Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereitschaftsdienst nichtvollbeschäftigter Angestellter
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu – 6 AZR 551/89 –
Normenkette
BAT § 34 Abs. 1 S. 2, §§ 17, 15; BAT SR 2c Nr. 8; BeschFG 1985 Art. 1 § 2 Abs. 1; ZPO § 565 Abs. 1; BGB §§ 316, 612
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 06.09.1989; Aktenzeichen 7 (4) Sa 568/89) |
ArbG Köln (Urteil vom 13.04.1989; Aktenzeichen 6 Ca 23/89) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 6. September 1989 – 7 (4) Sa 568/89 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung für Bereitschaftsdienst.
Der Kläger ist beim beklagten Land als Assistenzarzt in einer Universitätsklinik beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) sowie die Sonderregelungen für Ärzte und Zahnärzte an den in den SR 2 a und SR 2 b genannten Anstalten und Heimen (SR 2 c BAT) Anwendung. Arbeitsvertraglich ist eine Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche vereinbart. Die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit betrug bis zum 1. April 1989 40 und bis zum 1. April 1990 39 Stunden pro Woche. Seitdem ist sie auf 38,5 Stunden pro Woche festgesetzt.
Das beklagte Land zog den Kläger nach Nr. 8 SR 2 c BAT zur Leistung von Bereitschaftsdiensten heran. Diese tarifliche Bestimmung hat u.a. folgenden Wortlaut:
Nr. 8 Zu § 17 – Überstunden –
Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft
(1) Der Arzt ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, daß zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.
(2) Zum Zwecke der Vergütungsberechnung wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit wie folgt als Arbeitszeit gewertet:
Nach dem Maß der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistungen wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes wie folgt als Arbeitszeit gewertet:
Stufe |
Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes |
Bewertung als Arbeitszeit |
D. |
mehr als 40 bis 49 v.H. |
55 v. H. |
…
Entsprechend der Zahl der vom Arzt je Kalendermonat abgeleisteten Bereitschaftsdienste wird die Zeit eines jeden Bereitschaftsdienstes zusätzlich wie folgt als Arbeitszeit gewertet:
Zahl der Bereitschaftsdienste im Kalendermonat |
Bewertung als Arbeitszeit |
1. bis 8. Bereitschaftsdienst |
25 v. H. |
9. bis 12. Bereitschaftsdienst |
35 v. H. |
13. und folgende Bereitschaftsdienste |
45 v. H. |
(3) Für die nach Absatz 2 errechnete Arbeitszeit wird die Überstundenvergütung gezahlt.
(4) Die nach Absatz 2 errechnete Arbeitszeit kann bis zum Ende des dritten Kalendermonats auch durch entsprechende Arbeitsbefreiung abgegolten werden (Freizeitausgleich). Für den Freizeitausgleich ist eine angefangene halbe Stunde, die sich bei der Berechnung nach Absatz 2 ergeben hat, auf eine halbe Stunde aufzurunden.
(5) Die Zuweisung zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes erfolgt als Nebenabrede (§ 4 Abs. 2) zum Arbeitsvertrag. Die Nebenabrede ist mit einer Frist von drei Monaten jeweils zum Ende eines Kalenderhalbjahres kündbar.
Hinsichtlich der Vergütung nichtvollbeschäftigter Angestellter ist in § 34 BAT bestimmt:
§ 34 Vergütung Nichtvollbeschäftigter.
(1) Nichtvollbeschäftigte Angestellte erhalten von der Vergütung (§ 26), die für entsprechende vollbeschäftigte Angestellte festgelegt ist, den Teil, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Für jede Arbeitsstunde, die der Angestellte darüber hinaus leistet, erhält er den auf eine Stunde entfallenden Anteil der Vergütung eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten; § 17 Abs. 1 bleibt unberührt.
§ 17 Abs. 1 BAT lautet:
§ 17 Überstunden.
(1) Überstunden sind die auf Anordnung geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 bis 4 und die entsprechenden Sonderregelungen hierzu) für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgelegten Arbeitsstunden hinausgehen.
In einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag ist der vom Kläger geleistete Bereitschaftsdienst der Stufe „D” zugewiesen worden. Demgemäß wurden die Bereitschaftsdienstzeiten zu 80 v.H. als Arbeitszeit bewertet. Bis zum Monat August 1987 zahlte das beklagte Land nach Nr. 8 Abs. 3 SR 2 c BAT für die so errechnete Arbeitszeit Überstundenvergütung. Danach wurde für die aus den Bereitschaftsdienstzeiten errechnete Arbeitszeit nur noch die Stundenvergütung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BAT gezahlt, soweit durch die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche zuzüglich der aus den Bereitschaftsdienstzeiten errechneten Arbeitszeit die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit pro Woche nicht überschritten wurde.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm für die aus den Bereitschaftsdienstzeiten errechnete Arbeitszeit weiterhin die Überstundenvergütung zustehe. Dies folge aus dem Tarifwortlaut. Er sei nach Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 SR 2 c BAT verpflichtet, Bereitschaftsdienst zu leisten. Da es sich stets um eine Dienstleistung außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit handele, sei in Nr. 8 Abs. 3 SR 2 c eine besondere Vergütungsregelung getroffen worden. Danach sei die tariflich festgelegte Überstundenvergütung zu zahlen. Die tarifliche Bestimmung regele damit die Vergütung für geleistete Bereitschaftsdienste abschließend. Es komme somit nicht darauf an, ob Bereitschaftsdienst von nichtvollbeschäftigten öder vollbeschäftigten Angestellten geleistet werde. Die Vergütungsregelung für nichtvollbeschäftigte Angestellte in, § 34 Abs. 1 Satz 2 BAT betreffe nicht die Vergütung von Bereitschaftsdiensten, sondern regele nur die Vergütung der Arbeitszeit von nichtvollbeschäftigten Angestellten, die über ihre vereinbarte Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit beschäftigt würden und die während dieser Zeit deshalb keine Überstunden im Sinne von § 17 Abs. 1 BAT leisteten. Außerdem verstoße die Regelung, soweit nach ihr vollbeschäftigte im Gegensatz zu nichtvollbeschäftigten Angestellten einen Anspruch hätten, gegen das Benachteiligungsverbot in Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihm für die aus den seit August 1987 geleisteten Bereitschaftsdiensten zu errechnende Arbeitszeit die Überstundenvergütung zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, die vor Kläger seit dem Monat August 1987 geleisteten Bereitschaftsdienste seien tarifgemäß vergütet worden. Die Bestimmung der Nr. 8 SR 2 c BAT ergänze nur die Überstundenregelung in § 17 Abs. 1 BAT. Sie setze voraus, daß Bereitschaftsdienst über die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit hinaus geleistet werde. Nur für diesen Fall sei in Nr. 8 Abs. 3 SR 2 c BAT bestimmt, daß für die errechnete Arbeitszeit die Überstundenvergütung zu zahlen sei. Nichtvollbeschäftigten Angestellten, die, wie der Kläger, nur 20 Stunden pro Woche zur Arbeitsleistung verpflichtet seien, stehe deshalb für die Stunden, die sich als Arbeitszeit aus den Bereitschaftsdienstzeiten errechneten, bis zum Erreichen der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit nur die Stundenvergütung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BAT zu. Ansonsten würden sie besser gestellt als nichtvollbeschäftigte Angestellte, denen für geleistete Bereitschaftsdienste Freizeitausgleich gewährt werde und denen in diesem Falle ein Zeitzuschlag für Überstunden nicht zustehe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht. Dem Kläger steht ein tariflicher Anspruch auf Überstundenvergütung für die aus den Bereitschaftsdienstzeiten errechnete Arbeitszeit nicht zu. Ob das beklagte Land arbeitsvertraglich verpflichtet ist, ihm für diese Arbeitszeit eine höhere Vergütung als den auf eine Stunde entfallenden Anteil der Vergütung eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten zu zahlen, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Insoweit bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe für die aus den Bereitschaftsdienstzeiten errechnete Arbeitszeit nach Nr. 8 Abs. 3 SR 2 c BAT keine Überstundenvergütung zu. Diese Vorschrift sei im Hinblick auf Nr. 8 Abs. 1 und 2 SR 2 c BAT dahingehend auszulegen, daß die Überstundenvergütung für aus Bereitschaftsdienstzeiten errechnete Arbeitszeit nur zu zahlen sei, wenn Bereitschaftsdienst außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet worden sei. Regelmäßige Arbeitszeit sei die in § 15 Abs. 1 BAT bestimmte Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Angestellten. Diese Arbeitszeit habe der Kläger im Klagezeitraum nicht geleistet.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden. Zwar ist zutreffend, daß dem Kläger ein tariflicher Anspruch auf Überstundenvergütung nach Nr. 8 Abs. 3 SR 2 c BAT nicht zusteht. Dies schließt jedoch nicht aus, daß er einen Anspruch auf eine Vergütung hat, die höher ist als die, die er erhalten hat.
