Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifbegriff. Volle Verpflegung
Leitsatz (amtlich)
Der Begriff volle Verpflegung gemäß Anhang R-IX 2 g zu § 35 TVAL II bedeutet das Zurverfügungstellen von drei Mahlzeiten ohne daß es auf die zeitliche Dauer der Dienstreise ankommt.
Normenkette
§ 35 TVAL II i.V. mit Anhang R-IX 2 g in der bis Juni 1986 geltenden Fassung
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 09.05.1988; Aktenzeichen 9 Sa 989/87) |
ArbG Darmstadt (Urteil vom 22.10.1986; Aktenzeichen 6/7 Ca 94/86) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Mai 1988 – 9 Sa 989/87 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Gewährung eines tariflichen Tagegeldes.
Der Kläger ist bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften als Gerätemechaniker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) in Verbindung mit dem Anhang R in der bis zum 30. Juni 1986 gültigen Fassung Anwendung.
Anhang R-II zu TVAL II trifft u.a. folgende Regelungen über Dienstreisen im Inland:
4. Reisegeld
- …
- Bei einer Dienstreise, deren Beginn und Beendigung auf einen Kalendertag fallen, beträgt das Tagegeld in der Reisekostenstufe … III bei einer Abwesenheit von mehr als … 8 Stunden … 12,50 DM…
- …
Wird während einer Dienstreise von den Stationierungsstreitkräften kostenlos Verpflegung zur Verfügung gestellt, und nimmt der Arbeitnehmer diese Verpflegung in Anspruch, so wird sie wie folgt auf das dem Arbeitnehmer zustehende Tagegeld angerechnet:
für jede der zwei Hauptmahlzeiten |
mit 25 v.H. |
für das Frühstück |
mit 15 v.H. |
des vollen Tagegeldsatzes gem. Ziffer II.4a(1).
Gemäß Anhang R-IX zum TVAL II gelten für Arbeitnehmer in zivilen Arbeitsgruppen/Dienstgruppen folgende Abweichungen:
2. Ziffer II.4 – Reisegeld – wird mit folgenden Abweichungen angewendet:
…
Bei einer Dienstreise, deren Beginn und Beendigung auf einen Kalendertag fallen, beträgt das Tagegeld in der Reisekostenstufe … III bei Abwesenheit von mehr als … 8 Stunden … 12,50 DM…
- …
Abschnitt 4d – Anrechnung kostenloser Verpflegung und freier Unterkunft – entfällt. Statt dessen ist vereinbart:
Wird während einer Dienstreise von den Stationierungsstreitkräften kostenlos Verpflegung zur Verfügung gestellt, so wird sie wie folgt auf das dem Arbeitnehmer zustehende Tagegeld angerechnet:
für jede der beiden Hauptmahlzeiten |
mit 25 v.H. |
für das Frühstück |
mit 15 v.H. |
des vollen Tagegeldsatzes gem. Ziffer II.4a(1)
…
- -f) …
Ziffer II.4 und Ziffer IX.2a bis f – Reisegeld – werden nicht angewendet, wenn dem Arbeitnehmer während der Dienstreise von den Stationierungsstreitkräften kostenlos volle Verpflegung und – sofern Übernachtung erforderlich wird -freie Unterkunft zur Verfügung gestellt werden.
Für diesen Fall ist vereinbart:
Die Ziffer III. 1 – Verpflegungszuschuß – hat folgenden Wortlaut:
“Ein Arbeitnehmer, der seinen ständigen Beschäftigungsort (Ziffern I. 2, 4) aufgrund seines Arbeitsauftrages regelmäßig verlassen und am selben Tag zurückkehren muß, erhält – anstelle des Reisegeldes (Ziffer II. 4a) – einen Verpflegungszuschuß in Höhe der Sätze und unter Anwendung der Bestimmungen der Ziffer II. 4b.”
Der Einsatz des Klägers erfolgt in einer zivilen Arbeitsgruppe bei einer Dienststelle mit Sitz in G…. Er wird überwiegend auswärtig eingesetzt. Vom 1. Januar bis 31. Dezember 1985 war der Kläger an 171 Tagen in K… tätig.
