Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang bei Veräußerung der elektronischen Anlage
Normenkette
BGB § 613a
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 25.11.1997; Aktenzeichen 5 Sa 1520/96) |
ArbG Herford (Urteil vom 24.06.1996; Aktenzeichen 1 Ca 1706/95) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 25. November 1997 – 5 Sa 1520/96 – aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 24. Juni 1996 – 1 Ca 1706/95 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen infolge eines Betriebsübergangs gem. § 613a BGB ein Arbeitsverhältnis besteht.
Der 1943 geborene Kläger war seit 1964 bei der H… Reprotechnik GmbH (künftig: Repro-GmbH) und deren Rechtsvorgängern als Lithograph beschäftigt. Bis Ende 1994 betrieb die Repro-GmbH die manuelle Bearbeitung von Filmen ebenso wie die elektronische Bilddatenverarbeitung (EBV). Der Kläger war mit den Aufgaben eines Farblithographen im manuellen Bereich eingesetzt.
Mit Kaufvertrag vom 20. Dezember 1994 veräußerte die Repro-GmbH ihr gesamtes EBV-System nebst Zubehör an die Beklagte zum Preis von 750.000,00 DM. Die drei Mitarbeiter der elektronischen Bearbeitung der Repro-GmbH wurden von der Beklagten übernommen. Die manuelle Bearbeitung und die dort eingesetzten vier Beschäftigten verblieben Arbeitnehmer der Repro-GmbH. Am äußeren Arbeitsablauf änderte sich für alle Beschäftigten nichts.
Mit Beschluß vom 19. Oktober 1995 wurde über das Vermögen der Repro-GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Der Konkursverwalter stellte den Betrieb der Gemeinschuldnerin ein und kündigte die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer. Da der Konkursverwalter für die Kündigung des schwerbehinderten Klägers nicht die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle eingeholt hatte, nahm er die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung mit Schreiben vom 2. Mai 1996 zurück.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis sei gem. § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen. Im Dezember 1994 seien mit der elektronischen Bildverarbeitung wesentliche Teile der Repro-GmbH von der Beklagten übernommen worden. Bei der Repro-GmbH sei lediglich eine Abteilung mit vier Arbeitnehmern, in der auch der Kläger beschäftigt gewesen sei, verblieben. Ab Dezember 1994 habe ein gemeinsamer Betrieb der Repro-GmbH und der Beklagten bestanden. Nach dem Konkurs der Repro-GmbH sei der Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst worden, weil der Konkursverwalter die Weiterbeschäftigung der bei der Gemeinschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer abgelehnt habe. Die bisher von der Gemeinschuldnerin vorgenommenen Tätigkeiten seien nunmehr von der Beklagten übernommen worden. Die Beklagte habe den Kundenstamm und die Lieferanten der Gemeinschuldnerin übernommen, einen Arbeitnehmer und einige Geräte. Manuelle Farbkorrekturen führe bei der Beklagten ab Oktober 1995 eine neu eingestellte Halbtagskraft aus.
Der Kläger hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Lithographen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, es sei kein Betriebsteil auf sie übergegangen, der etwas mit dem Arbeitsplatz des Klägers zu tun gehabt habe. Die elektronische Bildverarbeitungsanlage, die sie von der Repro-GmbH erworben habe, habe nicht das Geringste mit dem Arbeitsplatz des Klägers zu tun. Arbeiten, wie sie der Kläger bei der Repro-GmbH ausgeführt habe, seien bei ihr nicht angefallen. Zwischen der Repro-GmbH und ihr habe stets eine hinreichende Trennung bestanden. Von einem einheitlichen Betrieb könne keine Rede sein. Aus der Tatsache identischer Auftraggeber folge nicht, daß auch identische Tätigkeiten in Auftrag gegeben und geleistet worden seien. Die Beklagte habe auch im Konkurs der Repro-GmbH nichts von der Gemeinschuldnerin erworben. Auch die drei Kontaktgeräte der Gemeinschuldnerin habe nicht sie, sondern ein Dritter in der Konkursversteigerung erworben. Bei der Beklagten würden manuelle Farbkorrekturen nicht mehr vorgenommen, weil durch diese eine Datenübertragung an Druckereien nicht mehr möglich wäre. Der Kläger sei nicht in der Lage, in der elektronischen Bildverarbeitung mitzuarbeiten. Um brauchbare Arbeitsergebnisse zu erzielen, sei bei ihm ein Umschulungsaufwand von mindestens zwei Jahren nötig.