Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung eines Arbeitnehmerdarlehens
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Senat neigt zu der Auffassung, daß auf Darlehensverträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer das AGB-Gesetz anwendbar ist.
2. Gewährt der Arbeitgeber aus Anlaß seines Firmenjubiläums eine Zuwendung unter der Bedingung, daß diese einer von ihm beherrschten Beteiligungsgesellschaft als Darlehen gegeben wird, das mit 4% p.a. zu verzinsen ist, so ist die Bestimmung des Darlehensvertrages, daß die Laufzeit 15 Jahre beträgt, wenn nicht 12 Monate zuvor gekündigt wird, nicht zu beanstanden.
3. Dagegen bestehen erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Bestimmungen des Darlehensvertrages, wonach sich das Darlehen jeweils um fünf Jahre verlängert, wenn es nicht rechtzeitig gekündigt worden ist, daß die Zinsen, wenn im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit keine Lohn- und Gehaltszahlung anfällt, nur auf Antrag des Mitarbeiters überwiesen werden, und daß 50% der Darlehenssumme erst ein Jahr später ausbezahlt und in dieser Zeit auch nicht verzinst werden.
4. Scheidet der Arbeitnehmer während der Laufzeit des Darlehens aufgrund betriebsbedingter Kündigung aus dem Arbeitsverhältnis aus, so besteht dann kein Anspruch auf sofortige Rückzahlung, wenn die Auslegung des Darlehensvertrages ergibt, daß er in diesem Fall weitergeführt werden soll.
Normenkette
AGBG §§ 3, 9, 6; BGB §§ 607, 133, 157, 242; AGBG § 11 Nr. 6, § 23 Abs. 1; GewO § 117 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG München (Entscheidung vom 20.09.1991; Aktenzeichen 8 Sa 742/90) |
ArbG München (Entscheidung vom 29.05.1990; Aktenzeichen 8 Ca 14192/89) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Darlehens.
Die Klägerin war seit dem 6. September 1979 bei der Firma P. D GmbH & Co. KG als Raumpflegerin beschäftigt. Im Jahre 1988 gewährte diese ihren Arbeitnehmern anläßlich eines Firmenjubiläums eine "Jubiläumszuwendung". Dazu hatten die Klägerin und die Beklagte, deren einziger Gesellschafter die Firma P. D GmbH & Co. KG ist, zwei vorformulierte Verträge unterzeichnet, von denen der eine als "Beteiligungsangebot und Annahme" und der andere als "Darlehensvertrag" bezeichnet wurde.
Der mit "Beteiligungsangebot und Annahme" überschriebene Vertrag lautet auszugsweise wie folgt:
(Die Beklagte) "bietet allen Arbeitnehmern der
Firmengruppe D eine Beteiligung in der
Form eines Arbeitnehmerdarlehens an. Die Höhe der
Eigenleistung des einzelnen Arbeitnehmers beträgt
dabei DM 1.200,--.
Für den Fall, daß die Firma P. D GmbH &
Co. KG anläßlich ihres Firmenjubiläums mir, ...
eine Jubiläumszuwendung in Höhe von DM 1.200,--
zuwendet, werde ich der DMBG ein Darlehen in der
gleichen Höhe gewähren und weise für diesen Fall
bereits heute die Firma P. D GmbH & Co. KG
an, die mir zustehende Jubiläumszuwendung nicht
an mich auszuzahlen, sondern als meine Darlehens-
einzahlung an die DMBG zu überweisen."
In dem Darlehensvertrag (im folgenden: DV) heißt es:
"§ 1
Frau D
...
gewährt der D -M -Beteiligungsge-
sellschaft mbH (DMBG) ein Darlehen in Höhe von DM
1.200,-- (i.W. Eintausendzweihundert).
§ 2
Der Mitarbeiter weist die P. D GmbH & Co.