1. Die tarifliche Bestimmung der Nr. 8 SR 2 c BAT enthält eine Sonderregelung zu § 17 BAT. In § 17 Abs. 1 BAT ist bestimmt, daß Überstunden die auf Anordnung geleisteten Arbeitsstunden sind, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 bis 4 und die entsprechenden Sonderregelungen hierzu) für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgelegten Arbeitsstunden hinausgehen. Überstunden im tariflichen Sinne können daher nur außerhalb der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit geleistet werden. In gleicher Weise haben die Tarifvertragsparteien in Nr. 8 Abs. 1 SR 2 c BAT bestimmt, daß Bereitschaftsdienst als besondere Form der Arbeitsleistung außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu erbringen ist. Die Verpflichtung des Arztes, sich auf Anordnung des Arbeitgebers an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst), ist tariflich nur für Zeiten normiert, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen.
Regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von Nr. 8 Abs. 1 SR 2 c BAT ist die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit nach § 15 BAT. Dies folgt aus dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamt Zusammenhang, die bei der Tarifauslegung maßgebend zu berücksichtigen sind (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Da die Tarifvertragsparteien den Begriff der regelmäßigen Arbeitszeit in § 15 BAT im einzelnen bestimmt haben, ist davon auszugehen, daß sie ihn in dieser Weise auch in anderen tariflichen Bestimmungen verwenden. Dies wird für den Begriff der regelmäßigen Arbeitszeit in Nr. 8 Abs. 1 SR 2 c BAT durch den tariflichen Gesamt Zusammenhang bestätigt. Da die tarifliche Bestimmung der Nr. 8 SR 2 c BAT eine Sonderregelung zu § 17 BAT enthält und in § 17 BAT der Begriff der regelmäßigen Arbeitszeit durch Bezugnahme auf § 15 BAT erläutert ist, kann unter regelmäßiger Arbeitszeit im Sinne von Nr. 8 Abs. 1 SR 2 c BAT auch nur die regelmäßige Arbeitszeit im Sinne des § 15 BAT verstanden werden. Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien mit regelmäßiger Arbeitszeit im Sinne der Nr. 8 Abs. 1 SR 2 c BAT etwa die in Krankenhäusern betriebsübliche Arbeitszeit oder bei teilzeitbeschäftigten Ärzten deren vereinbarte Arbeitszeit meinen, haben in den tariflichen Bestimmungen keinen Ausdruck gefunden.
2. Wird Bereitschaftsdienst außerhalb der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit erbracht, so gelten für die Bewertung solcher Zeiten als Arbeitszeit und für die Vergütung Nr. 8 Abs. 2 und Abs. 3 SR 2 c BAT, wonach die Arbeitszeit zu errechnen und die Überstundenvergütung zu zahlen ist.
Die Vergütung derartiger Bereitschaftsdienstzeiten ist zwischen den Parteien jedoch nicht im Streit. Die vom Kläger geleisteten Dienste lagen nicht außerhalb der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit. Zwar hielt sich der Kläger auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb seiner vereinbarten Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle auf, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Er leistete damit, was die Art der Tätigkeit anbelangte. Bereitschaftsdienst. Dieser erfüllte jedoch nicht die Voraussetzungen der Nr. 8 Abs. 1 SR 2 c BAT, weil er nicht außerhalb der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit erbracht wurde. Daraus folgt, daß für Bewertung und Vergütung derartiger Bereitschaftsdienstzeiten die tariflichen Regelungen in Nr. 8 Abs. 2 und Abs. 3 SR 2 c BAT nicht herangezogen werden können.
