Entscheidungsstichwort (Thema)
Rohrleitungsbau als baugewerbliche Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
- Betriebe, die Metallrohre für Gas-, Wasser-, Öl- oder Fernwärmeleitungen verlegen und dabei Schweißarbeiten ausführen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich der Bautarife, auch wenn sie dabei keine Erdarbeiten verrichten.
- Ist die Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien eines Tarifvertrages nicht streitig und bestehen auch beim erkennenden Gericht im Zeitpunkt der Entscheidung keine Bedenken – mehr – gegen die Tarifzuständigkeit, so kann das Gericht die Tarifzuständigkeit selbst bejahen, ohne das Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG aussetzen zu müssen.
Normenkette
Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 i.d.F. v. 6. Januar 1989 und 22. Dezember 1989 (VTV) §§ 1, 24, 27; ArbGG § 97
Verfahrensgang
Tenor
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. September 1991 – 15 Sa 1589/90 – wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Revision trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer und auf Auskunft hinsichtlich der beschäftigten Angestellten für die Zeit von Dezember 1989 bis Juni 1990 in Anspruch. Grundlage dieser Ansprüche sind die §§ 24 und 27 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 i.d.F. vom 6. Januar 1989 und 22. Dezember 1989 (VTV). Diese Tarifverträge waren jeweils für allgemeinverbindlich erklärt worden (Bundesanzeiger Nr. 104 vom 8. Juni 1989 und Nr. 109 vom 16. Juni 1990).
Die Beklagte hat in den Jahren 1989 und 1990 ausschließlich Rohrleitungen für Gas-, Wasser- und Fernheizungsnetze sowie für den industriellen Anlagenbau montiert, verlegt und dabei Schweißarbeiten ausgeführt. Diese Rohrleitungen dienten dem Transport von Wasser, Gas und Fernwärme und anderen Substanzen. Die Beklagte ist mit dem Schlosserhandwerk in die Handwerksrolle der Handwerkskammer Rhein-Main eingetragen. Sie war 1989 und 1990 jedoch nicht Mitglied einer Innung oder eines Arbeitgeberverbandes.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte unterfalle mit diesen Arbeiten dem betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrenstarifvertrages. Sie verrichte Rohrleitungsbauarbeiten gem. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 VTV. Diese Vorschrift hatte im Klagezeitraum folgenden Wortlaut:
“Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
…
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
- …
- Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Bodendurchpressungen;
…”
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen,
- an sie 31.881,68 DM zu zahlen;
ihr
- Auskunft darüber zu erteilen, wieviele Angestellte insgesamt und wieviele Angestellte, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mindestens 20 Stunden betrug, in den Monaten Dezember 1989 bis Juni 1990 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttogehaltssummen und in welcher Höhe Vorruhestands- sowie Zusatzversorgungsbeiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den genannten Monaten angefallen sind;
- für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach der Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an sie eine Entschädigung in Höhe von 1.610,-- DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, die von ihrem Betrieb durch Schlosser und Schweißer ausgeführten Arbeiten seien Metallarbeiten, wie sie in spezialisierten Schlosserbetrieben verrichtet würden. Sie unterfalle daher den spezielleren Tarifverträgen für die Metallindustrie oder das Schlosserhandwerk und sei vom Geltungsbereich der Bautarife ausgenommen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiter die Abweisung der Klage, während die Klägerin um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, der Betrieb der Beklagten unterfalle dem betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrenstarifvertrages, da er als Betrieb des Rohrleitungsbaus nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 VTV anzusehen sei. Unerheblich sei, daß die Beklagte Metallrohre verlege und überwiegend Schweißarbeiten ausführe. Die Beklagte unterfalle auch nicht einem spezielleren Tarifvertrag der Metallindustrie und des Schlosserhandwerkes, da sie nicht Mitglied einer Innung oder eines entsprechenden Arbeitgeberverbandes sei.
Dem folgt der Senat sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung.
II. Soweit die Beklagte rügt, das Landesarbeitsgericht habe den Sachverhalt nicht voll ausgeschöpft, ist diese Rüge bereits deshalb unzulässig, weil die Beklagte nicht aufgezeigt hat, welche tatsächlichen Umstände das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt haben soll.