KG unwiderruflich an, die von der KG gewährte Ju-
biläumszuwendung in Höhe von DM 1.200,-- zur Er-
füllung seiner Darlehenseinzahlungsverpflichtung
unmittelbar an die DMBG zu überweisen.
§ 3
Das Darlehen hat eine Laufzeit von zunächst
15 Jahren. Wird es nicht mit einer Frist von
12 Monaten vor Ablauf gekündigt, so verlängert es
sich um jeweils weitere 5 Jahre.
§ 4
Das Darlehen ist mit 4 % p.a. zu verzinsen.
§ 5
Die Zinsen sind jeweils im Juli eines Kalender-
jahres für das abgelaufene Wirtschaftsjahr
(01.07. des Vorjahres bis 30.06. des Kalenderjah-
res) fällig. Wird für den Mitarbeiter im Juli
eines Kalenderjahres für den Monat Juni des glei-
chen Kalenderjahres eine Lohn- oder Gehaltsab-
rechnung erstellt, so erhält der Mitarbeiter die
Zinsen für das vergangene Geschäftsjahr mit der
Lohn- oder Gehaltsauszahlung überwiesen. Fällt
keine Lohn- oder Gehaltsauszahlung an, so wird
der jährliche Zinsbetrag nur auf Anforderung des
Mitarbeiters unter Nachweis einer Kontoverbindung
bei einer deutschen Bank an ihn überwiesen.
§ 6
Im Falle des Todes des Mitarbeiters ist das Dar-
lehen einschließlich etwa nicht ausbezahlter Zin-
sen auf Anforderung der Erben mit einer Frist von
drei Monaten nach erfolgtem Nachweis der An-
spruchsberechtigung auszuzahlen.
§ 7
Im Falle der Kündigung des Darlehens erfolgt die
Auszahlung der Darlehenssumme und etwa bis dahin
nicht ausbezahlte Zinsen in zwei Raten, nämlich
mit 50 v.H. zum Tag der Wirksamkeit der Kündigung
und mit 50 v.H. ein Jahr später. Die Verzinsung
nach Wirksamkeit der Kündigung entfällt."
Am 29. November 1988 kündigte die Firma P. D GmbH & Co. KG das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31. Dezember 1988. In dem von der Klägerin daraufhin angestrengten Kündigungsschutzprozeß wurde ein Vergleich geschlossen. Danach endete das Arbeitsverhältnis aufgrund betriebsbedingter Kündigung mit dem 31. Dezember 1988 gegen Zahlung einer Abfindung.
Am 21. April 1989 kündigte die Klägerin das von ihr gewährte Darlehen fristlos aus wichtigem Grund und verlangte vergeblich die Rückzahlung.
Sie hat die Auffassung vertreten, es handele sich, obwohl Darlehensnehmer nicht ihr damaliger Arbeitgeber sei, um ein Arbeitnehmerdarlehen. Durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei die Geschäftsgrundlage des Darlehensvertrages entfallen. Ein wichtiger Grund für die vorzeitige Kündigung des Darlehensvertrages sei gegeben. Nur als Mitarbeiterin der Firma P. D GmbH & Co. KG sei sie bereit gewesen, ein Darlehen zu so schlechten Bedingungen zu gewähren. Auch verstießen die lange Laufzeit von 15 Jahren und andere Bestimmungen des Darlehensvertrages gegen das AGB-Gesetz. Im übrigen liege ein Verstoß gegen § 117 GewO vor.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
1.200,-- DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem
1. August 1988 zu zahlen, abzüglich am 25. Juli
1989 gezahlter 38,-- DM.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, Geschäftsgrundlage für die Hingabe des Darlehens sei die verzinsliche Wiederanlage der von der früheren Arbeitgeberin der Klägerin als besondere Vergünstigung gewährten Jubiläumszuwendung. Daß der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für die Darlehenshingabe und den Fortbestand des Darlehensvertrages ohne Bedeutung sei, zeige schon die Laufzeit von 15 Jahren.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Rückzahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zutreffend erkannt, daß die Klägerin zur Zeit keinen Anspruch auf Rückzahlung hat. Die Parteien haben wirksam eine 15-jährige Laufzeit des Darlehens vereinbart. Die Kündigung des Darlehens wirkt erst zum Ende der Laufzeit.