3. Ein tariflicher Vergütungsanspruch für Tätigkeiten, die ihrer Art nach als Bereitschaftsdienst anzusehen sind und von einem nichtvollbeschäftigen Angestellten über seine vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet werden, ohne daß die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit überschritten wird, ergibt sich auch nicht aus § 34 Abs. 1 Satz 2 BAT. Zwar betrifft diese Bestimmung nach ihrer Überschrift die Vergütung nichtvollbeschäftigter Angestellter. Dies gilt jedoch nach dem Tarifwortlaut nicht für den vom Kläger geltend gemachten Vergütungsanspruch.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BAT erhält der nichtvollbeschäftigte Angestellte für jede Arbeitsstunde, die er über seine vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit hinaus leistet, den auf eine Stunde entfallenden Anteil der Vergütung eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten. Die Tarifvertragsparteien legen damit die Vergütung von Arbeitsstunden fest, die der nichtvollbeschäftigte Angestellte über seine vereinbarte Arbeitszeit hinaus leistet. Es handelt sich somit um die Vergütung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit für den Fall, daß zwar die vereinbarte Arbeitszeit, nicht aber die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit überschritten wird. Dies folgt daraus, daß nach § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAT die tarifliche Bestimmung des § 17 BAT hinsichtlich der Vergütung von Überstunden unberührt bleibt.
Da sich die tarifliche Regelung in § 34 Abs. 1 Satz 2 BAT aber nur auf die Vergütung „geleisteter Arbeitsstunden” bezieht, kann sie zur Bestimmung der Vergütung für den vom Kläger geleisteten „Bereitschaftsdienst” nicht herangezogen werden. Hinsichtlich der Art der Tätigkeit ist maßgebliches Kennzeichen des Bereitschaftsdienstes, daß zu erwarten ist, daß zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt (Nr. 8 Abs. 1 Satz 2 SR 2 c BAT). Die Zeiten des Bereitschaftsdienstes können somit mit geleisteten Arbeitsstunden im Sinne § 34 Abs. 1 Satz 2 BAT nicht gleichgesetzt werden. In der tariflichen Bestimmung kommt auch nicht zum Ausdruck, daß die Bewertung des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit nach Nr. 8 Abs. 2 SR 2 c BAT bei nichtvollbeschäftigten Angestellten, die als Ärzte tätig sind, zur Anwendung kommen soll.
4. Hinsichtlich des Vergütungsanspruchs für Tätigkeiten, die ihrer Art nach als Bereitschaftsdienst anzusehen sind und die von nichtvollbeschäftigten Angestellten über ihre vereinbarte Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit geleistet werden, besteht damit eine Tariflücke. Diese kann von den Gerichten für Arbeitssachen nicht geschlossen werden, da es sich um eine bewußte Tariflücke handelt. Eine solche liegt vor, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewußt tariflich ungeregelt gelassen haben und dies in einer entsprechenden Auslassung seinen Ausdruck findet, wobei die Unterlassung der Regelung ihren Grund auch darin haben kann, daß die Tarifvertragsparteien sich über die betreffende Frage nicht haben einigen können (vgl. BAGE 46, 292, 298 = AP Nr. 93 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 47, 61, 67 = AP Nr. 95 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
a) Die tariflichen Bestimmungen sehen sowohl die Verpflichtung zur Leistung von Bereitschaftsdienst als auch seine Bewertung als Arbeitszeit und seine Vergütung mit der Überstundenvergütung nur für vollbeschäftigte Angestellte vor. Dies ergibt sich daraus, daß der Arzt zur Leistung von Bereitschaftsdienst nur außerhalb der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit tarifvertraglich verpflichtet ist. Demgegenüber verwenden die Tarifvertragsparteien in § 34 BAT für nichtvollbeschäftigte Angestellte den Begriff der vereinbarten durchschnittliche Arbeitszeit. Damit stellt sich die regelungsbedürftige Frage, welche tarifliche Vergütung einem nichtvollbeschäftigten Angestellten zustehen soll, der über seine vereinbarte Arbeitszeit hinaus bis zum Erreichen der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit Tätigkeiten erbringt, die ihrer Art nach als Bereitschaftsdienst anzusehen sind. Darauf wird auch in der Literatur hingewiesen. So verweisen Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese (BAT, Stand Oktober 1990, SR 2 a Nr. 6 Erl. 3) auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22. Februar 1978 – 3 Sa 165/77 –, wonach nur für vollbeschäftigte Angestellte