Entscheidungsstichwort (Thema)

Abbau einer Überversorgung

 

Normenkette

BetrAVG § 1 Ablösung, §§ 2, 7 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, Abs. 2 Sätze 1, 4; BetrVG 1972 § 77 Abs. 4, § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 02.09.1988; Aktenzeichen 12 Sa 1422/87)

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 20.07.1987; Aktenzeichen 3 Ca 3510/86)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 2. September 1988 – 12 Sa 1422/87 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 20. Juli 1987 – 3 Ca 3510/86 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, die Betriebsrente des Klägers auf 100 % seiner letzten Nettobezüge als aktiver Arbeitnehmer zu begrenzen, während zuvor 75 % der letzten Bruttobezüge maßgebend waren.

Der Kläger, geboren am 17. November 1924, war seit dem 10. Februar 1949 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist am 30. November 1987 nach Vollendung des 63. Lebensjahres unter Inanspruchnahme des flexiblen Altersruhegeldes in der gesetzlichen Rentenversicherung in den Ruhestand getreten.

Die Beklagte, ein Unternehmen der Energieversorgung, gewährt ihren Mitarbeitern und deren Hinterbliebenen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aufgrund einer Versorgungsordnung, die seit dem Jahre 1959 in Betriebsvereinbarungen geregelt ist. Die erste hierüber abgeschlossene Betriebsvereinbarung vom 22. Dezember 1959 wurde mehrfach geändert. Sämtliche Fassungen sahen dienstzeit- und endgehaltsabhängige Leistungen vor: Das Ruhegeld beträgt nach einer Dienstzeit von zehn Jahren 30 % und steigt mit jedem angefangenen weiteren Dienstjahr um 1,5 % bis zu 75 % des ruhegeldfähigen Diensteinkommens. Seit 1959 war in der Versorgungsordnung der Beklagten unverändert eine Obergrenze der Gesamtversorgung aus gesetzlicher Rente und betrieblicher Altersversorgung von 75 % der letzten Bruttoeinkünfte vorgesehen. Die „Ruhegeldordnung I”, die für den Kläger maßgebend ist, enthielt dazu in § 8 der Fassung vom 9. Dezember 1980 folgende Regelung:

„Die Gesamtsumme aller Versorgungsbezüge – eingeschlossen die Leistungen anderer Unternehmen aus früheren Arbeitsverhältnissen und die der gesetzlichen Rentenversicherung (Pflichtversicherung) – sind nach oben auf 75 % des ruhegeldfähigen Einkommens beschränkt. Übersteigen die Gesamtbezüge diese Grenze, so vermindern sich die Versorgungsleistungen der E. um den Unterschiedsbetrag gemäß Abs. 1.”

Diese Vorschrift wurde durch eine Betriebsvereinbarung vom 5. März 1986 geändert. Sie lautet jetzt:

„Die Netto-Bezüge aus monatlichem Ruhegeld einschließlich etwaiger betrieblicher Altersversorgung aus früheren Beschäftigungsverhältnissen und Sozialversicherungsrenten aus einer Pflichtversicherung dürfen 100 % der Netto-Bezüge nicht übersteigen, die sich aus dem ruhegeldfähigen Diensteinkommen gemäß § 7 Abs. 1 der Ruhegeldordnung und einem weiteren 1/30 der monatlichen Grundvergütung im Sinne von § 7 Abs. 1 der Ruhegeldordnung aus dem Durchschnitt der letzten 36 Monate des aktiven Beschäftigungsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalles ergeben. Ein etwaiger Versorgungsausgleich bleibt unberücksichtigt …”

Die Neuregelung soll gelten für Versorgungsfälle, die nach dem 31. Dezember 1986 eintreten (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 c i.d.F. der Betriebsvereinbarung vom 5. März 1986).

Als der Kläger am 30. November 1987 im Alter von 63 Jahren in den Ruhestand trat, hatte er die Höchstversorgung von 75 % der ruhegeldfähigen Bruttobezüge erreicht. Durch die Begrenzung auf das ruhegeldfähige Nettoeinkommen ergibt sich bei der Betriebsrente ein Minderbetrag, den der Kläger mit 373,75 DM und die Beklagte mit 92,71 DM beziffert hat.

