Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung: Beratende Ingenieurin (technische Beraterin) in Hauptfürsorgestelle eines Amtes für Soziales und Versorgung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Tatsachengericht hat zu unterscheiden, ob es sich eines Sachverständigen im Rahmen des § 144 ZPO zur Sachaufklärung unbestrittener Tatsachen bedient oder ob es nach den §§ 402 ff. ZPO die Erhebung von Sachverständigenbeweis über streitige Tatsachen anordnet.
2. Sowohl bei der Heranziehung des Sachverständigen nach § 144 ZPO als auch im Fall der Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten oder -zeugnis muß das Tatsachengericht den zu begutachtenden Sachverhalt grundsätzlich selbst feststellen. Fehlt dem Tatsachengericht hierzu die Sachkunde, darf es sich insoweit bereits für die Formulierung der Beweisfrage der Hilfe des Sachverständigen bedienen. Es ist auch in solchem Fall gehalten, die Beweisfrage selbst zu formulieren.
3. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten die Tatsachen offenzulegen, auf die er sich stützt. Das Tatsachengericht hat die Tatsachen festzustellen, auf denen die Schlußfolgerungen aufbauen, zu denen es mit Hilfe des Sachverständigen gelangt ist.
4. Fehlt dem Tatsachengericht in Eingruppierungsstreitigkeiten die Sachkenntnis, um beurteilen zu können, ob Eingruppierungsmerkmale aufgrund unstreitiger Tatsachen erfüllt sind, so kann es sich gemäß § 144 ZPO der Hilfe eines Sachverständigen – auch von Amts wegen – bedienen.
5. Auch in Eingruppierungsprozessen muß das Tatsachengericht Inhalt und Ausführungen des Sachverständigengutachtens kritisch nachvollziehen, und zwar auch dann, wenn das Gericht nach § 144 ZPO verfahren ist (im Anschluß an Senatsurteil vom 19. Mai 1982 - 4 AZR 762/79 - AP Nr. 61 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Normenkette
BAT-O §§ 22-23; Anlage 1a zum BAT-O VergGr. II a.F.allgr.1 a; ZPO §§ 144, 286, 402, 404a, 549-550
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 14. Mai 1997 - 4 Sa 73/96 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin als Diplom-Ingenieurin eine ihrer Hochschulbildung entsprechende Tätigkeit im Sinne der Fallgr. 1 a der VergGr. II a des Teils I der Anlage 1 a zum BAT-O ausübt und daher Anspruch auf Vergütung nach VergGr. II a BAT-O ab 1. Juli 1991 hat.
Hilfsweise verlangt die Klägerin Vergütung nach VergGr. III BAT-O ab 1. Juli 1991 und ab 1. Januar 1993 nach VergGr. II a BAT-O. Sie hält jedenfalls die Voraussetzungen der VergGr. III Fallgr. 2 a für gegeben und sei im Wege der Bewährung in die VergGr. II a Fallgr. 8 a aufgestiegen.
Die am 4. Februar 1961 geborene Klägerin absolvierte an der Technischen Universität Dresden nach einem dreijährigen Grundlagenstudium in der Fachrichtung Maschinenbau ein zweijähriges Spezialisierungsstudium in der Fachrichtung Arbeitsingenieurwesen. Die Fächer Arbeitsstudium, Arbeitsprozeßgestaltung, Arbeits-umweltgestaltung und Arbeitsschutz/Sicherheitstechnik bildeten die Schwerpunkte. Am 26. September 1985 wurde der Klägerin der akademische Grad „Diplom-Ingenieur” verliehen. Am 1. September 1990 erhielt sie den Fachabschluß auf dem Gebiet „Technische Arbeitshygiene” und war danach berechtigt, die Ergänzung zur Berufsbezeichnung „Fachingenieur der Medizin” zu führen. Das Studium dazu erfolgte an der Akademie für ärztliche Fortbildung der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin.
Seit dem 15. Oktober 1990 ist die Klägerin beim Amt für Soziales und Versorgung in Potsdam tätig. Auf ihr Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land findet kraft einzelarbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT-O Anwendung.
