Entscheidungsstichwort (Thema)
Beffristeter Arbeitsvertrag mit wissenschaftlichem Mitarbeiter
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein befristeter Arbeitsvertrag nach § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG verlängert, so ist nicht der Verlängerungsvertrag, sondern der ursprüngliche Vertrag der Befristungskontrolle zu unterziehen.
2. Die Befristung nach § 57 b Abs. 2 Nr. 3 2. Alt. HRG setzt voraus, daß der wissenschaftliche Mitarbeiter bereits außerhalb der jeweiligen Hochschule besondere Kenntnisse gesammelt hat, die er während seiner befristeten Beschäftigung an der Hochschule einbringen soll (Bestätigung der Senatsrechtsprechung vom 6. November 1996 – 7 AZR 126/96 – BAGE 84, 278).
Normenkette
HRG § 57b Abs. 2 Nr. 3, § 57c Abs. 6 Nr. 5
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. Mai 1998 – 5 Sa 1432/97 – aufgehoben.
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 9. April 1997 – 9 Ca 5729/95 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund Befristung zum 31. Oktober 1995 beendet ist.
Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger war beim beklagten Land vom 1. September 1986 bis 31. Oktober 1995 als wissenschaftlicher Angestellter an der Universität Dortmund im Fachbereich Didaktische Chemie beschäftigt. Zunächst wurde er für die Zeit bis zum 31. August 1990 als Zeitangestellter gemäß § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG eingestellt. Neben Dienstleistungsaufgaben in Forschung und Lehre diente das Beschäftigungsverhältnis zugleich der wissenschaftlichen Weiterbildung des Klägers mit dem Ziel der Promotion. Der Kläger schloß sein von Prof. Dr. R. betreutes Promotionsvorhaben, in dem er sich mit dem Thema Nucleinsäuren beschäftigte, im Sommer 1990 erfolgreich ab.
Am 26. März 1990 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag, mit dem der Kläger ab 1. September 1990 bis zum 31. August 1994 als Zeitangestellter gemäß § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG eingestellt wurde. Nach § 5 des Vertrags sollte das Beschäftigungsverhältnis der „vorübergehenden Einbringung besonderer Fachkenntnisse in die Forschungsarbeit” dienen. Prof. Dr. R. hatte beim Rektor der Universität die Einstellung des Klägers mit der Begründung beantragt, es solle ein Lehrgang (Teilcurriculum) über die Chemie der Nucleinsäuren und Nucleotide entwickelt werden. Dies setze Erfahrungen auf den Gebieten biochemischer Arbeitstechniken voraus, die der Kläger bei seinen Arbeiten über Peptid-Modellsubstanzen habe sammeln können.
Von September 1990 bis Juli 1992 war der Kläger zwar am Lehrstuhl von Prof. Dr. R. tätig. Das geplante Projekt, in dem der Kläger eingesetzt werden sollte, wurde jedoch nicht durchgeführt. Der Kläger erledigte andere Aufgaben. Nach der Emeritierung des Prof. Dr. R. im Juli 1992 wechselte der Kläger an einen anderen Lehrstuhl. Vom 1. Juli 1993 bis 31. August 1994 war er zur Wahrnehmung der Aufgaben eines Personalratsmitglieds zu einem Fünftel der regelmäßigen Arbeitszeit von seinen dienstlichen Aufgaben freigestellt. Am 10. August 1994 schlossen die Parteien einen Nachtragsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 26. März 1990, durch den dieser gemäß § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG um die Zeit der Freistellung zur Wahrnehmung von Aufgaben in einer Personalvertretung bis zum 31. Oktober 1995 verlängert wurde. Das beklagte Land lehnte eine Weiterbeschäftigung des Klägers über diesen Zeitpunkt hinaus ab.
Mit seiner am 10. November 1995 erhobenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch Fristablauf bis zum 31. Oktober 1995 geendet hat, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus unbefristet zu den bisherigen Vertragsbedingungen fortbesteht,
- das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 26. März 1990 als wissenschaftlichen Angestellten im Fachbereich Chemie zu den Bedingungen der Vergütungsgruppe BAT II a, Fallgruppe 1 b, Teil 1 der Vergütungsordnung zum BAT tatsächlich weiter zu beschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei nach § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG wirksam.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die Befristung nicht wirksam zum 31. Oktober 1995 beendet.
I. Die Klage ist zulässig. Der Feststellungsantrag, den der Kläger mit der bereits vor dem 1. Oktober 1996 erhobenen Klage verfolgt, ist seit der Änderung des BeschFG durch das Arbeitsrechtliche BeschFG vom 25. September 1996 als Antrag iSv. § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG zu verstehen. Der Senat hat dies bei der Urteilsformel berücksichtigt.
II. Die Klage ist auch begründet.
1. Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht nicht den Nachtragsvertrag vom 10. August 1994, sondern den Arbeitsvertrag vom 26. März 1990 der Befristungskontrolle unterzogen. Allerdings handelte es sich bei dem Nachtragsvertrag vom 10. August 1994 nicht um einen unselbständigen Annex iSd. Senatsrechtsprechung (vgl. BAG 15. Februar 1995 – 7 AZR 680/94 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 166 = EzA BGB § 620 Nr. 130, zu I 2 der Gründe; BAG 1. Dezember 1999 – 7 AZR 236/98 – zVv., zu I der Gründe). Die Verlängerung eines vierjährigen Arbeitsverhältnisses um 14 Monate ist keine verhältnismäßig geringe Korrektur.