III. Der Betrieb der Beklagten unterfiel im Klagezeitraum dem betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrenstarifvertrages. Dieser Tarifvertrag war für allgemeinverbindlich erklärt worden. Ausgenommen von der Allgemeinverbindlicherklärung sind nur Betriebe des Metallbaus, die Mitglied eines Arbeitgeberverbandes der Metallindustrie oder des Metallgewerbes sind, nicht aber alle Betriebe, die “Metallbau” verrichten. Da die Beklagte Mitglied eines solchen Arbeitgeberverbandes nicht war, kommt es allein darauf an, ob ein Betrieb von der Art wie der Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrenstarifvertrages erfaßt wird. Das ist der Fall.
1. Die Erfassung eines Betriebs vom betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrenstarifvertrages bewirkt über die Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 Abs. 4 TVG regelmäßig die Tarifbindung des Arbeitgebers mit der Folge, daß der Verfahrenstarifvertrag im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Klägerin gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 2 TVG unmittelbar und zwingend gilt. Dies ist mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, da die Grundrechte auf Koalitions- und Berufsfreiheit (Art. 9 Abs. 3, Art. 12 GG) und die Vorschrift des Art. 20 Abs. 3 GG nicht verletzt werden (BVerfG Beschluß vom 10. September 1991 – 1 BvR 561/89 – AP Nr. 27 zu § 5 TVG).
2. Ein Betrieb fällt nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI VTV, als Ganzes unter den betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrenstarifvertrages, wenn in ihm im Anspruchszeitraum mit der überwiegenden Arbeitszeit der Arbeitnehmer Arbeiten ausgeführt werden, die gemäß § 1 Abs. 2 VTV als baugewerblich anzusehen sind. Handelt es sich um Arbeiten, die im Beispielskatalog des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannt sind, bedarf es nicht der zusätzlichen Feststellung, ob auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Abschn. I bis Abschn. III VTV erfüllt sind (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG Urteil vom 14. Juni 1989 – 4 AZR 200/89 – AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG Urteil vom 24. Januar 1990 – 4 AZR 493/89 – AP Nr. 125 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 13. März 1991 – 4 AZR 436/90 – AP Nr. 139 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
3. Der Betrieb der Beklagten führt Rohrleitungsbauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 VTV aus. Dazu gehört auch das Verlegen bzw. Montieren von Metallrohren. Dies folgt eindeutig aus dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, die beide für die Tarifauslegung gleichbedeutend und gleichgewichtig maßgeblich sind (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 23. November 1988 – 4 AZR 395/88 – AP Nr. 103 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 26. April 1989 – 4 AZR 49/89 – AP Nr. 110 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 29. Mai 1991 – 4 AZR 524/90 – AP Nr. 142 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Wie bereits der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 18. Januar 1984 (BAGE 45, 11 = AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) näher ausgeführt hat, haben die Tarifvertragsparteien für § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 VTV stets zwischen “Bau” und “Tiefbau” unterschieden. Während früher die “Kabelbauarbeiten” insgesamt aus dem betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 VTV herausgenommen wurden, unterfallen seit 1980 die “Kabeltiefbau arbeiten” dem betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 VTV. Zum “Kabelbau” gehören sowohl die eigentliche Kabelverlegung als auch die dazugehörigen Erdarbeiten, wobei es nicht darauf ankommt, welche der beiden Tätigkeiten überwiegend ausgeübt wird (vgl. BAGE 36, 211, 215 = AP Nr. 35 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 22. Januar 1975 – 4 AZR 10/74 – AP Nr. 23 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAGE 45, 11, 18 = AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Entsprechend umfaßt der Begriff “Rohrleitungsbau” sowohl die bloße Rohrverlegung als auch die dazugehörigen Erdarbeiten, während unter dem Begriff “Rohrleitungstiefbau” nur das Ausheben von Rohrleitungsgräben oder -schächten, deren Wiederauffüllung nach der Rohrverlegung sowie die dann erforderliche Planierung des Erdreichs fallen. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 VTV erstreckt den betrieblichen Geltungsbereich sowohl auf den Rohrleitungsbau als auch auf den Rohrleitungstiefbau, so daß auch das bloße Verlegen oder Montieren von Rohren unter den betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 VTV fällt.