Ab dem 1. Juli 1991 wurde die Klägerin als technische Beraterin eingesetzt. Mit Schreiben vom 16. Dezember 1992 in Verbindung mit dem Schreiben vom 16. Februar 1993 wurde ihr die Tätigkeit einer beratenden Ingenieurin mit Wirkung vom 1. Juli 1991 übertragen. Nach der „Dienstpostenbezogenen Tätigkeitsdarstellung” des beklagten Landes vom 30. Juni 1992 macht die gutachterliche Tätigkeit zu spezifizierten Einzelproblemstellungen im Zusammenhang mit der Neuschaffung und/oder Erhaltung, behindertengerechter Umgestaltung oder Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsbereichen, Arbeitsmitteln und des Arbeitsumfeldes behinderter Arbeitnehmer 57 % der Arbeitszeit der Klägerin aus. Diese gutachterliche Tätigkeit mündet in fachtechnischen Stellungnahmen, von denen einzelne vorgelegt wurden.
Die Vergütung der Klägerin erfolgte zunächst nach der VergGr. IV a BAT-O. Seit dem 15. Oktober 1994 erhält sie Vergütung nach der VergGr. III BAT-O.
Mit ihrer am 28. Juni 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, an sie Vergütung nach der VergGr. II a BAT-O ab dem 1. Juli 1991, hilfsweise nach der VergGr. III BAT-O ab dem 1. Juli 1991 und vom 1. Januar 1993 ab nach der VergGr. II a BAT-O zu zahlen. Sie hat vorgetragen, sie habe nicht nur ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium, sondern übe auch eine entsprechende Tätigkeit aus. Sie hat die „fachlich-inhaltlichen Schwerpunkte” ihres postgradualen Studiums im einzelnen geschildert und hat vorgetragen, sie habe diese erworbenen Kenntnisse in ihrer Tätigkeit als beratende Ingenieurin einzusetzen. Ihre Tätigkeit lasse sich nicht ohne ein entsprechendes Hochschulstudium aufgabengerecht bewältigen. Es gebe keine Möglichkeit, sich die für die Tätigkeit der Klägerin erforderlichen Kenntnisse außerhalb eines Hochschulstudiums zu verschaffen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 1. Juli 1991 Vergütung gemäß Vergütungsgruppe II a BAT-O
sowie hilfsweise
ab dem 1. Juli 1991 Vergütung gemäß der Vergütungsgruppe III BAT-O und ab dem 1. Januar 1993 Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT-O
zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat vorgetragen, die Vergütung nach der VergGr. IV a BAT-O sei zutreffend. Die Klägerin erhalte im Wege der Bewährung nunmehr Vergütung nach VergGr. III BAT-O. Aufgrund der vielseitigen Aufgaben des technischen Beraters, für die es keine spezifische Ausbildung und keine Abschlüsse gebe, seien technische Grundkenntnisse und die ausgeprägte Fähigkeit ausreichend, die auch die Sachbearbeiter vorzuhalten hätten, eigenständig technische Probleme behinderter Menschen am Arbeitsplatz zu erkennen und Lösungen zu finden. Der beratende Ingenieur könne nicht höher eingestuft sein als der Sachbearbeiter, dem er lediglich zuarbeite und der als erster Sachbearbeiter eine Bezahlung nach der VergGr. IV a BAT-O erhalte. Nach der Umfrage zur Eingruppierung von beratenden Ingenieuren bei den Hauptfürsorgestellen seien die meisten technischen Berater in die VergGr. IV a BAT mit Bewährungsaufstieg in die VergGr. III BAT eingruppiert. Ihre wissenschaftliche Hochschulbildung komme der Klägerin zwar zugute, notwendig sei aber nur ein technischer Sachverstand. Daß es sich nicht um eine wissenschaftliche Tätigkeit handele, ergebe sich aus dem Inhalt der fachtechnischen Stellungnahmen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. K W. Nach einer ergänzenden Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hat es die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision des beklagten Landes zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die gegebene Begründung trägt die Stattgabe der Klage nicht. Der Senat kann nicht abschließend über die von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsansprüche entscheiden. Dazu bedarf es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.
