Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung. regelmäßige Arbeitszeit
Normenkette
EFZG § 4
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit 12. April 1973 als Kraftfahrer gegen einen Stundenlohn von zuletzt 17,36 DM brutto beschäftigt. Er fährt ein Spezialfahrzeug zum Transport von Glasgestellen. Die Parteien sind tarifgebunden. Auf das Arbeitsverhältnis finden der Bundesmanteltarifvertrag für den Güter- und Möbelfernverkehr vom 14. Juli 1988 sowie der Bezirksmanteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1994 (BZMTV) Anwendung.
Der Kläger war seit dem 7. Dezember 1998 für längere Zeit arbeitsunfähig krank. Ab 18. Januar 1999 erhielt er von der Krankenkasse Krankengeld. Der Berechnung der Entgeltfortzahlung für Dezember 1998 legte die Beklagte eine tägliche Arbeitszeit des Klägers von 12,47 Stunden zugrunde. Dies entsprach der durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit des Klägers in den der Arbeitsunfähigkeit vorangegangenen drei Monaten (September bis November 1998). Bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung für die in der Revision noch streitige Zeit vom 1. bis zum 17. Januar 1999 ging die Beklagte von einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden aus. Unter Berücksichtigung des Stundenlohns von 17,36 DM brutto zahlte sie dem Kläger einen Betrag in Höhe von 1.553,68 DM.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – weitere Entgeltfortzahlung. Er hat die Auffassung vertreten, für die elf Arbeitstage in der Zeit vom 1. bis zum 17. Januar 1999 sei von 12,47 Arbeitsstunden arbeitstäglich und einem Stundenlohn in Höhe von 17,36 DM brutto auszugehen. Der sich hieraus ergebende Betrag von 2.381,27 DM erhöhe sich um den Mehrarbeitszuschlag von 25 % ab der 41. Wochenstunde. Hieraus ergebe sich ein Betrag von 213,40 DM. Von dem Gesamtbetrag in Höhe von 2.594,67 DM seien die von der Beklagten geleisteten 1.553,68 DM brutto abzuziehen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.040,99 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, auf Grund des seit 1. Januar 1999 geltenden § 4 Abs. 1a EFZG seien Überstunden bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle nicht mehr zu berücksichtigen. Der Kläger könne daher während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit nur die Bezahlung von 40 Wochenarbeitsstunden verlangen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Klägers ist in Höhe von 213,40 DM unbegründet. Der tarifliche Mehrarbeitszuschlag steht dem Kläger für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht zu.
1. § 3 Ziff. 1c BZMTV sieht für Fahrer und Beifahrer im Güter- und Möbelfernverkehr für jede über 40 Stunden hinausgehende wöchentliche Arbeitsstunde einen Mehrarbeitszuschlag von 25 % vor, sofern eine Abgeltung durch Freizeit nicht erfolgt. Es liegt nahe, diese Bestimmung dahin auszulegen, nur die tatsächlich geleistete (oder als geleistet geltende) Mehrarbeitsstunde führe zur Abgeltung oder zum Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag. Dafür spricht schon der Zusammenhang von Abgeltung durch Freizeit und Zuschlag. Ein Freizeitausgleich setzt im Grundsatz die tatsächliche Erbringung der Mehrarbeit voraus und ist aufgrund eines Ausfalls der Arbeit durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit kaum denkbar. Dann kommt auch der eher nachrangige Mehrarbeitszuschlag nicht zum Zuge und es bleibt bei der “einfachen” Entgeltfortzahlung. Nach der Tarifnorm soll eben nur die über das bestimmte Maß “hinausgehen de Arbeitsstunde” entsprechend vergütet werden. Das folgt letztlich auch aus der Funktion des Zuschlags, die tatsächliche Erschwernis der Mehrarbeit finanziell auszugleichen, ggf. auch aus der weiteren Funktion, die Mehrarbeit zu verteuern und für den Arbeitgeber weniger attraktiv zu machen. Mit der Arbeitsunfähigkeit fällt die tatsächliche Erschwernis und damit der Grund des Zuschlags weg. Der Arbeitgeber kann und muß neu entscheiden, ob er die ausfallende Arbeit an einen oder etwa an mehrere andere Arbeitnehmer vergibt, um dadurch die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen zu vermeiden.
