Entscheidungsstichwort (Thema)
Wechselschichtzulage für Teilzeitbeschäftigte
Leitsatz (redaktionell)
Hinweis des Senats:
Parallelsache zu – 10 AZR 127/92 –
Normenkette
BAT §§ 33a, 34; BeschFG 1985 § 2
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 13.02.1992; Aktenzeichen 1 Ca 2795/91) |
Tenor
1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 13. Februar 1992 – 1 Ca 2795/91 – wird zurückgewiesen.
2. Das beklagte Land trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die teilzeitbeschäftigte Klägerin verlangt die Zahlung einer Wechselschichtzulage in voller Höhe.
Die Klägerin ist seit August 1985 beim beklagten Land als Krankenschwester tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin beträgt seit Anfang 1990 die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Angestellten. Sie arbeitet in Wechselschicht. Nach § 15 BAT ist
Wechselschichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan (Dienstplan), der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen der Angestellte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht (Nachtschichtfolge) herangezogen wird. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird,
und
Schichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan (Dienstplan), der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht.
In den einzelnen Schichten, zu denen die Klägerin eingeteilt war, tat sie jeweils vollen Dienst. Ihrer geringeren Wochenarbeitszeit wurde dadurch Rechnung getragen, daß sie insgesamt zu weniger Diensten herangezogen wurde als vollzeitbeschäftigte Angestellte.
Mit Rücksicht auf ihre Teilzeitbeschäftigung bezahlte das beklagte Land der Klägerin jeweils nur die Hälfte der tariflichen Schicht- bzw. Wechselschichtzulage. Für die Monate April bis Dezember 1991 verlangt die Klägerin die Nachzahlung der – unstreitigen – Differenz i.H.v. 540,– DM brutto. Sie ist der Ansicht, ihr stehe auch als Teilzeitkraft die Schicht- bzw. Wechselschichtzulage in voller Höhe zu. Die wechselschichtbedingte Mehrbelastung, für die die Zulage gezahlt werde, unterscheide sich nicht von der einer Vollzeitkraft. Sie erfülle trotz der Teilzeitbeschäftigung die Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung der vollen Zulage. Insoweit bestimmt § 33 a BAT ab 1. April 1991:
„§ 33 a.
Wechselschicht- und Schichtzulagen
(1) Der Angestellte, der ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt ist, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (§ 15 Abs. 8 Unterabs. 6 Satz 2) vorsieht, und der dabei in je fünf Wochen durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht leistet, erhält eine Wechselschichtzulage von 200,– DM monatlich.
(2) Der Angestellte, der ständig Schichtarbeit (§ 15 Abs. 8 Unterabs. 7 Satz 2) zu leisten hat, erhält eine Schichtzulage, wenn
er nur deshalb die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt,
aa) … oder
bb) weil er durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht nur in je sieben Wochen leistet,
die Schichtarbeit innerhalb einer Zeitspanne von mindestens
aa) 18 Stunden
bb) 13 Stunden geleistet wird.
Die Schichtzulage beträgt in den Fällen des
- Unterabsatzes 1 Buchst. a 120,– DM,
Unterabsatzes 1 Buchst. b
aa) Doppelbuchst. aa 90,– DM
bb) Doppelbuchst. bb 70,– DM
monatlich.”
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
- das beklagte Land zu verurteilen, an sie 540,– DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Dezember 1991 zu zahlen,
- festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihr ab dem 1. Januar 1992 eine Schichtzulage nach § 33 a Abs. 2 BAT i.H.v. 120,– DM monatlich zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hält die Kürzung der Zulage auf die Hälfte im Hinblick auf § 34 Abs. 2 BAT für gerechtfertigt. In dieser Vorschrift heißt es u.a.:
„§ 34. Vergütung Nichtvollbeschäftigter
(1) Nichtvollbeschäftigte Angestellte erhalten von der Vergütung (§ 26), die für entsprechende vollbeschäftigte Angestellte festgelegt ist, den Teil, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. …
Zur Ermittlung des auf eine Stunde entfallenden Anteils der Vergütung ist die Vergütung des entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten durch das 4,348fache der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit … des entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten zu teilen.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend für die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen, soweit diese nicht nur für vollbeschäftigte Angestellte vorgesehen sind.”
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit seiner Sprungrevision erstrebt das beklagte Land weiter die Abweisung der Klage, während die Klägerin um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, daß die Klägerin trotz ihrer Teilzeitbeschäftigung Anspruch auf die volle Schicht- (bzw. Wechselschicht)zulage hat.
1. Unter den Parteien ist nicht im Streit, daß die Klägerin dem Grunde nach die Voraussetzungen nach § 33 a BAT für die Zahlung einer (Wechselschicht- oder) Schichtzulage erfüllt. Sie ist ständig nach einem Schichtplan eingesetzt, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, und sie hat dabei in je sieben Wochen durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen Nachtschicht geleistet.