1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß auf das Arbeitsverhältnis kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT-O in der für die Bereiche des Bundes und der Länder geltenden Fassung Anwendung findet.
2.a) Das Landesarbeitsgericht hat auch richtig erkannt, daß die Tarifvertragsparteien keine speziellen Tätigkeitsmerkmale für technische Berater oder beratende Ingenieure in der Rehabilitation bei den technischen Beratungsdiensten von Hauptfürsorgestellen vorgesehen haben.
b) In Betracht kommen zunächst die Tätigkeitsmerkmale für Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung:
„Vergütungsgruppe II a Fallgruppe 1 a
Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
(Hierzu Protokollnotiz Nr. 1)
…
Protokollnotizen:
Nr. 1
Wissenschaftliche Hochschulen sind Universitäten, Technische Hochschulen sowie andere Hochschulen, die nach Landesrecht als wissenschaftliche Hochschulen anerkannt sind.
Abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung liegt vor, wenn das Studium mit einer 1. Staatsprüfung oder mit einer Diplomprüfung beendet worden ist.
…
Eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung setzt voraus, daß die Abschlußprüfung in einem Studiengang abgelegt wird, der seinerseits mindestens das Zeugnis der Hochschulreife (allgemeine Hochschulreife oder einschlägige fachgebundene Hochschulreife) als Zugangsvoraussetzung fordert und für den Abschluß eine Mindeststudienzeit von mehr als sechs Semestern – ohne etwaige Praxissemester, Prüfungssemester o.ä. – vorgeschrieben hat.”
3. Die Eingruppierung der Klägerin setzt voraus, daß mindestens die Hälfte der ihre gesamte Arbeitszeit ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr in Anspruch genommenen VergGr. II a der Vergütungsgruppen für den allgemeinen Verwaltungsdienst des Teils I der Anlage 1 a zum BAT-O entspricht.
a) Von den Grundsätzen des Senats zur Definition des Arbeitsvorganges (z. B. Senatsurteil vom 26. März 1997 - 4 AZR 489/95 - AP Nr. 223 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.) ausgehend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, die gutachterliche Tätigkeit der Klägerin bilde einen Arbeitsvorgang. Die gutachterliche Tätigkeit der Klägerin sei eine von den weiteren Tätigkeiten der Klägerin abgrenzbare Einheit. Sie sei rechtlich selbständig zu bewerten und führe zu einem bestimmten Arbeitsergebnis, nämlich zu den fachtechnischen Stellungnahmen. Dem stehe nicht entgegen, daß die fachtechnische Stellungnahme nicht das nach außen dringende Endergebnis sei, sondern eine interne Zuarbeit. Bei der Bewertung einer Tätigkeit als Arbeitsvorgang sei nicht entscheidend, was das Gesamtergebnis ausmache, sondern zu welchem Ergebnis die Tätigkeit des einzelnen Angestellten führe oder auf welches Ziel sie ausgerichtet sei. Es könne dahinstehen, ob andere Tätigkeiten der Klägerin – wie z. B. Betriebsbesuche und -begehungen – auch – zumindest teilweise – der gutachterlichen Tätigkeit als Zusammenhangstätigkeiten zuzurechnen seien, da die eigentliche gutachterliche Tätigkeit unstreitig schon mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Klägerin in Anspruch nehme. Das hält der Revision stand.
