Entscheidungsstichwort (Thema)
Objektive funktionswidrige Umgehung der Unkündbarkeitsregelung
Orientierungssatz
1. Eine Gesetzesumgehung (hier: vorzeitige Kündigung zu einem späteren Termin nach Eintritt der Unkündbarkeit) liegt vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt wird, daß andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten mißbräuchlich, daß heißt ohne einen im Gefüge der einschlägigen Rechtsnormen sachlich rechtfertigenden Grund, verwendet werden. Dabei kommt es nicht auf die Umgehungsabsicht oder eine bewußte Mißachtung der zwingenden Rechtsnorm an; entscheidend ist die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts.
2. Anschluß an BAG, Urteil vom 16.10.1987, 7 AZR 204/87 = AP Nr 2 zu § 53 BAT.
Normenkette
BGB § 162; BAT § 53 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.05.1988; Aktenzeichen 2 Sa 4/88) |
ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 15.10.1987; Aktenzeichen 1 Ca 292/86) |
Tatbestand
Der Kläger war seit 1. März 1972 als wissenschaftlicher Angestellter zunächst auf Grund mehrerer befristeter Arbeitsverträge im Sonderforschungsbereich 19 der Universität T tätig; mit Vertrag vom 11. Februar 1977 wurde er mit Wirkung ab 1. März 1977 auf unbestimmte Zeit unter Einreihung in die Vergütungsgruppe II a BAT angestellt. Zwischen den Parteien findet der BAT kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit Anwendung.
An der Universität T besteht seit 1969 der Sonderforschungsbereich 19 - T Atlas des Vorderen Orients (TAVO). Innerhalb dieses Sonderforschungsbereichs (SFB) arbeiten Wissenschaftler aus mehreren Disziplinen, darunter auch aus dem Fach Ägyptologie. Die sogenannte Grundausstattung dieses Sonderforschungsbereichs wird von der Universität T gestellt. Den finanziellen Aufwand, der durch die Beschäftigung weiterer Mitarbeiter im Rahmen der sogenannten Ergänzungsausstattung entsteht, trägt seit 1970 die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Auf Grund eines Finanzierungsantrages des Arbeitsausschusses des Sonderforschungsbereiches beantragt die Universität die für die sogenannte Ergänzungsausstattung erforderlichen Mittel bei der DFG jeweils für einen Zeitraum von längstens drei Jahren. Der Kläger arbeitete zuletzt an der Erstellung einer Karte der ägyptischen Spätzeit, dabei handelt es sich um die Zeit von etwa im Jahre 700 bis 300 vor Christus. Diese sogenannte Spätzeitkarte war ebenfalls für den TAVO bestimmt.
Für die Jahre 1986 bis 1988 begrenzte die Universität den Finanzierungsantrag des SFB 19 an die DFG hinsichtlich der für die Vergütung des Klägers benötigten Personalkosten auf die Zeit bis 31. März 1987, obwohl das Projekt der Spätzeitkarte in dem ursprünglich vorgesehenen Umfang zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen sein konnte. Die Universität, deren Verwaltungsrat am 13. Juli 1985 beschlossen hatte, eine Erweiterung der Ausstattung im wissenschaftlichen Dienst mit Dauerstellen unter anderem im Bereich der Ägyptologie im Hinblick auf die unzureichende Ausstattung mit Stellen des wissenschaftlichen Nachwuchses in anderen Fächern nicht vorzunehmen, bestand auf dem hinsichtlich der Personalkosten des Klägers bis 31. März 1987 beschränkten Finanzierungsantrag, um wegen der fehlenden Möglichkeit, ihn nach Abschluß seiner Arbeiten im SFB 19 auf einer anderen Stelle weiterbeschäftigen zu können, den Eintritt der Unkündbarkeit nach § 53 Abs. 3 BAT zu verhindern. In dem Bewilligungsbescheid der DFG vom 1. Dezember 1985, in dem der Universität T für den SFB 19 Mittel für die Haushaltsjahre 1986 und 1987 bewilligt und für das Haushaltsjahr 1988 in Aussicht gestellt werden, wurden dementsprechend die Personalkosten für den Kläger auf den 31. März 1987 beschränkt. Die im Drei-Jahres-Rhythmus vom SFB 19 seit 1969 bei der DFG gestellten Bewilligungsanträge waren bisher vom Präsidenten der Universität unverändert an die DFG weitergeleitet worden; erstmals im Jahre 1985 anläßlich der Weiterleitung des Finanzierungsantrages für die Jahre 1986 bis 1988 wurde dieser Antrag in der - was die Personalkosten für den Kläger angeht - eingeschränkten Form weitergeleitet.
