Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsgegenklage des Drittschuldners
Leitsatz (amtlich)
Mit der Vollstreckungsgegenklage kann der Drittschuldner als Einwand gegen die Vollstreckung aus der in einem Prozeßvergleich titulierten Abfindungsforderung geltend machen, daß die Forderung einem anderen Gläubiger zur Einziehung überwiesen ist.
Normenkette
BGB §§ 804, 1282, 1285; ZPO §§ 164, 767, 794, 850c, 850i
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 27.09.1994; Aktenzeichen 9 Sa 386/94) |
ArbG Köln (Urteil vom 10.11.1993; Aktenzeichen 15 (9) Ca 5509/93) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. September 1994 – 9 Sa 386/94 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem am 11. Dezember 1992 vor dem Arbeitsgericht Köln abgeschlossenen Vergleich, in dem das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1992 aufgelöst worden ist und die Klägerin sich zur Zahlung einer Abfindung von 9.000,00 DM an den Beklagten verpflichtet hat.
Die Klägerin hatte den verheirateten Beklagten seit dem 1. März 1989 in ihrem Verkaufsbetrieb auf dem Kölner Großmarkt beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist von der Klägerin gekündigt worden, nachdem Probleme bei der Bedienung von Lohnpfändungen aufgetreten waren. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Köln vom 20. Januar 1992 ist der Anspruch des Beklagten auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis, soweit nach Abzug der teuern und sozialen Lasten sie den Betrag von 700,00 DM und der Hälfte des Mehrbetrages monatlich übersteigen, wegen Unterhaltsrückständen für die Zeit von Dezember 1989 bis Januar 1992 in Höhe von 9.432,00 DM und wegen des laufenden Unterhalts von monatlich 360,00 DM gepfändet und dem unterhaltsberechtigten Sohn des Beklagten S. M. überwiesen worden. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten hat das Landgericht Köln mit Beschluß vom 24. März 1993 angeordnet, daß dem Beklagten mindestens verbleiben müssen:
- bei Vollstreckung hinsichtlich des laufenden Unterhalts (360,– DM monatlich) 2.213,10 DM zuzüglich 30 % des Mehrbetrages,
- bei Vollstreckung hinsichtlich der titulierten Unterhaltsrückstände bis 1. Januar 1992 und der Kosten die Freibeträge entsprechend der Tabelle zu § 850 c ZPO bei Unterhaltspflicht für drei Personen, jedoch mindestens 2.430,10 DM.
Die Klägerin ging irrtümlich von den normalen Pfändungsfreibeträgen aus. Wegen zu niedriger Abführung erhob das nichteheliche Kind Drittschuldnerklage. In dem Drittschuldnerprozeß, in dem die Klägerin dem Beklagten den Streit verkündet hat, ist die Klägerin erstinstanzlich am 14. Januar 1993 zur Zahlung von 11.757,48 DM nebst Zinsen an S. M. verurteilt worden. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung hat sie 12.007,36 DM an den Vollstreckungsgläubiger ausgezahlt. In zweiter Instanz ist dieses Urteil abgeändert und die Klägerin lediglich zur Zahlung von 3.667,42 DM und S. M. zur Rückzahlung von 8.090,06 DM verurteilt worden. Mit Schreiben vom 15. Februar 1993 hat die Klägerin die Aufrechnung wegen der durch ihre Zahlungen an S. M. eingetretenen Befreiung des Beklagten von seiner Unterhaltsverpflichtung erklärt. Der Beklagte hat dieser Verrechnung widersprochen und betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich. Zu diesem Zweck hat er am 22. Juni 1993 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Frankfurt – 53 M 4971/93 – zur Zwangsvollstreckung in das Geschäftskonto der Klägerin erwirkt. Die Klägerin hat zur Abwendung der Zwangsvollstreckung den Abfindungsbetrag in Höhe von 9.000,00 DM beim Amtsgericht Frankfurt – 2 HL Y 3/93 – hinterlegt. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Köln vom 22. März 1994 ist zugunsten des Vollstreckungsgläubigers S. M. der Anspruch des Beklagten auf Auszahlung des Abfindungsbetrages wegen Unterhaltsrückständen für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 1. Oktober 1993 in Höhe von 12.240,– DM nebst Zinsen und Kosten gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden.