I. Die beiden zwischen den Parteien abgeschlossenen Verträge verstoßen - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat - nicht gegen § 117 Abs. 2 GewO in Verbindung mit § 119 GewO.
Gemäß § 117 Abs. 2 GewO sind Vereinbarungen zwischen Gewerbetreibenden und ihren Arbeitnehmern über die Verwendung des Verdienstes zu einem anderen Zweck als zur Beteiligung an Einrichtungen und zur Verbesserung der Lage der Arbeitnehmer oder ihrer Familien nichtig. Nach § 119 GewO sind den Gewerbetreibenden gleichzuachten Familienmitglieder und "andere Gewerbetreibende, bei deren Geschäft eine der hier erwähnten Personen unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist". Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier gegeben, da die damalige Arbeitgeberin der Klägerin, die Firma P. D GmbH & Co. KG, einzige Gesellschafterin der Beklagten ist.
Die §§ 115 ff. GewO dienen der Lohnsicherung. Ihren wesentlichen Kern bildet das sogenannte Truckverbot des § 115 Abs. 1 GewO. Danach sind "die Gewerbetreibenden ... verpflichtet, die Löhne ihrer Arbeitnehmer in Deutsche Mark zu berechnen und bar auszuzahlen". Das Truckverbot wird ergänzt durch das in § 115 Abs. 2 Satz 1 GewO enthaltene Verbot, den Arbeitnehmern Waren auf Kredit zu verkaufen. Das Kreditierungsverbot will eine Verschuldung und damit eine weitere wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber verhindern (BGH Urteil vom 12. Mai 1975 - III ZR 39/73 - AP Nr. 3 zu § 115 GewO; BVerfGE Beschluß vom 24. Februar 1992 - I BvR 980/88 - BB 1992, 780). § 115 GewO ist, wie das Bundesverfassungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats entschieden hat, weiterhin geltendes Recht (BVerfG, aaO; BAG Urteile vom 20. März 1974 - 5 AZR 351/73 - und vom 6. Dezember 1978 - 5 AZR 436/77 - AP Nr. 1 und 4 zu § 115 GewO). Insbesondere verstößt die Bestimmung nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Dasselbe gilt für das Verbot von Lohnverwendungsabreden des § 117 Abs. 2 GewO, der § 115 GewO ergänzt und erweitert. Auch diese Vorschrift ist geltendes Recht (BGH, aaO).
§ 117 Abs. 2 GewO und die übrigen Lohnsicherungsvorschriften der §§ 115 ff. GewO beziehen sich aber - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nur auf den vereinbarten Lohn (BAG Urteil vom 20. März 1974 - 5 AZR 351/73 - AP Nr. 1 zu § 115 GewO, zu 1 a der Gründe; Urteil vom 15. Mai 1974 - 5 AZR 395/73 - AP Nr. 2 zu § 387 BGB). Dieser soll dem Arbeitnehmer ungeschmälert zukommen. Freiwillige zusätzliche Leistungen im Rahmen von Arbeitsverhältnissen haben zwar Entgeltcharakter. Sie werden aber von den Verboten der §§ 115 ff. GewO nicht erfaßt. Diese Vorschriften verbieten dem Arbeitgeber nicht, dem Arbeitnehmer freiwillige Leistungen in anderer Form als in der der Barauszahlung oder -überweisung zukommen zu lassen. Insoweit ist ein Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers, wie es den §§ 115 ff. GewO zugrundeliegt, nicht gegeben.