Dagegen spricht auch nicht, daß die Rohre aus Metall sind. Auch Metall ist ein Baustoff, der gerade im Baugewerbe immer mehr Verbreitung findet (vgl. BAG Urteil vom 17. Februar 1971 – 4 AZR 62/70 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 23. November 1988 – 4 AZR 395/88 – AP, aaO). Diese Beurteilung wird durch einen weiteren wichtigen rechtlichen Gesichtspunkt bestätigt. Während früher der “Metallbau” ausdrücklich aus dem fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich des BRTV-Bau ausgeschlossen war, haben die Tarifvertragsparteien diese Ausnahmeregelung später aufgehoben und damit auch den “Metallbau” in den Geltungsbereich der baugewerblichen Tarifverträge einbezogen. Demgemäß fallen nunmehr beispielsweise auch Montagebauarbeiten, bei denen Metall bearbeitet und verarbeitet wird, unter § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 36 VTV (vgl. BAG Urteil vom 23. November 1988 – 4 AZR 395/88 – AP Nr. 103 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 26. April 1989 – 4 AZR 49/89 – AP Nr. 110 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 14. Juni 1989 – 4 AZR 200/89 – AP, aaO).
4. Rohrleitungen im Zuge eines Versorgungsnetzes sind Bauwerke i.S.d. Bautarife. Die Beklagte, die solche Rohrleitungen verlegt, erstellt daher auch gewerblich Bauwerke i.S.des Tarifvertrages.
Der Umstand, daß Rohre gleicher oder ähnlicher Art auch als Bestandteile industrieller Produktionsanlagen verlegt, montiert und dabei auch geschweißt werden, steht dem nicht entgegen. Die Tatsache, daß der industrielle Anlagenbau, auch soweit er das Verlegen von Rohren innerhalb der Anlage beinhaltet, i.d.R. von Betrieben der Metallindustrie ausgeführt wird, ist insoweit ohne Bedeutung. Der Bau von Überlandrohrleitungen unterscheidet sich wesentlich vom industriellen Anlagenbau, auch wenn beim Verlegen und Montieren der Rohre in beiden Fällen Schweißarbeiten verrichtet werden. Es steht den Tarifvertragsparteien frei, im Rahmen ihrer Zuständigkeit den Geltungsbereich ihrer Tarifverträge auf den Überlandrohrleitungsbau zu beschränken und den industriellen Anlagenbau auszunehmen. Daß sie ausschließlich oder wenigstens überwiegend Rohre im Rahmen des industriellen Anlagenbaus verlegt hat, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
IV. Die Tarifvertragsparteien des Verfahrenstarifvertrages sind auch satzungsgemäß zuständig, Tarifverträge für den Rohrleitungsbau abzuschließen. Ihre Tarifzuständigkeit ist gegeben.
Der Senat hatte insoweit zunächst Bedenken. Die eingeholten Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien, die den Parteien bekannt sind, weisen jedoch mit ausführlicher Begründung aus, daß der Rohrleitungsbau, wie ihn die Beklagte verrichtet, von seiner geschichtlichen Entwicklung her eine baugewerbliche Tätigkeit ist und nach dem Verständnis der Verbände des Baugewerbes auch heute noch als Teilgebiet des Baugewerbes angesehen wird. Das kommt auch in der Satzung des Zentralverbandes des deutschen Baugewerbes zum Ausdruck, wonach dieser Verband ausdrücklich auch den Fachbereich sowohl des Rohrleitungstiefbaus als auch des bloßen Rohrleitungsbaus umfaßt. Dieses Verständnis der beteiligten Berufskreise wird bestätigt durch die Tatsache, daß der anerkannte Lehrberuf des Rohrleitungsbauers – auch – ein Bauberuf ist.
Auch die Parteien des vorliegenden Rechtsstreites, insbesondere die Beklagte, haben Bedenken gegen die Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien des Verfahrenstarifvertrages nicht geltend gemacht.
