Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizeitausgleich nach dem Kraftfahrer-Tarifvertrag
Orientierungssatz
Die Protokollnotiz Nr 1 zu § 2 des Tarifvertrages für die Kraftfahrer des Bundes vom 05.04.1965, die tarifvertraglichen Charakter hat bestimmt, daß der Freizeitausgleich nach § 19 Abs 4 Satz 1 MTB 2 zu erfolgen hat, wenn die höchstzulässige Arbeitszeit vom 272,5 Stunden gemäß § 2 Abs 1 Satz 2 des Kraftfahrertarifvertrages nicht überschritten wird. Daraus ergibt sich, daß unterhalb der höchstzulässigen Arbeitszeit diejenige Arbeitsbefreiung auszugleichen ist, die die regelmäßige Arbeitszeit des Kraftfahrers im Sinne des Kraftfahrertarifvertrages übersteigt.
Normenkette
TVG § 1; MTB §§ 15, 19; MTB 2 §§ 15, 19
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 22.05.1985; Aktenzeichen 4 Sa 80/85) |
ArbG Kiel (Entscheidung vom 13.12.1984; Aktenzeichen 2c Ca 1794/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob bei der Ermittlung der durchschnittlichen Monatsarbeitszeit, nach der sich der Pauschallohn für die unter den Tarifvertrag für die Kraftfahrer des Bundes vom 5. April 1965 (KraftfahrerTV) fallenden Kraftfahrer richtet, auch die von dem Kläger auf Anordnung der Beklagten abgefeierten Zeiten zu berücksichtigen sind.
Der Kläger ist bei der Beklagten beim Marinestützpunktkommando Kiel als Kraftfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für die Arbeiter des Bundes vom 27. Februar 1964 (MTB II) und die diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge, u.a. der Kraftfahrer-TV vom 5. April 1965, Anwendung.
Bis zum 30. Juni 1984 erhielt der Kläger, der in die Lohngruppe III des Sonderverzeichnisses für Arbeiter im Bereich des Bundesministers der Verteidigung, die unter die SR 2 a MTB II fallen (SV 2 a), eingestuft ist, einen Pauschallohn nach der Pauschalgruppe III der Anl. zum Kraftfahrer-TV. Diese Gruppe gilt für eine durchschnittliche monatliche Stundenzahl von mehr als 224 bis 248 Stunden.
In der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 30. Juni 1984 erhielt der Kläger Freizeitausgleich von 66 Stunden. An den Tagen des Freizeitausgleichs bot der Kläger seine Arbeitskraft der Beklagten vergeblich an. Die von dem Kläger geleisteten Stunden betrugen weniger als 272,5 Stunden monatlich.
Ab 1. Juli 1984 erhielt der Kläger einen Pauschallohn nach der Pauschalgruppe II. Der Kläger forderte die Beklagte auf, ihm weiterhin den Pauschallohn der Pauschalgruppe III zu zahlen, was die Beklagte ablehnte. Die monatliche Differenz zwischen der Pauschalgruppe II und der Pauschalgruppe III betrug 301,72 DM brutto für das zweite Kalenderhalbjahr 1984.