Dennoch ist im Streitfall nicht der Nachtragsvertrag vom 10. August 1994, sondern der vorherige Arbeitsvertrag vom 26. März 1990 der Befristungskontrolle zu unterwerfen. Die Rechtsprechung des Senats, nach der bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich nur die Befristung des letzten Vertrags auf ihre sachliche Rechtfertigung zu prüfen ist, beruht auf der Erwägung, daß die Vertragsparteien durch den vorbehaltlosen Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrags ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage stellen, die künftig für ihre Vertragsbeziehungen maßgeblich sein soll (BAG 15. Februar 1995 – 7 AZR 680/94 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 166 = EzA BGB § 620 Nr. 130, zu I 1 der Gründe). Einen derartigen Inhalt hat eine Vereinbarung nach § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG nicht. Durch sie wird das Arbeitsverhältnis nicht insgesamt auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt und die ursprüngliche Befristung der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Vielmehr wird lediglich dem Anspruch des Arbeitnehmers auf die Nichtanrechnung der Zeiten seiner Personalratstätigkeit Genüge getan. Diese Nichtanrechnung erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht automatisch, sondern setzt eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien voraus (BAG 3. März 1999 – 7 AZR 672/97 – AP HRG § 57 c Nr. 5, zu 2 der Gründe mwN).
2. Die Befristung bedurfte, da dem Kläger der ihm andernfalls nach § 1 Abs. 1 KSchG zustehende Kündigungsschutz vorenthalten wurde, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit Großer Senat 12. Oktober 1960 – GS 1/59 – BAGE 10, 65) zu ihrer Rechtfertigung eines sachlichen Grundes. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, ein solcher folge aus § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG.
a) Nach § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG ist ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter gegeben, wenn der Mitarbeiter besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Forschungsarbeit erwerben (erste Alternative) oder vorübergehend in sie einbringen soll (zweite Alternative). Wie sich aus den Gesetzesmaterialien sowie aus Sinn und Zweck der Norm ergibt, soll sie den Personalaustausch zwischen Hochschulforschung und der übrigen Forschung insbesondere in Industrie und Wirtschaft erleichtern (BT-Drucks. 10/2283 S 10). Dadurch soll gewährleistet werden, daß über die Mitwirkung bereits qualifizierter Mitarbeiter an wissenschaftlichen Projekten die Grundlagenforschung und die anwendungsbezogene Forschung entscheidende Impulse erfahren. Sinn der ersten Alternative ist damit der Wissenschaftstransfer in Bereiche außerhalb des bisherigen Arbeitsbereichs der Hochschule nach entsprechendem Erwerb besonderer Kenntnisse und Erfahrungen. Bei der zweiten Alternative des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG setzt der Transfergedanke demgegenüber voraus, daß der Mitarbeiter bereits außerhalb der Hochschule oder in einer anderen Hochschule besondere Kenntnisse oder Erfahrungen gesammelt hat, die er im Rahmen seiner befristeten Beschäftigung in die Forschungsarbeit der Hochschule einbringen kann (BAG 6. November 1996 – 7 AZR 126/96 – BAGE 84, 278, zu 3 a der Gründe). Sinn beider Alternativen des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG ist damit ein Transfer zwischen Bereichen innerhalb und außerhalb der Hochschule, jedenfalls aber von einem Forschungsgebiet der Hochschule in einen anderen Arbeitsbereich der Hochschule (BAG 4. Dezember 1996 – 7 AZR 205/96 – AP HRG § 57 b Nr. 12 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 10, zu I 1 der Gründe). An dieser Rechtsprechung, die im Schrifttum Zustimmung erfahren hat (vgl. KR-Lipke 5. Aufl. § 57 b HRG Rn. 17 – 19; ErfK/Müller-Glöge § 57 b HRG Rn. 14 – 16; Däubler in Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR § 57 b HRG Rn. 10), hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest. Er folgt nicht der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, nach der es unerheblich sein soll, wo das Sonderwissen erworben wurde. Vielmehr kommt es hierauf gerade an. Nach Sinn und Zweck des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG genügt es eben zur Rechtfertigung einer Befristung nicht, daß besondere Kenntnisse erworben oder nutzbar gemacht werden. Teil des Sachgrunds der Befristung ist vielmehr darüber hinaus ein durch Personalaustausch stattfindender Wissenstransfer.
b) Hiernach sind im Streitfall die Voraussetzungen des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG nicht gegeben. Die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen des Klägers, die nach dem Vorbringen des beklagten Landes im Rahmen des zunächst geplanten Projekts nutzbar gemacht werden sollten, hatte der Kläger nicht außerhalb der Hochschule und auch nicht in einem anderen Arbeitsbereich derselben Hochschule, sondern vielmehr bei seiner Promotion an demselben Lehrstuhl erworben. Der in der zweiten Alternative des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG vorausgesetzte Wissenstransfer war daher bereits bei Abschluß des befristeten Arbeitsvertrags vom 26. März 1990 nicht vorgesehen. Auf die Tatsache, daß das geplante Projekt niemals durchgeführt worden ist, kommt es somit nicht an.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Linsenmaier, Jens Herbst, Knapp
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.02.2000 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2000, 1148 |
BB 2000, 1891 |
FA 2000, 263 |
NZA 2000, 1003 |
ZTR 2000, 382 |
AP, 0 |
RiA 2001, 55 |
AUR 2000, 275 |