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der durch den Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist nicht durch einen Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis des Klägers als Farblithograph bei der Repro-GmbH sei bereits Ende 1994/Anfang 1995 gem. § 613a Abs. 1 BGB auf die Beklagte übergegangen. In Erfüllung des Kaufvertrages vom 20. Dezember 1994 sei die Beklagte Eignerin der gesamten Anlage zur elektronischen Bildverarbeitung, wie sie die Repro-GmbH bisher betrieben habe, nebst allem Zubehör geworden. Zugleich sei sie Inhaberin der tatsächlichen Verfügungsgewalt über das betreffende Gesamtsystem geworden und habe damit von der Repro-GmbH deren wesentlichen Vermögensgegenstand erworben. Zugleich seien die drei unmittelbar an der elektronischen Bildverarbeitungsanlage beschäftigten Arbeitnehmer übernommen worden. Die Beklagte habe die Konten- und Lieferantenbeziehungen der Repro-GmbH übernommen und habe damit an den Märkten genau wie diese bisher tätig werden können. Damit habe die Beklagte den Betrieb der Repro-GmbH insgesamt übernommen. Die vermögensrechtlich bei der Repro-GmbH verbliebenen Gerätschaften hätten, wie ein Jahr später der Konkursverwalter in seiner Eröffnungsbilanz festgestellt habe, einen “Fortführungswert” von 80.000,00 DM und einen “Zerschlagungswert” von 30.000,00 DM gehabt. Diese Umstände zeigten, daß die elektronische Bildverarbeitungsanlage mit einem Verkaufswert von 750.000,00 DM das eigentliche Betriebssubstrat der Repro-GmbH dargestellt habe. Dem Betrieb der Repro-GmbH habe ohne seine elektronische Maschinenausstattung nicht nur einer von mehreren Betriebsteilen gefehlt, so daß er seine bisherige Tätigkeit, um einen Teilzweck vermindert, hätte fortsetzen können. Mit der Übernahme der elektronischen Maschinenausstattung habe die Beklagte somit nicht nur einen Betriebsteil, sondern deren identitätsstiftendes Gesamtbetriebs-Substrat und damit den bisherigen Betrieb als ganzen übernommen. Angesichts der stark schwindenden Nachfrage nach manuell vorgenommener Reprotechnik spielten die manuellen Tätigkeiten keine Rolle mehr, zumal die Beklagte gegebenenfalls erforderlich werdende manuelle Tätigkeiten mit Hilfe der Repro-GmbH weiterhin habe durchführen können.
B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist nicht auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte hat nicht Ende 1994/Anfang 1995 den Gesamtbetrieb der Repro-GmbH übernommen. Soweit sie den Teilbetrieb “Elektronische Bilddatenverarbeitung” übernommen hat, ist diesem das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht zuzuordnen. Die Beklagte hat auch im Konkurs nicht den der Gemeinschuldnerin verbliebenen Betrieb “Manuelle Bildverarbeitung” übernommen.
I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte nicht den Gesamtbetrieb der Repro-GmbH übernommen.
1. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 11. März 1997 – RS C - 13/95 – EuGHE I, 1997, 1259 = AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187), der sich der Senat mit Urteil vom 22. Mai 1997 (– 8 AZR 101/96 – AP Nr. 154 zu § 613a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) angeschlossen hat, setzt ein Betriebsübergang die Bewahrung der Identität der betreffenden Einheit voraus. Der Begriff “Einheit” bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Er darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Ihre Identität ergibt sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt notwendigerweise je nach der ausgeübten Tätigkeit und selbst nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewendet werden, unterschiedliches Gewicht zu (vgl. Urteil des Senats vom 26. Juni 1997 – 8 AZR 426/95 – AP Nr. 165 zu § 613a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
2. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung kann nicht festgestellt werden, daß der Betrieb der Repro-GmbH durch Übernahme der elektronischen Bilddatenverarbeitungsanlage durch die Beklagte als wirtschaftliche Einheit gewahrt worden wäre.
a) In Erfüllung des Kaufvertrages vom 20. Dezember 1994 hat die Beklagte die gesamte Anlage zur elektronischen Bildverarbeitung nebst Zubehör von der Repro-GmbH übernommen. Ab 1995 übernahm die Beklagte drei unmittelbar an der elektronischen Anlage beschäftigte Arbeitnehmer von der Repro-GmbH. Ob die Beklagte damit zur Jahreswende 1994/1995 von der Repro-GmbH einen abgrenzbaren, als eigenständige Einheit organisierten Teilbetrieb übernommen hat, kann im Streitfall deshalb dahingestellt bleiben, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht der elektronischen Bildverarbeitung zuzuordnen war. Wenn nicht der gesamte Betrieb, sondern nur ein Betriebsteil übernommen wird, muß der Arbeitnehmer dem übertragenen Betriebsteil angehören, damit sein Arbeitsverhältnis gem. § 613a BGB auf den Erwerber übergeht. Es genügt hierfür nicht, daß der Arbeitnehmer, ohne dem übertragenen Betriebsteil anzugehören, als Beschäftigter einer nicht übertragenen Abteilung Tätigkeiten für den übertragenen Betriebsteil verrichtete (vgl. Urteil des Senats vom 13. November 1997 – 8 AZR 375/96 – AP Nr. 170 zu § 613 a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 3 der Gründe unter Hinweis auf: EuGH Urteil vom 7. Februar 1985 – Rs 186/83 – Slg. 1985 I, 519, 528 und EuGH Urteil vom 12. November 1992 – RS C - 209/91 – Slg. 1992 I, 5755 = AP Nr. 5 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187).
