Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsvertragliche Altersgrenze bei Piloten. Arbeitsvertragliche Altersgrenze eines Flugzeugführers. Anwendbarkeit des § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO
Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung des § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO, nach welcher der Luftfahrtunternehmer Mitglieder der Flugbesatzung mit einem Alter von über 60 Jahren nicht einsetzen soll, findet seit dem 1. September 1998 keine Anwendung mehr auf den Betrieb von Flugzeugen, deren höchstzulässige Startmasse mehr als 10.000 kg oder deren höchstgenehmigte Fluggastsitzanzahl mehr als 19 beträgt und die zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen und Sachen eingesetzt werden.
Orientierungssatz
1. Die in der Soll-Vorschrift des § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO für Mitglieder der Flugbesatzung vorgesehene Altersgrenze von 60 Jahren gilt seit 1. September 1998 nicht mehr für die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO bezeichneten Luftfahrzeuge.
2. Durch die am 1. September 1998 eingetretene Änderung der LuftBO ist für den Betrieb von Großflugzeugen keine planwidrige Regelungslücke eingetreten, die durch eine entsprechende Anwendung des § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO ausgefüllt werden müßte.
3. Die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO für anwendbar erklärten Bestimmungen der JAR-OPS 1 deutsch sehen keine Altersgrenze vor.
4. Mit Piloten arbeitsvertraglich vereinbarte Altersgrenzen, welche die Anwendbarkeit des § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO ausdrücklich voraussetzen, führen seit dem 1. September 1998 nicht mehr zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Pilot auf einem der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO bezeichneten Flugzeuge eingesetzt wird.
Normenkette
Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (LuftBO) § 41 Abs. 1 Sätze 1-2, § 1 Abs. 1, 2 Nr. 1; LuftPersV § 16 Abs. 1, 2 S. 1, § 17 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. Mai 2000 – 3 Sa 2136/99 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 27. Oktober 1998 – 9 Ca 461/99 – abgeändert.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. September 1998 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund einer arbeitsvertraglich vereinbarten Altersgrenze am 30. September 1998 geendet hat.
Der am 22. September 1938 geborene Kläger wurde mit Arbeitsvertrag vom 11. Oktober 1989 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der G. GmbH, ab 1. April 1990 als Flugzeugführer zur Verwendung auf dem Flugzeugtyp B 747 eingestellt. Der Arbeitsvertrag sah in § 10 unter der Überschrift „Altersbegrenzung/Rentenzahlung” ua. vor:
„Der Arbeitsvertrag endet, ohne daß es einer Kündigung bedarf, wenn der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet hat.
Soweit ein Gesetz oder eine Verordnung den fliegerischen Einsatz über ein bestimmtes Alter hinaus durch eine zwingende oder eine Soll-Bestimmung nicht gestattet, endet der Arbeitsvertrag, ohne daß es einer Kündigung bedarf, wenn der Mitarbeiter das dort bestimmte Alter erreicht. Gemäß § 41 Abs. 1 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät soll derzeit ein fliegerischer Einsatz bei einem Alter von über 60 Jahren nicht erfolgen, so daß der Arbeitsvertrag mit Vollendung des 60. Lebensjahres endet, soweit diese oder eine entsprechende Vorschrift zu jenem Zeitpunkt noch zu beachten ist.”
Am 19. Januar/13. Februar 1996 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag. Nach dessen Nr. 7 Abs. 2 gilt weiterhin die Altersgrenzenregelung des vorherigen Arbeitsvertrags.
Mit Schreiben vom 7. August 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Arbeitsverhältnis ende am 30. September 1998.
