Entscheidungsstichwort (Thema)
Überstundenzuschläge für Personalratstätigkeit während der Freizeit
Leitsatz (redaktionell)
Für die über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistete Personalratstätigkeit hat ein bei der Deutschen Bundespost tätiges Personalratsmitglied zwar Anspruch auf Freizeitausgleich (§ 6 Abs 5 Unterabs 1 Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. Januar 1955 idF des Tarifvertrages Nr 336 vom 15. Februar 1975, zuletzt geändert durch den Tarifvertrag Nr 377 vom 14. Dezember 1984 (TVArb), nicht aber auch auf Überstundenzuschläge (§ 6 Abs 5 Unterabs 2 TVArb). Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 46 Abs 2 BPersVG.
Normenkette
TVG § 1; BPersVG §§ 8, 46 Abs. 2, 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin neben Freizeitausgleich auch der tarifliche Überstundenzuschlag nach § 6 Abs. 5 Unterabs. 2 des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) für über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehende Personalratstätigkeit zusteht.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit und arbeitsvertraglicher Vereinbarung der TV Arb Anwendung. Die Klägerin ist Mitglied des Personalrats beim Postamt 1 in F. Sie hat eine vertragliche Arbeitszeit von 24 Stunden in der Woche.
In der Zeit vom 29. Mai bis 5. Juni, 27. August bis 4. September und 30. September bis 9. Oktober 1983 vertrat die Klägerin das freigestellte, vollbeschäftigte Personalratsmitglied K. Ihr Arbeitsvertrag, insbesondere die vereinbarte Wochenarbeitszeit, wurde für diese Zeiträume nicht geändert. Der Amtsvorsteher war damit einverstanden, daß die Klägerin während der Vertretungen von ihrer Arbeit freigestellt wurde. In dieser Zeit war die Klägerin über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus an insgesamt 66 Stunden für den Personalrat tätig. Hierfür erhielt sie einen entsprechenden Freizeitausgleich, nicht aber einen Überstundenzuschlag von 25 % in der unstreitigen Höhe von insgesamt 234,02 DM.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe für die über ihre vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleisteten 66 Stunden Personalratstätigkeit nicht nur Anspruch auf entsprechenden Freizeitausgleich, sondern auch auf den tariflichen Überstundenzuschlag. Personalratstätigkeit über die Arbeitszeit hinaus müsse wie Überstundenarbeit vergütet werden, da sie andernfalls entgegen § 8 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) benachteiligt werde. Ihr Anspruch ergebe sich ferner daraus, daß gemäß § 46 Abs. 2 BPersVG infolge einer Tätigkeit für den Personalrat keine Minderung des Arbeitsentgelts eintreten dürfe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie
234,02 DM brutto plus 4 % Zinsen
seit dem 30. April 1984 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich darauf berufen, die Klägerin habe keine Überstunden geleistet, da Überstunden im Sinne von § 6 TV Arb nur Arbeitsstunden, nicht aber Stunden außerhalb der persönlichen Arbeitszeit für Personalratstätigkeit seien. Nach der abschließenden Regelung des § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG stehe der Klägerin für Personalratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit lediglich ein entsprechender Freizeitausgleich zu.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Überstundenzuschlages für die über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehende Personalratstätigkeit.
1. Die Klägerin kann ihren Anspruch, für über ihre vertragliche Arbeitszeit hinaus geleistete Personalratstätigkeit neben dem ihr gewährten Freizeitausgleich auch Überstundenzuschlag zu erhalten, nicht auf § 6 Abs. 5 Unterabs. 2 TV Arb stützen.
Nach § 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 TV Arb sind Arbeitsstunden unter bestimmten Voraussetzungen dann Überstunden, wenn sie über die tägliche dienstplanmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet werden. Für solche Arbeitsstunden kann dem Arbeiter auf Wunsch nach § 6 Abs. 5 Unterabs. 1 TV Arb anstelle des Überstundenlohnes ein Anspruch auf späteren Freizeitausgleich gewährt werden. Nach § 6 Abs. 5 Unterabs. 2 TV Arb wird für durch Freizeit ausgeglichene Überstunden und für Überstunden, für die der Arbeiter einen Anspruch auf späteren Freizeitausgleich erhält, lediglich der Überstundenzuschlag gezahlt.
Nach der insoweit eindeutigen Definition in § 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 TV Arb sind demnach Überstunden im Sinne von § 6 TV Arb nur solche Arbeitsstunden, die über die dienstplanmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet werden.
2. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt die Personalratstätigkeit eines Personalratsmitglieds, das sein Amt unentgeltlich als Ehrenamt ausübt (§ 46 Abs. 1 BPersVG), keinen in Erfüllung des Arbeitsvertrages geleisteten Dienst bzw. Arbeit dar. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den entsprechenden Regelungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes (vgl. BVerwGE 19, 279 = AP Nr. 4 zu § 42 PersVG) sowie des Bundesarbeitsgerichts zu dem entsprechenden § 37 Abs. 3 BetrVG (BAG Urteil vom 7. Februar 1985 - 6 AZR 370/82 - AP Nr. 48 zu § 37 BetrVG 1972). Dieser Rechtsprechung wird auch in der einschlägigen Literatur zugestimmt (vgl. z. B. Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 46 Rz 11 ff.; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz, BPersVG, 5. Aufl., § 46 Rz 17). Zutreffend weist das Berufungsgericht hierzu darauf hin, daß andernfalls sowohl die Vorschrift des § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG als auch die §§ 35 Satz 1 und 46 Abs. 3 BPersVG überflüssig wären. Diese Vorschriften gehen übereinstimmend davon aus, daß die für Personalratstätigkeit aufgewendete Zeit keine Arbeitszeit ist und regeln die dadurch entstehenden Folgen hinsichtlich des Arbeitsverdienstes und der erforderlichen Freistellungen von der Arbeit. Auch die Revision erhebt gegen diese Auffassung keine Einwendungen. Von dieser in Rechtsprechung und Schrifttum herrschenden Meinung abzuweichen, besteht daher kein Anlaß.