2. Entgegen der Ansicht des beklagten Landes ist eine Kürzung der Schicht- (bzw. Wechselschicht)zulage auf einen der Arbeitszeit der Klägerin entsprechenden Teil nach § 34 Abs. 2 BAT nicht möglich. Soweit diese Vorschrift eine Kürzung der in Monatsbeträgen festgelegten Schicht- und Wechselschichtzulagen für teilzeitbeschäftigte Angestellte vorschreibt, ist sie wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 nichtig.
a) Nach dieser Vorschrift darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegen- über vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Das Gebot zur Gleichbehandlung erstreckt sich dabei sowohl auf einseitige Maßnahmen als auch auf vertragliche Abmachungen (BAG Urteil vom 25. Januar 1989 – BAGE 61, 43, 46 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 9. Februar 1989 – BAGE 61, 77, 85 = AP Nr. 4 zu § 2 BeschFG 1985, zu B II 5 e der Gründe; BAG Urteil vom 24. Oktober 1989 – BAGE 63, 181, 186 = AP Nr. 29 zu § 11 BUrlG, zu II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 15. November 1990 – BAGE 66, 220, 224 = AP Nr. 11 zu § 2 BeschFG 1985, zu II der Gründe). Dabei hat das „Behandeln” im Sinne des Gesetzes nicht die Rechtsform, sondern die Rechtserheblichkeit des Arbeitgeberverhaltens im Auge (vgl. BAG Urteil vom 25. Januar 1989, aaO). Damit ist auch die Behandlung der Arbeitnehmer aufgrund von Tarifverträgen dem Benachteiligungsverbot unterworfen, folglich auch die Verweigerung von Zulagen im Hinblick auf § 34 Abs. 2 BAT.
Etwas anderes folgt noch nicht aus § 6 Abs. 1 BeschFG 1985. Nach dieser Vorschrift kann zwar von den Vorschriften „dieses Abschnitts” auch zuungunsten des Arbeitnehmers durch Tarifvertrag abgewichen werden. § 6 Abs. 1 BeschFG 1985 gestattet es den Tarifvertragsparteien jedoch nicht, vom Grundsatz der Gleichbehandlung teilzeit- und vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, wie er in § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 konkretisiert und niedergelegt ist, abzuweichen. Das hat der Dritte Senat in seiner Entscheidung vom 29. August 1989 (BAGE 62, 334 = AP Nr. 6 zu § 2 BeschFG 1985) ausgesprochen und ausführlich begründet. Dem schließt sich der Senat an. Auch eine unterschiedliche Behandlung vollzeit- und teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer durch eine tarifvertragliche Regelung muß daher durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein.
3. Die Klägerin wird „wegen der Teilzeitarbeit” gegenüber vollzeitbeschäftigten Krankenschwestern benachteiligt. Das beklagte Land verweigert ihr die volle Zahlung der beanspruchten Zulagen nicht deshalb, weil die Klägerin deren Bezugsvoraussetzungen nicht erfüllt, sondern unter Berufung auf § 34 BAT, weil sie im Vergleich zu Vollzeitkräften weniger Stunden arbeitet.
4. Diese Benachteiligung ist nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
a) Soweit das beklagte Land hierzu geltend macht, die Klägerin sei entsprechend ihrer gegenüber Vollzeitbeschäftigten geringeren Wochenarbeitszeit zu einer geringeren Zahl von Schichten herangezogen worden, rechtfertigt das ihre Benachteiligung nicht. Daß die Klägerin weniger Arbeitseinsätze aufweist als vollzeitbeschäftigte Krankenschwestern desselben Betriebes, ist die Beschreibung ihres „Teilzeitstatus” mit anderen Worten. Der unterschiedliche Umfang der Arbeitsleistung ist aber gerade kein Sachgesichtspunkt, der eine Benachteiligung der Betroffenen rechtfertigen könnte (BAG Urteil vom 6. April 1982 – 3 AZR 134/79 – BAGE 38, 232, 241 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu III 1 b der Gründe; BAG Urteil vom 25. Januar 1989, aaO; BAG Urteil vom 24. Oktober 1989, aaO, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 22. August 1990 – 5 AZR 543/89 – AP Nr. 8 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 6. Dezember 1990 – 6 AZR 159/89 – AP Nr. 12 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 1 b (1) der Gründe).
