Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalvertretungsrecht. Ordentliche betriebsbedingte Kündigung im öffentlichen Dienst wegen Stellenabbau (Sprachenlehrerin an Universität). Beteiligung des Personalrats nach LPVG Sachsen-Anhalt: Berücksichtigung verfassungsrechtlich gebotener Neuregelung während des Beteiligungsverfahrens (statt bindenden Beschlusses der Einigungsstelle nur Empfehlung der Einigungsstelle). Anwendung alten oder neuen Rechts. Anforderungen an eine “qualifizierte” Begründung bei Abweichung von Empfehlung der Einigungsstelle. unzulässige Berufung des beklagten Landes auf Verfassungswidrigkeit landesgesetzlicher Regelung bei Anwendung der Regelung in vergleichbaren Fällen. Streichung im Stellenplan als betrieblicher Grund. Sozialauswahl
Orientierungssatz
Nach § 62 Abs. 7 LPVG LSA idF des Gesetzes vom 23. Juni 2003 gibt die Einigungsstelle in bestimmten Angelegenheiten nur eine Empfehlung ab; anschließend entscheidet die Leitung der obersten Dienstbehörde. Soweit diese Entscheidung von der Empfehlung der Einigungsstelle abweicht, ist dies den Beteiligten mit schriftlicher qualifizierter Begründung bekanntzugeben.
Auf Mitbestimmungsverfahren, die bei In-Kraft-Treten der Neufassung des § 62 LPVG LSA noch nicht durch Beschluss der Einigungsstelle abgeschlossen waren, findet § 62 Abs. 7 LPVG LSA idF des Gesetzes vom 23. Juni 2003 Anwendung.
Die Bekanntgabe einer schriftlichen qualifizierten Begründung nach § 62 Abs. 7 Satz 2 LPVG LSA nF ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die auszusprechende Kündigung. Die Verletzung derartiger Begründungspflichten ist bei der Letztentscheidung einer obersten Dienstbehörde regelmäßig nicht geeignet, die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 108 Abs. 2 BPersVG zu begründen. Durch die qualifizierte Begründung soll den ursprünglich am Mitbestimmungsverfahren Beteiligten nur verdeutlicht werden, weshalb die von der Empfehlung der Einigungsstelle abweichende Entscheidung getroffen worden ist.
Normenkette
§ 62 LPVG LSA i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des LPVG LSA vom 23. Juni 2003 (GVBl. LSA 2003, 125 ff.)
Verfahrensgang
LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 27.01.2005; Aktenzeichen 10 Sa 279/04) |
ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 11.02.2004; Aktenzeichen 3 Ca 2906/03) |
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 27. Januar 2005 – 10 Sa 279/04 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung, in der Revisionsinstanz vor allem über die Frage, ob der Personalrat ordnungsgemäß beteiligt worden ist.
Die 1950 geborene Klägerin (geschieden, zwei Kinder) ist seit 1975 an der MLUniversität H… (MLU) als Lehrkraft beschäftigt. Sie unterrichtete zuletzt im Sprachenzentrum der Universität in mehreren Kursen Polnisch. Im Jahr 2001 beschloss die MLU nach entsprechenden Vorgaben der Landesregierung die Reduzierung des bisherigen Stellenbestandes von 2.452 Stellen auf insgesamt 2.046 Stellen mit Wirkung zum 1. Januar 2002. Hiervon betroffen war auch das Sprachenzentrum, für das künftig nur noch 12 Stellen für entsprechende Lehrkräfte vorgesehen waren. Nach Durchführung einer Sozialauswahl anhand einer Punktetabelle beantragte die MLU unter dem 6. Dezember 2001 beim Personalrat die Zustimmung zur Kündigung von zunächst 199 Arbeitnehmern, darunter die Klägerin. Der Personalrat verweigerte die Zustimmung mit Schreiben vom 28. Dezember 2001. Mit Schreiben vom 10. Januar 2002 legte die MLU hinsichtlich 116 Beschäftigten, darunter die Klägerin, für die keine “sozial verträglichen Lösungen” gefunden worden waren, die Sache dem Kultusministerium vor. Mit Schreiben vom 13. März 2003 leitete dieses hinsichtlich der noch betroffenen 48 Arbeitnehmer, darunter die Klägerin, das Stufenverfahren ein. Mit Schreiben vom 24. April 2003 teilte der Allgemeine Hauptpersonalrat dem Kultusminister den Beschluss mit, der Kündigung der Klägerin ebenso wie den anderen Kündigungen nicht zuzustimmen. Daraufhin rief der Kultusminister mit Schreiben vom 8. Mai 2003 die Einigungsstelle an. Zum Zeitpunkt der Anrufung der Einigungsstelle hatte § 62 Abs. 5 LPVG LSA folgende Fassung:
“Die Entscheidung der Einigungsstelle muss sich im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Haushaltsrechts, halten. Sie tritt an die Stelle der Entschließung der Personalvertretung und bindet die beteiligten Behörden. Satz 2 gilt nicht, soweit die Maßnahme nicht im Rahmen des Satzes 1 liegt.”