b) Diese überwiegende Tätigkeit der Klägerin ist ein einziger Arbeitsvorgang im tariflichen Sinne. Der Klägerin und einer Kollegin ist von dem beklagten Land für den Bereich der Hauptfürsorgestelle des Landesamtes für Soziales und Versorgung Potsdam die Ausarbeitung von fachtechnischen Stellungnahmen zugewiesen worden im Zusammenhang mit der Neuschaffung und/oder Erhaltung, behinderungsgerechter Gestaltung oder Umgestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsbereichen, Arbeitsmitteln und des Arbeitsumfeldes behinderter Arbeitnehmer. Die Klägerin erledigt alle mit den ihr zugewiesenen fachtechnischen Stellungnahmen verbundenen Arbeiten selbst und eigenverantwortlich. Sie stellt den Istzustand fest und zeigt Lösungen auf, die in die fachtechnischen Stellungnahmen münden. Damit dient ihre gutachterliche Tätigkeit einem einheitlichen Arbeitsergebnis, nämlich der sach- und fachgerechen Erarbeitung der fachtechnischen Stellungnahmen für die Hauptfürsorgestelle im Rahmen des technischen Beratungsdienstes zur Förderung der beruflichen Eingliederung von behinderten Arbeitnehmern. Da die Klägerin alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten selbst ausführt und nur wegen der Vielzahl der anfallenden Stellungnahmen eine weitere technische Beraterin damit befaßt ist, steht die Verwaltungsübung fest. Die einzelnen Aufgaben der Klägerin im Bereich der Bearbeitung der fachtechnischen Stellungnahmen sind wegen ihres unlösbaren inneren Zusammenhanges und wegen der aufgrund der vorgelegten Beispiele erkennbaren notwendigen und geforderten Einheitlichkeit und Konsequenz der Bearbeitungsgrundsätze nicht voneinander trennbar und deshalb tariflich gleich zu bewerten. Die Klägerin hat die fachtechnischen Stellungnahmen unter Beachtung der Bestimmungen des SchwbG, SchwAV, SGG, AFG, BVG, ArbeitsstättenVO sowie des gesamten sonstigen Arbeitsschutzes und Arbeitsschutzrechts zu erarbeiten.
Ob Betriebsbesuche und -begehungen der gutachterlichen Tätigkeiten als Zusammenhangstätigkeiten zuzurechnen sind, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend offengelassen. Die eigentliche gutachterliche Tätigkeit belegt mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Klägerin.
c) Der vorstehenden Beurteilung entspricht die Senatsrechtsprechung in vergleichbaren Fällen (vgl. nur Urteil vom 14. Mai 1986 - 4 AZR 134/85 - AP Nr. 119 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Etwas anderes würde nach der Senatsrechtsprechung nur zu gelten haben, wenn die einzelnen fachtechnischen Stellungnahmen oder einzelne Gruppen dieser fachtechnischen Stellungnahmen unterschiedliche Anforderungen stellen würden und daher eine unterschiedliche tarifliche Bewertung in Betracht käme und überdies über die Aufteilung auf zwei Arbeitnehmerinnen wegen der Anzahl der zu erstellenden fachtechnischen Stellungnahmen hinaus eine tatsächliche Trennung innerhalb der Aufgabenstellung möglich wäre (vgl. Urteile des Senats vom 12. November 1986 - 4 AZR 718/85 - AP Nr. 129 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 11. September 1985 - 4 AZR 141/84 - AP Nr. 106 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Beides ist hier nicht der Fall.
Da die Revision diesen Punkt nicht mehr aufgegriffen hat, bedarf es insoweit keiner weiteren Ausführungen.
4. Die Klägerin verfügt über eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung. Sie ist Diplom-Ingenieurin. Für den Studiengang war – wie in der Protokollnotiz Nr. 1 vorausgesetzt – eine Mindeststudienzeit von mehr als sechs Semestern vorgesehen.