b) Soweit das beklagte Land vorträgt, zwischen den Arbeitseinsätzen der teilzeitbeschäftigten Krankenschwestern lägen im Vergleich zu den Vollzeitkräften längere Arbeitsunterbrechungen und damit längere Regenerationszeiten, will es offensichtlich geltend machen, daß eine Arbeit in Wechselschicht mit einem bestimmten Anteil von Nachtdiensten für Teilzeitkräfte weniger belastend ist als für Vollzeitkräfte, so daß es sachlich gerechtfertigt sei, bei Teilzeitkräften auch die zum Ausgleich dieser Belastung gezahlte Zulage geringer zu bemessen.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob eine Arbeit in Wechselschichten, so wie sie im Krankenhaus des beklagten Landes von den Krankenschwestern geleistet wird, Teilzeitkräfte weniger belastet als Vollzeitkräfte. Träfe dies zu, könnte die Kürzung der Schicht- und Wechselschichtzulage nach § 34 Abs. 2 BAT im Hinblick auf die geringere Belastung von Teilzeitkräften auch aus arbeitsmedizinischen Gründen sachlich gerechtfertigt sein (BAG Urteile vom 9. Februar 1989 – BAGE 61, 77 = AP Nr. 4 zu § 2 BeschFG 1985; vom 29. Januar 1992 – 5 AZR 518/90 – AP Nr. 18 zu § 2 BeschFG 1985, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Die tarifliche Regelung der Schicht- und Wechselschichtzulagen in § 33 a BAT stellt auf solche möglichen Belastungsunterschiede nicht ab. Voraussetzung für den Anspruch auf die Zulage ist allein, daß der Angestellte dienstplanmäßig regelmäßig in Wechselschichten arbeitet und innerhalb von fünf bzw. sieben Wochen eine bestimmte Zahl von Arbeitsstunden in der Nachtschicht arbeitet. Damit wird allein die sich aus der Arbeit in Wechselschichten überhaupt und einer bestimmten Mindestzahl von Nachtschichtstunden ergebende Belastung durch die Zulage vergütet. Unerheblich ist es nach der tariflichen Regelung, in welchem Rhythmus die einzelnen Schichten aufeinander folgen, wieviel freie Schichten bei einem Wechsel von der einen Schicht in die andere zwischen den Schichten liegen, wie lang also eine mögliche Regenerationszeit ist, und wie viele Stunden Nachtschicht eine Angestellte über die Mindeststundenzahl hinaus leistet. Alle diese Umstände, die für die Gesamtbelastung der in Wechselschicht und Nachtdienst arbeitenden Angestellten von Bedeutung sein mögen, ergeben sich aus dem jeweiligen Dienst- oder Schichtplan, der je nach den betrieblichen Notwendigkeiten in unterschiedlicher Weise gestaltet sein kann. Auch der Umstand, daß die Arbeitszeiten der Teilzeitkräfte im Krankenhaus des beklagten Landes zu vollen Schichten zusammengefaßt werden, ist lediglich eine Folge des Schichtplanes. Würden Teilzeitbeschäftigte nur mit Schichtanteilen im Verhältnis ihrer anteiligen Wochenarbeitszeit eingesetzt, wäre die Zahl ihrer – allerdings kürzeren – Schichten und Freischichten dieselbe wie die der Vollzeitkräfte. Ihre Gesamtbelastung durch die Schicht- und Nachtarbeit mag dann größer sein als bei der gegenwärtigen Handhabung.
Die Tarifvertragsparteien haben nicht die sich aus den genannten Umständen ergebende jeweilige konkrete Belastung zum Maßstab für eine Schicht- oder Wechselschichtzulage gemacht. Sie haben vielmehr – gleich aus welchen Gründen – generell auf die durch eine Arbeit in Wechselschichten und im Nachtdienst begründete Belastung abgestellt und nur hinsichtlich des Umfanges des Nachtdienstes – 40 Stunden in fünf oder sieben Wochen – differenziert. Dieser generellen Belastung, zu deren Ausgleich die Zulage gewährt wird, ist die Klägerin als Teilzeitkraft in gleicher Weise ausgesetzt wie die vollzeitbeschäftigte Angestellte. Ihr steht daher die Schicht- (bzw. Wechselschicht)zulage auch in voller Höhe zu. Wird sie nach § 34 Abs. 2 BAT entsprechend ihrer Arbeitszeit gekürzt, geschieht dies allein „wegen der Teilzeitarbeit”. Das aber verbietet § 2 Abs. 1 BeschFG 1985.
Daß eine tarifliche Regelung der Schicht- und Wechselschichtzulage denkbar ist, die tatsächlich gegebenen möglicherweise unterschiedlichen Belastungen von Teilzeit- und Vollzeitkräften Rechnung trägt, macht die Kürzungsregelung in § 34 Abs. 2 BAT noch nicht zulässig. Die sachlichen Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können, müssen in der Regelung selbst zum Ausdruck kommen. Stellt die tarifliche Regelung auf solche möglichen sachlichen Gründe für eine unterschiedliche Behandlung nicht ab, wird dadurch eine Regelung, die allein auf den Umfang der Arbeitszeit abstellt, nicht wirksam, auch wenn im Einzelfall eine zulässige differenzierende Regelung zum gleichen Ergebnis führen könnte.
Damit erweist sich die Revision des beklagten Landes als unbegründet. Das Land hat daher nach § 97 ZPO die Kosten seiner Revision zu tragen.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Plenge, Wolf
Fundstellen