Am 10. Juli 2003 beriet die Einigungsstelle ausweislich des Sitzungsprotokolls folgende Empfehlung:
“Dem Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung wird nicht entsprochen.”
Zwischenzeitlich war am 24. Juni 2003 § 62 LPVG LSA durch das “Zweite Gesetz zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes Sachsen-Anhalt (GVBl. LSA 2003, 125 ff.)” geändert worden und lautet nunmehr wie folgt:
“ (5) Die Entscheidung der Einigungsstelle muss sich im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Haushaltsrechts, halten. Sie tritt in den Fällen des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nrn. … an die Stelle der Entschließung der Personalvertretung und bindet die beteiligten Behörden …
(6) In den Fällen des Absatzes 5 Satz 2 kann die Leitung der obersten Dienstbehörde im Einzelfall Entscheidungen der Einigungsstelle, die wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sind, innerhalb von vier Wochen, nachdem ihr die Entscheidung zugegangen ist, aufheben und selbst abschließend entscheiden. Diese Entscheidung ist den Beteiligten mit schriftlicher Begründung bekannt zu geben …
(7) In den Fällen des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2, 5 und 11 sowie der §§ 66, 67 und 69 gibt die Einigungsstelle eine Empfehlung ab; anschließend entscheidet die Leitung der obersten Dienstbehörde. Soweit diese Entscheidung von der Empfehlung der Einigungsstelle abweicht, ist dies den Beteiligten mit schriftlicher qualifizierter Begründung bekannt zu geben.”
Mit Schreiben vom 1. August 2003 wandte sich das Kultusministerium des beklagten Landes an den Kanzler der MLU und bat ihn, die Kündigungen gegenüber der Klägerin und weiteren fünf Mitarbeiterinnen unter Beachtung der rechtlichen Vorschriften auszusprechen. Gleichfalls mit Schreiben vom 1. August 2003 an den Vorsitzenden des Allgemeinen Hauptpersonalrates hatte der Kultusminister seine Absicht, entgegen der Empfehlung der Einigungsstelle die Universität zur Kündigung aufzufordern, wie folgt begründet:
“… in ihrer Sitzung am 10.07.2003 hat die Einigungsstelle mit 4 : 3 Stimmen gemäß § 62 Abs. 7 1 HS LPVG LSA die Empfehlung abgegeben, meinem Antrag von 08.05.2003 zur Ersetzung der Zustimmung des Allgemeinen Hauptpersonalrates zum Ausspruch der ordentlichen betriebsbedingten Kündigungen von Frau … nicht zu entsprechen. Dieser Empfehlung folge ich nicht, § 62 Abs. 7 2. HS LPVG LSA.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten der Angestellten und Arbeiter, jedenfalls soweit sie arbeitsrechtliche Wirkung entfaltet, die den Status der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst betrifft, der Letztentscheidungskompetenz der Einigungsstelle entzogen (vgl. BVerfG vom 24.05.1995 – 2 BvF 1/92 –). Dem entspricht die jüngst erfolgte Novellierung des Landespersonalvertretungsgesetzes Sachsen-Anhalt, die Entscheidungen der Einigungsstelle in den Fällen des § 67 LPVG LSA nur noch empfehlenden Charakter zuerkennt.