5. Ob die Klägerin eine ihrer Hochschulbildung entsprechende Tätigkeit ausübt, kann aufgrund des bisher festgestellten Sachverhalts nicht abschließend beurteilt werden.
a) Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend von der ständigen Rechtsprechung des Senats aus. Danach muß die Tätigkeit der konkreten wissenschaftlichen Hochschulausbildung des betreffenden Angestellten entsprechen. Sie muß schlechthin die Fähigkeit erfordern, als einschlägig ausgebildeter Akademiker auf dem entsprechenden akademischen Fachgebiet Zusammenhänge zu überschauen und selbständig Ergebnisse zu entwickeln. Sie muß einen sogenannten akademischen Zuschnitt haben. Nicht ausreichend ist es, wenn die entsprechenden Kenntnisse des Angestellten für seinen Aufgabenkreis lediglich nützlich oder erwünscht sind; sie müssen vielmehr im zuvor erläuterten Rechtssinne zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich, das heißt, notwendig sein (vgl. z. B. Urteile des Senats vom 20. September 1995 - 4 AZR 413/94 - AP Nr. 205 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zu II 3 b der Gründe und vom 23. Mai 1979 - 4 AZR 576/77 - AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
b) Die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung trägt nicht die Annahme, die Klägerin übe eine ihrer Hochschulbildung entsprechende Tätigkeit aus.
Das Landesarbeitsgericht hat die von der Klägerin im Rahmen ihrer Hochschulbildung erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse für ihre Aufgabe der Gutachtenerstellung als beratende Ingenieurin nicht nur als nützlich, sondern im Sinne der Senatsrechtsprechung als erforderlich, notwendig angesehen. Es ist dem Gutachten des Sachverständigen gefolgt und hat den „akademischen Zuschnitt” der Tätigkeit mit dem Gutachter daraus geschlossen, daß die Klägerin vielfache wissenschaftliche Kenntnisse haben, vorhalten müsse, auf deren Grundlage sie dann kreativ tätig werde. Die fachtechnischen Stellungnahmen der Klägerin dienten dem Sachbearbeiter als Grundlage für seine Entscheidungen. Da die Stellungnahmen Grundlage für die weitere Bearbeitung für den Sachbearbeiter seien, könne nicht erwartet werden, daß es sich um ein wissenschaftliches Werk im reinsten Sinne handele. Damit würde die Klägerin ihrer Aufgabenstellung nicht gerecht. Die einfache klare Darstellung der gewonnen Erkenntnisse schließe eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Problemen weder aus noch lasse dies den Schluß zu, daß sie entbehrlich sei. Insofern sei es für einen akademischen Zuschnitt der Arbeit ausreichend, wenn – wie der Sachverständige ausgeführt habe – das Vorhandensein der in dem Hochschulstudium erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sei, um auf dieser Grundlage dann kreativ im Rahmen der Gutachtenerstellung tätig werden zu können.
Damit läßt sich der „akademische Zuschnitt” der Tätigkeit der Klägerin nicht begründen.
c) Die Revision rügt im Ergebnis zu Recht, daß das Landesarbeitsgericht sich ohne Tatsachenfeststellungen dem Gutachter angeschlossen hat, indem es die Aussage des Gutachters, der akademische Zuschnitt liege darin, daß die Klägerin vielfältige wissenschaftliche Kenntnisse haben, vorhalten müsse, auf deren Grundlage sie dann kreativ tätig werde, zugrunde gelegt habe, ohne eine Tatsachengrundlage dafür festzustellen (§§ 549, 550, 286 ZPO).
Der revisible Fehler des Landesarbeitsgerichts liegt darin, daß das Landesarbeitsgericht nicht mitgeteilt hat, aufgrund welcher Tatsachen es den Gutachter beauftragt hat, und es nicht die Tatsachen festgestellt hat, aus denen es – im Anschluß an den Gutachter – auf den akademischen Zuschnitt der Tätigkeit der Klägerin schließt. Deshalb muß das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben werden.