V. Der Senat kann die Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien selbst bejahen. Er ist nicht nach § 97 Abs. 5 ArbGG verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und diese Frage in einem Beschlußverfahren klären zu lassen.
Nach dieser Vorschrift hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlußverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 3 ArbGG auszusetzen, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits davon abhängig ist, ob die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung gegeben ist.
Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt streng genommen von der Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes ab. Die Klägerin macht einen Anspruch aus dem Verfahrenstarifvertrag geltend. Die Begründetheit ihrer Klage setzt u.a. voraus, daß der Tarifvertrag wirksam zustandegekommen ist, was wiederum voraussetzt, daß die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit gehandelt haben. So betrachtet hängt aber die Entscheidung eines jeden Rechtsstreits, in dem Ansprüche aus einem Tarifvertrag geltend gemacht werden, jedenfalls immer dann, wenn die Klage nicht aus anderen Gründen unbegründet ist, davon ab, ob die Tarifvertragsparteien dieses Tarifvertrages tarifzuständig waren. Alle diese Rechtsstreitigkeiten müßten daher jeweils ausgesetzt werden.
Das kann nicht Sinn der Vorschrift sein. Zwar normiert § 97 Abs. 5 ArbGG eine Aussetzungspflicht nicht nur für den Fall, daß die Tarifzuständigkeit streitig ist oder daß gegen diese Bedenken bestehen; gleichwohl ist die Aussetzungspflicht auf diese Fälle zu beschränken.
In diese Richtung gehen auch die spärlichen Stellungnahmen im Schrifttum. Nach Grunsky (ArbGG, 6. Aufl., § 97 Rz 5) und Brehm (MünchArbR, § 381 Rz 55) ist § 97 Abs. 5 ArbGG eng auszulegen, da die Parteien sonst zu einem Verfahren gezwungen würden, an dessen Entscheidung sie kein Interesse hätten. Nach Germelmann/Matthes/Prütting (ArbGG, § 97 Rz 11) kommt eine Aussetzung nicht in Betracht, wenn unter den Parteien über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit kein Streit besteht und auch von Amts wegen insoweit Bedenken nicht zu erheben sind. Einschränkend meint nur Leinemann (GK-ArbGG, § 97 Rz 53), daß eine Aussetzung nicht deswegen unterbleiben könne, weil die Frage unter den Parteien nicht streitig sei, ohne sich zu der Frage zu äußern, ob ein Rechtsstreit auch dann ausgesetzt werden muß, wenn hinsichtlich der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit keine Bedenken bestehen. Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts (Beschluß vom 23. April 1971 – 1 ABR 26/70 – BAGE 23, 320 = AP Nr. 2 zu § 97 ArbGG 1953) zieht eine Aussetzungspflicht nicht in Betracht, wenn die Gewerkschaftseigenschaft eines Verbandes von niemandem bezweifelt wird. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 22. Dezember 1960 – 2 AZR 140/58 – AP Nr. 25 zu § 11 ArbGG 1953) hält eine Aussetzung nicht für geboten, wenn die Tariffähigkeit eines Verbandes nur als Vorfrage für die Parteifähigkeit umstritten ist.
Damit wird von niemandem vertreten, daß ein Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG schon immer dann auszusetzen ist, wenn die Entscheidung des Rechtsstreites nur rein formal davon abhängt, ob eine Tarifvertragspartei für diesen Tarifvertrag tarifzuständig war, unabhängig davon, ob insoweit überhaupt Bedenken gegeben sind oder erhoben werden.
Die Tatsache allein, daß insoweit einmal Bedenken erörtert worden sind und mangels ausreichender Sachaufklärung nicht völlig ausgeschlossen waren, ist insoweit unerheblich, da es auf den Zeitpunkt der Entscheidung, nicht aber auf die davorliegende Phase der Meinungsbildung ankommt.
Damit erweist sich die Revision der Beklagten als unbegründet. Sie hat nach § 97 ZPO die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Dr. Meyer, Wingefeld
Fundstellen
Haufe-Index 856634 |
BB 1994, 363 |
NZA 1994, 562 |