In der Sache halte ich daher an der rechtlichen und tatsächlichen Begründung zur Notwendigkeit des Ausspruchs der betriebsbedingten ordentlichen Kündigung von Frau … fest und verweise hierzu auf die Ihnen bekannten Antragsschriften vom 13.03.2003 und 08.05.2003. Die Kündigung von Frau … ist erforderlich, da der Haushaltsgesetzgeber mit dem Haushaltsgesetz 2002 in Bezug auf den Einzelplan 06 ausgewiesenen Stellenplan der MLUniversität H… beschlossen hatte, die dort vorzuhaltende Stellenzahl von 2.452 auf 2.046 zu reduzieren. Mit Wirkung vom 01.01.2002 war damit das Weiterbeschäftigungsbedürfnis für insgesamt 406 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entfallen. Während in bislang 363 Fällen sozialverträgliche Lösungen (Altersteilzeit, Abfindung, WiSeg mbH) für die von einer Kündigung bedrohten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefunden werden konnten, war Frau … nicht bereit, ein betreffendes Angebot anzunehmen. Es musste daher eine betriebsbedingte ordentliche Kündigung ausgesprochen werden.
Im Rahmen meiner Regierungsverantwortung als zuständiger Minister bin ich gehalten, die gesetzlichen Bestimmungen des Landes und damit auch des Haushaltsgesetzes 2002 einzuhalten und die erforderlichen Maßnahmen zu deren Wirksamwerden zu treffen.
Ich werde deswegen die Universität auffordern, Frau … zum 31.03.2004 (§ 53 Abs. 2 BAT-O) zu kündigen. Dies schließt meine Bemühungen nicht aus, auch Frau … bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Rahmen des Zumutbaren anzubieten.”
Mit Schreiben vom 4. August 2003 kündigte die MLU das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. März 2004.
Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Sie rügt vor allem Fehler des beklagten Landes bei der Beteiligung der Personalvertretung. Das Schreiben des Kultusministers vom 1. August 2003 stelle keine qualifizierte Begründung iSv. § 62 Abs. 5 LPVG LSA nF dar. Dieser Fehler führe zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn sich diese ohnehin nicht schon aus der Anwendbarkeit des § 62 Abs. 5 LPVG LSA aF ergebe, wo eine bindende Entscheidung der Einigungsstelle vorgesehen sei. Außerdem hätten hinreichende betriebliche Erfordernisse zur Kündigung nicht vorgelegen. Die getroffene Sozialauswahl sei zu beanstanden und es hätten auch Möglichkeiten bestanden, sie an anderer Stelle weiterzubeschäftigen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 4. August 2003 aufgelöst ist.
Das beklagte Land hat sich zur Begründung seines Klageabweisungsantrags auf die im Haushaltsplan und im Stellenplan umgesetzte neue Stellenstruktur berufen und geltend gemacht, die Sozialauswahl sei zutreffend. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Maßgebend sei die Neufassung des LPVG LSA. Die bis dahin geltende Fassung des LPVG sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig gewesen und habe deshalb nicht mehr angewandt werden können. Eine qualifizierte Begründung der Kündigungsabsicht liege vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Kündigung ist nicht, wie vom Landesarbeitsgericht angenommen, wegen fehlender qualifizierter Begründung nach § 62 Abs. 7 Satz 2 LPVG LSA nF unwirksam. Da der Rechtsstreit im Übrigen noch nicht entscheidungsreif ist, ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats unwirksam. Gehe man von der bis zum 23. Juni 2003 geltenden Rechtslage aus, fehle es an der dort vorgesehenen Zustimmung der Einigungsstelle. Auch wenn diese Regelung verfassungswidrig gewesen sein sollte, könne sich das beklagte Land nicht auf die Verfassungswidrigkeit seines eigenen Gesetzes berufen. Dies gelte jedenfalls deshalb, weil das Land in einem der Klägerin vergleichbaren Fall die Zustimmungsverweigerung der Einigungsstelle zum Anlass genommen habe, von einer Kündigung abzusehen. Gehe man von der ab 24. Juni 2003 geltenden Neufassung aus, fehle es an der danach erforderlichen schriftlichen qualifizierten Begründung der abweichenden Entscheidung. Das Schreiben des Kultusministeriums an den Allgemeinen Hauptpersonalrat vom 1. August 2003 erfülle nicht die Anforderungen einer qualifizierten Begründung, da es – im Wesentlichen durch Bezugnahme – schlicht alle Argumente wiederholt habe, die schon vor der Empfehlung der Einigungsstelle vorgetragen worden seien, sich aber nicht mit den – dem beklagten Land aus der mündlichen Verhandlung vor der Einigungsstelle bekannten – Argumenten der Einigungsstelle auseinander setze.