Der Kläger will die Begrenzung der Betriebsrente auf sein ruhegeldfähiges Nettoeinkommen nicht hinnehmen. Er hat die Auffassung vertreten, die Rente müsse nach § 8 der Ruhegeldordnung I i.d.F. vom 9. Dezember 1980 berechnet werden. Die neue Regelung sei ihm gegenüber unwirksam; Sie schmälere seine schon zur Zeit der Ablösung erdiente Anwartschaft. Dieser nach § 2 Abs. 1 BetrAVG errechnete Teilbetrag müsse ihm erhalten bleiben. Die zusätzlich erbrachte Betriebstreue wirke sich für ihn nur nachteilig aus. Die Neuregelung verletze auch den Grundsatz des Vertrauensschutzes; er habe über 38 Jahre lang für seine Betriebsrente gearbeitet und seine Versorgungsplanung entsprechend eingerichtet. Schließlich fehle eine Härteregelung für rentennahe Jahrgänge. Bei Abschluß der Betriebsvereinbarung vom 5. März 1986 sei er 61 Jahre alt gewesen; in diesem Alter habe er keine zusätzliche Altersversorgung mehr aufbauen können.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, die ihm bei Eintritt des Versorgungsfalls zustehenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der bisherigen Ruhegeldordnung I vom 9. Dezember 1980 zu berechnen und zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die alte Regelung mit der Obergrenze von 75 % der ruhegeldfähigen Bruttobezüge habe in vielen Fällen zu Überversorgungen geführt. Die seit 1959 um über 50 % angestiegene Belastung der Einkünfte der aktiven Arbeitnehmer mit Steuern und Sozialabgaben habe dazu geführt, daß die Geschäftsgrundlage der früheren Versorgungsordnung erschüttert worden sei. Ursprünglich sei angestrebt worden, den Arbeitnehmern eine Versorgung zu sichern, die ihnen die Beibehaltung ihres bisher erreichten Lebensstandards gewährleiste. Es könne nicht hingenommen werden, daß nunmehr die aktiven Arbeitnehmer sich mit geringeren Effektiveinkünften als die Rentner zufrieden geben müßten. Im Jahre 1959 habe die Obergrenze von 75 % der ruhegeldfähigen Bruttobezüge zu einer angemessenen Angleichung von Rentnern und Aktiven geführt. Der Versorgungsgrad habe 94,4 % betragen. Er sei bis 1986 auf 104,4 % gestiegen und durch die Einführung der Nettoobergrenze nur auf 97,7 % gesenkt worden, liege also nach wie vor höher als die angestrebte Vollversorgung. Unter den gegebenen Umständen sei das Begehren des Klägers nicht schutzwürdig. Selbst als rentennaher Jahrgang habe er keine höhere Gesamtversorgung erwarten können, als er im aktiven Dienst an Arbeitsentgelt erreicht habe.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger kann nicht verlangen, daß seine Betriebsrente nach der früheren Versorgungsordnung berechnet wird. Er kann auch als sogenannter „rentennaher Jahrgang” nicht verlangen, daß die Beklagte ihm eine Rente zahlt, die seine letzten Bezüge als aktiver Arbeitnehmer übersteigt. Maßgeblich ist die neue Versorgungsordnung.

I. Da die Betriebsvereinbarung vom 5. März 1986 die ältere Betriebsvereinbarung vom 9. Dezember 1980 geändert hat, gilt das Ablösungsprinzip: Die jüngere Norm ersetzt die ältere. Ein kollektiver Günstigkeitsvergleich, wie er bei der Ablösung einer vertragsrechtlichen Regelung durch Betriebsvereinbarung geboten ist, kommt nicht in Betracht (Urteil des Senats vom 17. März 1987, BAGE 54, 261 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung).

Doch kann auch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung die durch eine frühere Betriebsvereinbarung begründeten Rechte von Arbeitnehmern nicht schrankenlos schmälern. Die Betriebspartner müssen schon von Verfassungs wegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes beachten, wenn sie in Besitzstände der betroffenen Arbeitnehmer eingreifen (BVerfG, Beschluß vom 16. Februar 1987 – 1 BvR 957/79 – AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen; BVerfGE 65, 196 = AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen). Den Gerichten obliegt eine Rechtskontrolle; die Änderungsgründe sind gegen die Bestandsschutzinteressen der betroffenen Arbeitnehmer abzuwägen (ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 17. März 1987, aaO).

II. Im Streitfall hält die Änderung der bisherigen Gesamtversorgungsobergrenze von 75 % des ruhegeldfähigen Bruttoeinkommens des aktiven Arbeitnehmers auf 100 % des ruhegeldfähigen Nettoeinkommens dieser Prüfung stand.