Ein solcher Fall liegt auch hier vor. Bei der vom Arbeitgeber gewährten Jubiläumszuwendung handelte es sich um eine zusätzliche, freiwillig gewährte Leistung und nicht um vereinbarten Lohn. Die 1.200,-- DM wurden der Klägerin von vornherein nur unter der Bedingung zugewendet, daß sie diese der Beklagten als Darlehen gebe. Die Klägerin hatte zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf Barauszahlung oder Überweisung der Jubiläumszuwendung.
II. § 3 Satz 1 DV, wonach das Darlehen eine Laufzeit von zunächst 15 Jahren hat, hält einer Inhaltskontrolle stand.
1. Die Bestimmung verstößt nicht gegen § 609 a BGB n.F., da dort nur dem Schuldner zwingende Kündigungsrechte eingeräumt sind.
2. Es liegt auch kein Verstoß gegen § 9 AGBG vor. a) Das Landesarbeitsgericht hat die Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes bejaht. Nach § 23 Abs. 1 AGBG findet dieses Gesetz "keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeits- ... rechts". Nach ganz herrschender Meinung gilt diese Bereichsausnahme nicht für vorformulierte Darlehensverträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern (LAG Saarland Urteil vom 29. April 1987 - 1 Sa 91/86 - LAGE Nr. 1 zu § 9 AGBG = NJW-RR 1988, 1008; Erman/Werner, BGB, 8. Aufl., § 23 AGBG Rz 3; Palandt/Heinrichs, BGB, 51. Aufl., AGBG § 24 Rz 2; Soergel/Stein, BGB, 12. Aufl., § 23 AGBG Rz 4; Wolf/ Horn/Lindacher, AGBG, § 9 Rz D 1; Kohte, AR-Blattei, Anm. zu Darlehen Entsch. Nr. 2 a, b, unter II 1; Jesse/Schellen, Arbeitgeberdarlehen und Vorschuß, S. 75 ff.). Eine Mindermeinung will dagegen auch insoweit die von der Rechtsprechung zur richterlichen Billigkeitskontrolle von Arbeitsverträgen entwickelten Grundsätze heranziehen (Berger-Delhey, DB 1990, 837). Weiter wird die Auffassung vertreten, die Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG reiche soweit wie die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit gehe (Löwe/Trinkner/von Westphalen, AGBG, § 23 Rz 4). Nach § 2 Abs. 4 a ArbGG sind aber für Arbeitgeberdarlehen die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig, da diese mit dem Arbeitsverhältnis zumindest in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.
Für die herrschende Meinung spricht, daß Darlehensverträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zwar meist mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis abgeschlossen werden, beide jedoch in aller Regel rechtlich selbständig sind. Weiter spricht dafür die Begründung für die arbeitsrechtliche Bereichsausnahme. Der Gesetzgeber nahm an, daß der Schutz des schwächeren Vertragspartners im Arbeitsrecht bereits durch ein dichtes Netz von zwingenden Vorschriften (Gesetzen, Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen) verwirklicht werde (BT-Drucks. 7/3919, S. 41). Etwa noch erforderliche Verbesserungen sollten durch arbeitsrechtliche Gesetze erfolgen. Ersteres trifft aber für Darlehensverträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht zu. Hier gibt es in aller Regel keine besonderen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften. Für die Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes spricht bei Arbeitgeberdarlehen schließlich der Umstand, daß vielfach auch der Ehepartner des Arbeitnehmers Vertragspartner des Darlehensvertrages ist und sich Arbeitgeberdarlehen, sofern sie mit Kreditinstituten abgeschlossen werden, vielfach nur in wenigen Bestimmungen von den allgemeinen Darlehensbedingungen unterscheiden. Der Kontrollmaßstab sollte hier von vornherein derselbe sein.
Letztlich bedarf die Frage der Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes hier aber keiner abschließenden Klärung, da die Klage auch dann keinen Erfolg hat, wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, daß das AGB-Gesetz eingreift.
b) Das Landesarbeitsgericht hat einen Verstoß des Darlehensvertrages gegen § 9 AGBG verneint.