Mit der am 30. September 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 30. September 1998 hinaus geltend gemacht. Sein Arbeitsverhältnis habe nicht nach § 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 11. Oktober 1989 mit der Vollendung seines 60. Lebensjahrs geendet, denn § 41 Abs. 1 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät gelte seit dem 1. September 1998 nicht mehr für die von der Beklagten betriebenen Großflugzeuge.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis über den 30. September 1998 hinaus unbeendet fortbesteht,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 30. September 1998 hinaus weiter als Flugkapitän zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, § 41 Abs. 1 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät gehöre auch nach dem 31. August 1998 zu den beim Betrieb von Großflugzeugen zu beachtenden deutschen luftrechtlichen Bestimmungen. Daher habe das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß § 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 11. Oktober 1989 mit der Vollendung seines 60. Lebensjahrs geendet.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag zu 1) weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht gemäß § 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 11. Oktober 1989 mit der Vollendung des 60. Lebensjahrs des Klägers geendet. Denn zu diesem Zeitpunkt war § 41 Abs. 1 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät oder eine entsprechende Vorschrift beim fliegerischen Einsatz des Klägers auf einer B 747 nicht mehr zu beachten. Damit fehlte es an der arbeitsvertraglich vereinbarten Voraussetzung für eine vor der Vollendung des 65. Lebensjahrs eintretende Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
A. Die Feststellungsklage ist zulässig. Es handelt es sich nicht um eine Entfristungsklage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG (in der vom 1. Oktober 1996 bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung; jetzt § 17 Satz 1 TzBfG), sondern um eine allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, mit welcher die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung begehrt wird. Der Kläger macht die Rechtsunwirksamkeit einer Befristung nur nachrangig geltend. In erster Linie beruft er sich darauf, bei Vollendung seines 60. Lebensjahrs hätten die nach § 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 11. Oktober 1989 erforderlichen Voraussetzungen für eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht vorgelegen. Daher ende sein Arbeitsverhältnis gemäß § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 11. Oktober 1989 erst mit der Vollendung seines 65. Lebensjahres. Nachdem sich die Beklagte der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1998 berühmt, hat der Kläger an der begehrten alsbaldigen Feststellung des Fortbestands seines Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO.
B. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klage begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner gegenteiligen Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, § 41 Abs. 1 Satz 2 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (LuftBO) vom 4. März 1970 (BGBl. I S 262) finde nach dem 1. September 1998 weiterhin auch auf die Luftfahrzeuge Anwendung, die in Art. 1 Nr. 2 § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung zur Änderung luftrechtlicher Vorschriften über Anforderungen an den Betrieb der Luftfahrzeuge vom 29. Juli 1998 (BGBl. I S 1989) beschrieben sind. Zwar würden nach dieser Vorschrift nur noch die darin ausdrücklich genannten §§ 3, 14, 25 und 55 LuftBO sowie die Bestimmungen der Joint Aviation Authorities über die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Sachen in Flugzeugen in ihrer jeweils jüngsten vom Bundesministerium für Verkehr im Bundesanzeiger bekanntgemachten Fassung der deutschen Übersetzung (JAR-OPS 1 deutsch) gelten. Die JAR-OPS 1 deutsch sei aber im Hinblick auf den Regelungsbereich „Flugbesatzung” unvollständig. Daher sei dem Abschnitt N – Flugbesatzung eine Anmerkung vorangestellt. Danach seien bis zum Inkrafttreten der JAR-FCL die entsprechenden nationalen luftrechtlichen Bestimmungen anzuwenden. Zu diesen gehöre § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO, die als einzige nationale luftrechtliche Bestimmung eine Altersgrenze zum Gegenstand habe. Die hiernach vorliegend weiterhin maßgebliche einzelvertragliche Altersgrenze von 60 Jahren sei wirksam.
II. Diese Begründung hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht § 10 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags vom 11. Oktober 1989 dahin verstanden, daß für die Anwendung der darin vereinbarten Altersgrenze das Inkraftbleiben des § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO allein nicht genügt, sondern daß es darauf ankommt, ob die Bestimmung für den fliegerischen Einsatz des Klägers auf einer B 747 noch von Bedeutung ist. Dieses Verständnis entspricht erkennbar dem Sinn und Zweck der arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Das Arbeitsverhältnis sollte danach dann vorzeitig enden, wenn eine luftrechtliche Bestimmung den fliegerischen Einsatz des Klägers bei der Beklagten nicht gestattet. Allein der Umstand, daß die Bestimmung des § 41 Abs. 1 LuftBO durch die Änderungsverordnung vom 29. Juli 1998 nicht vollständig gestrichen wurde, bedeutet daher nicht, daß sie zu dem Zeitpunkt, als der Kläger sein 60. Lebensjahr vollendete, iSd. § 10 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags vom 11. Oktober 1989 „noch zu beachten” war. Entscheidend ist vielmehr, ob zu diesem Zeitpunkt § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO für den gewerbsmäßigen Betrieb des Flugzeugtyps B 747, auf welchem der Kläger eingesetzt wurde, noch von Bedeutung war.