II. Dem folgt der Senat nicht.
1. Mit der Revision ist davon auszugehen, dass auf das vom beklagten Land durchgeführte Mitbestimmungsverfahren seit In-Kraft-Treten der Neufassung des LPVG LSA (GVBl. LSA 2003, 125 ff.) vom 23. Juni 2003 die geänderte Fassung des § 62 LPVG LSA anwendbar war. Seit 24. Juni 2003 war deshalb für ein noch nicht abgeschlossenes Mitbestimmungsverfahren wie das vorliegende die Entscheidung der Einigungsstelle nicht nach § 62 Abs. 5 Satz 2 LPVG LSA aF bindend. Im Falle einer Kündigung war der Beschluss der Einigungsstelle vielmehr nach § 62 Abs. 7 Satz 1 LPVG LSA nF nur als Empfehlung zu werten. Anschließend konnte die Leitung der obersten Dienstbehörde entscheiden, ohne an den Beschluss der Einigungsstelle gebunden zu sein. Die Anwendung der gesetzlichen Neuregelung scheitert nicht daran, dass das Einigungsstellenverfahren noch vor In-Kraft-Treten des § 62 LPVG LSA nF eingeleitet worden ist.
a) Dies ergibt sich schon daraus, dass das Gesetz für bereits laufende und noch nicht abgeschlossene Mitbestimmungsverfahren bzw. für nach § 62 Abs. 5 LPVG LSA aF ergangene Einigungsstellenbeschlüsse keine Übergangsregelung enthält. Das Fehlen einer Übergangsregelung lässt hinreichend deutlich den Willen des Gesetzgebers erkennen, auf Mitbestimmungsverfahren, die bei In-Kraft-Treten der Neufassung des § 62 LPVG LSA noch nicht durch Beschluss der Einigungsstelle abgeschlossen waren, § 62 LPVG LSA in der Fassung des Gesetzes vom 23. Juni 2003 anzuwenden.
b) Dies ergibt sich erst recht, wenn man den Zweck der gesetzlichen Neuregelung des Einigungsstellenverfahrens berücksichtigt. Die Abschaffung der Bindungswirkung des Beschlusses der Einigungsstelle nach § 62 Abs. 5 LPVG LSA aF und deren teilweise Ersetzung durch das Letztentscheidungsrecht der Leitung der obersten Dienstbehörde in § 62 Abs. 7 LPVG LSA nF ist erfolgt, um einen verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (LT Sachsen-Anhalt, Plenarprotokoll 4/15 vom 13. März 2003 S. 1100; Plenarprotokoll 4/20 vom 16. Mai 2003 S. 1408). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt das Demokratieprinzip für die Ausübung von Staatsgewalt bei Entscheidungen von Bedeutung für die Erfüllung des Amtsauftrags jedenfalls, dass die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers gesichert ist (24. Mai 1995 – 2 BvF 1/92 – BVerfGE 93, 37). Das beklagte Land hat deshalb – wenn auch geraume Zeit nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zum Schleswig-Holsteinischen Gesetz über die Mitbestimmung der Personalräte vom 11. Dezember 1990 (BVerfG 24. Mai 1995 – 2 BvF 1/92 – aaO) und zum Personalvertretungsgesetz für das Land Brandenburg vom 15. September 1993 (BVerfG 20. Juli 2001 – 2 BvL 8/00 – AP LPVG Brandenburg § 72 Nr. 1; vgl. LAG Brandenburg 29. September 1999 – 7 Sa 60/98 –) – eine gesetzliche Regelung geschaffen, die hinsichtlich der Mitbestimmung bei Kündigungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht und insoweit einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip vermeiden sollte. Es spricht unter diesen Umständen kein Anhaltspunkt für einen Willen des Gesetzgebers, an der bisherigen, verfassungsrechtlich bedenklichen Regelung des § 62 Abs. 5 LPVG LSA aF zumindest für noch nicht abgeschlossene Mitbestimmungsverfahren festzuhalten.