Der Kläger hat vorgetragen, auch die von ihm abgefeierten 66 Stunden seien bei der Bestimmung der durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeit zu berücksichtigen, mit der Folge, daß ihm für das zweite Kalenderhalbjahr 1984 der Lohn nach der Pauschalgruppe III zustehe. Für die Zeiten des verlängerten Tagesdienstes und des Nachtdienstes sei die Arbeitszeit gem. § 15 Abs. 2 MTB II auf täglich 12 Stunden festgesetzt. Die in diesem Rahmen über die 40 Stunden Grenze in der Woche hinausgehenden Stunden seien keine Überstunden, sondern dienstplanmäßig erbrachte Mehrarbeitsstunden gem. § 19 Abs. 1 MTB II, die nicht durch Freizeit abgegolten werden dürften. Als Überstunden könnten nur solche Stunden gelten, die den Vorschriften des § 19 Abs. 2 MTB II entsprächen. Nur diese Überstunden seien nach der Protokollnotiz zu § 2 Kraftfahrer-TV nach Möglichkeit durch die Gewährung von Freizeit auszugleichen. Derartige Überstunden lägen schon deshalb nicht vor, weil sie auf dringende Fälle zu beschränken seien. Die von ihm zu leistenden Arbeitszeiten seien zudem lange vor dem Zeitpunkt der Arbeitsleistung durch Dienstpläne bestimmt. Als Mehrarbeit nach § 19 Abs. 1 MTB II seien bei einem nach Dienstplänen eingesetzten Kraftfahrer die Zeiten anzusehen, die über die regelmäßige Arbeitszeit des § 15 Abs. 1 und 3 MTB II hinausgehe. Die über die dienstplanmäßigen Arbeitsstunden hinausgehenden Zeiten seien dagegen Überstunden.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
ihn auch in der Zeit vom 1. Juli 1984 bis zum
31. Dezember 1984 nach den Pauschalsätzen der
Pauschalgruppe III seiner Lohngruppe III MTB in
Verbindung mit dem Tarifvertrag für die Kraftfahrer
des Bundes vom 5. April 1965 zu entlohnen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, sie sei berechtigt gewesen, Freizeitausgleich zu gewähren und die entsprechenden Stunden bei der Bestimmung der Monatsarbeitszeit außer acht zu lassen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Mit der durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 11. September 1985 - 7 AZN 371/85 - zugelassenen Revision, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe für das zweite Kalenderhalbjahr 1984 keinen Anspruch auf Bezahlung nach der Pauschalgruppe III. Die Zeiten, in denen Freizeitausgleich gewährt worden sei, seien bei der Berechnung der Monatsarbeitszeit gemäß § 4 Kraftfahrer-TV nicht zu berücksichtigen, da sie keine Arbeitszeit darstellten und der Kläger keine Mehrarbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Kraftfahrer-TV geleistet habe. Die Beklagte sei zum Freizeitausgleich berechtigt gewesen. Der Kraftfahrer-TV stelle für das Arbeitsverhältnis des Klägers eine Spezialvorschrift dar, die den allgemeinen Regelungen des MTB II vorgehe. Die Protokollnotiz Nr. 1 zu § 2 Kraftfahrer-TV bestimme, daß ein Freizeitausgleich gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 MTB II möglich sei, soweit die höchstzulässige Arbeitszeit nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Kraftfahrer-TV nicht überschritten werde. Die über die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche hinausgehende Arbeitszeit bis zur tariflich höchstzulässigen Arbeitszeit seien als Überstunden nach § 19 Abs. 4 Satz 1 MTB II zu behandeln und daher bei der Berechnung der Monatsarbeitszeit nicht zu berücksichtigen.
II. Mit diesen Ausführungen hat das Landesarbeitsgericht den geltend gemachten Anspruch zu Recht verneint.
1. Der Kläger kann sein Begehren nicht auf § 4 des Kraftfahrer-TV stützen. Gemäß § 4 Abs. 1 Kraftfahrer-TV richtet sich der Pauschallohn nach der durchschnittlichen Monatsarbeitszeit im vorangegangenen Kalenderhalbjahr. Diese lag bei dem Kläger nicht über 224 Stunden, was für die begehrte Pauschalgruppe III erforderlich wäre.
2. Entgegen der Ansicht der Revision sind die 66 Stunden, in denen dem Kläger entgegen seinem Willen Freizeit gewährt worden ist, auch nicht in die Berechnung der Monatsarbeitszeit einzubeziehen.