aa) Das Sachverständigengutachten zu Beweiszwecken setzt grundsätzlich voraus, daß das Prozeßgericht selbst den zu begutachtenden Sachverhalt ermittelt (arg. § 404 a Abs. 3 ZPO). Dabei kann es sich als zweckmäßig erweisen, den Sachverständigen bereits vor Abfassung des Beweisbeschlusses (Gutachtenauftrages) hinzuzuziehen, wenn die besondere Sachkunde des Sachverständigen für die Formulierung der Beweisfrage mangels eigenen Fachwissens des Gerichts gefordert ist oder wenn zu klären ist, ob vor der Begutachtung noch Tatsachen vom Gericht festzustellen sind oder inwieweit der Sachverständige gemäß § 404 a Abs. 4 ZPO zur Aufklärung der Beweisfrage befugt ist. Dabei kann es sich als sinnvoll erweisen, insoweit, also zur Klärung der sogenannten Anschlußtatsachen, von Amts wegen die Begutachtung anzuordnen (§ 144 ZPO). Nur dann, wenn die Ermittlung der relevanten Tatsachen gerade spezielle Sachkunde voraussetzt, ist sie Aufgabe des Gutachters und kann ihm nach § 144 ZPO übertragen werden.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat nicht etwa zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Beweiserhebung über streitigen Sachverhalt von Amts wegen die Begutachtung nach § 144 ZPO angeordnet. Es hat sich des Gutachters nicht bedient, um Tatsachen zu ermitteln, die es für die Entscheidung für erforderlich hielt, aber mangels eigener Sachkunde nicht selbst feststellen konnte. Das hat das Landesarbeitsgericht erklärtermaßen gerade nicht gewollt, obwohl das nahegelegen hätte, da es nicht um streitige Tatsachen, sondern um tatsächliche Umstände geht, deren Ermittlung für die Bewertung der Aufgaben der Klägerin gebraucht wurde. Es ist vielmehr nach § 402 ZPO vorgegangen. Es hat Beweis erhoben zu einzelnen Punkten, deren Relevanz für die Entscheidung zumindest als zweifelhaft erscheint. Wenn es aber so vorgeht, dann mußte es deutlich machen, von welchen Tatsachen es ausgeht oder welche es als streitig ansieht, der Sachverständige aber zugrunde legen soll und/oder diese vom Sachverständigen festgestellt wissen will. Die Verweisung auf das Gutachten ersetzt die Tatsachenfeststellung durch das Gericht nicht.
cc) Das gilt auch in Eingruppierungsprozessen. Ein Gericht darf nicht ohne weiteres dem Sachverständigengutachten folgen. Jedes Gutachten muß selbständig nachgedacht und kritisch gewürdigt werden. Die Tatsachengrundlage muß feststehen. Der Tatrichter ist verpflichtet, „die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen, an die die Schlußfolgerungen eines Gutachtens anknüpfen, und die Art dieser Folgerungen wenigstens insoweit im Urteil mitzuteilen, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit … erforderlich ist” (BGHSt 12, 311, 314). Das gilt gleichermaßen für das Strafverfahren wie für den Zivilprozeß. Auch wenn der Tatrichter den Ausführungen und Schlußfolgerungen des Sachverständigen folgt, muß der Tatrichter in seinem Urteil die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen, auf denen die Schlußfolgerungen aufbauen, wiedergeben.
Daran fehlt es hier. Denn der akademische Zuschnitt der Tätigkeit der Klägerin wird allein damit begründet, daß die Klägerin vielfache wissenschaftliche Kenntnisse haben, vorhalten müsse, auf deren Grundlage sie dann kreativ werde. Es mag ja sein, daß die einfache, klare Darstellung der gewonnen Erkenntnisse eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Problemen weder ausschließt noch den Schluß zuläßt, daß sie entbehrlich ist. Das schließt sie aber auch nicht notwendigerweise ein. Deshalb durfte das Landesarbeitsgericht sich nicht mit der Aussage begnügen, es sei insofern für einen akademischen Zuschnitt der Arbeit ausreichend, wenn, wie der Sachverständige ausgeführt habe, das Vorhandensein der in dem Hochschulstudium erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sei, um auf dieser Grundlage dann kreativ im Rahmen der Gutachtenerstellung tätig werden zu können. Denn insoweit hat das Landesarbeitsgericht keine Tatsachen festgestellt. Es ist nicht festgestellt, welche Kenntnisse für welche Schritte in der Begutachtung erforderlich sind, um zu dem einfach formulierten Ergebnis zu kommen, nämlich „kreativ … werden zu können”, was immer das heißen mag. Auch der Gutachter trifft insoweit keine Feststellungen, die das Landesarbeitsgericht zugrunde gelegt haben könnte.
