von dem Beklagten verlangt, die als gewährt eingetragene Gewährung von Urlaub am 2. Januar 1998 und die für diesen Urlaub als gewährt bezeichnete Urlaubsvergütung ersatzlos zu streichen, fehlt es an einer Revisionsbegründung. Die Revision ist insoweit nach § 554 a Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Die in § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO dem Revisionskläger aufgegebene Verpflichtung, die Revision zu begründen, erstreckt sich auf alle Teile des Urteils, deren Aufhebung beantragt wird(BAG 7. Juli 1955 – 2 AZR 27/53 – BAGE 2, 58, 59). Bezieht sich die Revision auf eine Mehrheit von prozessualen Ansprüchen, so muß zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung gegeben werden(BAG 7. Juli 1955 aaO; 6. Dezember 1994 – 9 AZN 337/94 – BAGE 78, 373). Der Kläger hat sich in der Revisionsbegründung nicht damit auseinandergesetzt, daß das Landesarbeitsgericht die vom Kläger geltend gemachten Berichtigungsansprüche für die am 2. Januar 1998 und die vom 12. Januar 1998 bis 6. Februar 1998 gewährten Urlaubsvergütungen aus anderen Gründen abgewiesen hat.
2. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Berichtigung der Eintragungen in der Lohnnachweiskarte zu.
a) Der Kläger hat Anspruch darauf, daß der Arbeitgeber eine für ihn geltende Lohnnachweiskarte führt und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den Teilen B und C wahrheitsgemäß den Anspruch auf Urlaubsvergütung, gewährte Jahres- und Zusatzurlaubstage und die gewährte Urlaubsvergütung bescheinigt. Das ergibt sich aus §§ 4, 6, 37 des mit Wirkung zum 1. Januar 1998 für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 in der Fassung vom 10. Dezember 1997 (Bundesanzeiger Nr. 64 vom 2. April 1998). Mit der Allgemeinverbindlicherklärung haben die Rechtsnormen des Tarifvertrags auch das Arbeitsverhältnis der Parteien erfaßt (§ 5 Abs. 4 TVG).
b) Der Kläger hat zwar den Anspruch auf Berichtigung der Eintragungen in die Lohnnachweiskarte rechtzeitig innerhalb der Frist des § 8 Nr. 8 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981 in der Fassung vom 30. Juli 1997 (allgemeinverbindlich erklärt mit Wirkung vom 1. August 1997 Bundesanzeiger Nr. 64 vom 2. April 1998) geltend gemacht, ihm steht aber kein Anspruch auf Berichtigung zu. Denn dem Kläger ist vom 12. Januar bis 6. Februar 1998 Urlaub und für diese Zeit durch das vom Arbeitsamt ausgezahlte Konkursausfallgeld eine der Urlaubsvergütung entsprechende Leistung gewährt worden.
aa) Die Gemeinschuldnerin hat am 9. Januar 1998 dem Kläger das Angebot unterbreitet, ihn sofort „unter Anrechnung Ihres Urlaubes” von der Arbeitspflicht zu befreien. Der Kläger mußte die Erklärung nach §§ 133, 157 BGB so verstehen, daß er zunächst ab 12. Januar 1998 zur Erfüllung des dem Kläger aus 1997 und 1998 zustehenden Urlaubsanspruchs von der Arbeitspflicht befreit werden und die weitergehende Arbeitsbefreiung von der urlaubsrechtlichen Zweckbestimmung ausgenommen sein sollte. Dieses Angebot hat der Kläger angenommen, indem er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Arbeit ferngeblieben ist. Der Zugang seiner Annahmeerklärung war unerheblich. Nach § 151 BGB kommt ein Vertrag auch dann zustande, wenn – wie hier – eine Annahmeerklärung nicht erwartet wird.
Entgegen der Ansicht der Revision hat der Arbeitgeber mit dem Angebot der Arbeitsbefreiung weder gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG noch aus § 99 BetrVG verstoßen. Der Arbeitgeber hat weder allgemeine Urlaubsgrundsätze oder einen Urlaubsplan aufgestellt, noch die Lage des Urlaubs festgelegt, weil zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern kein Einverständnis zu erzielen war. Eine derartige Freistellung ist auch keine mitbestimmungspflichtige personelle Einzelmaßnahme im Sinne von § 95 Abs. 3, § 99 BetrVG(vgl. BAG 28. März 2000 – 1 ABR 17/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen und – 1 ABR 24/99 – nv.).
Entgegen der Ansicht der Revision bestehen keine Bedenken gegen die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb der Kündigungsfrist. Nach § 8 Nr. 3.3 BRTV-Bau ist der Zeitpunkt des Urlaubsantritts unter Berücksichtigung der Wünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Hier hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Kläger keine abweichenden Wünsche geäußert.