3. Die Klägerin kann den von ihr geltend gemachten Anspruch auch nicht auf § 46 Abs. 2 BPersVG stützen, wonach Personalratsmitglieder Anspruch auf zeitgleiche Dienstbefreiung haben, wenn und soweit sie für die Tätigkeit im Personalrat Freizeit aufwenden.
a) Nach der gesetzlichen Regelung ist die Tätigkeit des Personalrats grundsätzlich während der Arbeitszeit durchzuführen. Nur wenn dies ausnahmsweise nicht möglich ist, sollen die Personalratsmitglieder nicht dadurch benachteiligt werden, daß sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben ihre Freizeit benutzen müssen. Voraussetzung für einen Anspruch auf Freizeitausgleich ist, daß das Personalratsmitglied durch die Erfüllung von Personalratsaufgaben über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht wird, wobei auf die für das einzelne Personalratsmitglied geltende Arbeitszeit abzustellen ist (Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand Mai 1985, § 46 Rz 42 f. m.w.N.). Ein Personalratsmitglied hat in entsprechendem Umfang der für Aufgaben des Personalrats aufgewendeten Freizeit Anspruch auf Dienstbefreiung; d. h. die Dienstbefreiung muß insgesamt genauso lang sein wie die für Personalratstätigkeit aufgewendete Freizeit. Das Gesetz sieht jedoch im Gegensatz zu der für Betriebsratsmitglieder geltenden Regelung in § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nicht vor, daß den betroffenen Personalratsmitgliedern darüber hinaus die über die persönliche Arbeitszeit hinaus geleisteten Stunden für Personalratsangelegenheiten wie Überstunden vergütet werden (ebenso Lorenzen/-Haas/Schmitt, aaO, § 46 Rz 12, 48; Dietz/Richardi, aaO, § 46 Rz 31).
b) Diese Auffassung widerspricht auch nicht dem in § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG normierten Lohnausfallprinzip. Es trifft zwar zu, daß ein Personalratsmitglied für die Zeit der Arbeitsversäumnis wegen Personalratstätigkeit Anspruch auf Fortzahlung seiner Dienstbezüge bzw. seines Arbeitsentgelts in der Höhe hat, die es erhalten hätte, wenn es in dieser Zeit gearbeitet hätte (Lorenzen/Haas/Schmitt, aaO, § 46 Rz 47). Die Klägerin hat jedoch keine Arbeitszeit versäumt, sondern Freizeit aufgewendet. Hierfür ist ihr aber Freizeitausgleich gewährt worden.
4. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Überstundenzuschläge läßt sich entgegen der Meinung der Revision auch nicht aus § 8 BPersVG ableiten.
Das in § 8 BPersVG normierte Benachteiligungsverbot, das generell jede Benachteiligung eines Personalratsmitgliedes wegen seiner Tätigkeit als Personalrat untersagt, hat durch § 46 BPersVG eine nähere Konkretisierung erfahren. Diese Vorschrift regelt die mit der Tätigkeit eines Personalratsmitgliedes zusammenhängenden Fragen der Arbeitsfreistellung, der Fortzahlung der Dienstbezüge oder des Arbeitsentgelts und den Freizeitausgleich für über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Personalratstätigkeit abschließend und eigenständig (Dietz/Richardi, aaO, § 8 Rz 2 und § 46 Rz 1; Lorenzen/Haas/Schmitt, aaO, § 46 Rz 48). Als Folge dieser besonderen Ausformung des Benachteiligungsverbotes scheidet daher eine unmittelbare Anwendung des § 8 BPersVG aus. Unmittelbar anzuwenden ist hier vielmehr § 46 Abs. 2 BPersVG, der - wie dargelegt - eine Überstundenvergütung für über die persönliche Arbeitszeit hinaus erbrachte Personalratstätigkeit nicht vorsieht. Gegen diese gesetzliche Regelung in § 46 BPersVG bestehen auch im Hinblick auf die abweichende Regelung in § 37 Abs. 3 BetrVG weder aus allgemein-rechtlicher noch aus verfassungsrechtlicher Sicht durchgreifende Bedenken. Sie steht in Übereinstimmung mit dem in § 46 Abs. 1 BPersVG aufgestellten Grundsatz, daß Personalratsmitglieder ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt führen.
Die Nichtgewährung von Überstundenzuschlägen für die von der Klägerin außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit in der Freizeit geleistete Personalratstätigkeit stellt mithin keine Benachteiligung im Sinne der gesetzlichen Regelung dar; vielmehr würde sich die Gewährung von Überstundenzuschlägen als eine unzulässige Bevorzugung der Klägerin darstellen (Grabendorff/Windscheid/-Ilbertz, aaO, § 46 Rz 17; Dietz/Richardi, aaO, § 46 Rz 5; vgl. hierzu auch BAG Urteil vom 7. Februar 1985 - 6 AZR 370/82 - AP Nr. 48 zu § 37 BetrVG 1972).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Röhsler Schneider Dörner
Ostkamp Stenzel
Fundstellen
DB 1987, 282-283 (LT1) |
RdA 1986, 403 |
AP § 46 BPersVG (LT), Nr 6 |
AR-Blattei, Personalvertretung VI Entsch 7 (LT) |
PersR 1987, 107-108 (LT) |
PersV 1991, 188 (K) |