Mit der am 29. Juni 1993 erhobenen Vollstreckungsgegenklage macht die Klägerin die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 11. Dezember 1992 geltend. Sie hat erstinstanzlich beantragt:
Die Zwangsvollstreckung des Beklagten gegen die Klägerin aus dem vollstreckbaren Vergleich des Arbeitsgerichts Köln ist unzulässig.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 2. Juli 1993 angeordnet, einstweilen die Zwangsvollstreckung einzustellen. Mit Urteil vom 10. November 1993 hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht am 27. September 1994 das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Zwangsvollstreckung aus dem vor dem Arbeitsgericht abgeschlossenen Vergleich für unzulässig erklärt. Mit der im Berufungsurteil zugelassenen Revision beantragt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen klageabweisenden Urteils. Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Beklagten ist zulässig.
Nach § 72 Abs. 1 Satz 1 ArbGG findet gegen ein Endurteil die Revision nur statt, wenn sie zugelassen ist. In dem vom gesamten Spruchkörper unterschriebenen Urteil des Landesarbeitsgerichts ist die Revision zugelassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Zulassung jedoch nur dann wirksam, wenn sie als Bestandteil entweder des Urteilstenors oder der Urteilsgründe mitverkündet worden ist (BAG Urteil vom 23. November 1994 – 4 AZR 528/92 – BAGE 78, 294 = AP Nr. 27 zu § 72 ArbGG 1979, m.w.N.).
In dem bei Schluß der mündlichen Verhandlung am 2. August 1994 bestimmten Termin zur Verkündung einer Entscheidung am 27. September 1994 ist keine Zulassung der Revision verkündet worden. Das ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll, das von der Vorsitzenden Richterin und der Urkundsbeamtin gemeinsam unterschrieben worden ist. Der Berichtigungsbeschluß der Vorsitzenden Richterin vom 14. Oktober 1994 kann nicht das Verkündungsprotokoll ändern. Zwar können nach § 164 Abs. 1 ZPO Unrichtigkeiten des Protokolls jederzeit berichtigt werden. Die Berichtigung wird jedoch nicht durch einen richterlichen Beschluß, sondern durch einen Vermerk vollzogen, der gemeinsam von dem Richter und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, der zur Protokollführung zugezogen worden war, zu unterschreiben ist (§ 164 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Die Unterschrift des Urkundsbeamten ist nicht entbehrlich.
Im Fall des versehentlichen Unterbleibens der Verkündung kann jedoch die beschlossene Revisionszulassung auch in den nichtverkündeten Urteilsgründen zum Ausdruck gebracht werden (BAG Urteil vom 23. November 1994 – 4 AZR 528/92 – a.a.O.). Das ist hier geschehen. Denn bei der Verkündung lag bereits das vollständig abgefaßte und vom gesamten Spruchkörper unterschriebene Urteil vor.
II. Die Revision ist unbegründet. Die Vollstreckungsgegenklage der Klägerin ist zulässig und begründet.
1. Die Klägerin hat materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Anspruch des Beklagten aus dem vor dem Arbeitsgericht Köln im Kündigungsschutzverfahren abgeschlossenen Prozeßvergleich geltend gemacht. Das ist im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO zulässig. Eine Vollstreckungsgegenklage kann nämlich nicht nur gegen einen durch Urteil festgestellten Anspruch, sondern auch gegen einen titulierten Anspruch aus Prozeßvergleich gerichtet werden (vgl. BGH Urteil vom 8. Oktober 1992 – VII ZR 272/92 – WM 1993, 393, 394; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 5. Aufl., Rz 1329; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 54. Aufl., § 767 Rz 10; Zöller/Herget, ZPO, 20. Aufl., § 767 Rz 6). Der Vergleich, in dem sich die Klägerin zur Zahlung von 9.000,00 DM an den Beklagten verpflichtet hat, ist nach Inhalt und Form ein Vollstreckungstitel im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, aus dem vollstreckt werden kann.
2. Die Vollstreckungsgegenklage ist auch begründet. Die Klägerin ist mit ihren Einwendungen nicht nach § 767 Abs. 2, 3 ZPO ausgeschlossen. Ihre Einwendungen führen dazu, daß die Vollstreckbarkeit der titulierten Forderung beseitigt wird.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die titulierte Forderung sei nach Zugang der Aufrechnungserklärung vom 15. Februar 1993 mit der bereicherungsrechtlichen Gegenforderung der Klägerin in Höhe von 3.667,42 DM erloschen. Wegen des Restbetrages von 5.332,58 DM habe ein vollstreckungsrechtlicher Gläubigerwechsel nach der Pfändung zugunsten des S. M. stattgefunden.