b) Das Arbeitsverhältnis des Klägers könnte deshalb nur dann auf die Beklagte übergegangen sein, wenn diese den Gesamtbetrieb der Repro-GmbH übernommen hätte. Dem steht allerdings entgegen, daß die Repro-GmbH 1995 die manuelle Bildverarbeitung weiterbetrieb, in der der Kläger als Arbeitnehmer weiterbeschäftigt und auch wie bisher von der Repro-GmbH bezahlt wurde. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts spielte es dabei keine Rolle, daß die elektronische Bildverarbeitung der wesentliche Teil des bisherigen gesamten Betriebes der Repro-GmbH war. Auch wenn infolge der Übernahme einer solchen wesentlichen Teileinheit es nicht möglich ist, den verbleibenden Betrieb sinnvoll weiterzuführen, hat das nicht zur Folge, daß der Erwerber der Teileinheit in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen aller Arbeitnehmer des früheren Betriebes eintritt (vgl. Urteil des Senats vom 13. November 1997, aaO). Im Streitfall hat die Repro-GmbH die manuelle Bildverarbeitung mit dem Kläger und weiteren drei Arbeitnehmern immerhin bis Oktober 1995 weiterbetrieben.
c) Eine andere Beurteilung könnte sich nur dann ergeben, wenn die Beklagte Ende 1994 mit der Repro-GmbH die Übernahme des gesamten Betriebes vereinbart hätte und die manuelle Bildverarbeitung nur zum Schein bei der Repro-GmbH verblieben wäre. Dies hat der Kläger aber selbst nicht behauptet. Soweit der Kläger vorträgt, ab 1995 habe ein “Gemeinschaftsbetrieb” der Repro-GmbH und der Beklagten bestanden, würde dies lediglich auf eine Vereinbarung über die gemeinsame Führung beider Betriebe hindeuten und eine Betriebsübernahme gerade ausschließen. Anders verhält es sich mit dem späteren Vortrag des Klägers, die manuelle Bildverarbeitung sei von der Beklagten als eine unselbständige Betriebsabteilung geführt worden. Hierzu hat der Kläger jedoch keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen. Der Umstand, daß die Beklagte zur Durchführung ihrer Aufträge notwendige manuelle Arbeiten durch die Repro-GmbH ausführen ließ, genügt nicht. Damit hat die Beklagte nicht die Leitung des der Repro-GmbH verbliebenen manuellen Betriebes übernommen.
II. Die Beklagte hat auch im Konkurs über das Vermögen der Repro-GmbH nicht den Betrieb der Gemeinschuldnerin übernommen. Der Vortrag des Klägers reicht nicht aus, um einen Betriebsübergang anzunehmen.
Nach dem Vortrag des Klägers habe die Beklagte einige Geräte aus der Konkursmasse und einen Arbeitnehmer aus der manuellen Bildverarbeitung der Gemeinschuldnerin übernommen. Dies reicht nicht aus, um von der Übernahme einer wirtschaftlichen Einheit auszugehen. Der Kläger trägt selbst nicht vor, die Beklagte habe die organisatorische Einheit “Manuelle Bildverarbeitung” übernommen und fortgeführt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob – was die Beklagte bestreitet – überhaupt bei der Beklagten noch manuelle Bildkorrekturen für eine Halbtagskraft anfallen. Jedenfalls besteht unstreitig bei der Beklagten keine eigene Abteilung “Manuelle Bildverarbeitung”, die mit dem Betrieb der Gemeinschuldnerin vergleichbar ist. Damit ist davon auszugehen, daß der Konkursverwalter den der Gemeinschuldnerin verbliebenen Betrieb nicht auf die Beklagte übertragen, sondern stillgelegt hat, indem er sämtlichen Arbeitnehmern kündigte und die Betriebstätigkeit einstellte.
C. Der Kläger hat gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Morsch, Lorenz
Fundstellen