Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerstatus einer Betreuerin in einem Jugendhaus

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 04.09.1992; Aktenzeichen 12 Sa 193/92 E)

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 26.11.1991; Aktenzeichen 5 Ca 257/91 E)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 4. September 1992 – 12 Sa 193/92 E – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin bei der beklagten Stadt als Arbeitnehmerin beschäftigt ist.

Die Klägerin, die an der Universität B. als Studentin eingeschrieben ist, ist seit dem 28. Juni 1982 im von der beklagten Stadt betriebenen Jugendhaus „Spielhaus Be.” als pädagogische Betreuerin tätig. Die Parteien schließen hierüber jeweils auf fünf Monate befristete „Vereinbarungen für Honorarkräfte des Jugendamtes der Stadt D.” ab, die jeweils folgenden Wortlaut haben:

„1. Frau W. übernimmt in der Zeit vom 01.12.90–30.04.91 für jeweils max. 10 Std. (á 60 Minuten) in der Woche als freie Mitarbeiterin die verantwortliche Betreuung einer der im Jugendhaus Be. bestehenden Kinder- bzw. Jugendgruppe.

Die Stundenregelung gilt für die Zeit des Studiums.

Die zeitliche Einteilung der Betreuungstätigkeit erfolgt im Einvernehmen mit den dort tätigen Mitarbeitern und Honorarkräften.

Dabei ist auf die Wünsche und Belange der jeweils übernommenen Kinder- bzw. Jugendgruppe sowie die Konzeption des Jugendhauses Rücksicht zu nehmen.

Unfälle, Beschädigungen des Hauses und der Einrichtung sowie Beschädigung oder Abhandenkommen von Teilen der Sachausstattung des Hauses sind dem Jugendamt unverzüglich zu melden.

Der Honorarkraft wird im eigenen Interesse die Teilnahme an Teamgesprächen über die Arbeit des Jugendhauses empfohlen. Sofern sie vom Jugendamt anberaumt worden sind, gilt die Teilnahme als Betreuungstätigkeit im Sinne der Vereinbarung.

Ein Wohnungswechsel der Honorarkraft ist dem Jugendamt unverzüglich mitzuteilen.

2. Die Honorarkraft führt zum Nachweis ihrer Tätigkeit einen Stundennachweis. Es werden nur die Stunden vergütet, die tatsächlich geleistet werden, d.h., es erfolgt keine Honorierung für Ausfallzeiten, auch nicht für die, die der freie Mitarbeiter nicht zu vertreten hat.

Die nachgewiesene Betreuungstätigkeit wird wie folgt honoriert:

1 Stunde á. 60 Minuten mit max.

16,– DM.

Das Honorar wird jeweils am Monatsende nach Vorlage des Stundennachweises fällig. Auf Antrag können Abschlagszahlungen gewährt werden.

Mit der Honorarleistung sind alle Ansprüche aus dieser Vereinbarung, auch der Zeitaufwand für die persönliche Vor- und Nachbereitung der Tätigkeit, abgegolten.

Für genehmigte Fahrten werden bei Benutzung eines eigenen PKW je km –, 30 DM, für Strecken, die mit regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln zurückgelegt worden sind, die entstandenen notwendigen Fahrkosten der einfachsten Klasse erstattet.

Die Verpflichtung und damit die vereinbarte Leistung ist an die Person des freien Mitarbeiters gebunden und muß von diesem selbst geleistet werden.

3. Die Honorarkraft ist verpflichtet,

  1. bei Erkrankungen oder sonstigen Verhinderungen den jeweils zuständigen Mitarbeiter des Jugendamtes für das Jugendhaus unverzüglich zu verständigen,
  2. keine für das Jugendamt oder die Stadt D. bestimmte Gelder ohne schriftliche Genehmigung entgegenzunehmen,
  3. den am Jahresende vom Jugendamt aufgegebenen Prämienbetrag für die Unfallversicherung selbst zu versteuern,
  4. keine Sachmittel auf Kosten des Jugendamtes bzw. der Stadt D. ohne schriftliche Genehmigung zu beschaffen,
  5. jede Änderung der persönlichen Verhältnisse dem Jugendamt mitzuteilen.

4. Diese Vereinbarung kann vor Beendigung der vereinbarten Laufzeit

  1. von der Honorarkraft mit einer Frist von 14 Tagen zum Ende eines Monats,
  2. vom Jugendamt mit einer Frist von 14 Tagen zum Ende eines Monats nur dann, wenn die für die Honorierung im Haushaltsplan bereitgestellten Mittel nachträglich gekürzt werden,

gekündigt werden.

Diese Vereinbarung verpflichtet weder den freiberuflichen Mitarbeiter noch das Jugendamt zur Fortführung über die vereinbarte Laufzeit hinaus.

Das Recht beider Parteien zur außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt.

5. Die Tätigkeit ist eine freiberufliche Tätigkeit. Sie bringt weder eine Beamteneigenschaft noch die Stellung eines Angestellten oder Arbeiters im öffentlichen Dienst mit sich.

6. Der freiberufliche Mitarbeiter bestätigt, daß sich seine persönlichen Verhältnisse, die von ihm im Fragebogen vom 26.10.90 angegeben wurden, nicht geändert haben.

7. Die Honorarkraft verpflichtet sich, über die ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften oder von der Stadt D. vorgeschrieben oder ihrer Natur nach erforderlich ist, Verschwiegenheit zu bewahren, und zwar auch über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus.

Die Honorarkraft verpflichtet sich, die Kenntnis von Angelegenheiten, über die sie verschwiegen zu sein hat, nicht unbefugt zu verwerten.