2. Jedenfalls ist die Zahlung von tariflichen Überstundenzuschlägen nach § 4 EFZG ausgeschlossen.
§ 4 Abs. 1a EFZG schließt den Anspruch auf tarifliche Überstundenzuschläge aus. Es genügt, daß ein Tarifvertrag Zuschläge für bestimmte Über- oder Mehrarbeit regelt. Ob es sich tatsächlich um über die individuelle regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Überstunden handelt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Insoweit stellt das Gesetz mit den Worten “das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt” allein auf den tatsächlichen Befund ab und nimmt ”Überstundenzuschläge”, die als solche “gezahlt” werden, aus dem für die Entgeltfortzahlung berücksichtigungsfähigen Lohn aus. Hierfür spricht auch, daß der Zuschlag einen Ausgleich für die besondere Belastung des Arbeitnehmers darstellt, die bei einer überlangen wöchentlichen Arbeitszeit besteht, bei Arbeitsunfähigkeit dagegen entfällt (vgl. MünchArbR/ Boecken 2. Aufl. § 84 Rn. 21). Demgegenüber tritt der Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung des Lebensstandards bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit hier zurück.
II. Im übrigen ist die Revision des Klägers begründet. Sie führt in Höhe von 827,59 DM zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Der Senat kann die für die Entgeltfortzahlung maßgebliche individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Klägers mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst abschließend beurteilen.
1. Auf das Arbeitsverhältnis findet § 7 Ziff. 3 BZMTV Anwendung. Nach dieser Bestimmung gelten bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers infolge Krankheit die gesetzlichen Regelungen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne daß ihn ein Verschulden trifft. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger war seit 7. Dezember 1998 durchgehend mehr als sechs Wochen wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit unverschuldet an seiner Arbeitsleistung verhindert. Die Parteien streiten allein über die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts.
2. Nach § 4 Abs. 1 EFZG ist dem Arbeitnehmer für den in § 3 Abs. 1 EFZG bezeichneten Zeitraum das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen.
a) § 4 Abs. 1 EFZG legt der Entgeltfortzahlung ein modifiziertes Lohnausfallprinzip zugrunde. Maßgebend ist allein die individuelle Arbeitszeit des erkrankten Arbeitnehmers. Es kommt darauf an, welche Arbeitszeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ausgefallen ist. Bei Schwankungen der individuellen Arbeitszeit ist zur Bestimmung der “regelmäßigen” Arbeitszeit eine vergangenheitsbezogene Betrachtung zulässig und geboten (Gesetzesbegründung BT-Drucks. 12/5263 S 13; Kasseler Handbuch/Vossen 2. Aufl. 2.2. Rn. 366 f.; Schmitt EFZG 4. Aufl. § 4 Rn. 18 ff.; Hold in Kaiser/ Dunkl/Hold/Kleinsorge 5. Aufl. EFZG § 4 Rn. 8, 54 f., 56 ff.; Marienhagen/Künzl EFZG Stand Mai 2000 § 4 Rn. 2 f.; Boecken aaO § 84 Rn. 8 f., 32 ff.; Feichtinger AR-Blattei SD Krankheit III Entgeltfortzahlung Rn. 277 ff.; zum Lohnausfallprinzip bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit allgemein BAG 6. Dezember 1995 – 5 AZR 237/94 – BAGE 81, 357, 361).
b) Die individuelle Arbeitszeit folgt in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag. Auf die allgemein im Betrieb geltende Arbeitszeit kommt es nicht entscheidend an, wie sich aus den Worten “bei der für ihn maßgebenden … Arbeitszeit” ergibt. Auch die kraft Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung im Betrieb geltende Arbeitszeit kann von der individuellen Arbeitszeit des Arbeitnehmers nach oben oder nach unten abweichen. Grundlage hierfür kann eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung oder etwa eine betriebliche Übung sein (vgl. nur Vossen aaO; ErfK/Dörner 2. Aufl. EFZG § 4 Rn. 9; Müller/Berenz EFZG 3. Aufl. § 4 Rn. 4 ff.; Schmitt aaO § 4 Rn. 22; Marienhagen/Künzl aaO § 4 Rn. 20 ff.; Feichtinger aaO Rn. 280 ff.; Brecht 2. Aufl. § 4 EFZG Rn. 6). Eine wirksame Vereinbarung über die Arbeitszeit ist nicht erforderlich. Das Gesetz stellt dem Grundsatz nach entscheidend darauf ab, welche Arbeitsleistung tatsächlich ausgefallen ist. Es kommt darauf an, in welchem Umfang der Arbeitnehmer gearbeitet hätte, wenn er arbeitsfähig gewesen wäre. Etwaige gesetzliche oder tarifliche Höchstarbeitszeiten dienen dem Schutz des Arbeitnehmers. Sie bewahren den Arbeitgeber nicht vor der Verpflichtung, die darüber hinausgehende Arbeitszeit zu vergüten.