dd) Dabei verkennt der Senat nicht die gerade in Eingruppierungsprozessen bestehenden Schwierigkeiten für die Tatsachengerichte. Auf der einen Seite ist es nicht angängig, die Beurteilung von Rechtsfragen, zu denen auch rechtliche Beurteilungen anhand tariflicher Merkmale gehören, Sachverständigen zu überlassen. Hierüber haben vielmehr die Gerichte selbst zu entscheiden (vgl. schon das Urteil des Senats vom 14. Dezember 1977 - 4 AZR 467/76 - AP Nr. 4 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Da der Sachverhalt in Eingruppierungsstreitigkeiten in der Regel unstreitig ist und deswegen für eine eigentliche Beweisaufnahme überhaupt kein Raum ist, bleibt dem Tatsachengericht die Möglichkeit, den Sachverständigen wegen der ihm selbst fehlenden Sachkenntnis über die Aufgaben des Klägers/der Klägerin hinzuzuziehen, was § 144 ZPO ihm im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens ermöglicht. Damit soll der Sachverständige im Wege seiner Begutachtung dem Tatsachengericht diejenigen Tatumstände zugänglich machen und damit diejenige Sachkunde und Beurteilungsfähigkeit vermitteln, die es benötigt, um, wie hier, darüber entscheiden zu können, ob die Tätigkeit der Klägerin als beratende Ingenieurin einen sogenannten akademischen Zuschnitt hat und deswegen als entsprechende Tätigkeit im Sinne der VergGr. II a Fallgr. 1 a der Anlage 1 a zum BAT-O anzusehen ist (vgl. Urteil des Senats vom 19. Mai 1982 - 4 AZR 762/79 - AP Nr. 61 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
d) Selbst wenn man das eingeholte Gutachten entgegen dem erklärten Willen des Landesarbeitsgerichts als ein solches nach § 144 ZPO ansehen und davon ausgehen wollte, daß es das Gutachten nur in diesem Sinne verwertet hat, durfte das Landesarbeitsgericht dem Gutachter nicht einfach folgen. Denn tatsächliche Umstände, die den akademischen Zuschnitt der Tätigkeit der Klägerin auf dem Wege zu ihren Gutachten belegen vermöchten, hat der Gutachter gerade nicht aufgezeigt. Dem Landesarbeitsgericht mußte dieser Umstand bei der stets gebotenen kritischen Auseinandersetzung mit dem Gutachten auffallen und das zum Anlaß nehmen, beim Gutachter nachzufragen, aufgrund welcher Tatsachen er zu dem Ergebnis kommt, daß der akademische Zuschnitt der Tätigkeiten zwar nicht aus den gutachtlichen Stellungnahmen als solchen erkennbar sei, sich aber aus den einzelnen Arbeitsschritten ergebe, die zu den gutachtlichen Stellungnahmen führten.
6. Damit ist die Revision begründet. Auf die weiteren Rügen der Revision kommt es nicht mehr an.
a) Entgegen der Auffassung der Revision kann der Senat die Klage nicht wegen etwa fehlender Schlüssigkeit des Sachvortrages der Klägerin abweisen.
Nach Auffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht sich zu Unrecht auf das Ergebnis des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens gestützt, da aufgrund des Sachvortrages der Klägerin eine Beweiserhebung nicht veranlaßt gewesen sei und deshalb deren Ergebnis nicht zu Lasten des beklagten Landes habe verwertet werden dürfen.
