Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Fremdvergabe von Reinigungsarbeiten
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 1; BetrVG § 102
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 09.11.1994; Aktenzeichen 2 Sa 79/94) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 24.03.1994; Aktenzeichen 10 Ca 422/93) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. November 1994 – 2 Sa 79/94 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützten Kündigung.
Die im Jahre 1939 geborene Klägerin war seit 1982 in einem Schuhgeschäft der Beklagten als Reinigungskraft beschäftigt. Im Februar 1993 beschloß die Beklagte im Zusammenhang mit einem Umbau des Geschäfts und einer Verringerung der zu reinigenden Fläche, dort keine Reinigungskräfte mehr zu beschäftigen. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 15. Februar 1993, der Klägerin zugegangen am 16. Februar 1993, ordentlich zum 30. September 1993. Auch die beiden anderen Reinigungskräfte erhielten ordentliche Kündigungen. Im Sommer 1993 beauftragte die Beklagte ein Gebäudereinigungsunternehmen damit, die noch verbliebenen Reinigungsarbeiten auszuführen. Diese Arbeiten waren nach dem Ausscheiden der beiden anderen Reinigungskräfte von der Klägerin allein erledigt worden.
Mit der am 5. März 1993 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei sozialwidrig und gem. § 102 Abs. 1 BetrVG rechtsunwirksam. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Rüge der unterbliebenen Betriebsratsanhörung fallen lassen. Sie hat nur noch geltend gemacht, die Vergabe der zuvor von der Klägerin ausgeführten Reinigungsarbeiten an das Reinigungsunternehmen habe einen Teilbetriebsübergang bewirkt. Die Kündigung sei gem. § 613a Abs. 4 BGB unwirksam.
Die Klägerin hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15. Februar 1993 zum 30. September 1993 nicht aufgelöst worden sei.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich auf ihre unternehmerische Entscheidung berufen und vorgetragen, die Kündigung sei aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse gerechtfertigt. Der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin sei wegen der Fremdvergabe der Reinigungsarbeiten vollständig weggefallen. Ein Betriebsrat sei nicht gebildet gewesen. Ein Teilbetriebsübergang liege nicht vor und sei auch nicht vorgesehen gewesen.
Während des Kündigungsschutzprozesses hat die Beklagte die Klägerin über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum 30. Juni 1994 vorläufig weiterbeschäftigt. Soweit die Klägerin in dieser Zeit gearbeitet hat, war die Ausführung der Reinigungsarbeiten durch das Reinigungsunternehmen ausgesetzt. Mit Schreiben vom 15. Juli 1994 hat die Klägerin einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf das Reinigungsunternehmen vorsorglich widersprochen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin weiterhin geltend, die Kündigung sei wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die klagabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht bestätigt. Die Kündigung der Beklagten vom 15. Februar 1993 ist rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgemäß zum 30. September 1993 aufgelöst.
I. Eine etwaige Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG ist nicht zu prüfen. Nachdem das Arbeitsgericht aufgrund einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen war, ein Betriebsrat habe in dem Beschäftigungsbetrieb der Klägerin nicht bestanden, das Schuhgeschäft habe einen eigenständigen Betrieb dargestellt, hat die Klägerin die Rüge der unterbliebenen Betriebsratsanhörung schon im Berufungsverfahren fallen lassen. Auch im Revisionsverfahren ist sie darauf nicht mehr zurückgekommen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des Arbeitsgerichts zutrifft.
II. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, die Kündigung verstoße nicht gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB.
1. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, soweit die Beklagte die verbleibenden Reinigungsarbeiten einem Drittunternehmen übertragen habe, seien sächliche und immaterielle Betriebsmittel nicht übergegangen. Daher könne der Übergang eines Betriebsteils nicht Motiv für die Kündigung gewesen sein. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Begriff des Betriebsübergangs nach der Entscheidung des EuGH vom 14. April 1994 – RS. C-392/92 – („Christel Schmidt”) nunmehr auch den Übergang einer von einem Unternehmen bisher selbst geleiteten Dienstleistungseinrichtung auf ein drittes Unternehmen umfasse. Auf diese Entscheidung komme es nicht an, weil sie zum Kündigungszeitpunkt noch nicht vorgelegen habe und für die Beurteilung der Kündigung der Zeitpunkt des Zugangs maßgebend sei.
2. Dem kann sich der Senat nur im Ergebnis, nicht in der Begründung anschließen.
a) Wegen eines Betriebsübergangs im Sinne des § 613a BGB wird eine Kündigung nur dann ausgesprochen, wenn der Betriebsübergang die überwiegende Ursache der Kündigung bildet. Der Betriebsübergang muß der Beweggrund für die Kündigung gewesen sein (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG Urteil vom 26. Mai 1983 – 2 AZR 477/81 – AP Nr. 34 zu § 613a BGB). Dabei ist ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung, also bei Zugang der Kündigung abzustellen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG Urteil vom 27. Februar 1997 – 2 AZR 160/96 – AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung). Damit kann ein bevorstehender Betriebsübergang nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 613a Abs. 4 BGB führen, wenn die den Betriebsübergang ausmachenden Tatsachen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits feststehen oder zumindest greifbare Formen angenommen haben (Senatsurteil vom 13. November 1997 – 8 AZR 295/95 –zur Veröffentlichung vorgesehen).
b) Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 16. Februar 1993 lagen die Voraussetzungen des Übergangs eines Betriebsteils von der Beklagten auf ein Gebäudereinigungsunternehmen nicht vor. Es bestanden hierfür keinerlei Anhaltspunkte, von greifbaren Formen kann erst recht keine Rede sein. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war zum Kündigungszeitpunkt nicht einmal eine Funktionsnachfolge vorgesehen, da die verbleibende Reinigung im wesentlichen von Verkäufern erledigt werden sollte. Aber selbst dann, wenn die künftige Beauftragung eines Gebäudereinigungsunternehmens schon zum Kündigungszeitpunkt beabsichtigt war oder nahelag, bestand kein Anhaltspunkt für einen Teilbetriebsübergang. Beweggrund für die Kündigung war dann allenfalls eine bloße Funktionsnachfolge. Eine solche stellt jedoch keinen Betriebsübergang dar (Senatsurteil vom 13. November 1997, a.a.O., m.w.N.). Betrieb im Sinne von § 613a BGB darf ebenso wie wirtschaftliche Einheit im Sinne der EWG-Richtlinie Nr. 77/187 nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Ebensowenig wie der Verlust eines Auftrags an einen Mitbewerber für sich genommen einen Übergang darstellt, bewirkt die Fremdvergabe von Arbeiten als solche einen Betriebsübergang. Unerheblich ist deshalb auch, ob und inwiefern sich die Arbeitsaufgabe durch die Verringerung der Reinigungsfläche verändert hat.
c) Es ist auch nach Zugang der Kündigung nicht zu einem Betriebsübergang gekommen. Zwar kann in Branchen, in denen es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, die Übernahme einer organisierten Gesamtheit von Arbeitnehmern einen rechtsgeschäftlichen Betriebs- oder Teilbetriebsübergang darstellen (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 1997 – 8 AZR 101/96 – AP Nr. 154 zu § 613 a BGB; vom 13. November 1997, a.a.O.). Das von der Beklagten beauftragte Reinigungsunternehmen hat jedoch keine ehemaligen Arbeitnehmer der Beklagten beschäftigt. Sächliche oder immaterielle Betriebsmittel sind nicht übernommen worden. Aber selbst dann, wenn es noch zu einem Betriebsübergang gekommen wäre, hätte das an der Wirksamkeit der Kündigung nachträglich nichts mehr geändert. Die gekündigten Arbeitnehmer hätten dann ggf. einen Anspruch gegen den Auftragnehmer, zu unveränderten Arbeitsbedingungen unter Wahrung des Besitzstands eingestellt zu werden (Senatsurteil vom 13. November 1997, a.a.O.).
d) Auf die Bedeutung der Widerspruchserklärung der Klägerin vom 15. Juli 1994 kommt es nach alledem nicht mehr an.
III. Die Kündigung ist auch nicht sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 1 KSchG).
1. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, Kündigungsgrund sei der voraussehbare Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin mit Ablauf der Kündigungsfrist gewesen. Dem habe eine gerichtlich nicht nachprüfbare Unternehmerentscheidung über eine Organisationsänderung zugrunde gelegen. Die Beklagte habe nämlich im Februar 1993 beschlossen, das Gebäude modern umzubauen, die verbleibenden Reinigungsarbeiten teilweise durch Verkäufer ausführen zu lassen, sie im übrigen an ein Reinigungsunternehmen zu vergeben und künftig keine eigenen Reinigungskräfte mehr zu beschäftigen. Es sei mit einer erheblichen Verringerung der zu reinigenden Fläche und des dafür erforderlichen Zeitaufwandes zu rechnen gewesen. Tatsächlich sei der Umbau erfolgt. Die Beklagte habe folgerichtig allen drei Reinigungskräften gekündigt und die Ausführung der verbleibenden Reinigungsarbeiten der Firma K. & S. übertragen. Angesichts dieser Gegebenheiten beruhe die Kündigung auf dringenden betrieblichen Erfordernissen.
2. Es erscheint schon zweifelhaft, ob die soziale Rechtfertigung der Kündigung überhaupt noch zu prüfen ist, da die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung in zweiter und dritter Instanz zumindest ausdrücklich nur noch auf § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB gestützt hat. Jedenfalls sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum Kündigungsgrund revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann angenommen werden, daß die Voraussetzungen des allgemeinen Kündigungsschutzes gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 a.F. KSchG vorgelegen haben.
b) Nach der Entscheidung der Beklagten vom Februar 1993 stand mit hinreichender Sicherheit fest, die Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin im Schuhgeschäft der Beklagten werde mit Ablauf der Kündigungsfrist wegfallen. Die Entscheidung, kein eigenes Reinigungspersonal mehr zu beschäftigen, war nicht willkürlich oder offensichtlich unsachlich. Sie war auch endgültig. Die nachträgliche Änderung dahin, daß statt eines Einsatzes von Verkäufern der Umfang der Fremdvergabe erweitert wurde, ist nicht erheblich. Auch die vorläufige Weiterbeschäftigung der Klägerin aufgrund ihrer Klage hat auf die Beurteilung, der Arbeitsplatz der Klägerin sei weggefallen, keinen Einfluß.
c) Die Klägerin hat weder die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung bei der Beklagten noch eine fehlerhafte Sozialauswahl behauptet. Welcher Rahmen hierfür jeweils maßgebend wäre,
IV. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Rosendahl, Umfug
Fundstellen