c) Zur Berechnung des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts ist bei einer Stundenvergütung die Zahl der durch die Arbeitsunfähigkeit ausfallenden Arbeitsstunden (Zeitfaktor) mit dem hierfür jeweils geschuldeten Arbeitsentgelt (Geldfaktor) zu multiplizieren (vgl. Dörner aaO Rn. 6; Staudinger/Oetker BGB 13. Aufl. § 616 Rn. 396 ff.; Vossen aaO Rn. 339; Boecken aaO § 84 Rn. 16 ff.). Bei einer verstetigten, also stets gleichbleibenden Arbeitszeit bereitet die Feststellung der maßgebenden Arbeitszeit keine Schwierigkeiten (Vossen aaO 2.2 Rn. 368; Dörner aaO Rn. 8; Boecken aaO § 84 Rn. 35; Hold aaO § 4 Rn. 58; Gola EFZG 2. Aufl. § 4 Anm. 3.3.1 und 3.3.2). Ist ein festes Monatsentgelt vereinbart, ist dieses bei gewerblichen Arbeitnehmern ebenso wie bei Angestellten bis zur Dauer von sechs Wochen fortzuzahlen. Unterliegt die Arbeitszeit und damit die Entgelthöhe vereinbarungsgemäß unregelmäßigen Schwankungen und kann deshalb der Umfang der ausgefallenen Arbeit nicht exakt bestimmt werden, bedarf es der Festlegung eines Referenzzeitraums, dessen durchschnittliche Arbeitsmenge maßgebend ist.
3. Nach § 4 Abs. 1a Satz 1 EFZG gehört nicht zum Arbeitsentgelt nach Abs. 1 das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt. Dieses ist im Krankheitsfall nicht fortzuzahlen.
a) Zusätzlich für Überstunden gezahltes Entgelt stellen nicht nur die Überstundenzuschläge dar. Auch die Grundvergütung für die Überstunden wird zusätzlich zum “normalen” Entgelt, und zwar für die Überstunden, gezahlt. Hätte der Gesetzgeber nur die Überstundenzuschläge aus der Entgeltfortzahlung herausnehmen wollen, hätte er das mit dem eingeführten Begriff “Überstundenzuschläge” klar ausdrücken können. Er hätte zumindest das Wort “zusätzlich” zwischen die Worte “Überstunden” und “gezahlte” stellen und damit ausdrücken können, daß eine Zusatzvergütung (zur Grundvergütung) gemeint sei. Das Gesetz klammert demgegenüber sowohl die Grundvergütung als auch die Zuschläge für Überstunden aus (so ausdrücklich BT-Drucks. 14/45 S 24). Das kommt aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang der Norm hinreichend zum Ausdruck (zustimmend Vossen aaO 2.2 Rn. 345, 347, 371/372; Dörner aaO Rn. 11, 24; Boecken aaO Rn. 21, 27; Löwisch BB 1999, 102, 105; Müller/Berenz aaO § 4 Rn. 7; Hold aaO § 4 Rn. 33 f., 61; Schmitt aaO § 4 Rn. 94 ff., 96; Marienhagen/Künzl aaO § 4 Rn. 17a, 17b; Brecht aaO § 4 Rn. 10; Feichtinger aaO Rn. 284; Däubler NJW 1999, 601, 605).
b) Beim Begriff der Überstunden geht es entscheidend um die Frage, ob an eine generelle, vornehmlich tarifliche bzw. betriebsübliche Arbeitszeit oder an die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers anzuknüpfen ist.
aa) Der Wortlaut ist nicht eindeutig. “Überstunden” könnte zum einen die Mehrarbeit bezeichnen, die über die regelmäßige Arbeitszeit nach dem im Betrieb angewendeten Tarifvertrag oder nach der sonst im Betrieb gehandhabten Regelung hinausgeht (so, allerdings ohne nähere Begründung, Hold aaO § 4 Rn. 33; Kunz/Wedde EFZR § 4 Rn. 20, 29; Müller/Berenz aaO § 4 Rn. 7; Vossen aaO 2.2 Rn. 347). Allerdings fragt sich, warum gerade die betriebsübliche Arbeitszeit und nicht etwa die Arbeitszeit im Unternehmen oder eine gesetzliche Arbeitszeit maßgebend sein soll. Überstunden können sich nach dem Wortlaut des Gesetzes aber ebensogut auf den Arbeitnehmer beziehen, dem das Gesetz einen Anspruch auf die Entgeltfortzahlung einräumt; maßgebend ist dann dessen individuelle regelmäßige Arbeitszeit (so im Ergebnis Boecken aaO Rn. 21, 27; Marienhagen/Künzl aaO § 4 Rn. 17c; Schmitt aaO § 4 Rn. 97 mwN; Brecht aaO § 4 Rn. 9).