Es ist zwar richtig, daß die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der genannten Voraussetzungen bei der Klägerin der Eingruppierungsfeststellungsklage liegt (vgl. z. B. Urteil des Senats vom 20. Oktober 1993 - 4 AZR 47/93 - AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Vorzutragen sind all diejenigen Tatsachen, die für eine Schlußfolgerung auf das Vorliegen der beanspruchten Tätigkeitsmerkmale erforderlich sind. Ob ein Angestellter eine seiner Ausbildung entsprechende Tätigkeit ausübt, ist nur feststellbar, wenn im einzelnen dargelegt ist, welche Kenntnisse und Fertigkeiten ihm die Ausbildung vermittelt hat und aus welchen Gründen er seine Aufgabe ohne diese Kenntnisse und Fertigkeiten nicht ordnungsgemäß erledigen könnte. Es muß erkennbar sein, daß die Ausbildung nicht nur nützlich oder erwünscht, sondern für die Tätigkeit erforderlich ist. Das ist in der Regel nur durch einen wertenden Vergleich möglich, mit dem aufgezeigt wird, welche Fachkenntnisse über die eines Fachhochschulingenieurs hinaus für die Erfüllung der Aufgaben, hier der einer beratenden Ingenieurin bei einer Hauptfürsorgestelle, erforderlich sind.
b) Ist trotz fehlender Schlüssigkeit des Sachvortrages der Klägerin und damit entgegen dem Verbot des Ausforschungsbeweises gleichwohl eine Beweisaufnahme durchgeführt worden, so besteht kein Verwertungsverbot. Die Beweiserhebung beruht auf einem Beschluß des Gerichts. Der Fehler liegt dann darin, daß das Gericht sich mit einem unsubstantiierten Sachvortrag begnügt hat, den Sachvortrag als schlüssig angesehen hat. Daraus leitet die ZPO keine Hindernisse für die Wahrheitsfindung her. Selbst wenn also der Sachvortrag der Klägerin – das Sachverständigengutachten außer Betracht gelassen – unschlüssig wäre, wofür einiges spricht, darf der Senat die Klage nicht abweisen, sondern muß, da das Landesarbeitsgericht den Sachvortrag ersichtlich als schlüssig angesehen hat, den Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen, damit die Klägerin Gelegenheit erhält, ihren Sachvortrag zu ergänzen. Diese Ergänzung erscheint als nicht ausgeschlossen, wenngleich der Senat nicht übersieht, daß in den meisten Hauptfürsorgestellen der anderen Bundesländer die technischen Berater/-innen in VergGr. IV a BAT eingruppiert sind, also von erforderlichem Fachhochschulniveau und nicht von der Notwendigkeit einer abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulbildung ausgegangen wird.
7. Das Landesarbeitsgericht wird bei der erneuten Verhandlung der Frage nachzugehen haben, ob und warum für die Tätigkeit als technische Beraterin bei der Hauptfürsorgestelle des Amtes des beklagten Landes eine wissenschaftliche Hochschulbildung erforderlich ist. Dabei wird es der Klägerin zunächst Gelegenheit zu geben haben, ergänzend darzulegen, wodurch sich die von ihr für die Bewältigung ihrer Aufgaben erforderliche Qualifikation von der eines Fachhochschulabsolventen unterscheidet. Dabei wird sie auf den Ablauf ihrer Tätigkeiten im einzelnen einzugehen haben, nachdem der akademische Zuschnitt sich ersichtlich aus den gutachterlichen Stellungnahmen selbst nicht ergibt. Dann mag das Landesarbeitsgericht prüfen, ob es den Gutachter ergänzend befragt oder ob es ein weiteres Sachverständigengutachten einholt.
8. Da der Hauptantrag nach wie vor offen ist, ist der Hilfsantrag der Klägerin in der Revisionsinstanz nicht angefallen. Deshalb sind dem Senat Ausführungen dazu verwehrt.
9. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
Unterschriften
Schliemann, Schneider, Friedrich, v. Dassel, Kiefer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.10.1998 durch Bartel, Reg.-Hauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436177 |
BAGE, 53 |
BB 1999, 270 |
DB 1999, 104 |
FA 1999, 24 |
NZA 1999, 324 |
RdA 1999, 293 |
ZAP-Ost 1999, 264 |
ZTR 1999, 170 |
AP, 0 |
PersR 1999, 89 |