b) Die Vollstreckbarkeit der titulierten Abfindungsforderung ist durch die Zustellung des zugunsten des S. M. erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Köln vom 22. März 1994 an die Drittschuldnerin am 29. März 1994 beseitigt worden. Nach § 829 Abs. 3 ZPO ist mit der Zustellung des Beschlusses an die Klägerin die Pfändung als bewirkt anzusehen. Von diesem Zeitpunkt an hatte der Beklagte als Forderungsgläubiger sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (§ 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Zwar ist kein vollstreckungsrechtlicher Gläubigerwechsel eingetreten, aber – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – ist bereits mit Bewirken der Pfändung die alleinige Sachbefugnis des Beklagten als Forderungsinhaber entfallen. Das ergibt sich aus § 804 Abs. 1 ZPO. Der Vollstreckungsgläubiger erwirbt danach ein Pfandrecht an der gepfändeten Forderung. Gemäß § 1282 BGB kann der Forderungsinhaber nicht mehr Leistung an sich allein verlangen. Wegen der unterschiedlichen Rechtswirkung von Abtretung und Pfändung findet dennoch kein Gläubigerwechsel statt (a. A.: Amtsgericht München Beschluß vom 4. Januar 1984 – 33 M 4068/83 – DGVZ 1984, 67). Nach der Überweisung der gepfändeten Forderung zur Einziehung geht nämlich nicht die ursprüngliche Forderungsinhaberschaft unter. Die Überweisung bewirkt nach § 836 Abs. 1 ZPO lediglich die Ersetzung der fehlenden rechtsgeschäftlichen Einziehungsermächtigung. Nach § 1285 Abs. 2 BGB wird der Pfandgläubiger berechtigt, die Forderung ohne Mitwirkung des Gläubigers einzuziehen. Deshalb ist es dem Gläubiger dann nicht mehr gestattet, Maßnahmen zur Verwertung der Forderung zu ergreifen, welche das Einziehungsrecht des Pfändungsgläubigers beeinträchtigen.
Das ist hier geschehen. Denn der Beklagte hat sich nicht darauf beschränkt, Maßnahmen zur Sicherung der Forderung zu ergreifen. Eine Sicherung war im übrigen auch entbehrlich. Denn die Klägerin hat nach § 108 Abs. 1 ZPO Sicherheit durch Hinterlegung geleistet. Der Beklagte hat die Zwangsvollstreckung ausschließlich zum Zwecke der Verwertung der titulierten Forderung betrieben. Damit hat er das Einziehungsrecht des S. M. und das Interesse der Klägerin als Drittschuldnerin beeinträchtigt.
c) Da der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 22. März 1994 ohne Pfändungsschutz erlassen worden ist, ist die Zwangsvollstreckung insgesamt für unzulässig zu erklären.
Nach § 850 i Abs. 1 ZPO ist für nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen dem Schuldner nur auf Antrag soviel zu belassen, als er während eines angemessenen Zeitraums für seinen notwendigen Unterhalt bedarf. Die arbeitsrechtlichen Abfindungsansprüche nach den §§ 112, 113 BetrVG und nach §§ 9, 10 KSchG sind Arbeitseinkommen (BAG Urteil vom 13. Juli 1959 – 2 AZR 398/58 – AP Nr. 1 zu § 850 ZPO). Gleiches gilt für die vertraglich vereinbarte Abfindung (BAG, a.a.O.). Der für diese „nicht wiederkehrend zahlbare Vergütung” bestehende gesetzliche Pfändungsschutz ist in § 850 i Abs. 1 ZPO spezialgesetzlich in Abgrenzung von dem Arbeitseinkommen, das für einen bestimmten Zeitraum gezahlt wird (§ 850 c ZPO), geregelt.
d) Ob die titulierte Forderung in Höhe von 9.000,00 DM bereits bei Erlaß des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in Folge der Aufrechnungserklärung vom 15. Februar 1993 teilweise erloschen war, bedarf keiner Entscheidung. Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage ist nicht, ob und inwieweit der titulierte Anspruch noch besteht, sondern ausschließlich, ob die Vollstreckung aus dem titulierten Anspruch zulässig ist (BGH Urteil vom 22. September 1994 – IX ZR 165/93 – LM Nr. 3 zu § 830 ZPO, m. Anm. von Walker; Brox/Walker, a.a.O., Rz 1313; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 20. Aufl., § 767 Rz 3; Zöller/Herget, a.a.O., § 767 Rz 1).
e) Die Klägerin ist auch nicht mit ihrem Einwand nach § 767 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO ausgeschlossen. Die Klägerin konnte zur Zeit der Erhebung der Klage diesen Einwand noch nicht geltend machen, weil der Grund der Einwendung erst später entstanden ist. Sie hat deshalb die Einwendung im Berufungsrechtszug noch rechtzeitig geltend gemacht.
III. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Leinemann, Müller-Glöge, Düwell, R. Schmidt, Schwarz
Fundstellen
Haufe-Index 1092978 |
NJW 1997, 1868 |
NZA 1997, 563 |