Die Honorarkraft verpflichtet sich im eigenen Interesse, eventuelle Änderungen der für die Einstufung maßgebenden persönlichen Verhältnisse gemäß des gültigen Kriterienkataloges möglichst sofort, spätestens jedoch 4 Wochen nach deren Eintritt dem Jugendamt, Abt. Jugendförderung, mitzuteilen. Rückwirkend können Veränderungen nur für diesen 4wöchigen Zeitraum berücksichtigt werden. Nachzahlungen erfolgen dann zum nächstmöglichen Abrechnungstermin nach Bekanntgabe der Änderung an das Jugendamt.”

Aufgrund dieser Vereinbarungen ist die Tätigkeit der Klägerin auf höchstens zehn Stunden pro Woche begrenzt. Die Klägerin erhält ein Honorar für jede tatsächlich geleistete Stunde. Davon wird die Lohnsteuer einbehalten, dagegen keine Sozialabgaben. Das Jugendhaus ist regelmäßig von 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr geöffnet; während der Ferienzeiten gibt es für die Jugendlichen besondere Angebote. Die Betreuung im Spielhaus erfolgt durch zwei hauptamtliche Arbeitnehmer sowie acht sogenannte nebenamtliche Honorarkräfte wie die Klägerin. Die Klägerin wird montags und mittwochs jeweils nachmittags zur Betreuung der Schularbeiten und anschließend im Rahmen sogenannter Gruppenangebote eingesetzt. In zeitlicher Hinsicht ist die Klägerin an den von der Leiterin des Spielhauses in Abstimmung mit den Honorarkräften erstellten Dienstplan gebunden.

Die Klägerin hat, ausgelöst durch Meinungsverschiedenheiten insbesondere über die Feiertagsbezahlung und die anteilige Geltung des BAT, die Auffassung vertreten, sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten.

Sie hat beantragt

festzustellen, daß zwischen den Parteien seit dem 1. Juli 1986 ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, bei der klägerischen Tätigkeit handele es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um freie Mitarbeit.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Denn das Landesarbeitsgericht hat die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin mit rechts fehlerfreier Begründung verneint.

1. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ob ein Beschäftigungsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist, ist im Revisionsverfahren nur beschränkt nachprüfbar. Bei dem Arbeitnehmerbegriff handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAG Urteil vom 13. November 1991 – 7 AZR 31/91 – AP Nr. 60 zu § 611 BGB Abhängigkeit) um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch das Berufungsgericht vom Revisionsgericht nur beschränkt überprüft werden kann. Der Senat kann daher im wesentlichen nur prüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff zutreffend erkannt hat und ob die Abwägung der Besonderheiten des Einzelfalles vollständig, ohne inneren Widerspruch und frei von Verstößen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorgenommen worden ist.

2. Ein derartiger Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts ist weder von der Revision aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung zutreffend die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern zugrunde gelegt. Danach (vgl. zuletzt etwa BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991 – 7 ABR 19/91 – AP Nr. 59 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG Urteil vom 13. November 1991 – 7 AZR 31/91 – AP Nr. 60 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG Urteil vom 24. Juni 1992 – 5 AZR 384/91 – AP Nr. 61 zu § 611 BGB Abhängigkeit; jeweils m.w.N.) unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Arbeitnehmer ist danach derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, daß ein Beschäftigter hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort seiner versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.

3. Auch bei der Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze, die das Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung ausführlich und zutreffend angeführt hat, ist dem Landesarbeitsgericht kein Rechtsfehler unterlaufen. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß es für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft im Einzelfall festzustellender Umstände bedarf, aus denen sich ergibt, daß der für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit gegeben ist. Solche Umstände, insbesondere eine Unterwerfung der Klägerin unter ein umfassendes Weisungsrecht der Beklagten, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nicht feststellen können. Dies allein trägt die angefochtene Entscheidung. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob dem Landesarbeitsgericht bei seiner zusätzlichen Behandlung gegen ein Arbeitsverhältnis sprechender Umstände, gegen die sich die Revision allein wendet, in allen Punkten zu folgen ist.

So könnte z.B. zweifelhaft sein, ob die über zehn Wochenstunden hinausgehende Beschäftigung der Klägerin in der Ferienzeit und der „kollegiale Arbeitsstil” wirklich gegen ein Arbeitsverhältnis sprechen. Entscheidend ist indessen, daß die Klägerin schon nach ihrem eigenen Sachvortrag keinem Weisungsrecht der Beklagten unterlag, sondern ihre Verpflichtungen bei Abschluß des jeweiligen Vertrages hinsichtlich Dauer und Lage der Arbeitszeit sowie hinsichtlich des Inhalts der übernommenen Dienstleistung feststanden. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, daß die zeitliche Lage ihres Einsatzes im Spielhaus vor Vertragsabschluß (aufgrund einer Absprache mit den einzelnen Betreuungskräften) festgelegt sei. Wenn eine Betreuungskraft in der danach für sie vorgesehenen Zeit aus irgendeinem Grunde nicht könne oder wolle, werde mit ihr kein Vertrag geschlossen. Auch hinsichtlich der den Jugendlichen am jeweiligen Tag zu vermittelnden Inhalte erfolgen nach dem eigenen Vortrag der Klägerin keine Weisungen durch die Beklagte.

4. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts liegt auch im Ergebnis auf der Linie der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Status in einer Jugendfreizeitstätte tätiger nebenberuflicher Betreuungskräfte. So hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 9. Mai 1984 (– 5 AZR 195/82 – AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit) in dem ähnlich gelagerten Fall eines wöchentlich etwa sieben Stunden in einer Jugendfreizeitstätte beschäftigten Studenten die Arbeitnehmereigenschaft verneint. Dieser Bewertung ist das Landesarbeitsgericht zutreffend gefolgt.

5. Nach alledem war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Kremhelmer, Dr. Steckhan, Neumann, Stappert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1076749

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