Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnpfändung. Umfang eines vorher erteilten Überweisungsauftrags
Leitsatz (redaktionell)
Erteilt ein Arbeitnehmer zusammen mit einer Gehaltsabtretung zugunsten seines Darlehensgläubigers seinem Arbeitgeber den Auftrag, die laufenden Darlehensraten vom Gehalt zu überweisen, so erstreckt sich dieser Auftrag nicht von vornherein auf den unpfändbaren Teil des Gehalts.
Normenkette
BGB § 400; ZPO § 850 c
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 04.08.1987; Aktenzeichen 11 (4) Sa 391/87) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.01.1987; Aktenzeichen 2 Ca 6056/86) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob Darlehensraten aufgrund eines Überweisungsauftrages zugunsten des Post-Spar- und Darlehensvereins vom unpfändbaren Teil des Gehalts einbehalten werden dürfen.
Die bei der Beklagten angestellte Klägerin hatte beim Post-Spar- und Darlehensverein ein Darlehen aufgenommen und hierzu u.a. formularmäßig folgendes vereinbart:
"5. Der Darlehensnehmer beauftragt die Be-
soldungskasse, die Zins- und Tilgungs-
beträge von seinen Bezügen aus der Post-
kasse einzubehalten und an den Verein
abzuführen. Der Verein wird gebeten, in
seinem Namen die Besoldungskasse hiervon
zu unterrichten.
6. Zur Sicherung aller Ansprüche des PSpDV
aus diesem Vertrag tritt der Darlehens-
nehmer an den PSpDV ab:
a) den pfändbaren Teil seiner jeweiligen
Bezüge aus der Postkasse sowie etwaiger
weiterer Einkommen und seinen Anspruch
gegen die Postkleiderkasse auf Beitrags-
rückerstattung...."
Der Post-Spar- und Darlehensverein unterrichtete die Beklagte von dem Überweisungsauftrag, jedoch legte er die Abtretung selbst nicht offen.
Im Februar 1986 pfändeten Gläubiger in vollem Umfang den pfändbaren Teil des Gehalts der Klägerin. Die Beklagte führte daraufhin von dem unpfändbaren Teil des Gehalts in den Monaten Februar bis Mai 1986 jeweils monatlich 205,-- DM und im September 1986 355,-- DM an den Post-Spar- und Darlehensverein ab.
Die Klägerin wendet sich in diesem Rechtsstreit gegen den Abzug vom unpfändbaren Gehaltsteil und hat die Beklagte mit Schreiben vom 11. September und 22. September 1986 zur Rückzahlung von 1.158,20 DM aufgefordert. Darüber hinaus hat die Klägerin mit Schreiben vom 23. September 1986 der Beklagten mitgeteilt, daß sie ab sofort mit freiwilligen Abzügen über die Pfändungsfreigrenzen hinaus nicht einverstanden sei und ein etwa bestehendes früheres Einverständnis ausdrücklich widerrufe. Dieses Schreiben ist der Beklagten am 1. Oktober 1986 zugegangen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte dürfe die Darlehensraten nur vom pfändbaren Teil des Gehalts einbehalten, denn nur insoweit habe die Klägerin ihre Gehaltsforderung an den Post-Spar- und Darlehensverein abgetreten und gemäß § 400 BGB auch nur abtreten können. Der zusammen mit der Abtretung erteilte Überweisungsauftrag gemäß Ziff. 5 der Darlehensbedingungen könne über den Umfang der Abtretung nicht hinausgehen. Aber selbst wenn dieser Auftrag den unpfändbaren Teil des Gehalts so lange erfassen sollte, bis er widerrufen werde, so sei die Klägerin auf diese Möglichkeit nicht hingewiesen worden. Damit habe der Post-Spar- und Darlehensverein gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 des AGB-Gesetzes verstoßen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
1.158,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem
12. September 1986 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu ausgeführt, der gemäß Ziff. 5 der Darlehensbedingungen erteilte Auftrag zur Abführung der Zins- und Tilgungsraten erfasse auch den unpfändbaren Gehaltsteil. Zwar dürfe nach § 400 BGB nur der pfändbare Teil der Gehaltsforderung zur Sicherheit an den Darlehensgeber abgetreten werden, jedoch seien die Darlehensraten nicht aufgrund der Abtretung, sondern allein kraft des Abbuchungsauftrags einbehalten worden. Da die Klägerin diesen jederzeit widerrufen konnte, bedürfe sie nicht des Schutzes des § 400 BGB, der sich nach seinem Wortlaut sowie nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht auf widerrufliche Abbuchungsaufträge erstrecke. Erst nach einem Widerruf dieses Auftrags werde die Abtretung durch den Post-Spar- und Darlehensverein offengelegt und sei nur noch im Rahmen des pfändbaren Gehaltsteils zu berücksichtigen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit der Revision ihr Klagziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und mußte zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten führen.