c) Dies entspricht auch den allgemeinen intertemporalen Kollisionsnormen (vgl. hierzu BAG 27. November 2003 – 2 AZR 135/03 – BAGE 109, 22 mwN). Danach besteht zwar die Grundregel, dass ein Rechtsverhältnis nur dem im Zeitpunkt seiner Entstehung gültigen Recht unterfällt. Für Dauerschuldverhältnisse gelten jedoch Sonderregeln. Die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwendbaren gesetzlichen Regelungen erfassen hier nicht mehr Tatbestände, die das Schuldverhältnis nachträglich verändern, wie etwa die nachträgliche Vereinbarung über die Beendigung des zugrunde liegenden Vertrages (BAG 27. November 2003 – 2 AZR 135/03 – aaO). Auch soweit die Anforderungen an die Ausübung des Rechts, ein Arbeitsverhältnis zu kündigen, teilweise erleichtert (Entscheidung der Einigungsstelle nicht mehr bindend), teilweise verschärft (qualifizierte Begründung) werden, bleiben lediglich bereits abgeschlossene Vorgänge von der gesetzlichen Neuregelung unberührt; soweit die gesetzlichen Anforderungen bei Ausspruch der Kündigung noch eingehalten werden können, sind sie einzuhalten (Heß Intertemporales Privatrecht S. 147 f., 155 f.).
2. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert nach § 62 Abs. 7 LPVG LSA nF nicht – wie vom Landesarbeitsgericht angenommen – daran, dass der Kultusminister mit Schreiben vom 1. August 2003 seine von der Empfehlung der Einigungsstelle abweichende Entscheidung den Beteiligten nicht mit schriftlicher, ausreichend qualifizierter Begründung bekannt gegeben hätte. Die Bekanntgabe einer schriftlichen qualifizierten Begründung nach § 62 Abs. 7 Satz 2 LPVG LSA nF ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die auszusprechende Kündigung. Außerdem begegnet die Wertung des Landesarbeitsgerichts, das Schreiben des Kultusministers stelle keine hinreichend qualifizierte Begründung dar, erheblichen Bedenken.
a) Der Wortlaut des Gesetzes gibt keinen Aufschluss darüber, welche Rechtsfolgen an den Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 62 Abs. 7 Satz 2 LPVG LSA nF geknüpft werden. Die Plenarprotokolle vom 13. März und 16. Mai 2003 (LT Sachsen-Anhalt, Plenarprotokoll 4/15 vom 13. März 2003 S. 1100; Plenarprotokoll 4/20 vom 16. Mai 2003 S. 1408) sprechen allerdings eher dafür, dass an eine so scharfe Sanktion für das Fehlen einer hinreichend qualifizierten Begründung wie die Unwirksamkeit der Kündigung nicht gedacht war. Wenn dort insbesondere davon die Rede ist, Entscheidungen der Behörden müssten qualifiziert begründet werden, damit die Personalräte wissen, woran sie sind, so nimmt dies eher Bezug auf die allgemeine Begründungspflicht verwaltungsmäßigen Handelns, nicht aber auf eine Erweiterung des durch die Empfehlung der Einigungsstelle nach § 62 Abs. 7 Satz 1 LPVG LSA grundsätzlich abgeschlossenen Mitbestimmungsverfahrens (Bieler/Vogelgesang/Plaßmann/Kleffner LPVG Sachsen-Anhalt Stand Januar 2006 G § 62 Rn. 63).