eine Verpflichtung zur Leistung von Bereitschaftsdienst besteht und nichtvollbeschäftigten Angestellten bis zum Erreichen des der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit entsprechenden Arbeitszeitquantums nur die Stundenvergütung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BAT zu zahlen ist. Demgegenüber vertritt der Gruppenausschuß der VkA für Kranken- und Pflegeanstalten die Auffassung, daß auch für nichtvollbeschäftigte Angestellte grundsätzlich die tarifliche Verpflichtung zur Leistung von Bereitschaftsdienst gegeben sei und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern für die umgerechnete Zeit des Bereitschaftsdienstes die Überstundenvergütung unabhängig davon zustehe, ob die Gesamt Stundenzahl (Teilzeitarbeit und umgerechnete Bereitschaftsdienstzeiten) die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit überschreite oder nicht (zitiert bei Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, a.a.O.). Da die Tarifvertragsparteien trotz dieser unterschiedlichen Auffassungen und trotz des zunehmenden Umfangs der Teilzeitarbeit eine Regelung bisher unterlassen haben, ist davon auszugehen, daß sie die Frage der Vergütung von Bereitschaftsdiensten, die von nichtvollbeschäftigten Angestellten geleistet werden, bewußt ungeregelt gelassen haben. Dies wird insbesondere auch dadurch deutlich, daß die Mitgliederversammlung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) insoweit einzelvertragliche Vereinbarungen empfiehlt (siehe Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, a.a.O.). Die Tarifvertragsparteien haben auch die Neuregelung der tariflichen Bestimmungen über den Bereitschaftsdienst durch den 66. Änderungstarifvertrag vom 24. April 1991 nicht zum Anlaß genommen, eine entsprechende Vergütungsregelung für nichtvollbeschäftigte Angestellte zu treffen. Da die Tarifvertragsparteien insoweit verschiedene Regelungsmöglichkeiten haben, würde eine Lückenausfüllung durch die Gerichte für Arbeitssachen in unzulässiger Weise in die Tarifautonomie eingreifen (BAGE 54, 30 = AP Nr. 1 zu § 42 MTB II).
b) Aus dem Benachteiligungsverbot in Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985, das auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten ist (vgl. BAGE 62, 334 = AP Nr. 6 zu § 2 BeschFG 1985), folgt nicht, daß eine unterschiedliche Vergütungsregelung für Bereitschaftsdienst, der von vollbeschäftigten Angestellten über die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit hinaus geleistet wird, und für Bereitschaftsdienst, der von nichtvollbeschäftigten Angestellten über ihre vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet wird, unzulässig wäre und deshalb nichtvollbeschäftigten Angestellten insoweit ein Anspruch auf Zahlung der Überstundenvergütung zusteht. Nach Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Soweit tarifliche Regelungen Überstundenzuschläge erst dann vorsehen, wenn die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit überschritten wird, so daß Teilzeitbeschäftigten bis zum Erreichen der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit nur die normale Stundenvergütung zu zahlen ist (vgl. BAG Urteil vom 23. Februar 1977 – 4 AZR 667/75 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Techniker-Krankenkasse), besteht ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung darin, daß mit Überstundenzuschlägen eine erhöhte körperliche Belastung ausgeglichen und eine übermäßige Inanspruchnahme des Arbeitnehmers verhindert werden soll (vgl. GK-TzA-Lipke, Art. 1 § 2 BeschFG Rz 140 m.w.N.). Gleiches gilt hinsichtlich der Leistung von Bereitschaftsdiensten. Auch diese führen, wenn sie außerhalb der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit erbracht werden müssen, zu einer höheren Belastung des Arbeitnehmers, als wenn die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit in der betreffenden Woche nicht überschritten wird. Demgegenüber wird eingewendet, daß die Einschränkung der Dispositionsmöglichkeit über die Freizeit teilzeitbeschäftigte und vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer in gleicher Weise treffe (vgl. Schüren, RdA 1985, 22, 28 f.). Dieser Gesichtspunkt greift jedoch nicht durch. Auch die Einschränkung der Dispositionsmöglichkeit über die Freizeit trifft den vollbeschäftigten Angestellten, der über die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit hinaus Bereitschaftsdienst leisten muß, in höherem Maße als den teilzeitbeschäftigten Angestellten.