Dem ist zu der für die Entscheidung erheblichen Laufzeit von 15 Jahren und zu der Kündigungsfrist von 12 Monaten zu folgen.
Dafür sind nachstehende Erwägungen maßgebend: Die Klägerin hat die Darlehenssumme nicht aus ihrem Vermögen oder aus verdientem Lohn gewährt; es handelte sich um eine Jubiläumszuwendung, auf die die Klägerin keinen Rechtsanspruch hatte, und die zudem nicht von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig war. Wirtschaftlich gesehen hat der Arbeitgeber der Klägerin eine mit 4 % verzinsliche, frühestens in 15 Jahren fällige Darlehensforderung gegen die Beklagte zugewandt. Darin kann - trotz der erheblichen Steuervorteile für den Arbeitgeber - eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG nicht gesehen werden.
c) Dagegen bestehen erhebliche Bedenken dagegen, daß sich das Darlehen jeweils um fünf Jahre verlängert, wenn es nicht rechtzeitig gekündigt worden ist (§ 3 Satz 2 DV), daß die Zinsen, wenn im Juli keine Lohn- oder Gehaltszahlung anfällt, nur auf Antrag des Mitarbeiters überwiesen werden (§ 5 Satz 3 DV) und daß 50 % der Darlehenssumme erst ein Jahr später ausbezahlt und zudem nicht verzinst werden (§ 7 DV).
Es spricht vieles dafür, daß die genannten Bestimmungen gegen § 9 Abs. 1 AGBG verstoßen. Die Beklagte hat bei der Formulierung der genannten Vertragsklauseln allein ihr Interesse und das des Arbeitgebers an einer möglichst langen Vertragsdauer und möglichst geringen Belastungen berücksichtigt. Das ist nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil die Darlehenssumme aus einer Jubiläumszuwendung stammt.
Die Wirksamkeit der genannten Klauseln kann jedoch hier letztlich dahinstehen. Denn auch wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, daß die genannten Bestimmungen nicht Vertragsinhalt geworden oder aber unwirksam sind, folgt daraus nicht die Unwirksamkeit auch von § 3 Satz 1 DV, wonach die Laufzeit zunächst 15 Jahre beträgt. Das ergibt sich aus folgendem: In Abweichung von § 139 BGB bestimmt § 6 Abs. 1 AGBG, daß, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, der Vertrag im übrigen wirksam bleibt. Nach § 6 Abs. 2 AGBG wird die Vertragslücke durch Anwendung des dispositiven Rechts geschlossen; unter Umständen kann auch die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel oder eine ergänzende Vertragsauslegung zur Wiederherstellung der Vertragsgerechtigkeit führen (BGHZ 90, 69, 73 ff.; 96, 18, 26; Erman/Hefermehl, BGB, 8. Aufl., § 6 AGBG Rz 16). Nach § 6 Abs. 3 AGBG ist der Vertrag nur dann unwirksam, "wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Abs. 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde". Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, die in erster Linie den Interessen des Verwenders dienen, liegen im Streitfall ersichtlich nicht vor.
d) Die Laufzeitvereinbarung des § 3 Satz 1 DV ist auch dann wirksam, wenn man mit der Mindermeinung von der Unanwendbarkeit des AGB auf Darlehensverträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeht. Dann wären die von der Rechtsprechung zur richterlichen Billigkeitskontrolle entwickelten Grundsätze anwendbar. Der Arbeitgeber muß bei der Formulierung von Verträgen auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen (vgl. z.B. BAG Urteil vom 24. März 1988 - 2 AZR 630/87 - AP Nr. 1 zu § 241 BGB; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., S. 134 f.). Die Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG läßt - wie allgemein anerkannt ist - die arbeitsgerichtliche Inhaltskontrolle unberührt (Staudinger/ Schlosser, BGB, 12. Aufl., § 23 AGBG Rz 2; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 2. Aufl., § 23 Rz 39; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG,6. Aufl., § 23 Rz 4). Diese arbeitsrechtliche Inhaltskontrolle geht aber bei Darlehensverträgen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zumindest nicht weiter als die auf das AGB-Gesetz gestützte Kontrolle (Jesse/Schellen, Arbeitgeberdarlehen und Vorschuß, S. 77; vgl. auch Berger-Delhey, DB 1990, 837).