Mit Schreiben vom 6. Juni 1986 kündigte das beklagte Land das bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. März 1987 im wesentlichen mit der Begründung auf, die Stelle des Klägers im Teilprojekt Ägyptologie werde von der DFG nur bis zum 31. März 1987 gefördert; danach stünden auch von anderer Seite keine Mittel mehr zur Verfügung; eine Weiterbeschäftigung auf einer anderen Stelle sei nicht möglich, zumal nach dem Beschluß des Verwaltungsrates eine Erweiterung der von der Universität zu tragenden Grundausstattung mit Dauerstellen des wissenschaftlichen Dienstes im Bereich der Ägyptologie im Vergleich zu der unzureichenden Ausstattung in anderen Fächern nicht möglich sei.
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung; es fehle an einem dringenden betrieblichen Erfordernis, denn Grund der Kündigung sei nicht, daß Mittel der DFG für seine Vergütung über den 31. März 1987 hinaus nicht mehr zur Verfügung stünden, sondern allein die Absicht der Universität, den Eintritt der Unkündbarkeit zu verhindern; das kartographische Projekt, an dem er zuletzt gearbeitet habe, sei noch lange nicht beendet; Mittel der DFG hierfür stünden - was insoweit unstreitig ist - auch weiterhin zur Verfügung, wenn die Universität sie nur beantrage.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der
Parteien durch die Kündigung des Beklagten
vom 6. Juni 1986 zum 31. März 1987 nicht auf-
gelöst werde und über diesen Termin hinaus
fortbestehe.
Der Beklagte hat mit seinem Klageabweisungsantrag sich auf den Wegfall der sogenannten Drittmittelfinanzierung berufen; die Finanzierung des Klägers durch die DFG über den 31. März 1987 hinaus habe die Universität wegen der hiermit verbundenen Folgelasten nicht annehmen können; es sei dem beklagten Land nicht zuzumuten, den Kläger im SFB 19 noch für maximal 1 3/4 Jahre bis zum Auslaufen des jetzigen Forschungsprojektes weiterzubeschäftigen, wenn für die sich daran anschließende Zeit keine geeignete Stelle zur Verfügung stehe. Es könne keine Rolle spielen, daß im Bereich der Ägyptologie kein Arbeitsmangel herrsche, denn die Fortführung der TAVO-Arbeiten könne nicht zu Lasten anderer Forschungsbereiche gehen; insofern handele es sich bei der Entscheidung des Verwaltungsrates der Universität um eine nicht nachprüfbare Arbeitgeber-Entscheidung. Der Weiterleitung des an die DFG gerichteten Finanzierungsantrages für die Jahre 1986 bis 1988 sei mit der Maßgabe zugestimmt worden, daß die Annahme eventuell bewilligter Mittel davon abhängig gemacht wurde, keine Folgekosten infolge der Unkündbarkeit von Mitarbeitern für die Universität entstehen zu lassen.
Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben und im wesentlichen zur Begründung ausgeführt, das beklagte Land könne sich auf die Einstellung der Drittmittelfinanzierung deshalb nicht berufen, weil es unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 162 Abs. 2 BGB selbst bewirkt habe, daß keine Mittel zur Finanzierung der Stelle des Klägers zur Verfügung stünden; ggf. habe das beklagte Land bei Beendigung der TAVO-Arbeiten trotz Eintritts der Unkündbarkeit aus außerordentlichem Grunde kündigen können.
Die vom beklagten Land gegen dieses Urteil eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Kündigung des Klägers durch das beklagte Land stellt sich als objektiv funktionswidrige Normumgehung (§ 53 Abs. 3 BAT) dar und ist deshalb rechtsunwirksam.