1. Es trifft zu, daß die Einführung der Nettoobergrenze im Falle des Klägers in den nach § 2 Abs. 1 BetrAVG berechneten Besitzstand eingreift, den dieser zur Zeit des Wirksamwerdens der Neuregelung erdient hatte.

a) Der Kläger hatte am 31. Dezember 1986, als die alte Regelung außer Kraft trat, die für die Vollversorgung zu erbringende Betriebstreue nahezu vollständig erbracht. Er hatte, entgegen der von der Beklagten in der Revisionsinstanz vertretenen Auffassung, bis zum Eintritt in den Ruhestand keine Betriebstreue bis zur Vollendung des 65. Jahres zu leisten. Gemäß § 2 Buchst. a der Ruhegeldordnung I in der insoweit unverändert fortgeltenden Fassung vom 9. Dezember 1980 wird das Ruhegeld gewährt, wenn der Arbeitnehmer „Altersruhegeld nach § 1248 RVO, § 25 AVG oder § 48 RKG erhält”. Zu dem hiernach bezogenen Altersruhegeld zählt auch das flexible Altersruhegeld, das ein Arbeitnehmer mit der Vollendung des 63. Lebensjahres beziehen kann. Dieses Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht der Kläger seit dem 1. Dezember 1987.

b) Eingriffe in den erdienten Besitzstand sind nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig. Der nach § 2 Abs. 1 BetrAVG berechnete Teilwert ist durch Betriebstreue des begünstigten Arbeitnehmers belegt; ein Eingriff bedeutet daher zugleich eine Kürzung des in der Vergangenheit bereits durch eine Gegenleistung des Arbeitnehmers verdienten Entgeltanteils. Hat der Arbeitnehmer eine nach § 1 BetrAVG unverfallbare Anwartschaft erreicht, so genießt der Teilwert außerdem den besonderen Schutz des Betriebsrentengesetzes; er ist gemäß § 7 BetrAVG gegen die Insolvenz des Arbeitgebers versichert. Dieser Schutz ist davon unabhängig, ob die Versorgungsanwartschaft auf vertraglicher Grundlage oder Betriebsvereinbarung beruht.

Soll durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers oder durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in den erdienten Teilbetrag eingegriffen werden, so bedarf es dazu sog. „zwingender Gründe”. Das Betriebsrentengesetz setzt die Zulässigkeit eines solchen Eingriffs voraus, ohne die Voraussetzungen des Eingriffs selbst zu regeln. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG greift der Insolvenzschutz ein, wenn der Arbeitgeber seine Versorgungszusage aus Gründen einer wirtschaftlichen Notlage widerruft; gegen die Insolvenz des Arbeitgebers geschützt ist aber gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 BetrAVG nur der bis zum Widerruf erdiente Teilbetrag, der nach § 1 BetrAVG unverfallbar ist.

Wird der Eingriff in den erdienten Teilwert auf wirtschaftliche Gründe gestützt, so muß sich der Arbeitgeber in einer schweren, konkursgleichen wirtschaftlichen Notlage befinden. Diese schon vorgesetzliche Rechtsprechung des Senats hat das Betriebsrentengesetz bestätigt, indem es das Merkmal der wirtschaftlichen Notlage aufgegriffen und bei zulässiger Ausübung des Widerrufsrechts das Eingreifen des Insolvenzschutzes gewährleistet (statt aller; BAGE 48, 258 = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen; Urteil vom 17. März 1987, aaO, und Urteile vom 18. April 1989 – 3 AZR 688/87 – (Kündigung einer Betriebsvereinbarung) und – 3 AZR 299/87 – (Widerruf einer Unterstützungskassenzusage), beide zur Veröffentlichung bestimmt).

c) Auf eine wirtschaftliche Notlage, die den Versorgungswiderruf zur Erhaltung des Unternehmens zwingend gebietet, beruft sich die Beklagte im Streitfall nicht. Sie hat zwar auf ihre hohe Kostenbelastung hingewiesen, die mit der Versorgung ihrer Rentner verbunden sei, führt dies aber nur unterstützend an. Sie rechtfertigt ihre Neuregelung damit, daß sie Überversorgungen ihrer früheren Arbeitnehmer abbauen müsse. Ihr Versorgungswerk sei in Unordnung geraten, weil die zunehmende Belastung der Aktiveneinkünfte mit Abgaben und Steuern dazu führe, daß den Rentnern eine höhere Gesamtversorgung bleibe, als sie als aktive Arbeitnehmer an Lohn hätten erzielen können. Es könne nicht hingenommen werden, daß die Arbeitnehmer im aktiven Dienst eine geringere Entlohnung erhielten als die Ruheständler an Versorgungsleistungen aus gesetzlicher Rentenversicherung und betrieblicher Altersversorgung.