2. Das ist nicht der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, daß § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO seit dem 1. September 1998 auf den Betrieb der in Art. 1 Nr. 2 § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Änderungsverordnung vom 29. Juli 1998 beschriebenen Großflugzeuge keine Anwendung mehr findet.
a) § 41 LuftBO enthält unter der Überschrift „Zusammensetzung der Besatzung” in Absatz 1 folgende Regelung:
„Der Unternehmer hat für jeden Flug den verantwortlichen Luftfahrzeugführer und die Flugbesatzung zu bestimmen. Mitglieder der Flugbesatzung mit einem Alter über 60 Jahre sollen nicht eingesetzt werden.”
Bis zum 31. August 1998 galt die LuftBO nach ihrem § 1 für den Betrieb des nach den Vorschriften der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung zum Verkehr zugelassenen Luftfahrtgeräts. Durch Art. 1 Nr. 2 der Änderungsverordnung vom 29. Juli 1998 wurde der Anwendungsbereich der LuftBO dahin geändert, daß sich gemäß § 1 Abs. 2 LuftBO der Betrieb der in § 1 Abs. 1 LuftBO genannten Luftfahrzeuge
- „bei Flugzeugen, deren höchstzulässige Startmasse mehr als 10 000 Kilogramm oder deren höchst genehmigte Fluggastsitzanzahl mehr als 19 beträgt und die zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen und Sachen eingesetzt werden, nach den §§ 3, 14, 25 und 55 sowie nach den Bestimmungen der Joint Aviation Authorities über die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Sachen in Flugzeugen in ihrer jeweils jüngsten vom Bundesministerium für Verkehr im Bundesanzeiger bekanntgemachten Fassung der deutschen Übersetzung (JAR-OPS 1 deutsch);
- im übrigen nach den nachfolgenden Vorschriften”
richtet.
Gemäß Art. 4 Abs. 3 der am 6. August 1998 im Bundesgesetzblatt bekannt gemachten Änderungsverordnung vom 29. Juli 1998 trat die Verordnung am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats und damit am 1. September 1998 in Kraft.
Die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO in Bezug genommene JAR-OPS 1 deutsch (bekanntgemacht im Bundesanzeiger Nr. 181 a am 4. August 1998) enthält im „Abschnitt N – Flugbesatzung” in JAR-OPS 1.940 Regelungen über die „Zusammensetzung Flugbesatzung”. Dem Abschnitt N ist folgende Anmerkung vorangestellt:
„In diesem Abschnitt wird auf JAR-FCL verwiesen. Bis zum Inkrafttreten dieser Vorschrift sind die entsprechenden nationalen luftrechtlichen Bestimmungen anzuwenden.”
Die JAR-FCL (Joint Aviation Requirements – Flight Crew Licensing) ist bis heute nicht in Kraft getreten. Sie soll zahlreiche Regelungen über die Vergabe von Flugbesatzungslizenzen enthalten. Der Entwurf sieht nach den nicht angegriffenen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts im Abschnitt A 1.060 unter der Überschrift „Beschränkung für Lizenzinhaber ab dem 60. Lebensjahr” folgendes vor:
„60 bis 64 Jahre
Der Inhaber einer Pilotenlizenz darf nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mehr als Pilot von Flugzeugen bei der gewerbsmäßigen Beförderung eingesetzt werden, es sei denn:
- er ist Mitglied einer Flugbesatzung, die aus mehreren Piloten besteht und
- die anderen Piloten haben das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet.