An den Tagen auswärtiger Beschäftigung in K… wurde der Kläger mit einem Bus bei Arbeitsbeginn von G… nach K… und bei Arbeitsende von dort nach G… zurückgebracht. Die Fahrt begann um 7.30 Uhr in G…, die Rückfahrt endete um 17.00 Uhr gleichfalls in G…. In K… wurde dem Kläger ein kostenloses Mittagessen zur Verfügung gestellt. Für die Tage seines auswärtigen Einsatzes erhielt der Kläger eine Ablösung für besondere Erschwernisse und Aufwendungen in Höhe von 5,-- DM gemäß Ziffer IX 2 g des Anhangs R zu § 35 TVAL II. Die jeweiligen Beträge wurden monatlich mit der Lohnabrechnung ausgezahlt, und zwar jeweils für den vorvergangenen Monat.
Mit Schreiben vom 29. Mai 1985 machte der Kläger die Gewährung eines Verpflegungszuschusses wie folgt geltend:
“Hiermit beantrage ich die Gewährung des Verpflegungszuschusses gemäß TVAL-II, Anhang R, Absatz III.
Die vorgenannte Geltendmachung erfolgt im Rahmen des § 49 TVAL-II (Ausschlußfristen).
Begründung:
Gemäß den vorgenannten Bestimmungen habe ich Anspruch auf einen Verpflegungszuschuß, der über den bisher gezahlten Betrag in Höhe von 5,-- DM hinausgeht, da mir nicht, wie im TVAL-II, Anhang R, Absatz IX, Ziffer 2, Buchstabe g, festgelegt, kostenlos volle Verpflegung …' zur Verfügung gestellt wird.”
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf Zahlung eines Tagegeldes nach Anhang R-II 4b für eine Dienstreise mit 9,5 Stunden Abwesenheit täglich. Bei Anrechnung des kostenlosen Mittagessens belaufe sich dieses Tagegeld auf 6,25 DM. Anhang R-IX 2 g komme nicht zur Anwendung, da er keine volle Verpflegung erhalte. Unter voller Verpflegung sei die Gewährung von drei Mahlzeiten täglich zu verstehen. Bei insgesamt 171 Abwesenheitstagen im Jahre 1985 ergebe sich ein Betrag von 1.069,-- DM.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.069,-- DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 20. März 1986 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe nur Anspruch auf Zahlung einer Ablösung nach Anhang R-IX 2 g zum TVAL II. Da der Kläger vor Beginn der Dienstreise frühstücken und nach Abschluß das Abendessen einnenmen könne, falle während der Dienstreise nur das Mittagessen an. Dieses stelle aber die Dienststelle kostenlos zur Verfügung. Der Kläger erhalte also volle Verpflegung, bezogen auf den Zeitraum der Dienstreise.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 213,75 DM stattgegeben. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiter ihr Klageabweisungsbegehren. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat dahingestellt, ob eine Dienstreise gemäß Anhang R-II 1a zum TVAL II oder eine auswärtige Beschäftigung mit täglicher Rückkehr gemäß R-III vorliege. In beiden Fällen stehe dem Kläger pro Dienstreise ein Tagegeld bzw. ein Verpflegungszuschuß in Höhe von 6,25 DM zu. Da der Kläger bereits eine Ablösung von 5,-- DM pro Tag erhalten habe, stehe ihm somit für den Dienstreisetag gemäß R-II 4d noch ein Betrag von 1,25 DM zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei dieser Anspruch auch nicht gemäß R-IX 2 g entfallen, weil dem Kläger keine volle Verpflegung zur Verfügung gestellt worden sei. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden unter voller Verpflegung drei Mahlzeiten verstanden. Davon seien auch die Tarifvertragsparteien ausgegangen, wie sich aus den Anrechnungsvorschriften R-II 4d (1) und R-IX 2c (1) und R-II 5b bzw. R-IX 3b ergebe. Auch sei der Begriff der vollen Verpflegung nicht nach dem jeweiligen tatsächlichen Abwesenheitszeitraum zu bemessen. Nach Ziffer R-IX 2a werde das Tagegeld erst bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden gezahlt. Bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden könne aber der Fall, daß nur eine Mahlzeit anfalle, also die volle Verpflegung darstelle, häufig schon wegen der Dauer der Abwesenheit gar nicht eintreten. Da der Begriff der vollen Verpflegung somit nur bei längeren Abwesenheiten eine Rolle spiele, müsse er dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend als volle Gestellung der üblichen drei Mahlzeiten am Tage verstanden werden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten, der Kläger habe gar keine besonderen Aufwendungen, wenn er Frühstück und Abendessen außerhalb der Dienstreisen einnehme. Es stehe jedem Arbeitnehmer frei, ob er während der Dienstreise überhaupt keine Mahlzeiten einnehme oder sich mit der ihm kostenlos zur Verfügung gestellten Mahlzeit begnüge oder bei 9,5 Stunden Abwesenheit eine zusätzliche Mahlzeit einnehme
Mit Schreiben vom 29. Mai 1985 habe der Kläger die ihm ab 1. Januar 1985 zustehenden Ansprüche rechtzeitig gemäß § 49 TVAL II geltend gemacht. Diese Geltendmachung habe fristwahrende Wirkung für die sich auf denselben Sachverhalt stützenden weiteren Ansprüche für die übrigen Monate des Jahres 1985 gehabt.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind im Ergebnis und weiten Teilen der Begründung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
II. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Bestimmungen des TVAL II Anwendung. Gemäß § 35 TVAL II erhält der Arbeitnehmer nach den Bestimmungen des Anhangs R Kostenersatz für Mehraufwendungen, die infolge einer angeordneten Tätigkeit außerhalb seines ständigen Beschäftigungsortes entstehen. Da der Kläger in einer zivilen Arbeitsgruppe eingesetzt ist, finden die Vorschriften des Anhangs R-IX Anwendung. Anhang R-IX modifiziert in seinen Regelungen die Bestimmungen des Anhangs, die im übrigen vollinhaltlich gelten.
1. Der Anspruch des Klägers ist begründet. Da der Kläger seinen Ständigen Beschäftigungsort G… aufgrund seines Arbeitsauftrags regelmäßig durch den Einsatz in K… verlassen und am selben Tag zurückkehren muß, liegt eine auswärtige Beschäftigung gemäß R-III 1 vor. Der Anspruch des Klägers ergibt sich damit aus § 35 TVAL II in Verbindung mit Anhang R-IX, R-III 1, der auf R-II 4b verweist. Danach erhält der Kläger bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden ein Tagegeld von 12, 50 DM. Hierauf ist das kostenlose Mittagessen mit 25 % des vollen Tagegeldsatzes gemäß R-II 4a (1), in der Reisekostenstufe III 25,-- DM (= 6,25 DM) gemäß R-II 4d (1) anzurechnen. Da der Kläger bereits 5,-- DM Ablösung gemäß R-IX 2 g (1) pro Dienstreisetag erhalten hat verbleibt ein zu zahlender Betrag von 1,25 DM. Bei 171 Dienstreisetagen in Jahre 1985 ergibt dies den vom Landesarbeitgericht zuerkannten Betrag von 213,75 DM.
2. Das Landesarbeitsgericht geht im Ergebnis auch zutreffend davon aus, daß diese tarifliche Anspruchsgrundlage nicht durch die Regelung gemäß R-IX 2 g entfällt. Danach kommen die Abschnitte R-II 4 und R-IX 2a bis f als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer während der Dienstreise kostenlos volle Verpflegung zur Verfügung gestellt wird. Die Revision meint zu Unrecht, bei einer Abwesenheitszeit des Klägers von 7.30 bis 17.00 Uhr werde durch das kostenlose Mittagessen der Begriff volle Verpflegung während der Dienstreise erfüllt, wenn bei der zeitlichen Lage der Dienstreise als Verpflegung nur das Mittagessen zur Verfügung gestellt werde. Damit verkennt die Revision die Systematik des Anhangs R hinsichtlich der im vorliegenden Fall anzuwendenden Vorschriften.