bb) Der Zusammenhang des Gesetzes, insbesondere von § 4 Abs. 1 und Abs. 1a EFZG, spricht für die Maßgeblichkeit der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit. Die Einschränkung des Abs. 1a bezieht sich auf den Arbeitnehmer, der aufgrund seiner in Abs. 1 zugrunde gelegten persönlichen regelmäßigen Arbeitszeit Ansprüche geltend macht. Es kann nur um seine Überstunden gehen. Diese richten sich nach seiner Arbeitszeit. Das Gesetz enthält keinen ausreichenden Anhaltspunkt, um an eine tarifliche Arbeitszeit anzuknüpfen. Tarifverträge gebrauchen auch nur zum Teil den Begriff der Überstunden. Der Gesetzgeber hätte den Zusammenhang der beiden ersten Absätze des § 4 EFZG auflösen können, wenn er statt “zusätzlich für Überstunden” formuliert hätte: “für über die betriebsübliche Arbeitszeit hinaus”.
cc) § 4 Abs. 1a EFZG erfaßt nach seinem Wortlaut und nach Sinn und Zweck auch wiederholt geleistete Überstunden (Löwisch aaO; Marienhagen/Künzl aaO § 4 Rn. 17b). Immer muß es sich aber um Überstunden handeln. Überstunden iSv. § 4 Abs. 1a EFZG liegen vor, wenn die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers überschritten wird. Überstunden werden wegen bestimmter besonderer Umstände vorübergehend zusätzlich geleistet. Damit fallen einerseits die bisher der regelmäßigen Arbeitszeit zugerechneten wiederholt anfallenden Überstunden (BAG 16. März 1988 – 5 AZR 40/87 – AP LohnFG § 1 Nr. 78 = EzA LohnFG § 1 Nr. 93; 3. Mai 1989 – 5 AZR 249/88 – AP LohnFG § 2 Nr. 19 = EzA LohnFG § 2 Nr. 21; zur bisherigen Rechtslage vgl. etwa noch Gola aaO § 4 Anm. 3.3.3) aus der Entgeltfortzahlung heraus. Andererseits ist nicht zu übersehen, daß es Fälle einer individuellen regelmäßigen Arbeitszeit gibt, die von der betriebsüblichen oder tariflichen Arbeitszeit abweicht. Leistet der Arbeitnehmer ständig eine bestimmte Arbeitszeit, die mit der betriebsüblichen oder tariflichen Arbeitszeit nicht übereinstimmt, kann von Überstunden nicht gesprochen werden. Überstunden werden wegen bestimmter besonderer Umstände zusätzlich geleistet (Marienhagen/Künzl aaO § 4 Rn. 17 c). Die übliche Arbeitszeit wird vorübergehend verändert. Das ist für jeden Arbeitnehmer individuell zu beurteilen. Auch bei einer beständigen Arbeitszeit kommen (außerdem) Überstunden in Betracht, die für die Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen sind. Nur die hierfür geleistete Vergütung stellt für den Arbeitnehmer zusätzliches Entgelt dar.
dd) Allein diese Auslegung wird dem Grundsatz der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitnehmer gerecht, die einen festen Monatslohn oder ein festes Monatsgehalt für ihre ständig zu erbringende Arbeit erhalten. Die Entgeltfortzahlung für diese Arbeitnehmer richtet sich nach dem vereinbarten Entgelt auf der Basis der ständig geleisteten Arbeitszeit (siehe oben 2c). Es würde eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bedeuten, wenn die zu berücksichtigende Arbeitszeit und damit die Höhe der Entgeltfortzahlung nur aufgrund einer unterschiedlichen Art und Weise der Abrechnung grundlegend differieren würde.