65 Jahre
Der Inhaber einer Pilotenlizenz darf nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr als Pilot von Flugzeugen bei der gewerbsmäßigen Beförderung eingesetzt werden.”
b) Hiernach gilt § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ab dem 1. September 1998 nicht mehr für die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO bezeichneten Luftfahrzeuge. Denn § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO gehört weder zu den in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO ausdrücklich für weiterhin anwendbar erklärten Vorschriften der LuftBO noch zu den Bestimmungen der JAR-OPS 1 deutsch. Es besteht auch keine planwidrige Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwendung des § 41 Abs. 1 LuftBO zu schließen wäre.
aa) Der Verordnungsgeber hat in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO mit den §§ 3, 14, 25 und 55 LuftBO im einzelnen die Vorschriften der LuftBO benannt, die auch weiterhin beim Betrieb der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO bezeichneten Flugzeuge Anwendung finden sollen. Zu diesen Bestimmungen gehört § 41 LuftBO nicht. Anhaltspunkte für ein Redaktionsversehen des Verordnungsgebers liegen nicht vor. Wie sich aus der Begründung zu Art. 1 Nr. 2 der Änderungsverordnung vom 29. Juli 1998 ergibt, wollte der Verordnungsgeber vielmehr mit § 1 Abs. 2 LuftBO ua. auch klarstellen, daß neben den verbindlich eingeführten Bestimmungen der JAR-OPS 1 deutsch „die bisherigen besonderen Flugbetriebsvorschriften des Sechsten Abschnitts der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät insoweit nicht mehr gelten”. Zu diesen Flugbetriebsvorschriften gehört gerade auch § 41 LuftBO.
bb) § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO gehört auch nicht zu den in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO für anwendbar erklärten Bestimmungen der JAR-OPS 1 deutsch. Die Bestimmungen der JAR-OPS 1 deutsch nehmen auf § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO weder ausdrücklich noch mittelbar Bezug. Die JAR-OPS 1 deutsch enthält vielmehr mit JAR-OPS 1.940 nebst Anhang eine eigenständige, detaillierte Regelung über die Zusammensetzung der Flugbesatzung. Darin ist eine Bestimmung, nach der Mitglieder der Flugbesatzung mit einem Alter über 60 Jahren nicht eingesetzt werden sollen, gerade nicht vorgesehen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gehört § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO auch nicht deshalb zu den Bestimmungen der JAR-OPS 1 deutsch iSv. § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO, weil sie als „entsprechende nationale luftrechtliche Bestimmung” im Sinne der Anmerkung vor Abschnitt N – Flugbesatzung JAR-OPS 1 deutsch anzusehen wäre.
(1) Auch wenn der Anmerkung vor Abschnitt N – Flugbesatzung JAR-OPS 1 deutsch durch die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO erfolgte Bezugnahme auf die Bestimmungen der JAR-OPS 1 deutsch normative Bedeutung zukommen sollte, so sind jedenfalls nicht sämtliche der JAR-FCL entsprechenden nationalen luftrechtlichen Bestimmungen zum normativen Inhalt der LuftBO geworden. Ein derart weitreichender Normsetzungswille kann dem Verordnungsgeber der Änderungsverordnung vom 29. Juli 1998 nicht unterstellt werden. Vielmehr wäre es mit den Erfordernissen der hinreichenden Bestimmtheit von Gebots- und Verbotsnormen sowie der Rechtssicherheit unvereinbar, in einer öffentlich-rechtlichen, normativen Vorschrift ohne nähere Konkretisierung pauschal auf nationale Bestimmungen zu verweisen, die den wiederum nicht im einzelnen bezeichneten Vorschriften eines bislang lediglich im Entwurf vorliegenden internationalen Regelungswerks „entsprechen” sollen. Dies gilt um so mehr, als es bisher an einer autorisierten öffentlichen Bekanntmachung der JAR-FCL in deutscher Sprache fehlt, so daß für die Rechtsunterworfenen eine zuverlässige, rechtsstaatlichen Maßstäben genügende Feststellung aller „entsprechenden nationalen luftrechtlichen Bestimmungen” nahezu unmöglich erscheint. Daher kann der Anmerkung vor Abschnitt N – Flugbesatzung JAR-OPS 1 deutsch iVm. § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO normative Geltung allenfalls in der Weise beigemessen werden, daß bei den Bestimmungen in Abschnitt N der JAR-OPS 1 deutsch, die ausdrücklich auf die JAR-FCL Bezug nehmen, statt der einschlägigen in der JAR-FCL vorgesehenen Regelung die entsprechende deutsche luftrechtliche Bestimmung Anwendung finden soll.