I. Die Beklagte ist zur Zahlung der vom unpfändbaren Teil des Gehalts einbehaltenen Darlehensraten verpflichtet. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 611 BGB, denn die Beklagte hat insoweit die Gehaltsforderung der Klägerin nicht erfüllt. Die Beklagte durfte den unpfändbaren Teil des Gehalts nicht zur Tilgung der Darlehensschuld der Klägerin verwenden. Die Beklagte darf an einen Dritten - hier den Post-Spar- und Darlehensverein - nur zum Zwecke der Erfüllung leisten, wenn die Klägerin damit einverstanden ist (§ 362 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 185 BGB). An diesem Einverständnis fehlt es.
II. Das Landesarbeitsgericht hat demgegenüber ausgeführt, daß der Abzug der Darlehensraten vom unpfändbaren Teil des Gehalts aufgrund der Abbuchungsermächtigung zu Recht erfolgt sei, denn diese erstrecke sich auch auf die unpfändbaren Gehaltsteile. Die Klägerin könne nach der Gehaltspfändung über den unpfändbaren Teil des Gehalts frei verfügen und die Beklagte anweisen, davon bestimmte Zahlungen zu leisten, genauso wie wenn die Klägerin vom unpfändbaren Teil des Gehalts bestimmte Verpflichtungen bar erfülle.
Das Landesarbeitsgericht hat hierzu die Auffassung vertreten, der vereinbarte Abzug der Darlehensraten vom Gehalt solle auch nicht stillschweigend nur so lange gelten, wie die Abführung der Lohnbeträge aus dem pfändbaren Teil des Lohnes möglich sei.
III. Dieser Auslegung der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden. Es handelt sich um formularmäßige Darlehensbedingungen, die vom Revisionsgericht selbst ausgelegt werden können; denn es ist ein typischer Vertrag, bei dem das Revisionsgericht nicht, wie bei sonstiger Vertragsauslegung, auf die Nachprüfung beschränkt ist, ob die Auslegung denkgesetzlich und nach den Regeln der Erfahrung möglich ist und ob die gesetzlichen und allgemein anerkannten Auslegungsregeln beachtet sind (BAGE 6, 280, 285 = AP Nr. 17 zu § 64 ArbGG 1953).
1. Der Wortlaut des Überweisungsauftrags (Ziff. 5 des Darlehensvertrages) läßt allein noch nicht erkennen, ob er auf den pfändbaren Teil des Gehalts beschränkt ist oder nicht. Bei der Auslegung einer Willenserklärung sind aber alle Begleitumstände zu würdigen, die für die Frage, welchen Willen die Beteiligten bei ihrer Erklärung gehabt haben, von Bedeutung sind (BAGE 22, 424, 426 = AP Nr. 33 zu § 133 BGB).
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin nicht lediglich einen Überweisungsauftrag erteilt hat (Ziff. 5 der Darlehensbedingungen), sondern den pfändbaren Teil der Gehaltsforderung an den Post-Spar- und Darlehensverein abgetreten hat (Ziff. 6 der Darlehensbedingungen). Die Vorinstanz hat diesen Zusammenhang nicht berücksichtigt und ihre Schlußfolgerung allein aus dem Überweisungsauftrag gezogen. Insoweit hat das Berufungsgericht an die Rechtsprechung angeknüpft, wonach eine widerruflich erteilte Einzugsermächtigung anstelle einer Abtretung nicht dem Abtretungsverbot des § 400 BGB unterliegt (BGHZ 4, 153, 167). Hier ist es jedoch anders, denn die Klägerin hat nicht lediglich einen Abbuchungsauftrag erteilt, sondern vor allem ihre Gehaltsforderung - allerdings nur in pfändbarer Höhe - abgetreten. Da die Abtretung der Beklagten nicht offengelegt werden sollte, solange die Klägerin ihre Verpflichtung aus dem Darlehensvertrag erfüllt, mußte die Beklagte sie zwangsläufig unberücksichtigt lassen. Andererseits mußte der Post-Spar- und Darlehensverein - vor Offenlegung der Abtretung - sicherstellen, daß vom Gehalt der Klägerin laufend die Darlehensraten einbehalten und an ihn abgeführt werden. Dazu diente der zusammen mit der Abtretung erteilte Überweisungsauftrag gemäß Ziff. 5 der Darlehensbedingungen, der aus diesem Grunde die Abtretung nur ergänzt und folglich nicht über den Umfang der Abtretung hinausgeht. Dieser Auftrag zugunsten des Post-Spar- und Darlehensvereins hat nur Bedeutung, solange die Abtretung nicht offengelegt wird. Dazu kommt es jedoch, wenn das Gehalt des Darlehensnehmers gepfändet wird (Ziff. 8 der Darlehensbedingungen). Erfolgen aber - wie hier - Pfändungen, so muß der Post-Spar- und Darlehensverein zwecks Berücksichtigung seiner Abtretung diese gegenüber nachfolgenden Pfändungsgläubigern offenlegen. Diese Zusammenhänge sprechen dagegen, daß der Überweisungsauftrag sich im Falle einer Gehaltspfändung zwangsläufig auf den unpfändbaren Teil des Gehalts erstrecken soll.