1. Das Landesarbeitsgericht hat sein Urteil im wesentlichen wie folgt begründet: Das beklagte Land berufe sich zwar auf dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, die auch bei einer Drittmittelkürzung - wie hier - vorliegen könnten; auf diesen "an sich" gegebenen Kündigungsgrund könne sich das Land jedoch nicht mit Erfolg berufen, weil die Universität diesen Kündigungsgrund aus sachlich nicht gerechtfertigten Erwägungen bewußt herbeigeführt habe; wie unstreitig sei, habe die Universität gegenüber dem SFB 19 nicht wegen Abschlusses der dem Kläger obliegenden Arbeiten, sondern wegen dessen bevorstehender Unkündbarkeit nach § 53 Abs. 3 BAT darauf bestanden, daß die Mittel für die Besoldung des Klägers bei der DFG nur bis 31. März 1987 beantragt würden, so daß diese auch nur bis zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden seien. Ohne diese Einflußnahme wären die Personalmittel auch für die Zeit nach dem 31. März 1987 beantragt und auch - was unstreitig sei - bewilligt worden, zumal der Kläger noch mit Arbeiten an dem von der DFG geförderten TAVO-Projekt über diesen Zeitpunkt hinaus hätte beschäftigt werden können; den Eintritt einer tariflichen Kündigungsbeschränkung zu verhindern stelle aber keinen die Kündigung rechtfertigenden Grund dar, sondern sei objektiv treuwidrig. Das Anliegen der Universität sei nicht schutzwürdig, zumal sie ggf. die Möglichkeit - wenn auch nicht zur außerordentlichen Kündigung, so doch - zur Kündigung zum Zwecke der Herabgruppierung (§ 55 Abs. 2 Satz 2 BAT) habe.
2. Dem ist im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung zuzustimmen: Die Kündigung der Beklagten erweist sich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer objektiv funktionswidrigen Normumgehung als rechtsunwirksam, denn sie ist nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Tatbestand allein deshalb ausgesprochen worden, um beim Kläger den Eintritt der sog. Unkündbarkeit zu verhindern.
a) An § 53 Abs. 3 BAT scheitert eine ordentliche Beendigungskündigung nur dann, wenn der Angestellte bereits beim Zugang der Kündigung eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt und das Mindestalter von 40 Jahren vollendet hat (vgl. BAG Urteile vom 16. Oktober 1987 - 7 AZR 204/87 - AP Nr. 2 zu § 53 BAT, zu III 1 der Gründe; ebenso Clemens in Anm. zu AP Nr. 2 zu § 53 BAT; ferner Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Februar 1989, § 53 Anm. 21; Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Stand April 1989, § 53 Erl. 8). Dagegen ist es unschädlich, wenn die genannten Unkündbarkeitsvoraussetzungen erst beim Ablauf der Kündigungsfrist oder zu dem sonstigen mit der Kündigung gewollten Beendigungszeitpunkt vorliegen. Geht man zugunsten des beklagten Landes davon aus, daß der damals 50 Jahre alte Kläger erst nach Ablauf des 28. Februar 1987 und damit erst nach dem Zugang der Kündigung (18. Juni 1986) die Beschäftigungszeit von 15 Jahren vollendet hatte, so verstößt die Kündigung nicht unmittelbar gegen § 53 Abs. 3 BAT; sie erweist sich hier jedoch als objektiv funktionswidrige Umgehung des § 53 Abs. 3 BAT. Daß ein Rechtsgeschäft die mit ihm gewollte Wirkung nicht entfalten kann, wenn es sich als objektive Umgehung einer zwingenden Rechtsnorm darstellt, ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit langem anerkannt (grundlegend BAGE - GS - 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; ferner BAGE 50, 292 = AP Nr. 65 zu § 1 LohnFG; BAG Urteil vom 16. Oktober 1987 - 7 AZR 204/87 - AP, aa0, mit Anm. von Clemens bei einer vorzeitigen Kündigung zu einem späteren Termin nach Eintritt der Unkündbarkeit; ferner Senatsurteile vom 7. Mai 1987 - 2 AZR 271/86 - AP Nr. 19 zu § 9 KSchG 1969 und vom 25. Juni 1987 - 2 AZR 541/86 - AP Nr. 14 zu § 620 BGB Bedingung). Eine solche Gesetzesumgehung liegt vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt wird, daß andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten mißbräuchlich, das heißt ohne einen im Gefüge der einschlägigen Rechtsnormen sachlich gerechtfertigten Grund, verwendet werden. Dabei kommt es nicht auf eine Umgehungsabsicht oder eine bewußte Mißachtung der zwingenden Rechtsnorm an; entscheidend ist die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts (BAG - GS - 10, 65, 70 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
b) Die Funktionswidrigkeit der streitigen Kündigung liegt nicht darin, daß die Kündigung vom 6. Juni 1986 nur wenige Monate vor dem Eintritt der Unkündbarkeit des Klägers am 1. März 1987 erfolgt ist. Sie liegt vielmehr in der für den Senat bindend festgestellten Tatsache (vgl. oben), daß mit der Kündigungsmaßnahme gerade der Eintritt der Unkündbarkeit verhindert werden sollte.