Die Gewährung des Tagegeldes wird von den tatsächlichen Verhältnissen ausgehend davon abhängig gemacht, ob keine Verpflegung, teilweise Verpflegung oder volle Verpflegung zur Verfügung gestellt wird. Wird während einer Dienstreise keine Verpflegung gewährt, erhält der Arbeitnehmer ein volles Tagegeld (vgl. R-IX 2a, R-II 4b). Wird während der Dienstreise teilweise Verpflegung zur Verfügung gestellt, so wird das Tagegeld für jede der zwei Hauptmahlzeiten um 25 % für das Frühstück um 15 % des vollen Tagegeldsatzes gemäß R-II 4a (1) gekürzt (vgl. R-IX 2c, R-II 4d). Wird dagegen kostenlos volle Verpflegung zur Verfügung gestellt, so erhält der Arbeitnehmer anstelle des Tagegeldes eine Ablösung für besondere Erschwernisse und Aufwendungen ( vgl. R-IX w g (1). Aus dieser Systematik und Differenzierung des Tagegeldes bzw. der Ablösung nach dem Umfang der tatsächlich zur Verfügung gestellten Verpflegung wird deutlich, daß die Tarifvertragsparteien bei dem Begriff volle Verpflegung dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem tariflichen Reisekostenrecht folgend von drei Mahlzeiten ausgegangen sind, und insoweit auch die zeitliche Dauer und Lage der Dienstreise unberücksichtigt gelassen haben. Es wird tarifrechtlich nicht drauf abgestellt, ob Frühstück und Abendessen außerhalb der Dienstreise eingenommen werden können. Die Tarifvertragsparteien haben in R-IX 2 g ausdrücklich die Anrechnung nur von der vollen Verpflegung, nicht jedoch von kurzer oder längerer Abwesenheitszeiten abhängig gemacht. Das kommt nach dam tariflichen Gesamtzusammenhang auch dadurch zum Ausdruck, daß es nach den Bestimmungen R-II 4d und R-IX 2c für die Anrechnung allein auf die tatsächliche zur Verfügungstellung kostenloser Hauptmahlzeiten bzw. des Frühstücks ankommt.
Für diese Auslegung spricht weiter der sinn und Zweck der Vorschrift R-IX 2 g. Wie schon der Inhalt der Ausgangsnorm des § 35 TVAL II verdeutlicht, sollen mit dem tariflichen Tagegeld und der in dem Fall des Anhangs R-IX 2 g an seine Stelle tretenden Ablösung die Mehraufwendungen des Arbeitnehmers abgegolten werden, die ihm dadurch entstehen, daß er sich nicht zu Hause verköstigen kann. Nur wenn dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber kostenlos volle Verpflegung gewährt wird, sind beträchtlich niedrigere Aufwendungen notwendig als in den Fällen, in denen das nicht oder nicht in gleichem Umfang geschieht (so BAG Urteil vom 19. Juni 1985 – 4 AZR 538/83 – AP Nr. 2 zu § 35 TVAL II), und der niedrigere Betrag der Ablösung ist für besondere Erschwernisse und Aufwendungen gerechtfertigt.
3. Das Landesarbeitsgericht hat auch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise das Schreiben des Klägers vom 29. Mai 1985 dahin ausgelegt, daß die im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 1985 zustehenden Ansprüche auf Tagegeld rechtzeitig i.S. des § 49 Abs. 2b TVAL II geltend gemacht worden sind. Nach dieser Vorschrift betragen die Ausschlußfristen für alle Ansprüche drei Monate vom Tage der Maßnahme oder Unterlassung, auf die sich der Anspruch stützt.