ee) Eine ähnliche Problematik ergibt sich zu § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG. Nach dieser Bestimmung bemißt sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Auch hier bleiben sowohl die Grundvergütung für die Überstunden als auch die Überstundenzuschläge außer Betracht (vgl. nur Dersch/Neumann BUrlG 8. Aufl. § 11 Rn. 42 ff., insbesondere 44 f.; ErfK/Dörner BUrlG § 11 Rn. 12). Im Referenzzeitraum liegende Überstunden, auch regelmäßig anfallende, sind ausgenommen und von der regelmäßigen Arbeitszeit des Arbeitnehmers abzugrenzen. Allerdings sind die Überstunden – ohne Zuschläge – einzubeziehen, die der Arbeitnehmer im Urlaubszeitraum tatsächlich geleistet hätte (BAG 9. November 1999 – 9 AZR 771/98 – BAGE 92, 343, 347 ff.). Es liegt nahe, die regelmäßige individuelle Arbeitszeit gegenüber Überstunden bei § 4 EFZG ebenso wie bei § 11 BUrlG abzugrenzen. Zwingend ist das freilich nicht, da die jährliche Urlaubsdauer bestimmt ist und der Arbeitnehmer sich hier eher auf eine Vergütung nach der betriebsüblichen Arbeitszeit einrichten kann; außerdem kommt zum Urlaubsentgelt vielfach ein tarifliches Urlaubsgeld hinzu.
4. Arbeitet der Arbeitnehmer mit einer gewissen Stetigkeit über die tarifliche oder betriebsübliche Arbeitszeit hinaus, ist jedoch die ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung einer bestimmten ständigen Arbeitszeit in diesem Umfang nicht ohne weiteres festzustellen, gilt für die Abgrenzung der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit von den bei der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigenden Überstunden folgendes:
a) Eine ständig erbrachte Mindestarbeitsleistung (Arbeitszeitsockel) kann als konkludent vereinbart angesehen werden, wenn der Arbeitgeber die entsprechende Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer erwartet und entgegennimmt. Sie ist Grundlage für einen Mindestumfang der Entgeltfortzahlung.
b) Beruhen Schwankungen der Arbeitszeit darauf, daß der Arbeitnehmer vertragsgemäß bestimmte (wiederkehrende) Arbeitsleistungen erbringt, die je nach den Arbeitsumständen oder dem Arbeitsanfall kürzer oder länger dauern (zB bei einem Müllwerker oder einem Auslieferungsfahrer), geht die individuelle regelmäßige Arbeitszeit über den Arbeitszeitsockel hinaus; denn der Arbeitnehmer hat seine Arbeitsaufgabe stets vereinbarungsgemäß zu erledigen, ohne daß die Arbeitszeit von vornherein festliegt. Als geschuldete Arbeitszeit muß ein durchschnittlicher Wert angenommen werden. Das entspricht auch der gesetzlichen Wertung des § 4 Abs. 1a Satz 2 EFZG für ergebnisabhängige Vergütungen. Der Durchschnittswert der Arbeitszeit läßt sich nur nach einem zurückliegenden Zeitraum bestimmen. Darüber hinausgehende Überstunden können wegen besonderer Umstände, etwa bei einem unvorhergesehenen oder ungewöhnlichen, zusätzlich auftretenden Arbeitsanfall (zB im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, bei vorübergehenden Zusatzaufträgen usw.) auftreten.
c) Verändern sich die Arbeitsaufgaben des Arbeitnehmers vereinbarungsgemäß in mehr oder weniger großen Abständen mit Auswirkung auf die Arbeitszeitdauer (zB Einsatz auf wechselnden Baustellen, Saison bei Gastronomie- und Hotelbetrieben), kann die durch die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Arbeitszeit vielfach konkret bestimmt werden. In Saisonbetrieben wird je nach Saison eine unterschiedliche individuelle regelmäßige Arbeitszeit anzunehmen sein. Durch die Umsetzung auf andere Baustellen ändert sich demgegenüber die individuelle regelmäßige Arbeitszeit gewöhnlich nicht. Deshalb ist auch dann, wenn feststeht, daß der erkrankte Arbeitnehmer nicht oder – sofern überhaupt zulässig – eben doch auf eine andere Einsatzstelle umgesetzt worden wäre, die individuelle regelmäßige Arbeitszeit nach dem Durchschnitt eines zurückliegenden Zeitraums zu bestimmen.