b) Nach § 67 Abs. 1 Nr. 8 LPVG LSA nF bestimmt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung der Angestellten und Arbeiter mit. Nach § 61 Abs. 1 LPVG LSA nF iVm. § 108 Abs. 2 BPersVG ist eine durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Beschäftigten unwirksam, wenn die Personalvertretung nicht beteiligt worden ist. Diese Rechtsfolge tritt zwar grundsätzlich auch dann ein, wenn der Personalrat vor Ausspruch der Kündigung beteiligt worden ist, die Dienststelle das Mitwirkungsverfahren aber nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat (BAG 5. Oktober 1995 – 2 AZR 909/94 – BAGE 81, 111). Dabei ist allerdings nach der Rechtsprechung die analoge Anwendung des § 108 Abs. 2 BPersVG und entsprechender landesgesetzlicher Vorschriften bei nicht ordnungsgemäßer Personalratsbeteiligung restriktiv zu handhaben (BAG 5. Oktober 1995 – 2 AZR 909/94 – aaO). Nicht jeder Formfehler bei der Durchführung eines sonst ordnungsgemäß abgewickelten Mitbestimmungsverfahrens führt automatisch zur Unwirksamkeit der Kündigung (Sächsisches LAG 21. Mai 1997 – 9 Sa 863/96 –; Thüringer LAG 30. März 2005 – 4 Sa 522/03 –).
c) Eine Verletzung von Begründungspflichten wie der des § 62 Abs. 7 Satz 2 LPVG LSA nF ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (2. Februar 2006 – 2 AZR 38/05 –; 5. Oktober 1995 – 2 AZR 909/94 – aaO) und des Bundesverwaltungsgerichts (26. Juli 1984 – 1 D 57.83 – BVerwGE 76, 182) jedenfalls bei der Letztentscheidung einer obersten Dienstbehörde regelmäßig nicht geeignet, eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 108 Abs. 2 BPersVG zu begründen. Zwar ist an sich wie bei der vergleichbaren Vorschrift des § 79 Abs. 4 BPersVG/PersVG-DDR auch bei obersten Dienstbehörden das Mitbestimmungsverfahren erst mit der schriftlichen qualifizierten Begründung des Leiters der obersten Dienstbehörde an den Personalrat über das Festhalten an seiner Kündigungsabsicht (§ 62 Abs. 7 Satz 2 LPVG LSA nF) beendet. Die Verletzung dieser Begründungspflicht hat jedoch keine rechtlichen Auswirkungen, da der beteiligten Personalvertretung im Organisationsaufbau keine weitere Personalvertretung vorgeht. Nach der Empfehlung der Einigungsstelle hat hier der Leiter der obersten Dienstbehörde das Letztentscheidungsrecht. Nach Durchführung des Stufenvertretungsverfahrens und des Einigungsstellenverfahrens hat die Personalvertretung keine Möglichkeit mehr, die Entscheidung des Leiters der obersten Dienstbehörde in einer weiteren Stufe der Mitbestimmung nachprüfen zu lassen. Die Begründungspflicht soll damit lediglich den ursprünglich am Mitbestimmungsverfahren Beteiligten verdeutlichen, weshalb die von der Empfehlung der Einigungsstelle abweichende Entscheidung getroffen worden ist. Konsequenterweise enthält deshalb das Gesetz nicht einmal eine Regelung darüber, ob oder gegebenenfalls wie lange vor Ausspruch der Kündigung die schriftliche qualifizierte Begründung zu erfolgen hat. Die Verletzung einer derartigen Pflicht durch den Leiter der obersten Dienstbehörde ist nicht in einem solchen Maße mit der völligen Unterlassung der Beteiligung der Personalvertretung (§ 108 Abs. 2 BPersVG) vergleichbar, dass es sachlich gerechtfertigt wäre, die Unwirksamkeitsfolge hierauf auszudehnen (aA wohl Reich Personalvertretungsgesetz Sachsen-Anhalt mit Wahlordnung 3. Aufl. § 62 Rn. 26).