2. Diese Begründung rechtfertigt den Eingriff auch in den durch Betriebstreue schon erdienten Teilbetrag, der bis zum Wirksamwerden der Neuregelung erreicht war:

a) Jede betriebliche Versorgungsordnung, gleich ob sie vertraglich oder durch Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist, verfolgt das Ziel, den begünstigten Arbeitnehmern eine über die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung hinausgehende Versorgung zu gewährleisten. Das Versorgungsziel kann sich auf geringfügige Verbesserungen der nach den Sozialversicherungsgesetzen gegebenen Versorgungslage beschränken. Versorgungsziel kann auch sein, den ausscheidenden Arbeitnehmern den im aktiven Dienst erreichten Lebensstandard zu erhalten und das betriebliche Versorgungssystem so auszugestalten, daß – näherungsweise – die Gesamtversorgung dem bisher erzielten Arbeitseinkommen entspricht. Darüber hinaus sind dem Senat Versorgungsordnungen bekannt geworden, die weniger durch den Gedanken der „Vollversorgung” der Rentner bestimmt sind als durch den Gedanken des nachträglichen Entgelts für geleistete Dienste und die ohne Rücksicht auf die zuletzt verfügbaren Einkünfte der aktiven Arbeitnehmer Versorgungsleistungen vorsehen, bei denen von vornherein deutlich wird, daß mit einer sog. Überversorgung zu rechnen ist (BAGE 47, 130 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung). Auch die Obergrenze einer Gesamtversorgung wird gelegentlich erheblich über das zuletzt erreichte Aktiveneinkommen hinaus festgesetzt (Urteil des Senats vom 24. April 1990 – 3 AZR 309/88 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

b) Versorgungszusagen, die von vornherein die Möglichkeit eröffnen, eine Gesamtversorgung zu erreichen, die über die letzten effektiven Arbeitseinkünfte hinausgeht, können nicht im Nachhinein allein mit der Begründung eingeschränkt werden, es sei eine sozial unerwünschte Überversorgung eingetreten. Dazu gibt weder das Vertragsrecht, etwa die Lehre von der Geschäftsgrundlage, noch das Betriebsverfassungsrecht, etwa mit dem Ablösungsprinzip, eine rechtliche Handhabe. Wer eine Überversorgung vertraglich verspricht, muß sie auch erbringen, wer eine Überversorgung durch Betriebsvereinbarung normiert, muß sie ebenfalls erbringen, er kann sie nicht allein um einer geänderten Beurteilung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit willen (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) mit rückwirkender Kraft beseitigen.

c) Im Streitfall hat die Beklagte mit ihrer Versorgungsordnung, die insoweit von 1959 bis 1986 unverändert galt, keine Versorgung ihrer Rentner angestrebt, die über die letzten Aktiveneinkünfte hinausgehen sollte. Im Jahre 1959 erreichte die Gesamtversorgungsobergrenze von 75 % der letzten Bruttobezüge einen Versorgungsgrad, der mit 94,4 % geringfügig unter dem lag, was die aktiven Arbeitnehmer an Nettoeinkünften erzielten. Die Arbeitnehmer konnten damals mit Abzügen von 20 bis 25 % ihrer Bruttobezüge rechnen. Da seither die Abgabenbelastung der Löhne auf 30 % und mehr angestiegen ist, die versorgungsberechtigten Rentner aber Sozialabgaben nur in vergleichsweise geringerer Höhe zu leisten haben und außerdem weitgehende Steuervergünstigungen genießen, entspricht die im Jahre 1986 erreichte Versorgung der Ruheständler mit einem Versorgungsgrad von ca. 104,4 % nicht mehr dem, was mit dem Versorgungswerk erreicht werden sollte: Eine an den Effektiveinkünften der aktiven Arbeitnehmer orientierte Vollversorgung ist nicht mehr gewährleistet. Der mit der ursprünglichen Versorgungsordnung verfolgte Zweck wird verfehlt. Die Versorgungsregelung kann infolge der äußeren Einflüsse, insbesondere durch den Anstieg der Lohnbelastung seit 1959 um über 50 %, ihr ursprüngliches Ziel nicht mehr erreichen.