(2) § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO ist keine entsprechende deutsche luftrechtliche Bestimmung in diesem Sinn. Zwar mag § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO der in JAR-FCL im Abschnitt A 1.060 vorgesehenen Regelung insofern „entsprechen”, als beide Bestimmungen eine – wenn auch inhaltlich nicht identische – Altersgrenzenregelung zum Gegenstand haben. Die Bestimmungen in Abschnitt N – Flugbesatzung JAR-OPS 1 deutsch enthalten jedoch weder ausdrücklich noch indirekt einen Verweis auf die in JAR-FCL im Abschnitt A 1.060 vorgesehene Altersgrenzenregelung. Diese Bestimmungen verweisen auf die JAR-FCL lediglich in JAR-OPS 1.940 (a) (5) sowie in JAR-OPS 1.945 (a) (1), (b) und (c). Keine dieser Verweisungen bezieht sich dabei auf die Altersgrenzenregelung der JAR-FCL Abschnitt A 1.060.
(a) Nach JAR-OPS 1.940 (a) (5) hat der Luftfahrtunternehmer sicherzustellen, daß ein Pilot, der gemäß JAR-FCL als verantwortlicher Pilot qualifiziert ist, aus der Besatzung zum Kommandanten bestimmt wird; dieser kann die Durchführung des Fluges an einen anderen entsprechend qualifizierten Piloten delegieren. Die der JAR-FCL in diesem Zusammenhang entsprechende nationale luftrechtliche Bestimmung ist § 16 Abs. 2 Satz 1 LuftPersV. Danach berechtigt die gemäß § 16 Abs. 1 LuftPersV erteilte Erlaubnis zur Tätigkeit als verantwortlicher oder zweiter Flugzeugführer auf Flugzeugen der im Luftfahrerschein eingetragenen Muster. Eine Altersgrenze ist insoweit nicht bestimmt. Die Erlaubnis für die Tätigkeit als Verkehrs- oder Berufsflugzeugführer wird aber gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 LuftPersV nur für zwölf Monate erteilt und bedarf nach § 17 Abs. 2 Satz 1 LuftPersV zu ihrer stets nur zwölfmonatigen Verlängerung jeweils des Beweises von 20 Flugstunden sowie eines Überprüfungsflugs mit einem von der Erlaubnisbehörde anerkannten Sachverständigen.
(b) Die weiteren Verweisungen auf die JAR-FCL in JAR-OPS 1.945 (a) (1), (b) und (c) beziehen sich auf die Bestimmungen über die Musterberechtigung. Die Regelungen hierüber enthalten derzeit die §§ 66 ff. LuftPersV. Mit Altersgrenzen hat dies ebenfalls nichts zu tun.
(3) Die vom Landesarbeitsgericht für anwendbar erachtete Verweisungskette widerspricht auch der Systematik des § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO. Denn wenn nach dem Willen des Verordnungsgebers § 41 LuftBO auf die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO bezeichneten Flugzeuge weiterhin hätte Anwendung finden sollen, hätte nichts näher gelegen, als § 41 LuftBO neben den dort ausdrücklich genannten §§ 3, 14, 25 und 55 LuftBO anzuführen. Es ist nicht ersichtlich, warum der Verordnungsgeber statt dessen von einer komplizierten und rechtsstaatlich bedenklichen Verweisungstechnik hätte Gebrauch machen sollen.