Unerheblich ist, daß nach § 8 Nr. 3.4 BRTV-Bau die Urlaubsvergütung bereits bei Urlaubsantritt zu zahlen ist. Auch ohne vorherige Zahlung der Urlaubsvergütung tritt mit der Befreiung von der Arbeitspflicht die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nach § 362 BGB ein(vgl. BAG 18. Dezember 1986 – 8 AZR 481/84 – BAGE 54, 59).
bb) Zwar hat die Gemeinschuldnerin für die Zeit vom 12. Januar bis 6. Februar 1998 keine Urlaubsvergütung gewährt. Der Beklagte war dennoch berechtigt, den entsprechenden Betrag, den der Kläger als Konkursausfallgeld von der Bundesanstalt für Arbeit erhalten hat, nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 VTV in die Lohnnachweiskarte einzutragen. Das ergibt sich aus der tarifvertraglich bestimmten Funktion der Lohnnachweiskarte innerhalb des Urlaubskassenverfahrens. Eine Eintragung dient als Nachweis gegenüber dem nächsten Arbeitgeber oder der Urlaubskasse. Denn der gewerbliche Bauarbeitnehmer hat seine Anspruchsberechtigung nach § 18 VTV nachzuweisen. Ohne die von dem Beklagten vorgenommene Eintragung könnte der Kläger von dem nächsten Bauarbeitgeber erneut Urlaub und Urlaubsvergütung verlangen oder bei Verfall der Urlaubsansprüche nach § 8 Nr. 9 BRTV-Bau von der Urlaubskasse eine Entschädigung fordern. Die mehrfach Inanspruchnahme soll durch die Eintragung in die Lohnnachweiskarte ausgeschlossen werden. Unerheblich ist die Rüge der Revision, nicht der Beklagte, sondern die Bundesanstalt für Arbeit habe die Vergütung gewährt. Maßgeblich ist allein, daß die entsprechende Urlaubsvergütung dem Kläger nicht mehr zusteht. Mit dem Antrag auf Konkursausfallgeld ist der Anspruch des Klägers auf die Bundesanstalt für Arbeit nach § 141 m Abs. 1 AFG übergegangen. Ist der Arbeitnehmer nicht mehr forderungsberechtigt, entfällt auch sein Recht zur Berichtigung einer vermeintlich unrichtigen Eintragung. Das zeigt § 6 Abs. 9 VTV. Danach ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse für den Fall, daß die Zwangsvollstreckung gegen den Arbeitgeber wirtschaftlich unzweckmäßig ist, verpflichtet, ersatzweise anstelle des Arbeitgebers unrichtige Eintragungen in der Lohnnachweiskarte zu berichtigen. Voraussetzung ist jedoch, daß der Arbeitnehmer seine Berechtigung durch ein rechtskräftiges Feststellungsurteil nachweist. Ein derartiger Nachweis ist dem Kläger nicht möglich. Denn mit dem Antrag auf Konkursausfallgeld ist der Anspruch auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen.
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die mit den Anträgen zu 3 und 4 verlangten Berichtigungen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 5 VTV sind die Höhe des während der Beschäftigung erzielten Bruttolohns und die Höhe des Anspruchs auf Urlaubsvergütung aus Bruttolohn einzutragen. Die Revision verkennt, daß nach diesen Bestimmungen nicht die tatsächlich erhaltenen Zuflüsse, sondern die Anspruchshöhe zu bescheinigen sind. Darauf hat zutreffend die zur Durchführung des Urlaubskassenverfahrens von den Tarifvertragsparteien errichtete gemeinsame Einrichtung bereits 1990 und erneut 1992 in ihren Erläuterungen zum Urlaubskassenverfahren hingewiesen. In der Mitteilung der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft Nr. 19 heißt es dazu unter der Nr. 1.110 Urlaubsgewährung zum Stichwort Lohnsteuerpflichtiger Bruttolohn: „Fließt der erarbeitete Bruttolohn dem Arbeitnehmer tatsächlich nicht zu (z.B. Konkurs), ist er zwar nicht in die Lohnsteuerkarte, jedoch in die Lohnnachweiskarte einzutragen und bei der Berechnung des Urlaubsentgelts zu berücksichtigen”.
II. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Revisionsverfahrens nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Leinemann, Reinecke, Düwell, Furche, Ott
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.06.2000 durch Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 558094 |
BB 2001, 368 |
DB 2001, 762 |
BauR 2001, 852 |
ARST 2001, 114 |
EWiR 2001, 271 |
FA 2000, 396 |
KTS 2001, 361 |
NZA 2001, 620 |
ZIP 2001, 303 |
AP, 0 |
NZI 2001, 222 |
NZI 2001, 240 |
NZI 2001, 54 |
ZInsO 2001, 240 |