§ 4 Abs. 2 S. 3 Kraftfahrer-TV bestimmt, unter welchen Voraussetzungen auch Stunden anzurechnen sind, in denen nicht gearbeitet worden ist. Danach ist für jeden Arbeitstag, der nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Kraftfahrer-TV abzufeiern ist, für den Monat des Abfeierns - also in einem der beiden auf die Mehrleistung folgenden Monate -, eine bestimmte Stundenzahl anzusetzen. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Kraftfahrer-TV ist die Mehrarbeit durch Erteilung von Freizeit abzugelten, wenn die höchstzulässige Arbeitszeit, die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Kraftfahrer-TV 272,5 Stunden im Monat beträgt, aus zwingenden dienstlichen Gründen ausnahmsweise überschritten werden mußte. Ohne diese Regelung würden die über die höchstzulässige Arbeitszeit von 272,5 Stunden im Monat hinaus geleisteten Arbeitsstunden vergütungsmäßig verloren gehen, weil der Tarifvertrag einer die pauschale Entlohnung von höchstens 272,5 Stunden vorsieht.
Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da die Anzahl von 272,5 Stunden im Monat vom Kläger unstreitig nicht überschritten worden ist.
3. Für Zeiten, in denen die höchstzulässige Arbeitszeit nicht überschritten worden und ein Freizeitausgleich erfolgt ist, enthält § 4 Abs. 2 Kraftfahrer-TV keine Anrechnungsregel, so daß diese Stunden nach dem Kraftfahrer-TV nicht bei der Berechnung der durchschnittlichen Monatsarbeitszeit und damit beim Pauschallohn berücksichtigt werden können (BAGE 25, 426, 429 = AP Nr. 2 zu § 19 MTB II; Scheuring/Steingen, MTB II, Stand 1. Januar 1987, Bd. II, Erl. 8 zu § 2 Kraftfahrer-TV).
4. Die Berücksichtigung der Zeiten des gewährten Freizeitausgleichs kann auch nicht nach dem MTB II unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges verlangt werden. Da nach § 19 MTB II keine Anrechnungsregeln wie in § 4 Abs. 2 Satz 3 Kraftfahrer-TV für gewährten Freizeitausgleich gegeben sind, könnten die Stunden in denen dem Kläger entgegen seinem Willen Freizeit gewährt worden ist, nur dann bei der Berechnung der Monatsarbeitszeit und damit beim Pauschallohn von Bedeutung sein, wenn der Freizeitausgleich zu Unrecht gewährt worden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Die Protokollnotiz Nr. 1 zu § 2 Kraftfahrer-TV, die tarifvertraglichen Charakter hat (vgl. BAG aaO) bestimmt, daß der Freizeitausgleich nach § 19 Abs. 4 Satz 1 MTB II zu erfolgen hat, wenn die höchstzulässige Arbeitszeit von 272,5 Stunden gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Kraftfahrer-TV nicht überschritten wird. Daraus ergibt sich, daß unterhalb der höchstzulässigen Arbeitszeit diejenige Arbeitszeit nach § 19 Abs. 4 Satz 1 MTB durch Arbeitsbefreiung auszugleichen ist, die die regelmäßige Arbeitszeit des Kraftfahrers im Sinne des Kraftfahrer-TV übersteigt. Das ist gemäß Protokollnotiz Nr. 1 Satz 1 zu § 2 Kraftfahrer-TV i. V. mit § 15 Abs. 1 oder 3 MTB II, die Zeit zwischen 40 bzw. 50 Wochenstunden bis zur Höchstgrenze von 272,5 Stunden im Kalendermonat (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Kraftfahrer-TV). Arbeitszeiten, die dazwischen liegen, sind somit nach dem Kraftfahrer-TV Überstunden, die gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 MTB II grundsätzlich bis zum Ende des nächsten Kalendermonats durch Arbeitsbefreiung ausgeglichen werden müssen (so auch BAGE 25, 426, 429 = AP Nr. 2 zu § 19 MTB II), ohne daß es darauf ankommt, ob die Voraussetzungen der Überstundenregelung gemäß § 19 Abs. 2 MTB II vorliegen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Dr. Röhsler Dr. Jobs Schneider
Ramdohr Stenzel
Fundstellen