Eine solche Regelung - selbst wenn sie gewollt wäre - verstieße gegen den Sozialschutz des § 400 BGB, denn man kann nicht mit einem Abbuchungsauftrag zusammen mit einer Abtretung die unpfändbaren Gehaltsteile erfassen, die gerade nicht mit abgetreten werden dürfen (§ 400 BGB).
Soweit die Kassenrichtlinien der Beklagten etwas anderes bestimmen, gelten sie nicht im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten, sondern stellen die eigene Rechtsauffassung der Beklagten dar. Jedoch kann sie sich damit weder über die Darlehensbedingungen noch über den Sozialschutz des § 400 BGB hinwegsetzen.
2. An dieser Rechtslage ändert sich auch nichts durch den Hinweis der Beklagten, die Klägerin könne den Überweisungsauftrag widerrufen. Selbst wenn man davon ausgeht, daß es ein widerruflicher Auftrag ist, obwohl der Wortlaut das nicht erkennen läßt, so ist die Beklagte aufgrund dieses schon vor der Gehaltspfändung erteilten Auftrags allein nicht berechtigt, die Darlehensraten vom unpfändbaren Teil des Gehalts einzubehalten.
Zwar muß der Arbeitnehmer vom unpfändbaren Teil seiner Bezüge seinen Lebensunterhalt bestreiten und kann in diesem Rahmen seinen Arbeitgeber (mit dessen Einverständnis) beauftragen, bestimmte Überweisungen zur Deckung seines Lebensbedarfs vorzunehmen (z.B. Mietzahlungen). Daraus ergibt sich jedoch im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz noch nicht, daß ein noch vor den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erteilter Überweisungsauftrag unverändert fortbestehen soll, nachdem Pfändungen erfolgt sind. Die Beklagte räumt der Klägerin insoweit selbst ein Widerrufsrecht ein. Allerdings hat sie die Klägerin darauf nicht hingewiesen. Die Widerrufsmöglichkeit ergibt sich noch nicht aus dem Darlehensvertrag (vgl. Ziff. 5 Darlehensbedingungen). Andererseits könnte man daran denken, daß die Beklagte - wenn sie davon ausgeht, die Klägerin wolle den Überweisungsauftrag hinsichtlich der unpfändbaren Gehaltsteile aufrechterhalten - bei der Klägerin nachfragt. Eine solche Erkundigungspflicht wird jedenfalls zwischen einer Bank und einem Kunden angenommen, wenn das Konto zur Ausführung der Überweisung keine ausreichende Deckung aufweist (vgl. Canaris in GK zum HGB, 1981, 3. Bd., 3. Teil - Bankvertragsrecht - Rz 538, 539). Das hat die Beklagte versäumt und ohne die hiernach erforderliche Einwilligung die Darlehensraten aus dem unpfändbaren Teil des Gehalts an den Post-Spar- und Darlehensverein überwiesen.
3. Unter diesen Umständen stellt sich nicht mehr die Frage, ob die Darlehensbedingungen des Post-Spar- und Darlehensvereins mit der Klägerin gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 des AGB-Gesetzes verstoßen, weil die Klägerin nicht darauf hingewiesen worden ist, daß sie den Überweisungsauftrag widerrufen könne. Die Anwendung des AGB-Gesetzes ist auf das Rechtsverhältnis der Klägerin zum Post-Spar- und Darlehensverein nicht ausgeschlossen, weil der Verein nicht der Arbeitgeber der Klägerin ist (§ 23 Abs. 1 AGB-Gesetz).
4. Die Forderung der Klägerin ist in der Höhe unstreitig. Die Klägerin kann hierauf die von ihr beanspruchten Zinsen aus dem Gesichtspunkt des Verzuges verlangen, denn sie hat die Beklagte mit Schreiben vom 11. September 1986 erfolglos gemahnt (§§ 284, 285, 279, 288 Abs. 1 BGB).
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Dr. Kalb Nitsche
Fundstellen
Haufe-Index 440412 |
BB 1989, 1059-1060 (LT1) |
DB 1989, 886-887 (LT1) |
NJW 1989, 1501 |
NJW 1989, 1501-1502 (LT1) |
SteuerBriefe 1989, 158-158 (K) |
EBE/BAG 1989, 46-48 (LT1) |
ARST 1989, 148-153 (LT1) |
EWiR 1989, 337-337 (S1-2) |
RdA 1989, 133 |
ZAP, EN-Nr 103/89 (S) |
AP § 400 BGB (LT1), Nr 1 |
AR-Blattei, ES 1130 Nr 64 (LT1) |
AR-Blattei, Lohnpfändung Entsch 64 (LT1) |
EzA § 400 BGB, Nr 1 (LT1) |
EzBAT, Abtretung Nr 1 (LT1) |
FLF 1990, 69 (S) |