Die Revision rügt zwar, das Landesarbeitsgericht habe den vorausgegangenen Beschluß des Verwaltungsrates der Universität T vom 13. Juli 1985 nicht berücksichtigt, im Hinblick auf die unzureichende Ausstattung anderer Fächer eine Erweiterung der Dauerstellen im wissenschaftlichen Dienst des Ägyptologie-Bereichs nicht vorzunehmen. Damit liege eine Entscheidung vor, nach der nicht der Zweck verfolgt wurde, die Unkündbarkeit des Klägers zu verhindern, sondern die Aufgabe des SFB 19 nicht in der geplanten Form fortzuführen. Diese Rüge unvollständiger Sachverhaltsauswertung (§ 286 ZPO) ist aber unbegründet. Das Berufungsgericht hat im unstreitigen Tatbestand und in den Entscheidungsgründen (S. 10 oben) festgehalten, wie sich zusätzlich aus der Aussage des vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen Prof. Röllig ergebe, habe die Universität gegenüber der Leitung des SFB 19 nicht wegen des bevorstehenden Abschlusses der dem Kläger obliegenden Arbeiten darauf bestanden, diese Mittel für die Besoldung des Klägers bei der DFG nur noch bis 31. März 1987 zu beantragen. Das sei vielmehr allein deswegen geschehen, um den Eintritt der Unkündbarkeit beim Kläger zu verhindern. Diese tatsächlichen Feststellungen und die Beweiswürdigung als solche sind nicht mit einer durchgreifenden Verfahrensrüge angegriffen worden, so daß der Senat gemäß § 561 ZPO an sie gebunden ist. Sie lassen auch den Beschluß des Verwaltungsrates der Universität nicht unberücksichtigt, sondern ordnen das Motiv für die Kündigung, also den Kündigungsgrund aufgrund des festgestellten unstreitigen Tatbestandes und der Auswertung der Beweisaufnahme nur anders, als von der Revision gewünscht, ein. Dies aber liegt im Beurteilungsspielraum des Tatsachenrichters.
Der Senat kann demgemäß nicht davon ausgehen, der Kündigungsgrund liege in der - möglicherweise auch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG unangreifbaren - sachlich gerechtfertigten Arbeitgeberentscheidung, die ägyptologische Aufgabe des Klägers am TAVO zum 31. März 1987 zu beenden. In beiden Vorinstanzen ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vorgetragen worden, es gehe um eine solche organisatorische Maßnahme des öffentlichen Arbeitgebers zwecks notwendiger Einsparung oder zwecks Förderung anderer Forschungsaufgaben. Demnach ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß in der Absicht des Beklagten, den Eintritt der Unkündbarkeit des Klägers zu verhindern, keine eine vorherige Kündigung sachlich rechtfertigende Erwägung liege. Denn tatsächlich würde bei Anerkennung dieser Kündigungsbegründung die nach Eintritt der Unkündbarkeit zu Gunsten des Arbeitnehmers wirkende Kündigungsbeschränkung des § 53 Abs. 3 BAT in ihr Gegenteil verkehrt (ebenso BAG Urteil vom 16. Oktober 1987 - 7 AZR 204/87 - AP Nr. 2 zu § 53 BAT = EzA § 626 BGB Unkündbarkeit Nr. 1 für den eine Arbeitskollegin des Klägers betreffenden Fall). Der Beklagte kann sich also bei vorhandener Beschäftigungsmöglichkeit und weiterbestehendem Beschäftigungsbedarf nicht auf den von ihm selbst herbeigeführten - wie im Kündigungsschreiben vom 6. Juni 1986 ausgeführt - "Wegfall der Stelle" berufen. Eine derartige rechtliche Gestaltungsmöglichkeit ist mißbräuchlich.