d) Abgesehen davon sind auch die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu der Frage, ob eine “qualifizierte” Begründung vorliegt, nicht überzeugend. Die Begründung des Kultusministers ist weder schlagwortartig noch pauschal. Sie geht vielmehr unter Bezugnahme auf die umfangreiche Vorkorrespondenz ausführlich auf die Kündigungsgründe ein und weist insbesondere auf die Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers und die Erforderlichkeit der Umsetzung dieser Vorgaben hin. Eine Begründung des Einigungsstellenbeschlusses, mit der sich der Kultusminister hätte auseinandersetzen können, liegt nicht vor. Auch ist nicht ersichtlich, dass sich in dem Einigungsstellenverfahren irgendwelche neuen Gesichtspunkte ergeben hätten, die eine Stellungnahme hätten erforderlich machen können. Es ist kaum anzunehmen, dass allein deshalb erheblich verschärfte Anforderungen an die Begründung des Leiters der obersten Dienstbehörde zu stellen sind, weil das Gesetz von “qualifizierter” Begründung spricht (aA wohl Reich PersV 2003, 324, 329). In der Literatur (Bieler ua. LPVG LSA § 62 Rn. 63) wird mit einer gewissen Berechtigung darauf hingewiesen, dass ein entsprechendes Verwaltungshandeln stets einem Begründungszwang unterliegt und insoweit eine “unqualifizierte” Begründung regelmäßig pflichtwidrig ist. Jedenfalls ist die vom Kultusminister gegebene Begründung selbst beim Anlegen eines verschärften Prüfungsmaßstabs hinreichend qualifiziert, um dem gesetzlichen Begründungszwang Genüge zu tun. Eines gesonderten Eingehens auf den seinerseits nicht begründeten Beschluss der Einigungsstelle bedurfte es bei der betriebsbedingten Massenkündigung nach Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers nicht. Die Klägerin hat keine spezifischen Gesichtspunkte ihres Einzelfalls aufgezeigt, hinsichtlich derer eine Begründung des Kultusministers fehlen würde.
III. Selbst wenn im Übrigen § 62 Abs. 5 LPVG LSA aF anwendbar wäre, würde sich daraus nicht die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung ergeben.
1. § 62 Abs. 5 LPVG LSA aF legt zwar eine Bindungswirkung für die Entscheidung der Einigungsstelle fest. Eine solche Bindungswirkung ohne Letztentscheidungsrecht des Leiters der obersten Dienstbehörde verstößt jedoch bei Kündigungen von Angestellten und Arbeitern gegen das Demokratieprinzip (BVerfG 24. Mai 1995 – 2 BvF 1/92 – BVerfGE 93, 37 dazu Ingrid Schmidt PersR 1996, 472). § 62 Abs. 5 Satz 2 LPVG LSA ist wohl in seinem Wortlaut so eindeutig, dass diese Bestimmung allein eine verfassungskonforme Auslegung nicht zulässt (BVerfG 24. Mai 2005 – 2 BvF 1/92 – aaO, weitergehend zu § 73 PersVG Brandenburg: Klapproth/Eylert/Förster/Keilhold/Lachner Das Personalvertretungsrecht in Brandenburg Stand Oktober 2005 § 73 Rn. 15a). Dies hindert die Gerichte jedoch nicht, die verfassungsrechtlichen Vorgaben im Rahmen des § 62 LPVG LSA aF gleichwohl zu berücksichtigen (BVerfG 20. Juli 2001 – 2 BvL 8/00 – AP LPVG Brandenburg § 72 Nr. 1) und hier § 62 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 2 LPVG LSA aF verfassungskonform auszulegen (OVG Sachsen-Anhalt 30. August 2000 – A 5 S 10/99 – PersV 2001, 318). Nach § 62 Abs. 5 Satz 1 LPVG LSA aF muss sich die Entscheidung der Einigungsstelle im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Haushaltsrechts halten. Nach § 62 Abs. 6 Satz 2 LPVG LSA aF kann