Die revisionsrechtliche Nachprüfung hat sich bei der Auslegung schriftlicher nichttypischer Willenserklärung darauf zu beschränken, ob allgemeine Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB verletzt sind bzw. ob Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen (ständige Rechtsprechung BAG Urteil vom 14. September 1972 – 5 AZR 212/72 – AP Nr. 34 zu § 133 BGB, m.w.N.). Ausgehend von diesen eingeschränkten Überprüfungsmaßstäben begegnet die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
a) Zu Unrecht meint die Revision, es liege keine ordnungsgemäße Geltendmachung gemäß § 49 Abs. 2b TVAL II vor, weil die Anspruchsgrundlage nicht deutlich herausgestellt worden sei, die Bezifferung der Forderung fehle und der Kläger keinen Antrag für die Vergangenheit gestellt habe. Dies ist rechtlich unzutreffend. Der Kläger begehrt in seinem Schreiben die Gewährung des Verpflegungszuschusses gemäß TVAL II Anhang R-III. Er macht damit eine zutreffende Rechtsgrundlage geltend. Im übrigen erläutert er dieses Begehren mit dem Hinweis, daß die Beklagte nicht kostenlose volle Verpflegung in Sinne des Anhangs R-IX 2 g zur Verfügung Gestellt habe. Rechtlich unbeachtlich ist auch, daß der Kläger seine Forderung nicht im einzelnen beziffert hat. Es ist anerkannt, daß eine solche Bezifferung dann nicht zu erfolgen braucht, wenn aufgrund der einschlägigen tariflichen Bestimmungen eine Ermittlung des Betrages ohne weiteres möglich ist (vgl. Urteil vom 30. März 1989 – 6 AZR 769/85 – nicht veröffentlicht, m.w.N.). Der Beklagten waren alle Abwesenheitstage des Klägers bekannt, da sie für diese die Ablösung geleistet hat. Die Höhe des geltend gemachten Anspruchs war demnach auch ohne Nennung konkreter Zahlen ohne Schwierigkeiten zu ermitteln (vgl. oben II 1). Unzutreffend ist schließlich, daß der Kläger keinen Anspruch für die Vergangenheit geltend gemacht habe. Bei Zugang des Schreibens im Mai 1985 erfaßt dieses Schreiben den Zeitraum bis Ende Februar 1985. Die monatliche Entschädigung für auswärtige Beschäftigung wurde bei der Dienststelle jeweils am Monatsende für den vorvergangenen Monat mit der Lohnabrechnung für den zurückliegenden Monat gezahlt. Die im Monat Januar 1985 angefallenen Tagegelder waren nach dieser Handhabung Ende Februar mit der Februarabrechnung erfaßt worden. Die Beklagte muß sich an diesem Zahlungsmodus festhalten lassen. Unterlassen i. S. des § 49 TVAL II ist die Auszahlung des vollständigen Tagegeldes oder Verpflegungszuschusses in dem Augenblick, in dem sie an sich hätte ausgezahlt werden müssen. Dies war für den Monat Januar der letzte Februartag. Somit war bei Zugang des Schreibens im Monat Mai die dreimonatige Ausschlußfrist auch für Ansprüche aus dem Monat Januar gewahrt.
b) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht das Schreiben vom 29. Mai 1985 auch zutreffend dahin ausgelegt, daß damit streitbefangene Ansprüche bis zum Ende des Jahres 1985 geltend gemacht worden sind. Zwar dienen Ausschlußfristen dazu, dem in Anspruch genommenen Schuldner deutlich zu machen, daß und welche Forderungen auch in Zukunft auf ihn zukommen. Dies hat grundsätzlich durch monatliche Geltendmachung zu erfolgen, sofern der Tarifvertrag wie hier keine Regelung über eine Geltendmachung für die Zukunft enthält. Mit dem Schreiben vom 29. Mai 1985 hat der Kläger jedoch deutlich gemacht, daß er auch für künftige auswärtige Beschäftigung die Zahlung eines Tagegeldes begehrte. Damit hatte die Geltendmachung fristwahrende Wirkung auch für die sich auf denselben Sachverhalt stützenden Ansprüche für die Monate Juni bis Dezember 1985.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Jobs, Dörner, Ramdohr, Kamm
zugleich für den an der Unterschriftsleistung durch Krankheit verhinderten
Dr. Röhsler
Fundstellen
Haufe-Index 841055 |
RdA 1991, 61 |