Dies wird zusätzlich durch den weiteren unstreitigen Umstand belegt, daß die seit 1969 im Drei-Jahres-Rhythmus praktizierte Handhabung, wonach die vom SFB 19 bei der DFG gestellten Bewilligungsanträge vom Präsidenten der Universität unverändert an die DFG weitergeleitet wurden, erstmals im Jahre 1985 anläßlich der Weiterleitung des Finanzierungsantrages für die Jahre 1986 bis 1988 abgeändert wurde, nämlich in der bezüglich der Personalkosten für den Kläger eingeschränkten Form. Damit zielte diese Einschränkungsmaßnahme allein auf den Kläger, der ohne die Existenz des § 53 Abs. 3 BAT offensichtlich mit den von der DFG bewilligten Mitteln jedenfalls bis zur Beendigung der Arbeiten der für den TAVO bestimmten Spätzeitkarte weiterbeschäftigt worden wäre.
c) Auch der Hinweis der Revision auf § 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Universitäten im Lande Baden-Württemberg vom 30. Oktober 1987 sowie die entsprechende Bestimmung des § 25 Abs. 2 Hochschulrahmengesetz, wonach die Universitäten Zuwendungen Dritter annehmen dürfen, soweit dadurch nicht die Erfüllung anderer Aufgaben der Universität beeinträchtigt wird und wenn entstehende Folgelasten angemessen berücksichtigt sind, führt angesichts der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht weiter. Das Landesarbeitsgericht ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen davon ausgegangen, die ausgesprochene Kündigung habe den Eintritt der sogenannten Unkündbarkeit beim Kläger verhindern sollen und sei keine Folge der freien Entscheidung der Universität zur Förderung bestimmter wissenschaftlicher Aufgaben in anderen Fächern. Als Kündigungsgrund kann deswegen kein die Gerichte ggf. bindender Beschluß der Universität über die Einstellung der ägyptologischen Arbeiten am TAVO zum 31. März 1987, um - wie das beklagte Land erstmals in der Revisionsinstanz vorträgt - gewisse Vorhaben vorzuziehen und sich wissenschaftlichen Aufgaben in anderen Fächern entsprechend ihren Vorstellungen zu widmen, zugrunde gelegt werden. Dieses neue Vorbringen kann schon deshalb nicht verwertet werden, weil der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen unterliegt, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils ersichtlich ist (§ 561 Abs. 1 ZPO). Bisher aber lief die Argumentation des beklagten Landes darauf hinaus, es sei dem beklagten Land nicht zuzumuten, den Kläger im SFB 19 noch für maximal 1 3/4 Jahre bis zum Auslaufen des jetzigen Forschungsprojektes weiterzubeschäftigen, wenn für die sich daran anschließende Zeit keine geeignete Stelle zur Verfügung stehe, die Fortführung der TAVO-Arbeiten könne nicht zu Lasten anderer Forschungsbereiche gehen. Bereits dieses Vorbringen war unsubstantiiert, was die Belastung anderer Forschungsbereiche angeht, und ließ auch nicht erkennen, inwiefern zur Zeit der Kündigung Mitte 1986 schon absehbar war, daß 1 3/4 Jahre nach dem 31. März 1987, also gegen Ende 1988, keine geeignete Stelle für den Kläger zur Verfügung stehe.