3. Unter den gegebenen Umständen ist es den Betriebsparteien erlaubt, die Versorgungsordnung an die geänderten Verhältnisse anzupassen. Dabei steht ihnen ein Regelungsspielraum zu. Sie dürfen selbst in schon erdiente Versorgungsrechte eingreifen, um das ursprüngliche Regelungsziel wiederherzustellen. Jedenfalls werden die rechtlichen Grenzen des Eingriffs dann nicht überschritten, wenn die Summe aller Versorgungsleistungen auf 100 % der letzten Aktivenbezüge begrenzt wird. Höhere Versorgungsbezüge sind von der Versorgungszusage nicht gedeckt, sondern durch die Abgabenentwicklung entstanden, die das Unternehmen weder vorhersehen noch beeinflussen konnte. Eine ablösende Betriebsvereinbarung, welche die Folgen dieser Entwicklung korrigiert und den ursprünglich gewollten Versorgungsgrad wiederherstellt, ist rechtlich nicht zu beanstanden (BAGE 36, 327, 340 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung und Urteil vom 17. März 1987, aaO, zu II 3 c (1) der Gründe). Die neue Regelung enthält dann gegenüber der Ausgangslage keine Verschlechterung, sondern nur deren Verwirklichung. Ein Eingriff, der diese Grenze einhält, ist nicht unverhältnismäßig, sondern vom Regelungsermessen der Betriebsparteien gedeckt.

III. Der Kläger beruft sich auch auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Dieser Einwand gegen die Wirksamkeit der Neuregelung überzeugt nicht.

Schon in seinem Beschluß vom 8. Dezember 1981 (BAGE 36, 327 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, mit Anm. von Herschel) hat der Senat entschieden, daß durch Betriebsvereinbarung eine Nettoobergrenze von 100 % eingeführt werden darf. Das Vertrauen der Arbeitnehmer auf eine Gesamtversorgung von mehr als 100 % des letzten Nettoeinkommens sei nicht schutzwürdig; das gelte selbst für erdiente Besitzstände, weil die Rückführung auf 100 % des letzten Nettoeinkommens maßvoll und durch dringende Gründe geboten sei (aaO, zu III 2 b der Gründe).

An dieser Auffassung hält der Senat fest. Auch im Streitfall konnten die begünstigten Arbeitnehmer nach der Gestaltung der alten Versorgungsordnung nicht darauf vertrauen, die Fehlentwicklung, die Überversorgungen begünstigte, werde unverändert aufrechterhalten.

IV. Schließlich macht der Kläger geltend, für ihn als rentennahen Jahrgang fehle eine Härteregelung. Das Berufungsgericht ist dem gefolgt. Es hat angenommen, die Nettolimitierung sei im Verhältnis zum Kläger unwirksam; der Kläger sei zur Zeit der Ablösung der alten Versorgungsordnung älter als 60 Jahre gewesen und daher besonders zu schützen.

Der Senat kann sich dieser Begründung nicht anschließen. Er hat in seiner bisherigen Rechtsprechung auf die Rentennähe eines Arbeitnehmers insbesondere dann hingewiesen, wenn dieser von einer Leistungsbeschränkung besonders hart und nachteiliger betroffen würde als jüngere Arbeitnehmer, denen es eher möglich wäre, in anderer Weise für ihr Alter Vorsorge zu treffen (vgl. etwa BAGE 36, 327, 341 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 3 b der Gründe). Eine schematische Festlegung auf die Vollendung des 60. Lebensjahres, wie sie das Berufungsgericht vornimmt, begegnet Bedenken; ein schwerbehinderter Arbeitnehmer im Alter von 59 Jahren, der mit Vollendung des 60. Lebensjahres Versorgungsleistungen beanspruchen kann, ist dem Rentenalter näher als ein 61 Jahre alter Arbeitnehmer, der frühestens mit dem 63. Lebensjahr in den Ruhestand treten kann. Hierauf kommt es indes im Streitfall nicht an. Der Kläger kann ungeachtet seines Alters zur Zeit der Ablösung schon deshalb nicht die Anwendung der alten Versorgungsordnung verlangen, weil die Neuregelung nur dazu führt, daß die Überversorgung abgebaut wird, die dem Kläger bei der Begrenzung der Betriebsrente auf 75 % der letzten Bruttobezüge zugeflossen wäre. Die Versorgungsordnung der Beklagten wird damit so korrigiert, daß das ursprüngliche Versorgungsziel wieder erreicht wird. Darüber hinausgehende Leistungen sind nicht schutzwürdig.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Griebeling, Kremhelmer, Gnade, Dr. Reinfeld

 

Fundstellen

Dokument-Index HI951802

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