Außerdem zwingt die tarifliche Regelung über die Pflicht zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst nicht zur Gleichbehandlung von vollbeschäftigten und nichtvollbeschäftigten Angestellten. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich bei nichtvollbeschäftigten Angestellten anders als bei vollbeschäftigten Angestellten in Nr. 8 Abs. 1 SR 2 c BAT keine tarifliche Verpflichtung normiert, Bereitschaftsdienst zu leisten. Leistet deshalb ein nichtvollbeschäftigter Arzt ohne eine entsprechende tarifliche Verpflichtung Bereitschaftsdienst, so sind die Gerichte für Arbeitssachen jedenfalls nicht befugt, anstelle der Tarifvertragsparteien eine Regelung einzuführen, nach der dieser Bereitschaftsdienst ebenso wie der aufgrund tariflicher Verpflichtung geleistete Bereitschaftsdienst vollbeschäftigter Ärzte zu vergüten ist. Es muß den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben, ob und gegebenenfalls in weichem Umfang sie eine entsprechende Verpflichtung für nichtvollbeschäftigte Ärzte normieren und in welcher Weise sie den Vergütungsanspruch regeln.
III. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob dem Kläger ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf die geltend gemachte Überstundenvergütung zusteht. Dies wird es nachholen müssen. Aus diesem Grunde ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO).
1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien in einer „Nebenabrede” zum Arbeitsvertrag nach Nr. 8 Abs. 5 SR 2 c BAT den Bereitschaftsdienst der Stufe „D” zugewiesen. Das Landesarbeitsgericht wird prüfen müssen, ob sie damit – unabhängig von den tariflichen Voraussetzungen – einen arbeitsvertraglichen Anspruch des Klägers auf Bewertung der aus den Bereitschaftsdienstzeiten zu errechnenden Arbeitszeit nach Nr. 8 Abs. 2 SR 2 c BAT und ihre Vergütung nach Nr. 8 Abs. 3 SR 2 c BAT begründet haben. Da der Wortlaut der „Nebenabrede” tatrichterlich bisher nicht festgestellt ist, kann der Senat die Vereinbarung nicht selbst auslegen.
2. Sollte die Vereinbarung allerdings, wie im öffentlichen Dienst allgemein üblich, nur das widerspiegeln, was ohnehin tariflich gilt, läge eine arbeitsvertragliche Abrede über die Verpflichtung zur Leistung von Bereitschaftsdienst und seine Vergütung nicht vor. Die Parteien wären dann irrtümlich davon ausgegangen, daß für den Kläger als nichtvollbeschäftigten Arzt eine tarifliche Verpflichtung zur Leistung von Bereitschaftsdienst bestand. Allein durch die Zuweisung des Bereitschaftsdienstes zur Stufe „D” in vermeintlicher Anwendung von Nr. 8 Abs. 5 SR 2 c BAT hätten sie keinen arbeitsvertraglichen Anspruch des Klägers begründet.
3. Liegt eine arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Vergütung der vom Kläger geleisteten Bereitschaftsdienste nicht vorbestimmt sich der Vergütungsanspruch nach § 612 Abs. 2 BGB. Maßgebend ist damit die übliche Vergütung. Als solche kommt zwar im öffentlichen Dienst regelmäßig die tarifliche Vergütung in Betracht (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985). Auf sie kann jedoch vorliegend nicht zurückgegriffen werden, da die Tarifvertragsparteien die Vergütung des Bereitschaftsdienstes nichtvollbeschäftigter Ärzte nicht geregelt haben und nicht in gleicher Höhe regeln mußten wie die Vergütung des Bereitschaftsdienstes vollzeitbeschäftigter Ärzte (vgl. oben II 4 a). Sollte sich die übliche Vergütung nicht feststellen lassen, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob der Kläger die Vergütung verbindlich bestimmt hat (§ 316 BGB).
IV. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten mit zu entscheiden haben.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Gnade, Fischer
Fundstellen