d) Der Vergleichszeitraum in diesem Sinne bezweckt die sichere Erfassung dessen, was die Arbeitsvertragsparteien als regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers gewollt haben. Er ist so zu bemessen, daß das Arbeitsverhältnis mit seinen Besonderheiten möglichst umfassend in den Blick kommt und Zufallsergebnisse vermieden werden. Es handelt sich nicht lediglich um einen Referenzzeitraum zur praktikablen Berechnung des Lohnausfalls, sondern um die rechtsgeschäftliche Bestimmung der beständigen Arbeitszeit. Deshalb genügt es nicht, einen Zeitraum von drei Monaten zugrunde zu legen (so noch Senat 8. Mai 1972 – 5 AZR 428/71 – AP LohnFG § 2 Nr. 3 = EzA LohnFG § 2 Nr. 3, zu 2b der Gründe; 3. Mai 1989 – 5 AZR 249/88 – AP LohnFG § 2 Nr. 19 = EzA LohnFG § 2 Nr. 21, zu I der Gründe für die Einbeziehung von Mehrarbeit vor Inkrafttreten des § 4 Abs. 1a Satz 1 EFZG). Wie sich gerade auch aus § 4 Abs. 1a EFZG ergibt, muß die Beständigkeit der Arbeitsleistung – im Hinblick auf mögliche, eben nicht zu berücksichtigende Überstunden – für eine längere Dauer festgestellt werden. Nur dann läßt sich eine “Regelmäßigkeit” iSv. § 4 Abs. 1 EFZG annehmen. Das führt in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung zu § 2 ArbKrankhG (BAG 5. November 1964 – 2 AZR 494/63 – AP ArbKrankhG § 2 Nr. 21 = EzA ArbKrankhG § 2 Nr. 3; vgl. auch schon BAG 24. Oktober 1963 – 2 AZR 444/62 – BAGE 15, 59, 61 f.) und zu § 1 Abs. 3 Nr. 2 LohnFG (Senat 7. November 1984 – 5 AZR 378/82 – BAGE 47, 160, 163 ff.) dazu, grundsätzlich einen Vergleichszeitraum von zwölf Monaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit heranzuziehen. Dieser Zeitraum wird besonderen Eigenarten eines Arbeitsverhältnisses gerecht und vermeidet unbillige Zufallsergebnisse. Hat das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit weniger als ein Jahr gedauert, ist dessen gesamter Zeitraum maßgebend.
e) Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast zu der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit gemäß § 4 Abs. 1 EFZG im Normalfall dadurch, daß er den Arbeitszeitdurchschnitt der vergangenen zwölf Monate darlegt. Das Maß der zu fordernden Substantiierung richtet sich nach der Einlassung des Arbeitgebers. Überstunden hat der Arbeitgeber, wenn sie sich nicht bereits aus dem Vortrag des Arbeitnehmers ergeben, entsprechend der Fassung des § 4 Abs. 1a EFZG einzuwenden. Der Arbeitgeber, der eine aus Überstunden resultierende Minderung der zu berücksichtigenden durchschnittlichen Arbeitszeit geltend macht, trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast.
III. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung sei die individuelle Arbeitszeit des erkrankten Arbeitnehmers maßgeblich. Gleichwohl stellt das Landesarbeitsgericht zur Ermittlung der regelmäßigen Arbeitszeit nicht auf die vom Kläger individuell regelmäßig geleisteten Arbeitsstunden ab, sondern auf die tarifliche Arbeitszeitregelung.
2. Aufgrund der vom Kläger für die Monate September bis November 1998 vorgelegten Arbeitszeiten liegt eine konkludente Verlängerung der regelmäßige Arbeitszeit des Klägers nahe. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht – aus seiner Sicht konsequent – allerdings keine Feststellungen getroffen. Es hat nur die monatlichen Arbeitszeiten für die Monate September bis November 1998 festgestellt und hieraus einen Durchschnitt von 12,47 Stunden arbeitstäglich errechnet. Auch die weitere Feststellung, der Kläger hätte im Zeitraum vom 1. bis zum 17. Januar 1999 durchschnittlich 12,47 Stunden gearbeitet, genügt nicht für die Annahme, es habe sich hierbei um die regelmäßige Arbeitszeit iSv. § 4 Abs. 1 EFZG gehandelt. Es ist nicht auszuschließen, daß diese Arbeitszeit nur für den angegebenen Zeitraum maßgebend war und im übrigen in dem zwölfmonatigen Vergleichszeitraum andere Arbeitszeiten galten. Das Landesarbeitsgericht wird auf entsprechenden Vortrag der Parteien hinzuwirken haben. Schließlich kann die Beklagte noch darlegen, ob in dem Vergleichszeitraum Überstunden angefallen sind.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, W. Hinrichs, E. Haas
Fundstellen