III. Das Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis gibt ihr nicht das Recht, die sofortige Rückzahlung des Darlehens zu fordern. Weder folgt ein solches Recht aus einer ergänzenden Auslegung des Darlehensvertrages noch stellt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar noch ist dadurch die Geschäftsgrundlage für den Darlehensvertrag entfallen.
In der Literatur wird die Auffassung vertreten, Verträge über Arbeitnehmerdarlehen seien dahin ergänzend auszulegen, daß das Darlehen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort zurückgefordert werden könne. Außerdem sei der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses Geschäftsgrundlage des Arbeitnehmerdarlehens (Jesse/Schellen, Arbeitgeberdarlehen und Vorschuß, S. 157). Dem kann für die vorliegende Fallgestaltung nicht gefolgt werden.
Eine ergänzende Vertragsauslegung ist nur zulässig, wenn eine Vereinbarung der Parteien zu einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt (BGHZ 84, 1, 7). Das ist hier nicht der Fall. Zwar haben die Parteien diesen Punkt nicht ausdrücklich geregelt; sie haben aber in § 5 DV eine konkludente Vereinbarung getroffen. Dort ist bestimmt, was zu geschehen hat, wenn kein Lohn oder Gehalt zu zahlen ist. Ein solcher Fall liegt - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt - insbesondere dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Das Arbeitnehmerdarlehen sollte der Beklagten langfristig zur Verfügung stehen; das war der Klägerin auch erkennbar. Die Auslegung des Darlehensvertrages ergibt also, daß er im Falle des Ausscheidens des Arbeitnehmers weitergeführt wird.
Die außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrages ist unwirksam. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die außerordentliche Kündigung eines Darlehensvertrages aus wichtigem Grund auch bei fehlender vertraglicher Vereinbarung eines solchen Rechts grundsätzlich zulässig (MünchKomm-Westermann, BGB, 2. Aufl., § 610 Rz 13; Jesse/Schellen, Arbeitgeberdarlehen und Vorschuß, S. 85 f.). Welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen, kann hier dahinstehen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt jedenfalls dann keinen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Darlehensvertrages dar, wenn dessen Auslegung ergibt, daß er auch in einem solchen Fall weitergeführt werden soll, was hier der Fall ist. Aus demselben Grund kann der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Streitfall auch nicht als Geschäftsgrundlage des Darlehensvertrages angesehen werden.
Dr. Thomas Dr. Olderog Dr. Reinecke
Dr. Schlemmer Schütters
Fundstellen
Haufe-Index 440295 |
BB 1993, 1438 |
BB 1993, 1438-1439 (LT1-4) |
DB 1993, 436-438 (LT1-4) |
DStR 1993, 334 (T) |
AiB 1993, 468-469 (LT1-4) |
ARST 1993, 65-66 (LT1-4) |
DWiR 1993, 252-255 (LT) |
EWiR 1993, 379 (L) |
NZA 1993, 936 |
NZA 1993, 936-938 (LT1-4) |
WM IV 1993, 2222-2225 (LT1-4) |
WuB, IX A § 117 GewO 1.94 (LT) |
ZIP 1993, 528 |
ZIP 1993, 528-531 (LT1-4) |
AP § 611 BGB Arbeitnehmerdarlehen (LT1-4), Nr 1 |
AR-Blattei, ES 570 Nr 4 (LT1-4) |
EzA § 117 GewO, Nr 1 (LT1-4) |