3. Darüberhinaus ist auch die vom Landesarbeitsgericht gewählte weitere Begründung zutreffend, das beklagte Land könne sich in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 162 Abs. 2 BGB auf die von ihm selbst bewußt herbeigeführte Betriebsbedingtheit nicht berufen, weil dafür angesichts der unstreitigen Absicht, den Eintritt der Unkündbarkeit beim Kläger zu verhindern, keine sachlich gerechtfertigte Erwägung vorliege. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 BGB, nach dem sich niemand auf den von ihm selbst wider Treu und Glauben herbeigeführten Eintritt einer Bedingung berufen kann, frei von Rechtsfehlern deswegen angewandt, weil das beklagte Land durch die Nichtbeantragung der Drittmittel für die Finanzierung der klägerischen Stelle die Bedingung für die Kündigung, nämlich ein dringendes betriebliches Erfordernis, selbst herbeigeführt habe.
Was die dagegen von der Revision vorgebrachten Rügen angeht, gelten die obigen Ausführungen zu 1. und 2. in gleichem Maße: Für den Senat ist bindend festgestellt (§ 561 ZPO), daß die Kündigung nicht - wie die Revision jetzt geltend macht - zu dem Zweck ausgesprochen worden ist, die ägyptologischen Arbeiten am TAVO als solche einzustellen, sondern daß dies nur eine indirekte Folge der Kündigung des Klägers zum 31. März 1987 war, durch die der Eintritt der Unkündbarkeit verhindert werden sollte.
Das Landesarbeitsgericht hat dies rechtsfehlerfrei als treuwidrig angesehen und dazu angeführt, auf ein schuldhaftes Handeln des beklagten Landes komme es nicht an, sondern ein objektiver Verstoß gegen Treu und Glauben reiche aus; dieser liege vor, weil die Vermeidung einer auf Tarifvorschriften beruhenden Kündigungsbeschränkung eine Kündigung nicht rechtfertigen könne. Dies ist rechtlich zutreffend. Insoweit gelten vor allem auch die oben zu 2. gemachten Ausführungen, daß im Hinblick auf die vom Landesarbeitsgericht getroffene Feststellung des Kündigungszweckes das Land sich nicht auf § 8 Abs. 2 Universitätsgesetz BW, § 25 Abs. 2 Hochschulrahmengesetz berufen könne. Danach ist die Kündigung nicht mit dem Zweck ausgesprochen worden, die Erfüllung der Hochschulaufgaben nicht zu beeinträchtigen und entstehende Folgelasten angemessen zu berücksichtigen, wozu im übrigen ein detaillierter Sachvortrag fehlt. Schließlich ist das Landesarbeitsgericht weiter zutreffend davon ausgegangen, daß für die Anwendung des Rechtsgedankens aus § 162 BGB nicht ein schuldhaftes Handeln zu fordern ist, sondern Treuwidrigkeit vorliegt, wenn bei rein objektiver Betrachtung die Maßnahme aus einem zu mißbilligenden Beweggrund - wie hier - geschieht (so BAGE 31, 83 = AP Nr. 19 zu § 102 BetrVG 1972, zu I 1 der Gründe; MünchKomm-Westermann, BGB, 2. Aufl., § 162 Rz 10; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 162 Rz 8).
4. Nach alledem braucht auch nicht mehr erörtert zu werden, ob für das beklagte Land trotz weiterbestehenden Beschäftigungsbedarfs über den 31. März 1987 hinaus bis jedenfalls Ende 1988 (vorgesehene Beendigung der Arbeiten an der Spätzeitkarte) zur Zeit der Kündigung ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich vorlag, oder ob nicht das beklagte Land bei vorausschauender Planung ab 1. Januar 1988 für den Kläger wegen der Unkündbarkeitsregelung eine auf Dauer angelegte Angestelltenstelle hätte bereit halten müssen (vgl. dazu Clemens in Anm. zu AP Nr. 2 zu § 53 BAT).
Hillebrecht Triebfürst Bitter
Strümper Rupprecht
Fundstellen
ZTR 1990, 23-24 (ST1) |
EzBAT § 53 BAT, Nr 12 (ST1) |