cc) Durch die mit Wirkung vom 1. September 1998 eingetretene Unanwendbarkeit des § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO auf die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO bezeichneten Flugzeuge ist keine planwidrige Regelungslücke entstanden, die durch eine entsprechende Anwendung des § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO zu schließen wäre. Ein Regelungskonzept des Verordnungsgebers, auch weiterhin den Einsatz von Piloten im Alter von über 60 Jahren zu verhindern, ist nicht erkennbar. Dies gilt um so mehr, als bereits bisher § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO den Einsatz von Mitgliedern der Flugbesatzung mit einem Alter über 60 Jahren nicht verbot, sondern lediglich eine an den Luftfahrtunternehmer gerichtete Soll-Vorschrift darstellte. Auch die vom Kläger vorgelegten „im Auftrag” des Bundesministeriums für Verkehr unterzeichneten Schreiben vom 25. Februar 1998, vom 10. Juli 1998 und vom 8. Februar 1999 zeigen, daß der Verordnungsgeber der Änderungsverordnung vom 29. Juli 1998 bei deren Erlaß davon ausging, durch diese Änderungsverordnung sei die Anwendbarkeit der Altersgrenzenregelung des § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO auf den Betrieb der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO bezeichneten Luftfahrzeuge entfallen. Die Argumentation des Landesarbeitsgerichts, es sei ein widersinniges Ergebnis, daß es für die Piloten der Großflugzeuge überhaupt keine Altersgrenze mehr gebe, während § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO „im übrigen”, dh. für alle kleineren Fluggeräte fortgelte, ist schon deshalb nicht zwingend, weil sie lediglich eine relativ kurze Übergangszeit betrifft. Denn gemäß Art. 3 Nr. 1 iVm. Art. 4 Abs. 2 der Änderungsverordnung vom 29. Juli 1998 entfiel ab 1. Oktober 1999 die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO vorgesehene Beschränkung auf „größere” Flugzeuge. Die unterschiedlichen Zeitpunkte des Inkrafttretens sollten, wie sich aus der Verordnungsbegründung ergibt, den Luftfahrtbehörden und Luftfahrtunternehmen eine hinreichende Vorbereitungszeit für die Umstellung auf die neuen Anforderungen erlauben. Rückschlüsse auf eine planwidrige Regelungslücke hinsichtlich einer Altersgrenze lassen sich hieraus nicht ziehen. Im übrigen erscheint es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht ohne weiteres „widersinnig”, die Altersgrenzen bei Großflugzeugen, die von einer Mehr-Piloten-Crew geflogen werden, eher zu lockern als bei nur von einem Piloten gesteuerten kleinen Flugzeugen. Immerhin sieht auch die Altersgrenzenregelung der JAR-FCL Abschnitt A 1.060 eine derartige Differenzierung vor.
3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war daher zu dem Zeitpunkt, als der Kläger sein 60. Lebensjahr vollendete, weder § 41 Abs. 1 LuftBO noch eine entsprechende Vorschrift iSd. § 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 11. Oktober 1989 „zu beachten”. Somit lag diese nach dem Arbeitsvertrag erforderliche Voraussetzung für eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht vor. Auf die Wirksamkeit der Altersgrenzenregelung in § 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 11. Oktober 1989 kam es daher vorliegend nicht an (vgl. zur Wirksamkeit von Altersgrenzen bei fliegendem Personal zuletzt BAG 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – und 11. März 1998 – 7 AZR 700/96 – BAGE 88, 118 und BAGE 88, 162 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 11 und 12).
4. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erwiese sich aber selbst dann als rechtsfehlerhaft, wenn mit dem Landesarbeitsgericht davon ausgegangen würde, § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO sei über die vom Landesarbeitsgericht konstruierte Verweisungskette auf den Betrieb der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO bezeichneten Flugzeuge objektiv anwendbar geblieben. Denn dann hätte ab dem 1. September 1998 eine Unklarheit der arbeitsvertraglichen Gestaltung vorgelegen, die zu Lasten der Beklagten ginge. Wenn selbst maßgebliche Vertreter des federführenden Bundesministeriums für Verkehr davon ausgehen, § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO komme auf Grund der Änderungsverordnung vom 29. Juli 1998 ab dem 1. September 1998 beim Betrieb von Großflugzeugen nicht mehr zur Anwendung, so kann nicht angenommen werden, der Kläger habe erkennen können und müssen, daß § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO weiterhin seinen fliegerischen Einsatz im Sinne von § 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 11. Oktober 1989 nicht gestattet. Vielmehr durfte er davon ausgehen, daß ab dem 1. September 1998 die in § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 11. Oktober 1989 grundsätzlich vereinbarte Altersgrenze von 65 Jahren zur Anwendung kommt.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Linsenmaier, Peter Haeusgen, Olga Berger
Fundstellen
BAGE, 216 |
BB 2002, 1104 |
DB 2002, 1667 |
ARST 2002, 93 |
FA 2002, 126 |
FA 2002, 283 |
JR 2002, 484 |
NZA 2002, 669 |
SAE 2002, 350 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 4 |
EzA-SD 2002, 8 |
EzA |
AUR 2002, 236 |
SPA 2002, 6 |