der Leiter der obersten Dienstbehörde in personellen Angelegenheiten von Angestellten, die Tätigkeiten ausüben, die üblicherweise Beamten übertragen sind, von dem Beschluss der Einigungsstelle abweichende Entscheidungen treffen. Um das Demokratieprinzip, das in § 62 Abs. 5 Satz 2 LPVG LSA aF nicht hinreichend berücksichtigt ist, angemessen zu verwirklichen, sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere das Etatrecht des Haushaltsgesetzgebers bei der Bindung der Einigungsstelle an die geltenden Rechtsvorschriften zu berücksichtigen (BVerfG 20. Juli 2001 – 2 BvL 8/00 – aaO; BVerwG 24. April 2002 – 6 P 3/01 – BVerwGE 116, 216; zum Problem Battis PersV 2005, 286; Flintrop/Leuze PersV 2005, 298). Das Letztentscheidungsrecht des Leiters der obersten Dienstbehörde in personellen Angelegenheiten ist jedenfalls auf die Kündigung von Angestellten mit einer Lehrtätigkeit wie der der Klägerin auszudehnen. Auch diese verfassungskonforme Auslegung des § 62 Abs. 5 LPVG LSA aF steht der Wertung des Landesarbeitsgerichts entgegen, allein den Beschluss der Einigungsstelle als bindend und damit als Voraussetzung für eine wirksame Kündigung anzusehen.
2. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin herangezogenen Parallelfall einer anderen Angestellten.
a) Allein die Tatsache, dass das beklagte Land erst geraume Zeit nach Bekanntwerden der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Vorschrift des § 62 Abs. 5 LPVG LSA aF durch eine nunmehr verfassungskonforme Regelung ersetzt hat, führt nicht – wie vom Landesarbeitsgericht erörtert – dazu, dass sich das Land jetzt selbst auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes nicht mehr berufen dürfte. Eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes ist, wie bereits dargelegt, möglich. Ein Verzicht des beklagten Landes auf seine verfassungsmäßigen Rechte – wenn er überhaupt wirksam wäre – kann in der Verzögerung der Novellierung des LPVG LSA nicht gesehen werden.
b) Auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor. Er scheitert schon daran, dass der Fall der Klägerin und der von ihr herangezogene Sachverhalt betreffend eine andere Mitarbeiterin sich in einem wesentlichen Umstand unterscheiden. Bei der Mitarbeiterin W… ist der Einigungsstellenspruch im Gegensatz zu dem Fall der Klägerin schon vor In-Kraft-Treten der gesetzlichen Neuregelung ergangen. Abgesehen davon weist die Revision zutreffend darauf hin, dass es keine “Gleichbehandlung im Unrecht” gibt. Sollte das beklagte Land den Fall der Mitarbeiterin W… irrtümlich falsch entschieden haben, kann die Klägerin daraus keine Rechte herleiten.
IV. Da das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung nur auf den Gesichtspunkt der bindenden Entscheidung der Einigungsstelle bzw. der fehlenden qualifizierten Begründung der Letztentscheidung des Kultusministers gestützt hat, fehlen – vom rechtlichen Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts her konsequent – Feststellungen zu allen weiteren Problemen des von den Parteien umfassend vorgetragenen und in zahlreichen Einzelfragen streitigen Sachverhalts. Dies führt zur Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Unterschriften
Rost, Bröhl, Eylert, Bartel, Schierle
Fundstellen
ZTR 2007, 219 |
AP 2007 |
NJ 2007, 239 |
NZA-RR 2007, 224 |
PersV 2007, 181 |
ZfPR 2007, 40 |
ArbRB 2007, 14 |
NJOZ 2007, 1300 |